Power Of The Dragonflame-Festival - Geiselwind

30.12.2024 | 20:32

28.12.2024, Eventzentrum Strohofer

Ein wahres Fest für die Freunde von Flitzefingern, Zuckerguss, Fantasy und "zu vielen Noten".

Ich muss erst einmal vorwegschicken, dass ich nie ein RHAPSODY-Fan gewesen bin. Rollenspiel, Drachen, Würfel ja, aber irgendwie blieb ich bei BLIND GUARDIAN. Die Italiener waren mir meist doch zu dudelig und zu bombastisch, als dass ich Fanboy wurde, einfach auch, weil meine damaligen Lebensumstände es nicht erlaubten, dass ich mich intensiv mit den Burschen beschäftigen konnte.

Das mag eine schlechte Voraussetzung sein für ein Festival, das nach einem Album besagter Band benannt ist, aber mit auf dem Billing stehen sieben weitere Bands. Zudem veranstaltet unser Freund Oliver Weinsheimer das Festival, mit dem wir seit Langem verbunden sind und dessen Festivals, KEEP IT TRUE, das KIT Rising oder HAMMER OF DOOM, immer zu den Highlights des Metaljahres gehören. Deswegen müssen wir auf jeden Fall auch vom POWER OF THE DRAGONFLAME berichten, auch wenn Geiselwind für mich nicht gerade um die Ecke liegt.

So treffen Andre und ich pünktlich ein und ich schaue mir erstmal die Location an, denn im Eventzentrum Strohofer war ich, auch wegen der Entfernung von meiner Heimatbasis, noch nicht. Die Halle gehört zu dem Autohof an der A3, der sich nicht umsonst Erlebnisrasthof nennt, denn von einem einfachen Truckstop ist man hier weit entfernt.

So gehören zwei Eventhallen dazu, eine ist die Music Hall, in der heute das Festival steigen wird. Die Halle besteht aus eben einer solchen, umringt von Bars und Theken, mit einer Balustrade und der fest installierten Bühne, dazu einem Nebenraum, der heute als Merch-Halle Verwendung findet. Neben zwei Ständen mit CDs gibt es auch eigene Festivalshirts für fanfreundliche 25 Euro.

Nach dem ersten Rundgang geht es auch schon los. Den Auftakt macht VISION DENIED, eine regionale Band, die erst vor Kurzem ihr erstes Album veröffentlicht hat. Es trägt den Namen "Age Of The Machine" und wurde von Tobi mit einem sehr guten Review bedacht. Leider bin ich noch nicht dazu gekommen, selbst reinzuhören, aber so können die Jungs mich doch gleich selbst überzeugen.

Dazu legt man sich gleich gehörig ins Zeug, 'Two Worlds Colliding' ist schnell, die beiden Gitarristen haben es eilig, dazu kommt starker, melodischer Gesang. Leider gibt es noch ein paar kleine Soundprobleme, das Solo ist nahezu gar nicht zu hören. Das wird aber bereits beim folgenden Titelsong des einzigen Tonträgers besser. Die Jungs rocken sich gut durch ihr Material, wie sagte Tobi, "Heavy-Power-Metal"? Ja, passt. Abwechslungsreich, gekonnt und mit nachvollziehbaren Melodien erntet die Band gleich Begeisterung der Anwesenden, die am frühen Nachmittag bereits vor Ort sind. Ich schätze, es sind mindestens 200 Leute, auch wenn das sehr schwer abschätzbar ist.

Jedenfalls ist es nicht kalt. Trotzdem spielt Bassist Sasch Machyne in einer gefütterten Jacke, zudem den Reißverschluss ganz hochgezogen, der wird doch nicht krank sein? Seiner musikalischen Performance schadet es nicht. Sonst stehen natürlich die Gitarristen und Sänger Chris Gräter und Markus Christian naturgemäß im Mittelpunkt, die beide eine sehr gute Figur machen und offensichtlich keine Neulinge in der Szene sind.

