PottOut Festival - Bochum

21.12.2024 | 12:41

07.12.2024, Ruhrcongress

Denkwürdiges von Alt und Jung.

Die "Hard Circle"-Reihe bekommt Nachwuchs, und darüber dürften sich die Kuttenträger im Ruhrgebiet besonders gefreut haben. Mit dem "PottOut"-Festival ist ein weiterer Vertreter der Konzertserie aus der Taufe gehoben worden, der nicht nur das gewaltige Billing der beiden Partnerveranstaltungen in Augsburg und Karlsruhe teilt, sondern auch der finale Höhepunkt eines sehr bewegten Konzertjahres 2024 werden soll. Schade ist lediglich, dass der Bochumer Ruhcongress, der als Veranstaltungsort wirklich prächtig taugt, nicht gänzlich ausverkauft ist, während tags zuvor die gesamte Westfalenhalle von SLIPKNOT bei einer vergleichsweise mageren Spielzeit um einen weitaus höheren Eintrittspreis geprellt worden ist. Denn statt 65 Minuten Selbstbeweihräucherung, gibt es heute fette Live-Action in immerhin acht prall gefüllten Stunden. Bühne frei also für einen deutsch-schwedischen Konzertabend für die Bücher, doch der beginnt schon ein bisschen holprig mit dem Special Guest.

Es sind nämlich nur noch wenige Minuten bis zum offiziellen Start, die vorderen Reihen füllen sich so langsam, und die Party kann eigentlich unmittelbar beginnen, als AXXIS-Frontmann Bernhard Weiss ein wenig bedröppelt auf die Bühne stolpert und bei seinem eigentlichen Heimspiel verlauten lässt, dass er noch gar nicht sicher ist, ob er die Show heute wird bestreiten können. Dem Röcheln und Husten kann man schnell entnehmen, dass die Show heute nicht unter dem besten Stern steht, doch Weiss und sein Team, die als Special Guest bei den drei Indoor-Festivals am Start sind, geben der Sache eine Chance und ziehen ihr Ding durch. Rückblickend betrachtet trifft der Fronter auch mehr Töne als zunächst befürchtet. 

AXXIS wird in gut drei Wochen ein weiteres Mal das Publikum im Ruhrpott mit einem besonderen Event zum Abschied von Keyboarder Herra Oellers beehren, so dass sich mancher langjährige Fan heute auch damit zufrieden gibt, dass die Zahl der Klassiker im Set recht begrenzt ist, allerdings zeigt sich trotzdem sehr klar, dass AXXIS über die Jahre eine Truppe mit zwei Gesichtern geblieben ist. Die eine Hälfte kann mit einem diabolischen Lächeln einen schwungvollen Mix aus Hardrock und Heavy Metal anbieten, die andere Hälfte verfällt aber manchmal gerne dem Kitsch, so dass gerade die etwas ruhigeren Zwischentöne in einem Stück wie 'Touch The Rainbow' einen großen Teil der Energie kurzzeitig herausnehmen, glücklicherweise aber auch nur für diesen einen Song. 

Davon abgesehen hat die Band definitiv keine Schwierigkeit damit, das rund 40-minütige Set zu füllen, nimmt sich heute auch mal etwas mehr Zeit für ausgedehntere Instrumentaleinlagen, um die Stimme des Sängers zu schonen, der wiederum aber jede Pause nutzt, um mit teils etwas anstrengenden Ansagen das Publikum zu unterhalten. Als Entertainer hat Weiss meines Erachtens schon mal besser funktioniert als am heutigen Abend, aber da mögen die Geschmäcker auch durchaus unterschiedlich sein. Als der wohl bekannteste Gassenhauer 'Kingdom Of The Night' den Schlussspurt beschließt, will man darüber aber auch nicht mehr nachdenken, denn trotz der denkbar schlechten Vorzeichen hat AXXIS heute einmal mehr ordentlich abgeliefert und entsprechend auch sehr viel Applaus geerntet. Dass die Band darüber nachdenkt, nach der laufenden Tour die Segel zu streichen, ist daher irgendwie auch surreal und kaum vorstellbar.

