Pagan Fest 2008 - Frankfurt
06.05.2008 | 08:1322.04.2008, Batschkapp
Da haben also die Speerspitzen der Pagan-Szene eingeladen, ein abendfüllendes Programm bei ihnen zu verbringen, und so strömt alles, was Spaß an der Heidenmusik hat, am Dienstagabend in die Frankfurter Batschkapp, die - so ist schon Tage vorher zu hören - restlos ausverkauft ist. Das verspricht einen zünftigen, aber auch ölsardinenartigen Abend in der zwar traditionsreichen, aber auch sehr übersichtlichen Konzertstätte im bürgerlichen Frankfurter Wohngebiet. Als ich mit meinen heidnischen Freunden um kurz nach sechs in der Kapp ankomme, finden wir aber doch ein ganz brauchbares Plätzchen, auf dem wir die strapaziösen Stunden heile überstehen.
Trotz der zahlreichen Bands im Programm hat man noch einen lokalen Support eingeladen, der um kurz vor sieben das Programm mit einer Mischung aus Mittelalter-Geklimper und Pop-Sounds eröffnet. Es handelt sich um NACHTGESCHREI, die tatsächlich per Abstimmungsverfahren von den Fans auf die Bühne des heutigen Abends gehievt worden sind. Dementsprechend lösen sie in den vorderen Reihen des Publikums durchaus Begeisterung mit ihrer dudelsackdominierten Musik aus, die nach meiner Auffassung ein bisschen zu deutlich im Fahrwasser von IN EXTREMO, SCHANDMAUL und ähnlichen Erscheinungen schwimmt. NACHTGESCHREI stehen kurz vor Veröffentlichung ihrer Debüt-CD und können die knappe halbe Stunde, die ihnen hier heute zur Verfügung steht, als Promo-Veranstaltung nutzen. Und sie machen es schon recht professionell, ja, auf der Bühne wird es für die vielköpfige Band fast ein bisschen eng. In die Scheibe werde ich trotzdem nicht investieren. Dazu müsste der recht schwachbrüstige Sänger Hotti noch etwas mehr Luftstrom unter den Ton pusten.
[Erika Becker]
Was habe ich mich auf die Fähringer von TYR gefreut, denn das Quartett gehört mit zu meinen Lieblingstruppen. Doch die Ernüchterung kam leider schon beim Betreten der Batschkapp und dem Anschauen des Ablaufplanes: Gerade einmal dreißig Minuten Spielzeit waren dort vorgesehen! Bei einer Band wie TYR, die für ihre langen Songs bekannt ist, sicherlich deutlich zu kurz. So blieb es leider auch bei gerade einmal vier Stücken, darunter eines vom neuen Album "Land" das Ende des Monats erscheint. Aber davon lassen sich TYR nicht die Laune verderben und spielen frisch auf. Das Quartett betritt die Bühne mit nacktem Oberkörper, was bei gefühlten 85 Grad Celsius im Club sehr verständlich ist. Bei ihrer letzten Tour als Support der APOKALYPTISCHEN REITER hatten sie noch Kettenhemden getragen, wie übrigens auch der junge Herr, der neben mit steht und ordentlich ins Schwitzen kommt. Die Herren Joensen, Thomsen, Streymoy und Skibenaes spielen einwandfrei, allerdings sorgt das leider für relativ wenig Begeisterung bei den Besuchern. Verständlich, denn im Gegensatz zu den meisten anderen Bands beim Pagan Fest ist die Musik von TYR nur bedingt Partytauglich. Aber vielleicht liegt es auch an der Songauswahl, denn weder 'Hail To The Hammer', 'Olavur Riddaros' noch 'Brother's Bane' können für ordentliche Stimmung sorgen. Da frage ich mich, warum solch genialen Songs wie 'Regin Smidur', 'Dreams' oder 'Raimund Hin Unge' nicht gespielt werden. So ist das Set nach gerade einmal dreißig Minuten wirklich vorbei und hinterlässt die TYR-Fans reichlich unbefriedigt.
