OPETH und ANATHEMA - Hamburg

13.12.2012 | 17:05

25.11.2012, Grosse Freiheit 36

In Wort und Bildern kaum zu schildern.

ANATHEMA im Vorprogramm von OPETH? Das klingt lecker. Obendrein ist der Austragungsort in Hamburg, nämlich die Grosse Freiheit 36, auch noch erstklassig gewählt, da man dort meist einen guten Klang hinbekommt und man in den meisten Fällen einen entspannten Platz zum Genießen der Darbietungen finden kann. So geht es dann bestgelaunt an einem Sonntagabend auf den Kiez. Der erhofft gute Platz wird schnell auf einem der Billardtische im hinteren Teil der Halle eingenommen und so steht einem zauberhaften Abend nichts mehr im Wege.

ANATHEMA - Die Bande aus Liverpool, die ich zuletzt noch als Alleinunterhalter im Knust bestaunen durfte, eröffnet kraftvoll mit 'Deep' vom poppigen Wunderwerk "Judgement". Auch wenn die Nummer für einen Teil der OPETH-Gemeinde wohl zu glatt klingt, bin ich sofort sehr angetan. Der Sound ist klar, druckvoll und transparent. Die optische Untermalung ist spartanisch, aber effektiv. Dass das Drumset der Headliner bereits mit auf der Bühne steht, scheint niemanden zu stören. Weshalb auch? Danny und Vinny haben ausreichend Platz, um sich in gelegentlichen HENDRIX-Verrenkungen zu verbiegen. Es folgt mit 'Thin Air'  der Opener von 'We're Here Because We're Here". Ein Albumtitel, der wie ein Selbstverständnis zu lesen ist. Und genau mit diesem Selbstverständnis agieren die Damen und Herren auch heute Abend wieder. Kurzweilige Ansagen über die Historie dieses Ortes – Danny spielt in den Pausen gern mal kurz ein paar Zitate von THE BEATLES – und ein gewohnt megasympathisches Auftreten, lassen die gut gefüllte Halle schnell in Wallungen kommen. Und dass, obwohl ANATHEMA im weiteren Verlauf einige auf Tonkonserve eher zähe Brocken zum Besten geben.

Mit 'Untouchable Part 1 und 2', sowie 'A Simple Mistake' bin ich auf den jeweiligen Alben noch nicht recht warm geworden, hier zünden alle drei Nummern. Und zwar feuerwerkgleich. Da hat man gleich Lust, zuhause erneut unter einem Kopfhörer zu verschwinden und die offensichtliche Erkenntnislücke zu schließen. Weiter im Text geht es mit 'Closer' Für mich ist das immer die Mädchen-Nummer auf  "A Natural Disaster", was neben dem sehr flotten Rhythmus vor allem an dem Einsatz des Vocoders liegt. Hatte ich das bisher immer als mieses Vorurteil meinerseits betrachtet, so sehe ich nun, dass diverse Mädels vor und neben mir bereits bei den ersten Tönen der Nummer beinahe hysterisch werden und anfangen zu tanzen. Heidewitzka. Muss das denn sein? Wir sind auf einem Rockkonzert. Menno. Die unfassbar tolle Solopassage entschädigt aber für alle optischen und akustischen Grausamkeiten der letzten Minuten. Und beim finalen 'Fragile Dreams' komme auch ich nicht umhin, leise mit zu summen. Ich bin uncool, ich weiß.

Setlist ANATHEMA: Deep; Thin Air; Untouchable Part 1; Untouchable Part 2; A Simple Mistake; Closer; Fragile Dreams

Fakt ist: Ich hätte hier und jetzt noch zwei Stunden mehr von dieser exzellenten Liveband hören und sehen mögen. Am besten das komplette "Alternative 4"-Album oder ein paar solistische Gesangseinlagen von Lee Douglas, die für mich viel zu selten zu hören war. ANATHEAM können halt während einer Headliner-Show einen gewaltigen Spannungsbogen erzeugen, was in der Kürze der hier vorgetragenen Show nicht ganz möglich war.

