Party.San Open Air 2005 - Bad Berka

06.09.2005 | 20:47

11.08.2005, Festivalgelände

CIRITH GORGOR
Ein pompöses Intro vom Band sollte, wenn es nach CIRITH GORGOR ginge, am Freitag alle kurz nach 14 Uhr auf dem Festivalgelände Anwesenden vor die Bühne ziehen. Doch noch scheint die Mehrzahl der Besucher die seit einer Stunde geöffneten Merchandise-Stände spannender zu finden.
Die niederländischen Black Metaller haben sich allesamt um Face-Painting bemüht – Sänger Nimroth sieht allerdings von Weiten aus wie eine Miezekatze, was sein schön rauhes, nicht unangenehm hohes Krächzen Lügen straft. 'Demonic Incarnation' von der 7"-Split mit MOR DAGOR beeindruckt mit einer wahrhaft majestätischen Melodie über der Doublebass, doch so Einige im Publikum sind offenbar noch immer angeschlagen vom Vorabend, was die vom wechselnd bewölkten Himmel brüllende Sonne keinesfalls abmildert.
CIRITH GORGOR kündigen 'Darkness Returns' als "fast speed Black Metal" an. Hm, stimmt. Auch der "brand new song" 'Total Annihilation' klingt, wie der Titel es verheißt. Und spätestens bei 'Firestorm Apocalypse' wird klar, dass typischer, klischeebeladener Black Metal nicht aus Norwegen kommen muss.

SOUL DEMISE
Zum wirklichen Aufwachen taugen eher SOUL DEMISE. Ihre tief gestimmten, schwedisch klingenden Gitarren zu wütenden Death-Growls lassen aufhorchen. 'Still Alive' vom aktuellen "Blind"-Album besteht aus beispielhaftem FFW-Death Metal, der trotzdem groovt.
Die Flitzefinger spielen zwar nicht allzu akkurat, dennoch scheinen die Deutschen einen späteren Platz in der Running Order verdient zu haben. Die Musik verliert allerdings auf Dauer ihren Reiz - die Melodien wirken zunehmend eindimensional, und bei der Zugabe bleibt der Eindruck, SOUL DEMISE wollten nicht mehr aufhören.

NECROPHAGIST
Ein ganz anderes Kaliber als SOUL DEMISE, wenn auch aus dem gleichen Genre sind NECROPHAGIST, deren Dank zunächst KAAMOS gilt, für die sie kurzfristig eingesprungen sind. Mit 'Foul Body Autopsy' bieten sie hoch technischen, präzisen Death Metal mit tiefsten Growls.
'Extreme Unction', ebenfalls vom "Onset Of Putrefaction"-Album, löst Begeisterung aus; ein richtiggehender Strom an Besuchern ist trotz kurzem Nieseln aufs Festival-Gelände und zur Bühne gekommen. Solo auf Solo brettert über die Melodien, Breaks und Blastparts mit filigraner Struktur fordern die Bangenden, die ihrem Wohlwollen mit Pfiffen in der Pause Ausdruck verleihen.
'To Breathe In A Casket' verleitet jedoch nicht wirklich zum Ausrasten: Konzentrierte Zuhörer goutieren den höchsten technischen Anspruch. Die abrupten Song-Enden gefallen jedoch nicht jedem. Der aktuelle Titelsong 'Epitaph' klingt aber definitiv nach mehr als zwei Gitarren und inmitten dieser Akkuratesse zielen die wenigen Midtempoparts direkt in den Bauch.
Einziges ästhetisches Ärgernis stellt ein männlicher String-Träger dar, welcher inmitten eines juvenilen Moshpits seine mit Strass besetzten Dessous gut sichtbar über dem Jeans-Hosenbund darbietet. Bäh!
Vor dem letzten Song bestätigt der Rhythmusgitarre spielende Sänger Muhammed Suicmez die Gerüchte, dass NECROPHAGIST nur noch auf Festivals spielen und eigentlich gar nicht mehr live auftreten wollten. Um so schöner, sie auf dem Party.San erlebt zu haben!
(Gretha Breuer)

OCCULT
Mit derartigen Widrigkeiten haben die Holländer OCCULT offensichtlich nicht zu kämpfen. Sie präsentieren frisch ihr vor kurzem erschienenes, nunmehr sechstes Album "Malevolent Rapture". Stilistisch gibt es keine großen Veränderungen zu verzeichnen. Bodenständiger Thrash Metal mit einem Pesthauch Death Metal wird geboten.
Wahrscheinlich ist dies auch der Knackpunkt bei den Holländern, musikalisch wissen sie durchaus zu gefallen, ihre Show hinterlässt jedoch keinen bleibenden Eindruck. Vielleicht können die Jungs aus Venlo - Sänger Richards trägt es lokalpatriotisch in großen Lettern auf der Brust - auf einer Clubtour mehr überzeugen. Wir werden sehen.
(Thomas Fritzsch)