Eine 20-minütige Umbaupause führt zu einem Rollentausch an vorderster Front. Sind es bei AXXIS vor allem die etwas betagteren, eingesessenen Originale der ersten Stunde, die lautstark mitfeiern, gibt sich bei DYNAZTY vor allem der metallische Nachwuchs am Bühnenrand die Ehre und beschert den Skandinaviern einen Einstieg nach Maß. Die Menge klatscht, singt und jubelt und gibt den Schweden teilweise ein Feedback, als sei bereits der Headliner on stage. Dass die Truppe um AMARANTHE-Frontmann Nils Molin derweil alle opulenten Nebenerscheinungen vom Band kommen lässt, kein menschlicher Keyboarder zum Line-up gehört und auch die pompösen Orchestrierungen ausschließlich aus der Konserve kommen, scheint nur die wenigsten zu stören. Mir persönlich gibt das irgendwie gar nichts und erinnert mich mehr und mehr an eine derzeit sehr aktuelle Entwicklung, in der harte Gitarren plus üppige Produktion mit echtem Heavy Metal gleichgesetzt werden und eine Band eigentlich alle möglichen Kombinationen aus diesem Spektrum zusammenstellen kann, ohne sich dabei sorgen zu müssen, dass man ihr in irgendeiner Form kritisch gegenübersteht.

Dieses Urteil mag dem Studiomaterial von DYNAZTY zwar nicht ganz gerecht werden, und sicherlich sind auch einige Die-Hard-Anhänger heute mit dabei, die sich über jeden Ton der schwedischen Melodic-Metal-Combo freuen, aber an manchen Stellen wird das Ganze dann doch zur Jahrmarkt-ähnlichen Farce, wenn der Bassist beispielsweise bei einem eher balladesken Part wie ein Derwisch mit seinem Schopf den Propeller macht oder sein Stageacting überhaupt eher übertrieben aufgedreht erscheint. Die Band hat sicherlich gutes Material und die Jungs sind bemüht, auf der Bühne Gas zu geben, so dass es weitaus mehr als nur Höflichkeitsapplaus gibt. Aber wenn man die Dinge, die man auf Platte produziert, zu großen Teilen nur mit Unterstützung vom Band umsetzen kann, fragt man sich schon, ob das hier wirklich der Real Deal ist. Die Zuschauer, die sich im Übrigen auch ganz zünftig am vielleicht hässlichsten T-Shirt-Motiv des heutigen Abends bedienen, würden dies bejahen. Ich für meinen Teil verbuche diesen Gig eher als nette Randerscheinung eines später noch weitaus aufregender werdenden Abends.

Bei H.E.A.T. fällt schon vor den ersten Tönen auf, dass das Backdrop eine Menge hermacht und irgendwie auch eine Art 3D-Szernerie entwirft, die mit der nachfolgenden Lightshow perfekt in Szene gesetzt wird. Leider haben die Schweden zum Auftakt ihres Konzerts ein bisschen Pech mit dem Sound, weil kein einziger Ton aus den Boxen tönt, die Band zwar extrem motiviert ihre Performance startet, im Auditorium aber noch nichts ankommt. Erst nach und nach erklingen Gitarre, Drums und zu guter Letzt auch der Gesang. Dann geht es direkt auch richtig zur Sache. 'Rock Your Body', 'Hollywood' und 'One By One' bringen die Stimmung dann auch relativ schnell an den Siedepunkt, was vor allem damit zusammenhängt, dass Frontmann Kenny Leckremo nicht nur ein einzigartiger Sänger ist, sondern auch die passenden Zwischentöne findet, um die Menge auf seine Seite zu ziehen. 

Klangtechnisch fällt H.E.A.T. zwar im Billing ein bisschen aus der Reihe, doch das eher Power-Metal-affine Publikum stört sich daran kein bisschen, singt hier und dort auch gerne mal etwas lauter mit und dankt dieser Truppe für eine leidenschaftliche Darbietung und einen rundum sympathischen Auftritt. Zumindest für die nachfolgenden Acts ist die Messlatte im Anschluss etwas höher gelegt, was angesichts des etwas gehemmten AXXIS-Gigs und der inhaltlich fragwürdigen DYNAZTY-Show aber auch noch nicht die größte Herausforderung ist. H.E.A.T. war mir als Album-Combo bis dato sehr, sehr willkommen. Doch auch live funktionieren die Skandinavier wie aus einem Guss und kommen hoffentlich auch bald wieder mit neuem Material auf deutsche Bühnen zurück.