Die Ankündigung für das folgende 'Broken Wings' wird durch einen Zwischenruf "oh, Midge Ure?" unterbrochen, ist aber ein eigener Song, der die melodischere Seite der Fünf zeigt. Die Stücke aus dem Konzeptalbum, die heute gespielt werden, stehen in der gleichen Reihenfolge wie auf "Age Of The Machine", was sicher mit der Story zu tun hat. Da wir damit weitgehend nicht vertraut sind, wäre das nicht notwendig gewesen, aber die Reihenfolge funktioniert gut. Während des Auftritts wird es auch voller im Saal, entweder sind gerade zahlreiche weitere Metalfans eingetroffen oder man hat wirklich alle Anwesenden mit der Musik vor die Bühne gezogen.

VISION DENIED hat 45 Minuten Spielzeit, aber nach etwa 35 Minuten und sechs Stücken verabschiedet sich die Band. Na gut, auf Festivals sind Zeitpläne ja eher mal variabel, aber es klärt sich umgehend auf, als die Jungs auf Zugabe-Rufe reagieren. Lachend sagt Sänger Chris, es sei gut, dass das Publikum so schnell gerufen hat, bevor er seine Gitarre weggepackt hatte, und stimmt den letzten Song 'Unchain The Light' an. Die Band nimmt den Härtegrad ein Stück zurück und lässt das gut mitsingbare Hardrock-Lied erklingen, das die verbleibenden Minuten locker ausfüllt. Nach den 45 Minuten geht ein sehr guter Auftritt zu Ende, der die Messlatte für die folgenden Bands ziemlich hoch legt.

Setliste: Two Worlds Collide; Age Of The Machine; Broken Wings; Never Surrender; Indestructible; Beyond The Mirror; Unchain The Light

Als nächstes steht SKYTRIBE auf dem Programm. Die Band ist mir völlig neu und hat auch tatsächlich erst einen Song offiziell veröffentlicht. Ich warte gespannt, aber der Auftritt steht unter keinem guten Stern. Zuerst gibt es eine kleine Verzögerung wegen technischer Probleme, diese sollte sich aber als zu kurz erweisen, denn die Band beginnt zwar zu spielen, aber die Probleme bleiben.

Während des ersten Liedes hört man die Gitarren gar nicht, auch wenn die beiden Jungs spielen und posen, es ertönt nur Schlagzeug, Gesang und alles, was vom Band eingespielt wird. Einen Bassisten hat die Band nicht in den Reihen, so klingt das Dargebotene dünn und vor allem alles andere als bombastisch und orchestral, was eigentlich die Grundlage für den Sound bilden soll, soweit ich das von der veröffentlichten Single verallgemeinern kann.

Leider wird es auch in den folgenden Stücken nicht besser. Sängerin Dorothée Kahler bemüht sich nach Kräften, aber die Gitarren bleiben weitgehend stumm. Kahler ist eigentlich Schauspielerin, darunter auch bei zahlreiche Musicals, in denen sie ihre Fähigkeiten offensichtlich gut kombinieren kann. Ihr Gesangsstil ist genau das, theatralisch, aber ohne die musikalische Unterstützung doch ziemlich verloren.

Um mich herum beschließen einige, eine Pause einzulegen, weil es leider kaum besser wird. Nachdem die besagte erste Single, 'Kingdom Of The Sky', gespielt ist, machen sich die Techniker nochmal am Equipment zu schaffen und Dorothée erzählt, dass sie 2017 auf dem SUMMER BREEZE mit KNORKATOR aufgetreten ist und vom Metalpublikum so begeistern war, dass sie damals beschlossen hat, sie wolle eine Metalband gründen.