Nach einer eträglich kurzen Pause schlendern unsere skandinavischen Freunde OPETH aufs Parkett und schmettern erstmal 'The Devil's Orchad'  in die Menge, die sofort steil geht. Kein Wunder bei dieser Nummer, dieser Akustik und dieser Darbietung. OPETH live ist eben immer wieder ein Augenschmaus. Auch für die Ohren. Mikael Åkerfeldt im ausgewaschenen Ozzy-Shirt ist eben ein erstklassiger Entertainer. Es gibt keine Ansage, bei der selbst ein humorloser Mensch wie ich es bin, lachen muss, was gut tut zwischen dieser ernsthaften Musik. Mit 'Ghost Of Perdition' gibt es gleich die nächste Keule über gebraten. Mikael gurgelt in den tiefsten Tiefen und grinst dabei fröhlich. Herrlich anzuschauen.  Hier nach gibt es unterhaltsame Kalauer aus der Zeit der Band, als sie noch keiner mochte, zu hören. Passend wird mit 'White Cluster' ein "Still Life"-Killer aus dem Köcher gezogen. Fantastisch. Mein Fuß beginnt ekstatisch zu wippen. Oh, nein. Ich ertappe mich erneut beim mitsummen. Geht gar nicht. Zur entspannten Entspannung wird 'Hope Leaves' nach gereicht. Kuschel-Death-Rock. Total toll. Wer jetzt denkt, die Kollegen würden eine akustisch-untermalte Passage einlegen, wird vom bösartigen Nackenbrecher 'Deliverance' eines besseren belehrt. Martin Axenrot am Schlagzeug malträtiert die Doublebass und Martin Mendez, der andauernd unter den Scherzen des Meisters zu leiden hat, scheint sich vor der Show ein Cliff-Burton-Video rein gezogen zu haben. Ich habe selten einen Musiker so wild mit dem Kopf wackeln gesehen. Ansteckend.

Mister Åkerfeldt erzählt nach diesem musikalischen Nackenschlag mal wieder etwas über seine Vorliebe für deutsche Bands, fragt (sich?), wie man auf die Idee kommen kann, sich ACCEPT zu nennen und kündigt einen weitern "Oldie" an. Ob 'Hessian Peel' schon als solcher gilt, wage ich einmal in Frage stellen, unstrittig ist die Klasse dieser Nummer. Das Publikum schein dies ähnlich zu sehen, denn bis in die hinteren Reihen wird mächtig abgefeiert. Bei einem komplett euphorischen Fan auf dem Balkon, befürchte ich gar, dass er die Balance verlieren könnte. Dies geschieht zum Glück nicht. Mit 'Häxprocess'  gibt es einen, - wie sagt der Meister es so schön: – schwedischen Song. Aha. Das kurzweilige 'Reverie/Harlequin Forest', beschließt mit in fluffigen zwölf Minuten den regulären Teil des Konzertes, welches mir klar macht, dass ich doch mal häufiger in der heimischen Wohnstube diese Band anhören könnte. Und wäre ich gerade diesem Gedanken anhänge und versuche ihn im vermoderten Spatzenhirn zu platzieren, ballern die pösen Purschen noch mal schnell 'Blackwater Park' oben drauf. Okay, jetzt hab' ich es mir auch merken können.

Setlist OPETH: The Devil's Orchard; Ghost Of Perdition; White Cluster; Hope Leaves; Deliverance; Hessian Peel; Häxprocess; Reverie/Harlequin Forest; Blackwater Park

Ein sehr gelungener Abend, der Appetit auf mehr macht. Mehr von beiden Bands.

Text [Holger Andrae], Fotos [Jakob Ehmke]

Redakteur:
Holger Andrae

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