Was danach geschieht, ist anfangs ein recht großes Mysterium. GAMMA RAY ist nicht zuletzt wegen der zahlreichen Verpflichtungen der Beteiligten ein bisschen zum Erliegen gekommen. Schlagwerker Michael Ehre ist bei unzähligen befreundeten Bands aktiv, und auch Kai Hansen hat seine Prioritäten zuletzt eher bei HELLOWEEN gesehen, so dass man heuer schon fast von einem Comeback sprechen kann. Bei diesem ist irgendwie auch ganz in Vergessenheit geraten, dass sich Aushängeschild Hansen die Vocals seit einiger Zeit mit Frank Beck teilt. Auf der Bühne wirkt der Leadsänger aber gelegentlich noch wie ein Fremdkörper, ist in seinen Bewegungen eher etwas hüftsteif und leidet womöglich auch darunter, dass der Bandleader immer noch das absolute Aushängeschild ist - Unkenrufen zufolge auch, weil sich Hansen frisurtechnisch etwas merkwürdig abgrenzt. 

Aber lassen wir das. Mit dem standesgemäßen Auftakt 'Land Of The Free' zieht GAMMA RAY das Publikum sofort auf seine Seite, legt mit 'Last Before The Storm' mächtig nach und hat die kleine Wand zwischen der Band und den vielen jungen Zuschauern, die das Hamburger Ensemble heute zum ersten Mal sehen, endgültig durchbrochen. Trotzdem spürt man, dass die Feinabstimmung nicht nur beim Stageacting noch nicht optimal ist. Beck und Hansen stehen sich manchmal ein bisschen im Weg, die doppelten Gesangsspuren könnten etwas häufiger eingebaut werden, und auch die üblichen Mitsingspielchen wollen noch nicht so recht funktionieren, obschon Kultnummern wie 'Rebellion In Dreamland' und das bockstarke 'Somewhere Out In Space' die erhofften Selbstläufer werden. Gerade Erstgenanntes wird aus tausend Kehlen mitgesungen und entsprechend auch gefeiert. Dennoch bleibt die vollkommene Euphorie aus, weil eine Vielzahl von Kleinigkeiten das Optimum verhindert und GAMMA RAY noch nicht wieder so richtig in der Spur ist. Aber alleine die Tatsache, dass die Band wieder am Start ist und alle Ängste ob eines schleichenden Abgangs beiseite schiebt, macht wieder gute Laune. Gerne darf hier bald wieder mehr kommen!

Hätte man mir noch vor zwei Monaten gesagt, dass KISSIN' DYNAMITE die Band ist, auf die ich mich heute am meisten freue, hätte ich wahrscheinlich müde gelächelt. Ich mag diese sympathischen Jungs zwar schon immer, finde auch ihre Alben bis dato immer extrem unterhaltsam, hätte aber nie damit gerechnet, dass sich die Schwaben auf der Bühne zu solchen Monstern entwickeln würden, wie es auch im Rahmen der letzten Tournee geschehen ist. Mein privater Abstecher in die japanische Hauptstadt und der Gig im letzten Monat haben mir jedoch die Augen geöffnet und "Back With A Bang" zum wahrscheinlich meistgehörten Album des laufenden Jahres gemacht - und das, das stellen die beiden Braun-Brüder und ihre Mitstreiter heute klar, völlig zurecht! 

Zwar lässt sich das Quintett sehr viel Zeit, bis endlich das Intro ertönen darf, doch sobald die ersten Noten des immer noch aktuellen Titelsongs in die Runde gefeuert werden, gibt es kein Halten mehr. KISSIN' DYNAMITE bringt neben dem heutigen Headliner wohl die meisten Zuschauer mit, und die singen, feiern und hüpfen zu jedem einzigen Ton, den die Süddeutschen herausbringen. Doch nicht nur der musikalische Part, sondern auch die üppige Bühnenproduktion bieten großartige Unterhaltung. Die Musiker rennen über die eigens gebauten Rampen, Frontmann Hannes besteigt zu 'I Will Be King' einen mächtigen Thron, lässt sich mit einem großen Schlauchboot über die vorderen Reihen tragen und posiert stolz vor dem erst später vollständig aufgefahrenen Backdrop der letzten Scheibe. 

