Nevermore - Frankfurt

17.10.2006 | 15:19

25.09.2006, Batschkapp

Der Herbst ist heiß! Und das bezieht nicht nur auf die spätsommerlichen Temperaturen, sondern auch die kommenden Touren, die zum Glück auch in Hessen halt machen. Den Anfang machen NEVERMORE, die zusammen mit den Lokalmatadoren COURAGEOUS und ABANDONED die Frankfurter Batschkapp stürmen. Dabei liest sich das Billing sehr lecker, doch trotzdem (oder gerade deshalb) ist an der Abendkasse großes Gedränge angesagt. Vielleicht ist es auf die negativen Begleiterscheinungen mit der DISTURBED-Tour zurückzuführen, die mehr als einmal abgesagt wurde. Aber bei einem Preis von 18 Euro an der Abendkasse kann man bei dem Billing absolut nicht meckern. Und so wartet eine leider kleine, aber feine Menge auf den Opener COURAGEOUS.
[Tolga Karabagli]

COURAGEOUS
Ganz so klein ist die Menge nun auch nicht, aber etwas mehr hätt's schon sein dürfen. Egal, denn ich freue mich erst einmal über perfektes Timing (früher von der Arbeit weg, schnell nach Frankfurt gedüst, im Auto umgezogen und zur Kapp geflitzt, und das genau fünf Minuten vor Showbeginn) und über die persönliche Begrüßung zum Gig durch COURAGEOUS-Fellgerber Jan, der ein kurzes "Hallo Rouven!" ins Mikro blökt, bevor die Jungs mit ihrem Hit 'Listen' gleich in die Vollen gehen. Hinter mir kreisen Haare, auch in der ersten Reihe ist die Stimmung gut - jedoch verhält sich der Rest der zahlenden Besucher eher zurückhaltend und ruhig. Komisch. Immerhin sind COURAGEOUS keine Unbekannten hier in der Heimat, und ich habe bisher noch kein Konzert mit dem Fünfer erlebt, bei dem das Publikum nicht zumindest ansatzweise begeistert gewesen wäre.
Sei's drum, ich hab meinen Spaß und freue mich über die fein zusammengestellte Setlist, welche diesmal zwei neue Songs zu bieten hat: Neben dem bereits vorgestellten 'The System Has Failed' haben Chris und Co. noch das schräge 'A Million Eyes' im Gepäck, welches meiner Beurteilung nach auch recht gut ankommt. Ist ja auch ne feine Sache, so mit dicken Grooves, einem wahrhaft hymnischen Refrain und trotzdem ordentlich Power. Mit 'Sudden Death' kramen die Jungs auch noch eine ältere Granate aus der Waffenkammer, die zusammen mit dem bereits erwähnten, versagenden System am heftigsten Arsch tritt. Fein.
Natürlich darf zum Schluss auch die BEATLES-meets-MARYLIN-MANSON-Nummer 'Yellow Submarine' nicht fehlen, die zwar für gute Stimmung sorgt, die Meute aber leider nicht zum Ausrasten bringt. Schade. Ich verstehe nicht so ganz, wie man COURAGEOUS auf einem NEVERMORE-Konzert (!) links liegen lassen kann, denn "zu kompliziert" gilt in dem Fall nicht als Ausrede. Oder waren alle etwa nur wegen ABANDONED da? Das geht noch besser, Publikum!

