Potentia Animi Listening Session - Berlin

13.02.2006 | 20:43

10.02.2006, Zitadelle Spandau

"Einst begab es sich, dass ein vom jahrzehntelangen Rock'n'Roll-Lifestyle gelangweilter Schlagwerker beschloss, seine äußerst erfolgreiche Bandinstitution THE INCHTABOKATABLES pausieren zu lassen, um in der Abgeschiedenheit eines halb verfallenen Klosters zu neuer schöpferischer Potenz und frischer Lebensfreude zu gelangen."

So beginnt die Geschichte der Bruderschaft POTENTIA ANIMI, und Titus Jani alias Bruder Liebe fand in der Tat neue Brüder im Geiste, um dem Mittelaltergenre neue Ideen einzuhauchen. Neben den "betörend klingenden musikalischen Bildern" ist es vor allem der "subtil humorvolle, mitunter herrlich zotige" Schalk der Mönche, der ihnen eine stetig wachsende Fangemeinde beschert. Auch in Wacken konnten sie "Das erste Gebet" (so der Titel ihres Debüts) bereits vor einer großen Menge verkünden, denn es war wohl göttliche Fügung, dass sich angeblich just zu ihrem Auftritt die Schleusen des Himmels öffneten und zahlreiche durchnässte Ungläubige in die schützende Zeltbühne und somit in die offenen Arme unser "Bruderschaft der Kraft der Seele" getrieben wurden.

Ihr musikalisches Treiben blieb auch Metal Blade nicht verborgen, das den "Psalm II" betitelten nächsten Streich der unkeuschen Mönche in Kürze auf dem Sub-Label Staupa Musica veröffentlichen wird. Um dies stilvoll zu feiern, luden Metal Blade zusammen mit Absolut Promotion eine erlauchte Presseschar in die Zitadellenschänke des Berliner Bezirks Spandau, um in diesem historischen Gewölbe bei einem mittelalterlichen Mahl und mit viel Tamtam die Bruderschaft zu huldigen.

Erster Gang: Die Knoblauchzehe

Während die schreibende Zunft verlegen die unschuldige Zehe in ihre Bestandteile zerlegt ("Ihr solltet sie nicht essen, sondern euch nur die Zähne damit desinfizieren!"), lässt Bruder Computer die ersten Töne von 'Ave Maria' ertönen. Die musikalische Grundausrichtung hat sich nicht wesentlich geändert, doch schon jetzt lässt sich erahnen, dass "Psalm II" verstärkt mit modernen Beats arbeitet, die die gewohnt mittelalterlichen Klänge etwas tanzbarer gestalten. 'Ave Maria' beginnt und endet mit einem pompösen Glockenschlag, enthält ein leicht orientalisches Flair und besteht größtenteils aus Schlagzeug und Sprechgesang. Auch 'Eifersucht' wirkt recht modern, und 'Qui Per Mundum' vermischt sogar angedeutete Rap-Passagen mit Sackpfeifen.

Zweiter Gang: Die Gurke

Man ahnt ja nicht, welche Gefahren in einer solch unschuldig wirkenden kleinen Gurke stecken: So hätten 99% aller Menschen, die bei einem Autounfall uns Leben kommen, in den zwei Wochen davor eine eingelegte Gurke verspeist. Oder so ähnlich. Entsprechend respektvoll werden auch die nun auf den Tellern platzierten Spreewald-Gewächse ihrer natürlichen Bestimmung zugeführt und wandern todesmutig in ca. 30 Münder. Passend dazu verbreitet 'Anima Et Animus' eine gewisse "Winnetou und Old Shatterhand"-Westernstimmung, in der das Blei bekanntlich so manchem Leben ein vorschnelles Ende bereitete - auch ohne vorher eine eingelegte Gurke gegessen zu haben. Das recht poppig-flotte 'Manus Ferens' erhält zumindest im melancholischen Mittelteil eine gewisse Ehrfurcht aufrecht, und das mit einem Akustik-Gitarren-Part versehene 'Drei Reiter' wirkt mit seinem gerrrollten R auch ziemlich einschüchternd. Schluck...