Währenddessen wird das neue Logo mit einem gewaltigen Lichtring immer wieder zum Strahlen gebracht und den Zuschauern quasi hypnotisch in Erinnerung gerufen. Das Ziel, den Stadionrock wieder zurückzubringen, hat KISSIN' DYNAMITE immer noch im Visier, und mit einer solchen Show ist man auch ganz nah dran, irgendwann tatsächlich mal den Sprung in die großen Arenen zu schaffen. Den Zugabenblock mit 'You're Not Alone' und 'Raise Your Glass' singen die vorderen Reihen verdientermaßen noch lauter mit als die vielen Highlights von "Back With A Bang", aus denen der Löwenanteil der Setliste besteht. Als schließlich die letzten Kusshändchen in die Menge geworfen werden, ist man sich ganz, ganz sicher: Der Tagessieg kann diesen fünf Energiebündeln eigentlich kaum mehr genommen werden. Richtig, richtig stark, was KISSIN' DYNAMITE auf die Bühne bringt!

Bei BLIND GUARDIAN gibt es daher auch das vermutete Kontrastprogramm. Ein riesiges Backdrop des letzten Albums ziert den Bühnenhintergrund, doch ansonsten verzichtet das Krefeleder Original heute auch gerne wieder auf allzu viel Schnickschnack und konzentriert sich ausschließlich auf die Musik. Mit dem epischen 'Imaginations From The Other Side' starten Hansi Kürsch und seine Gefährten (darunter auch ein noch sehr junger, neuer Keyboarder) in ihr Set und können sicher sein, dass der Refrain, aber auch große Teile der Strophen in hoher Lautstärke begleitet werden. Ein extrem lautes 'Nightfall', ein bretthartes 'Banish From Sanctuary' und dazwischen auch einige Songs neueren Datums ('Violent Shadows' und 'Blood Of The Elves' gehen live noch mal steiler akls auf Platte), und schon werden die ersten Kehlen trocken, weil man keinen Ton ausgelassen hat. In diesem Segment gibt es kaum eine Band (SAVATAGE vielleicht mal ausgenommen), bei der nicht nur im Chorus eine perfekte Symbiose zwischen Publikum und Band erzielt wird, wie das bei BLIND GUARDIAN der Falll ist.

Die hiesige Legende weiß dieses vertraute Element auch immer wieder zu nutzen, baut mit 'Bright Eyes' einen bereits länger nicht mehr gespielten Song wieder in die Setliste ein, präsentiert sich im monumentalen 'Lord Of The Rings' von seiner besten Seite und gibt den Zuschauern schließlich im unvermeidlichen 'The Bard's Song - In The Forest' wieder die Möglichkeit, sich noch einmal gesondert auszuzeichnen. Während an der rechten Bühnenseite in jeder Pause die Forderung nach 'Majesty' ertönt, ziehen die Herren ihr Programm zunächst noch straff durch und beenden den regulären Zugabenblock schließlich mit 'Valhalla' und dem etatmäßigen 'Mirror Mirror'. Doch auch Wünsche werden kurz vor den Feiertagen noch erfüllt, so dass 'Majesty' als Abschluss einer wie immer sehr professionellen, aber nach wie vor extrem starken Show herhalten darf. Bei BLIND GUARDIAN kann aber offenbar auch einfach nichts anbrennen - diese Erkenntnis hat die Band auch heute noch mal hinterlegt. Ergo: Tolles Finish eines wunderschönen Konzertabends.

Dass die "Hard Circle"-Reihe in diesem Jahr also auch in der Wiege des deutschen Stahls Halt gemacht hat, ist eine der besten Entscheidungen, die von Konzertveranstaltern in diesem Jahr getroffen wurden. Alle sechs Bands werden ordentlich gefeiert, einige Jungspunde und darunter vor allem KISSIN' DYNAMITE sind für die künftige Thronfolge bereit, und GAMMA RAY und BLIND GUARDIAN noch mal in einem Package erleben zu dürfen, kann man wohl ebenfalls als verfrühtes Weihnachtsgeschenk betrachten. Das "PottOut Festival" wird auch im nächsten Jahr wieder im Bochumer Ruhrcongress stattfinden und man kann die Booking-Agenturen Stand jetzt nicht beneiden, den hohen Standard der Erstauflage zumindest bestätigen zu wollen. Ja, so schlicht muss man es einfach sagen: Das hat richtig Spaß gemacht!

