PAIN, ENSIFERUM - Köln

22.10.2023 | 22:21

05.10.2023, Essigfabrik

Atmosphärisch hui, klanglich pfui

"I Am On Tour" – PAINs Peter Tägtgren hat Großes vor, ist der Atmosphären-Künstler in diesen Tagen doch auf ausgedehnter Europatournee. Mit im Gepäck sind die Finnen von ENSIFERUM als Special Guest sowie ELEINE und RYUJIN als Support-Acts. Wir haben es uns für euch nicht nehmen lassen, beim Tourauftakt in der Kölner Essigfabrik mit an Bord zu sein.

Der Herbst hält Einmarsch. Zwar sind die Temperaturen am heutigen Donnerstag noch angenehm mild, doch schon am Düsseldorfer Feierabend um 17:30 Uhr wird es ganz langsam dämmrig. Langsam kommt Vorfreude auf, "Thalassic" pflastert meinen Heimweg mit unheimlich vielen Hits und nachdem die Kätzchen daheim versorgt sind, geht es schnurstracks Richtung Köln, um mir das heutige Spektakel live-haftig anzuschauen. Doch wer am frühen Abend schon einmal im Rheinland unterwegs war, weiß, dass einen auch viel Stau erwartet. Doch davon lassen wir uns nicht abschrecken, noch sind wir gut in der Zeit.

Das ändert sich allerdings von Minute zu Minute, in der wir in Grevenbroich und später kurz vor Köln partout nicht vorankommen. Das wiederum hat den großen Nachteil, dass wir vom schwedisch-düsteren Symphonic Metal aus dem Hause ELEINE sowie dem japanischen Metal-Trio RYUJIN, auf dessen Auftritt ich doch sehr gespannt war, rein gar nichts mitbekommen. Äußerst schade und ein Hoch auf den deutschen Feierabendverkehr. Pünktlich zu Beginn des Special Guests sind wir allerdings an der Essigfabrik angekommen und mit einem Bier gerüstet, geht es endlich los.

Und ENSIFERUM legt los wie die Feuerwehr. Auch wenn ich mir mit dem aktuellen 'Seafarer's Dream/Rum, Women, Victory' einen wesentlich schmissigeren Start erhofft habe, sorgen 'Andromeda' und 'In My Sword I Trust' schon früh für die entsprechende Atmosphäre. Leider ist zu diesem Zeitpunkt die Halle nur zur Hälfte gefüllt, was in Anbetracht der energiegeladenen Leistung der Finnen wahrlich schade ist. Doch Frontmann Petri und vor allem Springinsfeld Sami am Bass lassen sich davon nicht unterkriegen und feuern aus allen Rohren: 'Run For The Crushing Tide' sprengt sämtliche Ketten, 'Heathen Horde' weckt den inneren Krieger und passend zu 'Twilight Tavern' wird auch an der Theke ein klein wenig geschunkelt. Vor allem Pekkas Klargesang passt enorm gut zu den Growls Petris.

Bei dieser vor allem in den ersten Reihen ausgelassenen Stimmung fallen auch die Abzüge in der Sound-B-Note noch nicht allzu sehr ins Gewicht, da vor allem die Spielfreude der Finnen überwiegt: Die Mähnen werden geschüttelt, 'For Sirens' ist ein Live-Garant und die 'One Man Army' reißt vor allem in Sachen Geschwindigkeit und Epik die Hütte ab. Trotzdem könnte vor allem Petris Gesang deutlich besser abgemischt sein, obwohl er beim beinah finalen 'Lai Lai Hei' tatkräftige Unterstützung vom Publikum bekommt. Auch wenn heute definitiv noch mehr drin gewesen wäre – besserer Klang, eine etwas ausgewogenere Setliste, denn der "Thalassic"-Dosenöffner fehlt genauso wie eine Überraschungshymne der Marke 'Deathbringer From The Sky' oder ein Song vom Debüt, ein noch volleres Haus – kann man den ENSIFERUM-Auftritt vor allem ob der Spielfreude und Vehemenz, mit der die Songs zum Besten gegeben werden, als Erfolg einbuchen. Leider ist nach einer Stunde mit dem 'Two Of Spades'-Abschluss der Spaß viel zu schnell vorbei.

Danach folgt eine angenehm kurze Umbaupause, ehe mit PAIN der heutige Haupact die Bühne betritt. Eine durchaus positive Entdeckung mache ich mit den sehr humanen Preisen am Merchandise-Stand, ist ein PAIN-Shirt beispielsweise für humane 25€ ausgeschildert. Das lobe ich mir in den heutigen Zeiten doch, wo dezent größere Bands doch meist das Doppelte für ein Tour-Andenken verlangen.