IMPIOUS
Dass Schweden-Todesblei auch ohne Göteborg-Touch funktioniert und dabei trotzdem nicht völlig unschwedisch klingt, haben IMPIOUS bereits auf der letzten Tour mit AMON AMARTH bewiesen. Ihr Death-Thrash mit typischen Ikea-Gitarren, viel Energie und Dampf heizt den Festivalbesuchern ordentlich ein. Und da Cover-Versionen meist ein Garant für noch mehr Begeisterung sind, wird MÖTLEY CRÜES 'Live Wire' verwurstelt. Ansonsten gitb's das übliche Gitarrenposing und fliegende Haare, bei dem lediglich das Stirnband von Sänger Martin Åkesson etwas merkwürdig aussieht. Aber wer 80er-Poser-Metalbands covert, darf das ruhig auch optisch mit 80er-Acessoires unterstreichen. Fazit: Druckvoll und gut.
(Elke Huber)

SEAR BLISS
Nach einem düsteren Intro legen SEAR BLISS, die Posaunenblackies aus Ungarn, recht ordentlich los. Am coolsten ist dabei der Posaunist Zoltán Pál: Wenn er nicht bläst, dann absolviert er Propellerbangen bis zum Umfallen. Man muss sich zwar an den Sound gewöhnen, aber im Vergleich zum üblichen Death/Black-Allerlei fallen die Jungs positiv aus dem Rahmen. Die Keyboards sind zwar vom Band, aber das stört hier niemanden so richtig. Es wird zwar ordentlich geschreddert, aber auch MARDUK-Midtempokracher wie 'Far Above The Trees' können in ganzer Linie überzeugen. Gerade in den Midtempoparts klingt das Quintett wie alte PARADISE LOST. Am meisten Jubel entern SEAR BLISS bei dem BATHORY-Cover 'Enter The Eternal Fire', obwohl die Eigenkompositionen keinen Deut schlechter sind. Während dem Song wird im Publikum ein umgedrehtes Holzkreuz in die Luft gehalten und die "Pommesgabeln" inklusive der "Hey"-Rufe haben sich die Jungs ordentlich verdient. Daumen hoch!
(Tolga Karabagli)

LORD BELIAL
Danach folgen die Death/Black-Metaller LORD BELIAL, die schon seit 1995 ihr Unwesen treiben. Zwar gibt es zu Beginn des Sets technische Probleme mit den Drums, doch gleich beim zweiten Song 'Sons Of Belial' kommen die Pyros am Bühnenrand zum Einsatz. Die Stücke sind sehr abwechslungsreich und zwischendrin wird auch das Tempo rausgenommen. Ferner werden immer wieder melodische, fast schon slideguitarmäßige Parts eingestreut. Soundtechnisch kann man das Quartett in Richtung AMON AMARTH einordnen, nur dass hier gekeift wird bis zum Umfallen. Das MERCYFUL FATE-Cover 'Come To The Sabbath' vom Klassiker "Don´t Break The Oath" ist sehr gelungen, was der Vampster-Kollege Christian Pohl mit einem "Es regnet Pluspunkte" quittiert. Die Band wird gut angefeuert und abgefeiert. Ein Glatzkopp vor mir hat sich sogar dazu hinreißen lassen mit einer Kinderplastikgitarre zu posen. Wenn das mal nicht für die Band spricht! Die "THIN LIZZY des Death Metals" lieferten den kurzweiligsten Gig bis dato ab.
(Tolga Karabagli)

KRISIUN
Ebenso technisch präsize, aber mit wesentlich mehr Groove als etwa die fünf Stunden zuvor gehörten NECROPHAGIST präsentieren sich KRISIUN - einfach südamerikanischer? Auf diesen einfachen Nenner können die pfeifenden Gitarren gebracht werden. SUFFOCATION widmen die Brasilianer 'Ethereal World' vom 2003er "Works Of Carnage", begleitet vom Ausspruch "Fuck Nazis!".
Alex Camargo, der Bass spielende Sänger, grunzt die schnelle Melodie zu scheinbar in gleichförmigen Ellipsen dahinrasenden Gitarren; Betrunkene in sicherer Entfernung zum Moshpit bejubeln ein Drumsolo. 'Dawn Of Flagellation' von der 2001er "Ageless Venomous" "goes out to our old-time friends". Die bis hinters Mischpult dicht stehende Menge darf sich zwischen den Growls auch über ein Lob aus Camargos Mund freuen: "It‘s been a hell of a night!"
Nach 'Hateful Nature' vom aktuellen "Bloodshed"-Album heißt es, Abschied von KRISIUN zu nehmen, aber "See you next time!"
(Gretha Breuer)