Photocredit: Andre Schnittker

Hinweis: Die Fotos stammen vom ROCK OUT Festival aus Augsburg am 13.12.2024

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die "Hard Circle"-Reihe bekommt Nachwuchs, und darüber dürften sich die Kuttenträger im Ruhrgebiet besonders gefreut haben. Mit dem "PottOut"-Festival ist ein weiterer Vertreter der Konzertserie aus der Taufe gehoben worden, der nicht nur das gewaltige Billing der beiden Partnerveranstaltungen in Augsburg und Karlsruhe teilt, sondern auch der finale Höhepunkt eines sehr bewegten Konzertjahres 2024 werden soll. Schade ist lediglich, dass der Bochumer Ruhcongress, der als Veranstaltungsort wirklich prächtig taugt, nicht gänzlich ausverkauft ist, während tags zuvor die gesamte Westfalenhalle von SLIPKNOT bei einer vergleichsweise mageren Spielzeit um einen weitaus höheren Eintrittspreis geprellt worden ist. Denn statt 65 Minuten Selbstbeweihräucherung, gibt es heute fette Live-Action in immerhin acht prall gefüllten Stunden. Bühne frei also für einen deutsch-schwedischen Konzertabend für die Bücher, doch der beginnt schon ein bisschen holprig mit dem Special Guest


 

 

 

Es sind nämlich nur noch wenige Minuten bis zum offiziellen Start, die vorderen Reihen füllen sich so langsam,und die Party kann eigentlich unmittelbar beginnen, als AXXIS-Frontmann Bernhard Weiss ein wenig bedröppelt auf die Bühne stolpert und bei seinem eigentlichen Heimspiel verlauten lässt, dass er noch gar nicht sicher ist, ob er die Show heute wird bestreiten können. Dem Röcheln und Husten kann man schnell entnehmen, dass die Show heute nicht unter dem besten Stern steht, doch Weiss und sein Team, die als Special Guest bei den drei Indoor-Festivals am Start sind, geben der Sache eine Chance und ziehen ihr Ding durch – und rückblickend betrachtet trifft der Fronter auch mehr Töne als zunächst befürchtet. AXXIS wird in gut drei Wochen ein weiteres Mal das Publikum im Ruhrpott mit einem besonderen Event zum Abschied von Keyboarder Herra Oellers beehren, so dass sich mancher langjährige Fan heute auch damit zufrieden gibt, dass die Zahl der Klassiker im Set recht begrenzt ist, allerdings zeigt sich trotzdem sehr klar, dass AXXIS über die Jahre eine Truppe mit zwei Gesichtern geblieben ist, deren eine Hälfte mit einem diabolischen Lächeln einen schwungvollen Mix aus Hardrock und Heavy Metal anbieten kann, deren andere Hälfte aber manchmal gerne mal dem Kitsch verfällt, so dass gerade die etwas ruhigeren Zwischentöne in einem Stück wie 'Touch The Rainbow' einen großen Teil der Energie kurzzeitig herausnehmen, glücklicherweise aber auch nur für diesen einen Song. Davon abgesehen hat die Band definitiv keine Schwierigkeit damit, das rund 40-minütige Set zu füllen, nimmt sich heute auch mal etwas mehr Zeit für ausgedehntere Instrumentaleinlagen, um die Stimme des Sängers zu schonen, der wiederum aber jede Pause nutzt, um mit teils etwas anstrengenden Ansagen das Publikum zu unterhalten. Als Entertainer hat Weiss meines Erachtens schon mal besser funktioniert als am heutigen Abend, aber da mögen die Geschmäcker auch durchaus unterschiedlich sein. Als der wohl bekannteste Gassenhauer 'Kingdom Of The Night' den Schlussspurt beschließt, will man darüber aber auch nicht mehr nachdenken – denn trotz der denkbar schlechten Vorzeichen hat AXXIS heute einmal mehr ordentlich abgeliefert und entsprechend auch sehr viel Applaus geerntet. Dass die Band darüber nachdenkt, nach der laufenden Tour die Segel zu streichen, ist daher irgendwie auch surreal und kaum vorstellbar.