[Martin Schneider]
Auf die Schweizer von ELUVEITIE war ich besonders gespannt, weil ich die Anführer der "New Wave Of Folk Metal" das erste Mal Live sehe. Als die Helveten die Bühne betreten wird es gleich ordentlich voll auf derselben, denn die Band besteht ja bekanntlich aus acht Personen und die Bühne scheint mir für solche Massen ein wenig eng. Das Set wir mit 'Inis Mona' fulminant gestartet und sofort entwickelt sich ein Moshpit, der das gesamte vordere Drittel der Batschkapp ausfüllt. Für mich ist dieser Song auch der Beste ELUVEITIE-Song, der je auf einen Silberling gepresst wurde. Die Stimmung ist gleich sehr ausgelassen und besonders die Waldschrat-Fraktion mit Sänger Chrigel und den Kirder-Zwillingen geht ordentlich ab und animiert das Publikum. Mit 'Gray Sublime Archon' folg auch gleich der zweite Song vom "Slania"-Album und die Anwesenden reagieren nicht weniger begeistert. Im Anschluss erklärt uns Chrigel dann, dass heute alles ein wenig anders sei, weil es das letzte Europa-Konzert der Pagan Fest Tour sei und man daher den Kollegen den einen oder anderen Streich gespielt habe. Unter anderem habe man bei TYR ein falsches Intro spielen lassen. Nun mir ist es zwar nicht aufgefallen, aber na ja.
Mit 'Of Fire, Wind & Wisdom' vom "Spirit"-Album wird das Tempo noch einmal deutlich angezogen und die Schweizer nehmen keine Rücksicht darauf, dass die Besucher danach noch drei weitere Bands durchstehen müssen. Der Sound ist sehr klar, was die verschiedenen Instrumente sehr gut zur Geltung bringt. Ein wenig tut mir Anna Murphy leid, die sich an der Drehleier sicher einen Wolf oder einen Tennisarm spielt. Auch die weiteren Stücke überzeugen voll und so werden die Schweizer nach 'Tegernako' als erste Band mit Zugabe-Rufen verabschiedet, die sie aber leider nicht erhören. Im Nachhinein war der Auftritt von ELUVEITIE mein Höhepunkt des Pagan-Festes.
[Martin Schneider]
Setlist:
Inis Mona
Gray Sublime Archon
Of Fire, Wind & Wisdom
Bloodstained Ground
The Somber Lay
Your Gaulish War
Tegernako
Nach dem Abgang der Schweizer Filzläuse wird es dann mit den finnischen MOONSORROW endlich ernst zu nehmend finster auf der Bühne. Wenn auch die knallrote Kriegsbemalung, mit der die Paganisten auf die Bühne zu treten pflegen, nicht wirklich beängstigend, sondern eher belustigend wirkt, so sind sie doch bekannt für ihre epenhaften, von ausgedehnter Länge geprägten Stücke. Was wir sonst von ENSIFERUM-Sänger Petri Lindroos gewöhnt sind, nimmt heute Sänger Henri Sorvali für sich in Anspruch und erscheint zur Kriegsbemalung mit einem braunen Cowboyhut auf der Bühne.
Los geht es mit 'Raunioilla'. Natürlich wählen MOONSORROW nicht ihre längsten Stücke von den letzten beiden Alben, sondern greifen auch auf älteres Material zurück, das noch überschaubarer und teils etwas eingängiger und schmissiger ist. Als Beispiel dafür erweist sich auch heute bei den Fans 'Kylän Pääsä'.
MOONSORROW haben sicher - abgesehen davon, dass Henri gelegentlich der Hut vom Kopf rutscht - keine aufregende Performance zu bieten, aber ihre düsteren, schwermütigen Songs wissen das Publikum auch heute zu begeistern. Dass es sich um den letzten Abend des europäischen Teils der Pagan-Festival-Tour handelt, ist auch beim Gig von MOONSORROW nicht nur an ihren generellen Danksagungen an alle Beteiligten zu merken, sondern auch daran, dass allen Ritualen gemäß die Gefährten der anderen Bands während des Auftritts ein wenig Kasperletheater im Hintergrund veranstalten. Hier zum Beispiel übernimmt KORPIKLAANI-Stimme Jonne zeitweise einen kräftigen Refrain.
In der gut gefüllten Location präsentieren sich MOONSORROW heute mit erfreulich klarem Sound und einer gut sortierten Songauswahl. Den Abschluss bildet 'Jotunheim', und dann müssen sie auch schon wieder Platz machen für die Landsleute von der Waldfraktion.
[Erika Becker]
Nach dem etwas sperrigeren Material von MOONSORROW wird es nun Zeit für den Klan des Waldes, sprich KORPIKLAANI betreten die Bühne. Bei der Geschwindigkeit mit der die Finnen neue Platten veröffentlichen, machen sie es jedem Fan schwer, textsicher zu sein, mal abgesehen von den finnischen Texten. Aber darauf kommt es ja auch gar nicht an, denn die Finnen verbreiten einfach eine tolle Humppa-Schunkel-Stimmung und sind somit eine perfekte Partyband. So ist es nicht verwunderlich, dass gleich beim ersten Song 'Tapporauta' tolle Stimmung herrscht. Das liegt allerdings fast hauptsächlich am Liedgut des Sextettes, denn eine tolle Bühnenshow sieht wirklich anders aus. Exemplarisch dafür sind besonders Juho am Akkordeon (meiner Meinung nach sollte er sich lieber mehr seiner Band FALCHION widmen) und Bassist Jarkko, die sich den ganzen Auftritt lang weder bewegen noch eine Miene verziehen. Man könnte fast meinen, die netten Onkel aus Finnland wären zum Kaffeekränzchen da. Einzig Sänger Jonne agiert mit dem Publikum. Aber das tut der Stimmung keinen Abbruch und das Publikum feiert ordentlich und schunkelt um die Wette.