Dritter Gang: Die Zwiebel

Die Tafelrunde mutiert langsam, aber sicher zum 'Bettelweib', lässt man sie doch immer noch bei Knollengewächsen darben. Der gleichnamige Song wildert in Gothic-Gefilden und tönt stellenweise sogar fast doublebass-lastig. Das folgende 'Räuberlied' ist im Vergleich zum bekannten 'Julia und die Räuber' einer anderen Mittelalter-Formation eher in Moll gehalten - traurige Geigenklänge dominieren diese Ballade. Dezent rockend folgt der 'Verlorene Haufen', und auch so mancher der Anwesenden fragt sich so langsam, was er bei diesem kargen Mahl eigentlich verloren hat - hatte es nicht geheißen, man solle möglichst mit leerem Magen in der Zitadelle zu Spandau erscheinen?

Vierter Gang: Harzer Roller mit Brot

Endlich, die Bruderschaft zeigt Erbarmen mit ihrer Gemeinde und erlaubt es ihr, das Fasten zu brechen. Begleitet von neuen Erkenntnissen ("Der Mond ist unsre Sonne") im zehnten Stück des Albums, dem traditionell-mittelalterlichen 'Non Major', wird der sich bereits reichlich im Magen befindliche Gerstenstaft mit einem Stück Käse verdickt. Mit derart neu gewonnener Energie zucken die Füße dann auch wieder etwas schwungvoller zum tanzbaren 'Ewigkeit'.

Fünfter Gang: Die Suppe

Heißa, endlich bewahrt eine kräftige Brühe, rustikal geschlürft aus einem metallenen Gefäß, so manch Anwesenden vor dem alkoholbedingten Kollaps. 'Viva La More' heißt das letzte, leicht technoide Stück, aber "Viva La Suppa" träfe es wohl eher. Derart ausgehungert munden auch die folgenden, überaus reichhaltigen und daher für die lange Fastenzeit mehr als entschädigenden Gänge vorzüglich, während "Psalm II" nochmals als dezente Hintergrund-Tischmusik gut zu unterhalten weiß.

Fazit:

Auf die sicher wieder äußerst wortwitzigen und dezent verdorbenen Texte kann man bei diesem ersten, recht flüchtigen Eindruck noch nicht achten. Musikalisch gesehen führen POTENTIA ANIMI die Ideen des Debüts jedenfalls konsequent fort. Das mittelalterliche Grundgerüst wird - vor allem im Vergleich zu ihren Label-Kollegen CORVUS CORAX - recht frei interpretiert und mit einigen genrefremden Elementen verhältnismäßig modern umgesetzt. Die größte Stärke der Bruderschaft liegt jedoch im Live-Sektor, und das abschließend höchstpersönlich und sehr stimmgewaltig dargebotene herrliche 'Gaudete' vom Album "Das erste Gebet" bildet somit einen stimmungsvollen Ausklang eines äußerst vergnüglichen Abends.

P.S.: Wer gerne noch einen optischen Eindruck des speziellen POTENTIA ANIMI-Humors hätte, sollte sich bei den Fotos unbedingt das kleine Mönchlein anschauen.

POTENTIA ANIMI - Mönche mögens heiß! (ein wundervoller Slogan, der leider nicht von mir stammt)
Besetzung:
Bruder Nachtfraß - Gesang, Cister
Bruder Liebe - Schlagwerk, Gesang
Bruder Schaft - Sackpfeife, Harmonium, Gesang
Bruder Schlaf - Bass, Gesang
Schnabausus Rex - Violine

Trackliste "Psalm II":
01. Ave Maria
02. Eifersucht
03. Qui Per Mundium
04. Anima et Animus
05. Manus Ferens
06. Drei Reiter
07. Bettelweib
08. Räuberlied
09. Verlorene Haufen
10. Non Major
11. Ewigkeit
12. Viva la More

Redakteur:
Elke Huber

Login

Neu registrieren