PRONG und KLOGR - Karlsruhe
10.05.2014 | 11:1606.04.2014, Substage
Unser Redakteur wagt den Dekadenvergleich: können alte Recken an längst vergangene und liebgewonnene Erinnerungen an Lieblingsgigs 10 Jahre später nahtlos anknüpfen? Ein Selbsttest!
Eine Sache, die man als zu spät geborener ja eigentlich nie hören möchte, sind die berühmten "Was war das damals ein großartiges Konzert"-Ansprachen der älteren Generationen, wenn es um legendäre aber längst vergangene Tage geht. Dabei ist das besonders Störende eigentlich weniger die Tatsache, dass man eben damals noch nicht dabei war, sondern, dass solche ganz speziellen Momente heute eher selten anzutreffen sind. Ein solches Highlight, das sich bei mir für immer eingefräst hat und von dem ich gerne, viel und oft rede, bildet bei mir ein Konzert im Sommer 2003. Damals, ja damals kamen in einem unfassbar heißen Sommer direkt im Anschluss an mein Abitur die New Yorker Moshbrigade ANTHRAX in das kleine und niedere Substage zu Karlsruhe und hatten mit AFTER ALL und PRONG zwei heiße Eisen im Gepäck. Um es kurz zu machen: alle drei Bands brannten ein Feuerwerk ab, ich bangte mir alles mühsam erarbeitetete Wissen der letzten Jahre genussvoll aus dem Kopf und musste mit drei angestauchten Rippen schmerzhaft lernen, dass Absperrgitter kein guter Aufenthaltsort sind. PRONG waren mir damals nur dem Namen nach bekannt, änderten das aber binnen kürzester Zeit, denn nach zwei Takten stand der Laden Kopf und war ein einziger Moshpit, das Substage danach eine Sauna.
11 Jahre später habe ich, wenn ich ehrlich bin, außer guter Erinnerungen und ein paar alter und neuer Alben die Band aus den Augen verloren, und so mache ich mich auf zu testen, was aus Tommy Victor und seinen wechselnden Schergen wurde. Passenderweise spielt die Band wieder im Karlsruher Substage, auch wenn der kleine Club mittlerweile umgezogen und auf respektable Größe erweitert wurde. Den Opener machen heute Abend die modern daher rockenden KLOGR und schnell wünsche ich mir, dass die Belgier von einst stattdessen gekommen wären. Keine Frage, die Band um Gitarrist, Sänger und Bandchef Gabriele Rustichelli gibt sich alle Mühe und spielt das oft nicht wenig anspruchsvolle Material sehr souverän und routiniert, nutzt die Bühne und kommt dabei ebenso professionell wie sympathisch daher. Musikalisch ist das weit aus mehr als nur gut anhörbar, die Songs kommen griffig und gehen schnell ins Ohr, die Riffs sind fett und laden zum Abgehen ein. So kommt es, dass man mit der Mischung aus ADRENALINE MOB und DISTURBED beim Publikum anfangs deutlich mehr als zurückhaltendes Nicken sorgt und gut Beifall einheimst. Dauerhaft allerdings schleicht sich die schon von Kollege Becker in seinem Review zur Scheibe "Black Snow" angesprochene Gleichförmigkeit in das Set der Band, die viel zu selten aus ihrem angestammten Midtempo ausbricht. Und so ebbt die zwischenzeitlich aufgekommene Euphorie ungenutzt ab und man verabschiedet sich nach einer Dreiviertelstunde eher unter sehr verhaltenem Beifall.
