Opeth - New York
23.09.2008 | 11:0518.09.2008, Nokia Theater
Ob OPETH ihre Welttournee nun in Australien, den USA oder Europa beginnen, macht vorverkaufstechnisch inzwischen keinen Unterschied mehr: Wie zuletzt in Sydney oder Brisbane dürfen sich die Schweden am dritten Tag ihres USA-Abstechers ein "ausverkauft" an die Tür heften. Im kanadischen Vancouver - für den 3. Oktober auf dem Tourplan - war schon einen Monat vorher kein einziges Ticket mehr übrig, und auch in Deutschland, wo man sich noch bis Dezember gedulden muss, sollte man sein Glück nicht auf die Abendkasse setzen.
Anstehen muss ich vor dem dicht gefüllten Nokia Theater allerdings nicht - die meisten Death-Metal-meets-Seventies-Rock-Jünger sind bereits drinnen und lauschen den schwarzmetallisch gefärbten Klängen von NACHTMYSTIUM, von denen ich bei meinen Eintreffen um kurz vor acht gerade noch einen Song zu hören bekomme. Macht aber nichts, denn aus Europa ist man es gewohnt, dass die Support-Acts die ruhigere bis progressivere Seite des Headliners repräsentieren (ich denke da an AMPLIFIER oder EXTOL), während die beiden US-Opener deutlich grobmotorischer zu Werke gehen. Das trifft auch auf HIGH ON FIRE zu, deren "Old School Real Metal" (Zitat von ihrer MySpace-Seite) mich nach zwei Kostproben zurück in den Vorraum treibt. Mir ist heute einfach nicht nach MOTÖRHEAD-Nachahmern zumute.
Neunzig Minuten später erfüllen "OPETH!"-Sprechchöre die gut zweitausend Menschen fassende Location, in der ein bunt gemischtes Publikum aus Todesblei-Fans, Spät-Hippies und vereinzelt (leider auch) grölendem Party-Volk den ersten Klängen von 'Heir Apparent' entgegenfiebert. Zum Glück ist das aktuelle Album "Watershed" aber nicht überproportional in der Setliste vertreten, denn der Fünfer hat eh schon zu viele Perlen im Backkatalog, die auch in zwei Stunden Spielzeit nicht alle berücksichtigt werden können. Optisch habe ich mich immer noch nicht so recht an das neue Line-up gewöhnt: Keyboarder Per Wiberg ist zwar schon seit drei Jahren festes Mitglied, überrascht heute jedoch durch üppigen Bartwuchs. Schlagzeuger Martin Axenrot durfte das Zepter des jüngsten Bandmitglieds inzwischen an Wuschelkopf Fredrik Åkesson (Gitarre) abgeben, der eher nach 80er-Power-Metal aussieht als nach Anspruchs-Musik. Die zuletzt im Vorprogramm von DREAM THEATER streichholzkurze Frisur von Bassist Martin Mendez lässt leichte Wachstumstendenzen erahnen, doch zum Rechts-Links-Banging reicht es immer noch nicht. Nur Front-Zottel Mikael Åkerfeldt ist ganz der Alte, wie auch seine obligatorischen, nach 'The Grand Conjuration' an die ihm jedes Wort von den Lippen ablesende Menge gerichteten ersten Worte "We are OPETH from Sweden" angenehm vertraut rüberkommen.
"We're gonna Rock 'n' Roll and party all night long", verspricht der Band-Chef, und natürlich darf auch sein herrlich trockener Humor heute nicht fehlen. "Ich sage eine Menge Mist zwischen den Songs, wie 'shit' oder 'fuck' oder 'cock'", gibt er offenherzig zu. Auch die bereits legendäre SCORPIONS-Parodie kommt zum Einsatz ("Ich werde aber nicht pfeifen, weil ich dafür vor dem Gig zu viele Cracker gegessen habe"), genauso wenig wie ziemlich an den Haaren herbeigezogene musikalische Vergleiche. So blödelt er sinnleer nach 'Serenity Painted Death': "Das war beschissen, gell? Der Grund, warum wir diesen Song nicht rappen, ist, dass er auch so schon verdammt schwer zu spielen ist."