Eine 20-minütige Umbaupause führt zu einem Rollentausch an vorderster Front. Waren es bei AXXIS vor allem die etwas betagteren, eingesessenen Originale der ersten Stunde, die lautstark mitfeierten, gibt sich bei DYNAZTY vor allem der metallische Nachwuchs am Bühnenrand die Ehre und beschert den Skandinaviern einen Einstieg nach Maß. Die Menge klatscht, singt und jubelt und gibt den Schweden teilweise ein Feedback, als sei bereits der Headliner on stage. Dass die Truppe um AMARANTHE-Frontmann Nils Molin derweil alle opulenten Nebenerscheinungen vom Band kommen lässt, kein menschlicher Keyboarder zum Line-up gehört und auch die pompösen Orchestrierungen ausschließlich aus der Konserve kommen, schaut nur die wenigsten zu stören. Mir persönlich gibt das irgendwie gar nichts und erinnert mich mehr und mehr an eine derzeit sehr aktuelle Entwicklung, in der harte Gitarren plus üppige Produktion mit echtem Heavy Metal gleichgesetzt werden und eine Band eigentlich alle möglichen Kombinationen aus diesem Spektrum zusammenstellen kann, ohne sich dabei sorgen zu müssen, dass man ihr in irgendeiner Form kritisch gegenübersteht. Dieses Urteil mag dem Studiomaterial von DYNAZTY zwar nicht ganz gerecht werden, und sicherlich sind auch einige Die-Hard-Anhänger heute mit dabei, die sich über jeden Ton der schwedischen Metalodic-Metal-Combo freuen, aber an manchen Stellen wird das Ganze dann doch zur Jahrmarkt-ähnlichen Farce, wenn der Bassist beispielsweise bei einem eher balladesken Part wie ein Derwisch mit seinem Schopf den Propeller macht oder sein Stageacting überhaupt eher übertrieben aufgedreht erscheint. Die band hat sicherlich gutes Material, und die Jungs sind bemüht, auf der Bühne Gas zu geben, so dass es weitaus mehr gibt als nur Höflichkeitsapplaus gibt. Aber wenn man die Dinge, die man auf Platte produziert, zu großen Teilen nur mit Unterstützung vom Band umsetzen kann, fragt man sich schon, ob das hier wirklich der Real Deal ist. Die Zuschauer, die sich im Übrigen auch ganz zünftig am vielleicht hässlichsten T-Shirt-Motiv des heutigen Abends bedienen, würden dies bejahen; ich für meinen Teil verbuche diesen Gig eher aals nette Randerscheinung eines später noch weitaus aufregender werdenden Abends.

Bei H.E.A.T. fällt schon vor den ersten Tönen auf, dass das Backdrop eine Menge hermacht und irgendwieauch eine Art 3D-Szernerie entwirft, die mit der nachfolgenden Lightshow perfekt in Szene gesetzt wird. Leider haben die Schweden zum Auftakt ihres Konzerts ein bisschen Pech mit dem Sound, weil kein einziger Ton aus den Boxen tönt, die Band zwar extrem motiviert ihre Performance startet, im Auditorium aber noch nichts ankommt. Erst nach und nach erklingen Gitarre, Drums und zu guter Letzt auch der Gesang - und dann geht es direkt auch richtig zur Sache. 'Rock Your Body', 'Hollywood' und 'One By One' bringen die Stimmung dann auch relativ schnell an den Siedepunkt, was vor allem damit zusammenhängt, dass Frontmann Kenny Leckremo nicht nur ein einzigartiger Sänger ist, sondern auch die passenden Zwischentäöne findet, um die Menge auf seine Seite zu ziehen. Klangtechnisch fällt H.E.A.T. zwar im Billing ein bisschen aus der Reihe, doch das eher Power-Metal-affine Publikum stört sich daran kein bisschen, singt hier und dort auch gerne mal etwas lauter mit und dankt dieser Truppe für eine leidenschaftliche Darbietung und einen rundum sympathischen Auftritt. Zumindest für die naachfolgenden Acts ist die Messlatte im Anschluss etwas höher gelegt, was angesichts des etwas gehemmten AXXIS-Gigs und der inhaltlich fragwürdiigen DYNAZTY-Show aber auch noch nicht die größte Herausforderung war. H.E.A.T. waren mir als Album-Combo bis dato sehr, sehr willkommen. Doch auch live funktionieren die Skandinavier wie aus einem Guss und kommen hoffentlich auch bald wieder mit neuem Material auf deutsche Bühnen zurück.