NECROPHOBIC
22 Uhr in Bad Berka, die Sonne hat sich inzwischen verabschiedet und die Licht- und Nebeltechniker dürfen ihr Können unter Beweis stellen. Das gelingt ihnen bei NECROPHOBIC auch ausgezeichnet: Von links hinten ziehen stetig dicke Rauchwaden über die Bühne, die von oben schick mit viel rotem Licht bestrahlt werden. Vor solch einer Kulisse fühlen sich die schwedischen Death-Metal-Urgesteine sichtlich wohl, auch wenn die sehr technischen und zum Teil erstaunlich modern klingenden Kompositionen nicht allzu viel Bühnenaction zuzulassen scheinen. Neben einem wie ich annehme bunten Streifzug durch den Backkatalog bieten die Jungs um Sänger/Bassist Tobias Sidegård auch einen neuen Track vom kommenden Album mit dem pathetischen Titel 'Blinded By Light, Enlightened By Darkness' dar. Bis auf diese Info sind die Ansagen allerdings zum Teil etwas panne. Angefangen von der Ankündigung, dass abschließend ein Cover-Song käme, den man sicher kennen würde, woraufhin er konsequenterweise NICHT angesagt wird. Kollege Tolga glaubt einen KING DIAMOND/MERCYFUL FATE-Song zu erkennen. Am meisten stört mich jedoch der Versuch, das Publikum zu lautstarken "Fuck you Christ"-Chören zu animieren - muss das sein?! Bis auf diese verbalen Ausrutscher allerdings ein sehr guter Gig - soweit ich das mit meinen mangelnden Kenntnissen der Band beurteilen kann.
(Elke Huber)

SUFFOCATION
Todesmetallisch geht es weiter, wenn auch aus der anderen Richtung: SUFFOCATION beackern seit vergangenem Jahr wieder die Bühnen der Welt und haben die während ihrer Schaffenspause gesammelte Energie noch längst nicht verbraucht. Das vor 14 Jahren aufgenommene 'Infecting The Crypts' bremst zwar kurz ins Midtempo ab, als der Gesang beginnt, doch nur um kurz darauf zu einem sich ins Gehör feilenden Solo durchzustarten. Geschwindigkeit und Midtempo-Groove im Wechsel mit Gitarrensoli lässt Köpfe kreisen.
Während seines unmenschlichen Gegrunzes mit getunneltem Mikro gestikuliert Frank Mullen flatternd, als könnte er seinen eigenen Ohren nicht trauen. 'Catatonia' von der Midi "Despise The Sun" täuscht mit fluffig-schleppendem Groove und hebt zum Blast ab, bei dessen komplexer Struktur Mullen mithält.
Vor 'Surgery Of Impalement' dankt er den Fans für die "great time", kurz darauf akustisch umgesetzt mittels eines typisch im Midtempo schleppenden SUFFOCATION-Intros, das nicht nur im durchbrechenden Uptempo-Bereich einer höheren Logik zu folgen scheint. Nahezu allen wichtigen Ami-Death Metal-Bands der Neunziger - unter anderem CANNIBAL CORPSE und MORBID ANGEL - widmen SUFFOCATION ihr 1995er 'Thrones Of Blood'. Kompromisslos schleudern die New Yorker 'Effigy Of The Forgotten' in die Menge.
Für den letzten Song kommt die SINISTER-Sängerin Rachel unter Johlen aus der Menge auf die Bühne. Ganz textsicher ist sie allerdings nicht und versucht dieses mit Bangen zu kaschieren. Ein Blick nach hinten ins Publikum zeigt, dass sich Viele von der Druckbetankung auf dem Zeltplatz aufs Festivalgelände vorgearbeitet haben, um die alten Helden in Bad Berka live zu sehen.
(Gretha Breuer)

AMON AMARTH
Schon am Nachmittag läuft jeder Zweite mit einem Trinkhorn rum. Besonders cool: Ein kleiner Junge mit einem Horn, das bei seiner Größe bis zum Boden reicht. Was dann um Mitternacht folgt, ist natürlich nichts für Kinder. Die Bühne wird rot wie Wikingerblut angestrahlt, während die fünf Schweden mit 'An Ancient Sign Of Coming Storm' loslegen - wenn auch zunächst etwas leise. "Lauter! Lauter!" schallt durchs Publikum. Ob's nach der Aufforderung laut genug ist, darüber scheiden sich die Geister. Ich persönlich empfinde den Sound jedenfalls als ziemlich drückend und klar. Nach den ersten beiden Songs vom aktuellen Album legen die Death-Wikinger gleich mit 'Masters Of War' nach. Sänger Johan lässt die Fans den Refrain mitsingen, während im Fotograben Helge (EQUILIBRIUM) abgeht. Die Saitenfraktion agiert recht agil, und im Synchron-Headbangen kann den Jungs wahrlich nur HYPOCRISY das Wasser bzw. den Met reichen. "Skål!" prostet Mr. Hegg den Fans zu, ehe 'The Fate Of Norns' die Stimmung weiter steigen lässt. In den ersten Reihen wird eine Schweden-Flagge geschwenkt, und bei 'Death In Fire' kommt auch endlich mal die Feuerbrunst am Bühnenrand zum Einsatz. Im Vergleich zum vergangenen Jahr geht die Party.San-Crew mit dem Feuer ziemlich sparsam um. Auch die paar Böller, die vom Bühnendach fliegen, sind da kein optischer Ersatz. Der Stimmung tut's aber keinen Abbruch. Mit der Zugabe 'Valkyries Ride' beenden AMON AMARTH den besten und professionellsten Gig, den ich bisher von ihnen gesehen habe.
(Carsten Praeg)

Redakteur:
Elke Huber

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