Ich gehe ein wenig im Saal herum und stelle mich hinter das Mischpult. Und siehe da, jetzt höre ich Gitarren! Es ist Zufall, aber nun sind die Probleme behoben, man hört die Gitarren, ja sogar die Soli! Es werden noch zwei Lieder gespielt, die wohl 'Spirit Of The Night' und 'Turn Into One Tribe' oder zumindest so ähnlich heißen, und jetzt kann man den bombastischen Sound mit Gitarren erleben.

Am Ende bleibt ein von technischen Problemen geplagter Auftritt, den die Band versucht hat durchzuziehen, aber über zwei Drittel der Spielzeit keine Chance hat, sich zu beweisen. Sängerin Dorothée ist der Blickfang und kann ihre starke Stimme präsentieren, aber so ganz ohne musikalischen Unterbau fehlt eben die Durchschlagskraft. Das Publikum gibt zwar höflichen Applaus, aber ich muss die Band ein anderes Mal begutachten, um wirklich etwas zur Musik sagen zu können. So bleibt der Eindruck sympathischer Musiker, die ungeachtet aller Probleme professionell den Auftritt absolviert haben. Hut ab dafür.

Pünktlich beginnt es dann mit DON'T DROP THE SWORD metallischer zu werden. Das Fantasy-Thema könnte nicht besser aufgegriffen werden als mit den Jungs aus Erding in Bayern, auch wenn beim episch-schnellen Metal der Fünf nicht gewürfelt wird. Sänger Anti kommt in Kutte auf die Bühne, ansonsten dominiert schwarz, als die Band mit 'Demon Divine', den Opener des aktuellen Albums "Age Of Heroes" den Rollenspielmetal-Reigen eröffnet. Schnelle Gitarren, melodischer Gesang, dazu Metalposing, was soll da schief gehen? Das ebenfalls rasante 'Rotten Wings' mit seinem Schunkel-Refrain wird allgemein mitgesungen, das durch den Fantasy-Zyklus "Das Rad der Zeit" inspirierte 'Sands Of Time' hält die Geschwindigkeit hoch und überzeugt wieder mit einem hymnischen Refrain.

Andre kommt vom Knipsen zurück und meint, die klingen schon stark nach BLIND GUARDIAN. Echt? Ich habe den Eindruck bislang nicht so stark, muss aber sagen, nachdem ich die Idee jetzt im Kopf habe, sind gewisse Parallelen nicht von der Hand zu weisen. Aber wir reden hier von der Zeit bis zum dritten Album der Krefelder. Das ist in der deutschen Metalszene gewiss nicht die schlechteste Referenz. Mittlerweile hat sich Sänger Anti der Oberbekleidung entledigt und rockt schweißtreibend durch 'The Eye Of The World'. Okay, an diesen Refrain muss ich mich etwas gewöhnen, das ist jetzt doch ziemlich kitschig, aber hey, es funktioniert!

Die Lieder sind alle recht lang und erlauben es der Band nur, einen kleinen Querschnitt durch ihr bisheriges Schaffen zu spielen. Mit dem Midtempo-Rocker 'Where The Old Gods Dwell' zeigt DON'T DROP THE SWORD nun auch, dass es nicht immer nur Geschwindigkeit sein muss, danach bildet die Bandhymne bereits den Abschluss. Sind das wirklich nur sechs Lieder oder habe ich da beim Headbangen vergessen, eines mitzuschreiben? Egal, wir galoppieren durch den Abschluss des 40-minütigen Sets, das die Anwesenden begeistert, und schmettern den guten Ratschlag an jeden D&D-Krieger mit: 'Don't Drop The Sword'! Ja, unser Jhonny hat da recht, wenn er nicht müde wird, die Band zu loben. Ich bestelle dann gleich mal die Diskographie im Bandshop. Die gibt es zwar hier auch, aber nur mit Barzahlung, ich glaube nicht, dass ich viel Bargeld dabei habe.