Setlist:
Listen
Trapped
A Million Eyes
Fade Away
Sudden Death
Inertia
The System Has Failed
Yellow Submarine

ABANDONED
Nach COURAGEOUS, die mir heute deutlich besser gefallen haben als auf dem "Noisegate Festival", stehen die Bembel-Thrasher ABANDONED auf dem Programm. Um genau 20.59 drischt Konny (dr.) auf sein Drumkit ein und gibt damit die Marschrichtung vor, denn keine zehn Sekunden später entern Kalli (v., g.), Holger (g.) und Günter (b.) die Bühne, um mit 'Meat' eine ordentliche Packung Grinsepeter-Thrash der verdutzten Menge um die Ohren zu blasen. Warum Grinsepeter-Thrash? Weil es unheimlich schwer ist, sich ein Grinsen während einer kompletten Konzertlänge des sympathischen Quartetts zu unterdrücken. Neben den Ansagen, die jedes Mal ein Highlight für sich sind, ist es die Spielfreude, die einem unweigerlich ein fettes Grinsen aufs Gesicht zaubert. Die Setlist umfasst dabei die ersten zwei Demos und natürlich die Debüt-CD "Thrash Notes", womit die meisten Anwesenden sehr gut abgehen können. Gerochen haben ein Großteil der Batschkapp ABANDONED nicht, was wohl nach dem Konzert auch nicht unbedingt angebracht ist, bei den Saunatemperaturen in der Halle. Die Band lässt sich davon jedoch nicht die gute Laune vermiesen und knallt dem Publikum einen Song nach dem anderen vor den Bug. Wenn selbst die Security den Kopf in seitlicher Wackeldackelposition hin und her bewegt, können die Jungs nicht so viel falsch machen. Mit 'Misanthrope' werden aus der Wühlkiste alte Demo-Songs rausgekramt und mit 'Take The Spell' gleich darauf "unser Hit" (O-Ton Kalli) gespielt. Mit 'Nightmares', "unserem langsamsten Song" (wieder O-Ton Kalli), wird zu guter Letzt ein Nackenbrecher allererster Güte zum Abschluss intoniert, um danach die gut aufgewärmte Menge in die frickeligen Arme von NEVERMORE zu überlassen.
Alles in allem eine sehr kurzweilige Angelegenheit, die meiner Meinung nach viel zu früh (genauer gesagt um 21.42 Uhr) sein Ende findet. In der Äppelwoilaune hätte das Quartett ruhig ein bisschen länger spielen können. Wer nach dem Auftritt Blut geleckt hat, wird sich bestimmt am 16.11.2006 wieder in der Batschkapp einfinden. Denn genau an jenem Tag feiert die Kapp ihr 30jähriges Jubliäum. Und drei Mal dürft ihr raten, wer unter anderem dabei ist. Genau: COURAGEOUS und ABANDONED!
[Tolga Karabagli]

Setlist:
Meat
Forcefed
Breed Machine
Demonic
Holy Terror
Hell Is Home
Misanthrope
Take The Spell
Nightmares

NEVERMORE
Neben der Show zur DVD-Aufzeichnung in Bochum dürfte dieser NEVERMORE-Gig wohl einer der außergewöhnlichsten und ganz besonderen gewesen sein - immerhin hat der Seattle-Fünfer momentan keine neue Platte zu promoten (die Tour zu "This Godless Endeavor" fand schließlich schon statt) und somit während der Tour mit DISTURBED auch mal die Möglichkeit, trotzdem als Headliner zu spielen. Auch wenn mir Berichte zu Ohren gekommen waren, nach denen NEVERMORE im Vorporgramm von DISTURBED lustlos und schlecht gewirkt hätten, so konnte ich mir nicht mal Ansatzweise vorstellen, dass dies hier und heute auch so sein könnte. Denn immerhin ist immer noch JAG PANZERs Chris Broderick mit von der Partie, und schwärmte ich bereits beim Metalcamp in Slowenien vom besten NEVERMORE-Gig ever, so muss ich mir heute wohl neue Superlative ausdenken und verwenden ...