Was danach geschieht, war anfangs ein recht großes Mysterium; GAMMA RAY ist nicht zuletzt wegen der zahlreichen Verpflichtungen der Beteiligten ein bisschen zum Erliegen gekommen. Schlagwerker Michael Ehre ist bei unzähligen befreundeten Bands aktiv, und auch Kai Hansen hat seine Prioritäten zuletzt eher bei HELLOWEEN gesehen, so dass man heuer schon fast von einem Comeback sprechen kann - und bei diesem war irgendwie auch ganz in Vergessenheit geraten, dass sich Aushängeschild Hansen die Vocals seit einiger Zeit mit Frank Beck teilt. Auf der Bühne wirkt der Leadsänger aber gelegentlich noch wie ein Fremdkörper, ist in seinen Bewegungen eher etwas hüftsteif und leidet womöglich auch darunter, dass der Bandleader immer noch das absolute Aushängeschild ist - Unkenrufen zufolge auch, weil sich Hansen frisurtechnisch etwas merkwürdig abgrenzt. ABer lassen wir das. Mit dem standesgemäßen Auftakt 'Land Of The Free' zieht GAMMA RAY das Publikum sofort auf seine Seite, legt mit 'Last Before The Storm' mächtig nach und hat die kleine Wand zwischen der Band und den vielen jungen Zusschauern, die das Hamburger Ensemble heute zum ersten Mal sehen, endgültig durchbrochen. Nichtsdestotrotz spürt man, dassdie Feinabstimmung nicht nur beim Stageacting noch nicht optimal ist. Beck und Hansen stehen sich manchmal ein bisschen im Weg, die doppelten gesangsspuren könnten etwas häufiger eingebaut werden, und auch die üblichen Mitsingspielchen wollen noch nicht so recht funktionieren, obschon Kultnummern wie 'Rebellion In Dreamland' und das bockstarke 'Somewhere Out In Space' die erhofften Selbstläufer werden. Gerade Erstgenanntes wird aus taausend Kehlen mitgesungen und entsprechend auch gefeiert. Dennoch bleibt die vollkommene Euphorie aus, weil eine Vielzahl von Kleinigkeiten das Optimum verhindert und GAMMA RAY noch nicht wieder so richtig in der Spur ist. Aber alleine die Tatsache, dass die Band wieder am Start ist und alle Ängste ob eines schleichenden Abgangs beiseite schiebt, macht wieder gute Laune. Gerne darf hier bald wieder mehr kommen!

Hätte man mir noch vor zwei Monaten gesagt, dass KISSIN' DYNAMITE die Band ist, auf die ich mich heuteam meisten freue, hätte ich wahrscheinlich müde gelächelt. Ich mag diese sympathischen Jungs zwar schon immer, fand auch ihre Alben bis dato immer extrem unterhaltsam, hätte aber nie damit gerechnet, dass sich die Schwaben auf der Bühne zu solchen Monstern entwickeln würden, wie es auch im Rahmen der letzten Tournee geschehen ist. Mein privater Abstecher in die japanische Hauptstadt und der Gig im letzten Monat haben mir jedoch die Augen geöffnet und "Back With A Bang" zum wahrscheinlich meistgehörten Album des laufenden Jahres gemacht - und das, das stellen die beiden Braun-Brüder und ihre Mitstreiter heute klar, völlig zurecht! Zwar lässt sich das Quintett sehr viel Zeit, bis endlich das Intro ertönen darf, doch sobald die ersten Noten des immer noch aktuellen Titelsongs in die Runde gefeuert werden, gibt es kein Halten mehr. KISSIN' DYNAMITE bringt neben dem heutigen Headliner wohl die meisten Zuschauer mit, und die singen, feiern und hüpfen zu jedem einzigen Ton, den die Süddeutschen herausbringen. Doch nicht nur der musikalische Part, sondern auch die üppige Bühnenproduktionen bieten großartige Unterhaltung. Die Musiker rennen über die eigens gebauten Rampen, Frontmann Hannes besteigt zu 'I Will Be King' auf einen mächtigen Thron, lässt sich mit einem großen Schlauchboot durch die vorderen Reihen tragen und posiert stolz vor dem erst später vollständig aufgefahrenen Backdrop der letzten Scheibe. Währenddessen wird das neue Logo mit einem gewaltigen Lichtring immer wieder zum Strahlen gebracht und den Zuschauern quasi hypnotisch in Erinnerung gerufen - das Ziel, den Stadionrock wieder zurückzubringen, hat KISSIN' DYNAMITE immer noch im Visier, und mit einer solchen Show ist man auch ganz nah dran, irgendwann tatsächlich mal den Sprung in die großen Arenen zu schaffen. Den Zugabenblock mit 'You're Not Alone' und 'Raise Your Glass' singen die vorderen Reihen verdientermaßen noch lauter mit als die vielen Highlights von "Back With A Bang", aus denen der Löwenanteil der Setliste besteht. Und als schließlich die letzten Kusshändchen in die Menge geworfen werden, ist man sich ganz, ganz sicher: der Tagessieg kann diesen fünf Energiebündeln eigentlich kaum mehr genommen werden. Richtig, richtig stark, was KISSIN' DYNAMITE auf die Bühne bringt!