Dezent voller wird es dann doch, als PAIN in sehr begrenztem Licht und auf Atmosphäre bedacht mit 'Let Me Out' das Industrial-Business beginnt. Von unserem Peterchen ist anfangs nur die Silhouette zu sehen, sehr spärlich gehen die Musiker mit ihrem Licht um, was natürlich für die entsprechende Aura sorgt. Aber wisst ihr, was nicht nur beim folgenden 'End Of The Line' sowie dem per se wirklich tollen 'Nailed To The Ground' für noch mehr Feeling gesorgt hätte? Na? Richtig – ein zumindest halbwegs guter Sound. Was bei ENSIFERUM zwar ärgerlich war, aber nicht allzu sehr ins Gewicht fiel, ist bei PAIN natürlich gravierend, da die Band mit entsprechendem Klang nicht nur für Gänsehaut sorgt, sondern auch Bäume ausreißen kann. Das bleibt – so viel sei vorweg zu nehmen – bis auf wenige Ausnahmen und trotz einer sehr starken Songauswahl – leider aus. Schon erstaunlich, wie viel ein matschiger Sound doch ausmachen kann. Wohin wir uns auch bewegen, ob nach vorne, zu den Seiten oder wieder zurück, Platz ist vorhanden, aber der Klang wird partout nicht besser, was weniger PAIN als mehr der Essigfabrik per se geschuldet ist. Schade, sehr schade.

'The Great Pretender' lässt sich zumindest im Refrain erkennen und Peter und Co. setzen alles daran, die Massen zu mobilisieren und zum hypnotisierten Ausrasten zu bewegen. Der PAIN- und HYPOCRISY-Frontmann ist gut gelaunt und leichte Aussetzer im stimmlichen Bereich macht er mit Präsenz und Charme wieder wett. Entgegen aller Sounddefizite muss man heute allerdings den Lichteffekten ein Kompliment aussprechen, da getreu des Mottos "Weniger ist mehr" sehr geschmackvoll auf die passende Bühnenbeleuchtung geachtet wird. 'Call Me' mit SABATON-Joakim auf dem Bildschirm, 'Walking On Glass' und das zum ersten Mal überhaupt auf der Bühne präsentierte 'Revolution' gehören auch zu den Kandidaten, bei denen ob des Klangs der Funke nicht ganz überspringen mag, doch 'Zombie Slam' ist ein Live-Garant – auch heute – und sorgt dafür, dass die Stimmung bei den folgenden Gassenhauern 'Suicide Machine', 'Monkey Business' und – im gemütlichen Akustikgewand – 'Coming Home' noch etwas besser wird. Wie schon gesagt, ist an der Songauswahl und erhabenen Bühnenpräsenz heute überhaupt nichts auszusetzen.

Hier und dort ein paar Worte des Schweden, ehe wir auf ihn anstoßen ('Have A Drink On Me') und den selben alten Song hören ('Same Old Song'). Doch es ist mehr als nur PAIN ('It's Only Them'), obwohl wir uns doch langsam verabschieden müssen ('Bye/Die'), um die Steine wieder rollen zu lassen ('Gimme Shelter' als Cover-Version PAINs). Ihr seht, nach dieser Setliste lecken sich PAIN-Fans die Finger. Und was ist mit dem Publikum? Nun, mal liest es Peter gespannt von den Lippen, starrt gebannt Richtung Bühne, mal sind einige ob der einlullenden Aura fast schon hypnotisiert und gegen Ende sorgt 'Party In My Head' für ein klein wenig Party in their Essigfabrik – in entsprechend dem Video passender Kleidung. Wir sind also im Zugabenteil angekommen und ich weiß schon jetzt, dass ich von der Nintendo-Melodie zu Beginn von 'Shut Your Mouth' auch Tage später noch einen Ohrwurm haben werde. Doch der "Nothing Remains The Same"-Gassenhauer – nur stilecht in Zwangsjacke – darf heute ebenso wenig fehlen wie kurz zuvor 'I'm Going In', an dem vor allem ich sehr große Freude habe.

Und so geht ein doch kurzer, aber ereignisreicher Abend zu Ende. Richtig, ich hätte ELEINE und RYUJIN wirklich gerne gesehen, doch die immense Spielfreude auf Seiten ENSIFERUMs hat für den problematischen Feierabendverkehr entschädigt und eine Songauswahl zum Niederknien und die Erhabenheit PAINs für den doch matschigen Sound, der sich durch den Abend gezogen hat. Trotzdem hat sich das Konzert auf jeden Fall gelohnt und in der Hoffnung, dass auch klanglich die kommenden und restlichen PAIN-Termine passen, empfehle ich jedem, dieser noch bis Mitte November andauernden "I Am On Tour"-Tour einen Besuch abzustatten.

Redakteur:
Marcel Rapp

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