Der Einstieg mit 'Final Product' und 'Next In Line' fällt zunächst relativ unspektakulär aus, zumindest was die Songs betrifft. Die Batschkapp hingegen kocht, tobt und feiert das Quintett als gäbe es keinen Morgen mehr. Wahnsinn. Warrel ist sichtlich beeindruckt und knipst die ausrastende oder hüpfende Menge des öfteren mit seiner Digicam - das dürften tolle Erinnerungsfotos werden!
Auch von Langeweile oder Motivationslosigkeit auf der Bühne keine Spur: Mister Dane spult einen Bühnenkilometer nach dem anderen ab, ist ständig in Bewegung und schlürft in den Pausen artig seinen Tee. Basser Jim hat sichtlich Spaß am Posen (sind ja auch viele Mädels da ;-)), und die Tatsache, dass sich Jeff Loomis wieder am liebsten hinter seinen blonden Locken versteckt, macht Chris Broderick mit seiner Bühnenshow mehr als wett. Publikumsnah, engagiert, begeistert und voll in der Materie drin. Würde mich nicht wundern, wenn der doch bei NEVERMORE bliebe. Die erste große Überraschung setzt es dann mit 'I Am The Dog', das Warrel mit den Worten ankündigt, dass man an diesem Abend mehr auf ein Album schauen werde, das sonst vernachlässigt wurde. Die Rede ist natürlich von "Dreaming Neon Black", dem mit Abstand persönlichsten Werk des Sängers. So folgt auf den Hund direkt noch die Überballade in Form des Titelsongs, bevor ein superbes Medley aus 'What Tomorrow Knows' und 'The Garden Of Gray' Erinnerungen an ganz alte Tage aufkeimen lässt. Zwar kein SANCTUARY, aber nah dran. Übrigens: Warrel würde nach eigenen Aussagen liebend gerne Sachen von seiner alten Truppe spielen, wollte aber nicht verraten, wer darauf eher keinen Bock hat.

Nachdem 'I, Voyager' angesichts dieses Klassiker-Overkills schon fast etwas abfällt, wird es dann sehr episch: 'The Learning' wird dabei perfekt zelebriert, enthusiastisch vom Publikum aufgenommen, das teils sogar ob dieser Darbietung etwas sprachlos zu sein scheint. Geht mir nicht anders. 'Sentient 6' singt die ganze Halle mit (wer war nochmal der 'Heart Collector'? ;-)), und 'Dead Heart In A Dead World' läutet Warrel wieder a capella ein. Herrlich. Den Schlusspunkt setzt zunächst 'Born', das erneut aus hunderten Kehlen mitgeschmettert wird, bevor sich NEVERMORE in den Backstagebereich verziehen. Die Kapp-Besatzung brüllt die Jungs aber in Nullkommanix wieder auf die Bühne, und nach dem finalen Duo, bestehend aus dem aktuellen Titelsong und den 'Enemies Of Reality', bin ich wieder einmal froh, dass ich kein Gitarrist bin. Wenn Chris Broderick ca. 20cm vor einem auf der Bühne kniet und den zweistimmigen Part der 'Enemies' zusammen mit Jeff Loomis runtergniedelt, dann gibt es nur noch ganz wenige Sachen, die toller sind. Schade nur, dass nach den zwei Zugaben wirklich Schluss ist. Der Stimmung nach zu urteilen hätten wir NEVERMORE auch noch fünf Mal wieder auf die Bühne brüllen können ...

Unterm' Strich erneut ein grandios-guter Gig, und ich bin wieder versucht, von NEVERMORE in absoluter Bestform zu sprechen: Warrel liefert einen atemberaubenden Gig ab, sowohl von der Gesangsleistung als auch vom Stageacting her, und der Rest seiner Mannen steht ihm in nichts nach. Ich bleibe dabei, an einem guten Tag sind NEVERMORE mit Loomis/Broderick von nichts und niemandem auf dieser metallischen Welt zu schlagen. Amen!

Setlist:
Final Product
Next In Line
Inside Four Walls
I Am The Dog
Dreaming Neon Black
What Tomorrow Knows/Garden Of Gray
I, Voyager
The Learning
Sentient 6
Dead Heart In A Dead World
Born
---
This Godless Endeavor
Enemies Of Reality

Redakteur:
Rouven Dorn

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