Dafür wird es nach nicht einmal einer Viertelstunde Umbaupause erneut dunkel und zu den Klängen eines Ennio-Morricone-Soundtracks, den der Verfasser dieser Zeilen gerade nicht zuordnen kann, betreten drei Gestalten die Bühne. Moment - drei? "Damals" war man jedenfalls noch zu viert und sah optisch eher nach Alternative-Heini aus. Heute im Trio ist Tommy Victor mit Bart und voluminösen langen Haaren ausgestattet, hat einen stiernackigen, muskelbepackten Schrank von Bassisten und einen Milchbubi als Schlagzeuger dabei. Doch Zeit zum Wundern bleibt eigentlich nicht, mit 'For Dear Life' eröffnet die Band so flott wie kompromisslos den Abend. Tommy grinst wie von einer Backe zur anderen während er seine Riffs ins Publikum bläst und das Publikum dankt es schon jetzt, indem sich die zuvor eher verstreute Mannschaft an die Bühne drückt, die Köpfe schüttelt und vereinzelt die Fäuste reckt. Mit 'Beg To Differ' folgt dann der erste kleine Hit und der Refrain samt folgendem Riff wird nicht nur von mir lauthals Richtung Bühne geschleudert. Interessant ist die Mischung auf der Bühne: während der instrumentalen Parts kann Tommy Victor keine Sekunde stillstehen, springt, hüpft und marschiert auf der Bühne herum und tritt unsichtbare Gegner von der Bühne, alles mit feistem Grinsen im Gesicht, dem man den Spass an der Sache ansieht. Während der Strophen dann wie ausgewechselt; kompromisslos, hart und voller Wut kommen seine Texte über das Publikum wie Geschosse. In dem Zug sollte noch Schlagzeuger Arturo Cruz erwähnt werden, der sich mit unglaublich präzisen, vor allem aber wuchtigen und energiegeladenen Schlägen in unzählige Herzen spielt, wie mir im Anschluss an das Konzert von diversen Besuchern berichtet wird. Good friendly violent fun eben, geht es mir durch den Kopf.
Doch so wirklich viel Zeit zum Überlgen haben wir nicht, die Band prügelt sich lieber genüsslich durch die eigene Bandgeschichte, "Beg to Differ" und "Prove You Wrong" stehen wie erwartet auf dem Speisezettel. 'Eternal Hate' vom letzten Album "Carved Into Stone" macht im Anschluss klar, wie gut sich das alte mit dem neuen Material verträgt, was durch den heftig thrashenden Titeltrack des neuen Albums 'Ruining Lives' noch einmal unterstrichen wird. Dass auf das eher wavige 'Third From The Sun' das speedige 'Cut-Rate' gespielt wird, zeigt, wie sehr die Band ihr Publikum kennt. Selbiges nimmt gerade die heftigen Songs prima auf und dankt es, indem sich zur Hälfte des Sets ein erster Moshpit bildet. Nun ja, zumindest ein Bonsai-Pit, denn von den maximal 150 Anwesenden lassen sich nicht einmal 20 Leute so recht motivieren, und so entsteht zwar ein respektabler Pit, in dem die Mosher aber eher aneinander vorbeifliegen. Ich jedenfalls bin diesmal klüger und halte mich halbwegs fern, so dass ich diesmal das Konzert nur mit ein paar blauen Flecken, aber ohne Prellung verlasse. Aber das alles ist spätestens beim unglaublich großartigen Tripple 'Whose Fist Is This Anyway?', der Überhymne 'Snap Your Fingers, Snap Your Neck' und 'Power Of The Damager' egal und fast das gesamte Publikum rastet kollektiv aus. Energie, die sich auch auf die Bühne überträgt, denn selbst Bassist Jason Christopher, der zu Beginn noch wie ein stoisch-grimmiger Brocken auf der Bühne thronte, kann sein Grinsen nicht mehr verstecken und post mit seinem Chef um die Wette. Doch nach 'The Power Of The Damager' gehen erstmal die Lichter aus, die Band von der Bühne. Wollen die etwa nach 90 Minuten schon gehen?
Keine Chance. obwohl das Substage nur mit lichten Reihen gefüllt ist, lässt das Publikum erst gar keinen Zweifel aufkommen und fordert vehement nach einer Zugabe. Lange müssen wir nicht warten, PRONG kommt zurück und Tommy plauscht etwas mit dem Publikum. Erkundigt sich, wer schon vor 20 Jahren dabei war, als die Band fast über Nacht groß wurde und fragt nach Liedwünschen. Charmant, könnte man meinen, doch statt auf Antworten zu warten feuert man lieber 'Close The Door' vom 1996er Album "Rude Aweking" ab und schiebt zur Sicherheit gleich noch zwei Songs für das gierige Publikum nach, bevor endgültig Schluss ist. Die Band verabschiedet sich mit zufriedenem Grinsen und steht keine fünf Minuten später am Merch-Stand, nimmt sich Zeit für Alles und Jeden, reißt Witze um die Wette und nimmt der etwas überforderten maximal 18-jährigen Merchverkäuferin noch die Arbeit ab. Sympathischer geht es gar nicht. Auf dem Heimweg quält zumindest mich eigentlich nur eine Frage: wie konnte ich nur 11 Jahre brauchen, um die Band wieder zu sehen? Nächstes Mal bin ich sicher gleich wieder dabei!
- Redakteur:
- Simon Volz