Setliste: Demon Divine; Rotten Wings; Sands Of Time; The Eye Of The World; Where The Old Gods Dwell; Don't Drop The Sword

Weiter geht es im Reigen der fantasyinspirierten Bands. Diesmal kommt die Band nicht aus Deutschland, sondern aus Harwich, England. Aber der Geist ist der gleiche, die Inspiration bereits im Namen FELLOWSHIP klar, besonders, als die Band in Fantasy-Gewandung auf die Bühne kommt und in den zügigen Song 'Glory Days' startet.

Dabei erinnert mich der Bassist der Band, soweit ich ihn unter der Kapuze sehen kann, frappierend an Daniel Radcliffe in Harry Potter, aber sobald Sänger Matthew Corry die Bühne betritt, ist er der Mittelpunkt des Geschehens, denn so überzeugend die Musik ist, FELLOWSHIP lebt von seiner kraftvollen Stimme. Wobei es scheint, als wäre das Publikum etwas überwältigt von diesem Melodie-Ansturm in Speed-Kruste.

Aber FELLOWSHIP oder speziell Matthew lässt den Anwesenden gar keine Zeit, sondern bindet alle zum Singen mit ein und trällert sich fröhlich durch das Schlagermetal-Stück 'Dawnbreaker'. Spätestens beim dritten Song, 'The Bitter Winds', den Gitarrist Brad Wosko mit einem Solopart einleiten darf, ist jegliches Eis gebrochen. Es gibt auch eine Fraktion, die die Band feiert und die Songs mitsingen kann. Da lässt sich der begeisterte Metaller nicht lang bitten und auch durch Textunkenntnis nicht aufhalten, um mich herum wird gefeiert.

Das ist völlig nachvollziehbar, die Engländer hauen einen Melo-Hammer nach dem anderen raus, der vorläufige Höhepunkt ist 'Until The Fires Die' mit seinem ausgedehnten Refrain, der so schöne Fantasy-Bilder zeichnet, dass man gar nicht anders kann: "Sing with us till the fires die, and the fellowship will grow". Oh ja, heute wächst sie.

Die Band ist auf ihre Art einzigartig. So fragt man das Publikum, ob es bereit wäre, glücklicher zu werden: "Are you ready to get happier?" Der Hintergrund ist, dass man sich auch dem Thema geistiger Gesundheit widmet und dies auf der Band-Webseite prominent erwähnt. Wenn man weiß, dass das Debütalbum aus dem Jahr 2022 stammt, ahnt man, woher die Inspiration kommt. Ja, da konnten wir alle ein bisschen Unterstützung gebrauchen und das hat sich kaum geändert.

Was hilft also? 'Hold Up Your Hearts (Again)' ist genau das Richtige. Das Stück würde auch gut in ein Musical passen, ähnlich wirkt auch 'The Saint Beyond The River'. Nach einer Dreiviertelstunde verklingt der letzte Ton von 'Glint' und ich kann attestieren, dass die Infusion aus guter Laune und zuckersüßen Melodien, vorgetragen von einer mitreißenden Band, uns alle tatsächlich ein bisschen glücklicher gemacht hat.

Es ist richtig, darauf muss man sich einlassen, aber das Publikum hier ist dafür perfekt.

Setliste: Glory Days; Dawnbreaker; The Bitter Winds; Until The Fires Die; Hold Up Your Hearts (Again); The Saint Beyond The River; Glint

Jetzt kommen wir in die Gefilde der Bands, die hier Vielen bekannt sind und deretwegen die meisten gekommen sein werden. Zuerst darf LABYRINTH ran, die schon seit dreißig Jahren ihren schnellen Metal in die Welt trägt, aber zuletzt beinahe eineinhalb Jahrzehnte nicht bei uns gespielt hat.

Das war offensichtlich ein Fehler, der sympathische Frontmann Roberto Tiranti kommt in einem "Hellfire Club"-Shirt auf die Bühne, lächelt und beginnt vor einem warmgerockten und feierwilligen Publikum zu singen. Ich muss zugeben, dass ich mit dem Schaffen der Jungs nur bedingt vertraut bin, da ich nur ein paar frühe Werke besitze, dadurch weiß ich nicht, welches der Opener war, wahrscheinlich 'The Absurd Circus' vom aktuellen Album. Aber ich erkenne zumindest den zweiten Song, denn der Speedhammer 'New Horizons' stammt von dem klassischen "Return To Heaven Denied"-Album.