Der Gig verläuft alles in allem unspektakulär und lässt sich auf die Formel "Humppa plus feierwillige Fans ergibt Party" reduzieren. Den Höhepunkt bilden allerdings eindeutig die letzten drei Songs 'Beer Beer', 'Happy Little Bozer' und 'Hunting Song', bei denen die schon sichtlich müde Meute nochmal alle Kräfte mobilisiert. Bei 'Happy Little Bozer' stürmen ELUVEITIE auch noch die Bühne und unterstützen die Finnen tatkräftig. So wird der Song dann von sechzehn (!) Leuten dargeboten - Klasse! Alles in allem kann man dann sagen, dass KORPIKLAANI einen durchschnittlichen Auftritt mit einem tollen Finale geboten haben. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ich bin auf jeden Fall ausgepowert und mache mich auf den Weg nach Hause und überlasse das Feld meiner Kollegin Erika, die noch eine Weile durchhalten muss.
[Martin Schneider]
ENSIFERUMs Petri Lindroos verzichtet heute auf seinen sonst gerne üblichen dalmatinergepunkteten Hut, als wüsste er, dass er im Verlauf des Gigs noch mit anderem bizarren Kopfschmuck zu rechnen hat, den die Kollegen der anderen Bands ihm im Verlauf der Show als Abschiedsgag kredenzen. Aber zunächst werden ENSIFERUM in der tatsächlich noch randvollen Konzertstätte von einem begeisterten und offenbar kein bisschen müden Publikum empfangen.
Geboten wird ein gut durchmischtes Programm mit Songs der zurückliegenden Alben. Dabei stehen im ersten Teil der Show mit 'One More Magic Potion' und dem gerne als Mitsingnummer animierenden 'Ahti' Hits der aktuellen Scheibe "Victory Songs" im Mittelpunkt. Aber auch auf 'Lai Lai Hei' oder das noch frühere 'Token Of Time' müssen wir nicht verzichten, so dass die Zeit schnell dahinrauscht. Immer wieder fragt Petri, ob man Lust auf einen weiteren Song habe. Welch Frage!
Leider reißt ihm dann offenbar eine Saite an der Gitarre, und es ist eine unliebsame Pause zu überbrücken, die die übrigen Bandmitglieder mit einem kleinen PRIEST-Potpourri, angespielt wird 'Breaking The Law', überbrücken, bevor Petri dann rechtzeitig vor dem Abflauen der Stimmung wieder bereitsteht, um die Fans mit einer kurzen IRON MAIDEN-Einlage zu beglücken. Dann ist es wieder Zeit für das Kasperletheater der Künstler, die ihren offiziellen Auftritt bereits hinter sich haben. Henri Sorbali wird als Mumie verkleidet auf die Bühne gejagt, irgendjemand tänzelt in einen Müllsack verkleidet hinterher, und dann hopsen in loser Folge andere Musiker und Crew-Mitglieder zwischen den Helden von ENSIFERUM herum und verpassen Petri einen lustigen bunten Federkopfschmuck. Tja, auf so was muss man sich dann auch gefasst machen, wenn man mit einer solch verrückten Truppe auf Tour geht.
ENSIFERUM spielen eine knappe Stunde und lassen sich dann erfreulicherweise noch auf eine Zugabe ein, in der die Fans unter anderem mit dem 'Battle Song' noch mal voll aus der Reserve gelockt werden. Aber dann ist's auch gut. Der Schweiß tropft von der Decke, und glückliche junge Heidengesichter taumeln in die bürgerliche Frankfurter Nacht.
Insgesamt darf das "Pagan Fest" wohl als Erfolg verbucht werden. Die Kombination dieser augenblicklich wohl ziemlich beliebten Bands hat eine Menge Leute begeistert, und der Umstand, dass viele sich an einem Werktag bis nach null Uhr in der Batschkapp die Beine in den Bauch gestanden haben, zeigt, wie groß das Interesse ist, Spaß mit den skandinavisch-schweizerischen Helden zu haben, die stilistisch alle so gut zusammenpassen.
[Erika Becker]
- Redakteur:
- Martin Schneider