Doch steht natürlich nach wie vor die Musik im Vordergrund. Zu meiner Freude wird das seit der "Damnation"-Tour nicht mehr live gespielte 'Hope Leaves' aus der Mottenkiste geholt, bevor mit 'The Lotus Eater' der zweite und letzte "Watershed"-Vertreter der bereits erstaunlich textsicheren Menge kredenzt wird. Das wunderschöne 'Bleak' liefert ein Fest für die Sinne, auch wenn ich mir nicht so ganz sicher bin, ob der mitten im Stück ertönende Jubel wirklich Szenenapplaus darstellt oder eher auf Unkenntnis darüber, dass der Song eben noch nicht zu Ende ist, zurückzuführen ist, haben zahlreiche Fans diese Götterband doch erst mit den letzten drei oder vier Alben für sich entdeckt. In bester Alexi-Laiho-Manier kündigt Åkerfeldt den Uralt-Track 'The Night And The Silent Water' an: "For many fucking years we were a fucking band and no-one fucking cared about us." Und verknüpft das ganze noch mit einer netten Anekdote, dass man "Morningrise" seinerzeit im Vorprogramm von MORBID ANGEL beworben hätte, welche die harmonieverliebten Schweden mächtig an die Wand gespielt haben müssen. Um gleich beim Thema zu bleiben, geht es beim folgenden, zuvor lauthals vom Publikum geforderten 'Deliverance' konsequent um "Satan, Tod und Satan" - ähm, klar. Fakt ist, dass der Titeltrack des 2002 erschienenen Longplayers das wohl beste in einen Song verpackte Schlagzeugsolo der Musikgeschichte enthält - ganz großes Kino!
Von den morbiden Engeln zu WHITESNAKE führt die Åkerfeldt'sche Spoken Words Performance, als er nicht ohne Stolz verkündet, dass man neben eben jenen sowie anderen Rock-Größen wie ALICE COOPER, URIAH HEEP oder DEF LEPPARD für den prestigeträchtigen britischen Classic Rock Award als bestes Album 2008 nominiert sei. Stimmabgabe ausdrücklich erbeten!
Den Abschluss vor der Zugabe macht das unvermeidliche 'Demon Of The Fall', das meiner Meinung nach jedoch gerne mal gegen einen anderen Klassiker ausgetauscht werden dürfte, auch wenn der (für OPETH-Verhältnisse) eingängige Mitgröl-Refrain jedes Mal mächtig Stimmung aufkommen lässt. Danach bekommt Neu-Gitarrist Åkesson noch die Gelegenheit für ein (erfreulich kurzes) Gitarrensolo, worauf die Fans lauthals ein Schlagzeugsolo fordern. "Tack, tong, pleng" macht es daraufhin kurz aus dem Bühnenhintergrund, zu mehr lässt sich Martin "Axe" Axenrot nicht überreden. "Er ist ja sooo schüchtern", witzelt Åkerfeldt. "Aber warum will eigentlich niemand ein fucking Gitarrensolo von mir hören?" Weil Soli, zumindest bei einer Band wie OPETH, völlig fehl am Platz wirken, wie der Sänger selbst zugibt. "Niemand will Soli hören außer dem fucking Musiker, der sie spielt."
"Wie viele Songs wollt ihr denn noch hören? Zehn? Ihr könnt zehn Töne bekommen!" Spricht's und zupft neun - Pause - zehn Mal an einzelnen Gitarren-Saiten. Gut, keine zehn Songs, aber zehn Minuten Spielzeit sind noch drin, und 'The Drapery Falls' bildet den glanzvollen Schlusspunkt eines gewohnt großartigen Konzerts.
Fazit: Hingehen!
Setlist:
Heir Apparent
The Grand Conjuration
Serenity Painted Death
Hope Leaves
The Lotus Eater
Bleak
The Night And The Silent Water
Deliverance
Demon Of The Fall
The Drapery Falls
- Redakteur:
- Elke Huber