Bei BLIND GUARDIAN gibt es daher auch das vermutete Kontrastprogramm; ein riesiges Backdrop des letzten Albums ziert den Bühnenhintergrund, doch ansonsten verzichtet das Krefeleder Original heute auch gerne wieder auf allzu viel Schnickschnack und konzentriert sich ausschließlich auf die Musik. Mit dem epischen 'Imaginations From The Other Side' starten Hansi Kürsch und seine Gefährten (darunter auch ein noch sehr junger, neuer Keyboarder) in ihr Set und können sicher sein, dass der Refrain, aber auch große Teile der Strophen in hoher Lautstärke begleitet werden. Ein extrem lautes 'Nightfall', ein bretthartes 'Naish From Sanctuary' und dazwischen auch einige Songs neueren Datums ('Violent Shadows' und 'Blood Of The Elves' gehen live noch mal steiler akls auf Platte), und schon werden die ersten Kehlen trocklen, weil man keinen Ton ausgelassen hat. In diesem Segment gibt es kaum eine Band (SAVATAGE vielleicht mal ausgenommen), bei der nicht nur im Chorus eine perfekte Symbiose zwischen Publikum und Band erzielt wird wie bei BLIND GUARDIAN. Und die hiesige Legende weiß dieses vertraute Element auch immer wieder zu nutzen, baut mit 'Bright Eyes' einen bereits länger nicht mehr gespielten Song wieder in die Setlist ein, präsentiert sich im monumentalen 'Lord Of The Rings' von seiner besten Seite und gibt den ZUschauern schließlich im unvermeidlichen 'The Bard's Song - In The Forest' wieder die Möglichkeit, sich noch einmal gesondert auszuzeichnen. Während an der rechten Bühnenseite in jeder Pause die Forderung nach 'Majesty' ertönt, ziehen die Herren ihr Programm zunächst noch straff durch und beenden den regulären Zugabenblock schließlich mit 'Valhalla' und dem etatmäßigen 'Mirror Mirror'. Doch auch Wünsche werden kurz vor den Feiertagen noch erfüllt, so dass 'Majesty' als Abschluss einer wie immer sehr professionellen, aber nach wie vor extrem starken Show herhalten darf. Bei BLIND GUARDIAN kann aber offenbar auch einfach nichts anbrennen - diese Erkenntnis hat die Band auch heute noch mal hinterlegt. Ergo: Tolles Finish eines wunderschönen Konzertabends.


Dass die "Hard Circle"-Reihe in diesem Jahr also auch in der Wiege des deutschen Stahls Halt gemacht hat, war eine der besten Entscheidungen, die von Konzertveranstaltern in diesem Jahr getroffen wurden. Alle sechs Bands wurden ordentlich gefeiert, einige Jungspunde und darunter vor allem KISSIN' DYNAMITE sind für die künftige Thronfolge bereit, und GAMMA RAY und BLIND GUARDIAN noch mal in einem Package erleben zu dürfen, kann man wohl ebenfalls als verfrühtes Weihnachtsgeschenk betrachten. Das "PottOut Festival" wird auch im nächsten jahr wieder im Bochumer Ruhcongress stattfinden und man kann die Booking-Agenturen Stand jetzt nicht beneiden, den hohen Standard der Erstauflage zumindest bestätigen zu wollen. Ja, so schlicht muss man es einfach sagen: Das hat richtig Spaß gemacht!

Photo Credit: Andre Schnittker

Hinweis: Die Fotos stammen vom ROCK OUT Festival aus Augsburg am 13.12.2024

Redakteur:
Björn Backes

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