Lobenswert erwähnen muss ich, dass LABYRINTH einen Keyboarder auf der Bühne hat, was ja heutzutage völlig aus der Mode gekommen ist, da kommen die Tasteninstruments mit Samples gerne vom Band. Ich finde das tatsächlich blöd, entweder es wird auf der Bühne gespielt oder es bleibt weg, wäre meine Devise. Hier steht der Keyboarder Oleg Smirnoff gerne im Mittelpunkt und gehört selbstverständlich dazu uns ins Bühnenbild.

Auch LABYRINTH hat nur 50 Minuten Spielzeit und Sänger Roberto achtet früh darauf, dass man im Rahmen bleibt, und delegiert seine Bandkumpanen dahingehend. Er ist der größte Aktivposten, seine offensichtliche gute Laune ist ansteckend und die Menge, mittlerweile ist die Eventhall ordentlich voll geworden, auch wenn man noch gemütlich stehen kann, singt und bangt mit den Italienern.

Mit 'State Of Grace' und 'Die For Freedom' kommen sogar noch zwei Songs von "Return To Heaven Denied" zum Zuge und einmal geht es mit 'In The Shade' sogar noch weiter zurück, aber auch alles, was dazwischen gespielt wird, beweist, dass LABYRINTH live stark ist. Deswegen ist es gut zu hören, dass man plant, 2025 endlich wieder auf Tour nach Deutschland zu kommen.

Zückt die Elfenohren, jetzt kommt TWILIGHT FORCE. Der Mummenschanz beginnt wiederum pünktlich, die Gewandeten betreten die Bühne für eine Stunde LARP-Metal. Zentrum der Aufmerksamkeit ist der als Elf verkleidete Gitarrist Galen Stapley, groß und sehr blond und mit großen, spitzen Ohren.

Das ist übrigens neu, denn letztes Jahr verließen gleich drei Bandmitglieder die TWILIGHT FORCE, darunter beide Gitarristen. Da die Band aber das Kind von Keyboarder Daniel Beckman ist, wurde Ersatz gesucht und gefunden und wir können heute wieder sieben Kristallträger auf der Bühne erleben, wiederum inklusive Arrangement der Tasteninstrumente und der neu aufgenommenen Sängerin Kristin Starkey.

'Dawn Of The Dragonstar' ist der passende Einstieg in die phantastische Geschichte der Twilight Kingdoms, gefolgt von der Bandhymne, die erst auf dem 2023er Album "At the Heart of Wintervale" veröffentlicht wurde. Das Fantasy-Gefühl stellt sich schnell ein, wenn auch nicht ganz so wie bei FELLOWSHIP, aber jedem Rollenspieler oder LARPer wird ganz warm ums Herz. Ein bisschen Popkultur gibt es auch in Form der Information, "the night is dark and full of terrors".

In den Pausen zwischen den Liedern erzählt Beckman ein wenig und macht auch einen "Lache-wie-ein-Zauberer"-Kurs, der uns befähigen soll, danach einen Feuerball zu beschwören. Okay, der erste Versuch wird von ihm treffend als mitleiderregend beurteilt, aber bald fallen alle Hemmungen und der Saal setzt sein bösestes Zauberer-Lachen auf. Danach dürfen die 'Dragonborn' melodisch in bester skandinavischer Melodic-Metal-Tradition und Kinderlied-Keyboards stampfen, anschließend suchen wir das 'Thundersword' in Breitwand-Bombast, bevor der Saphir-Drache fliegen darf. Das durchaus wörtlich, denn ein aufblasbarer Schwimmring in Drachenform soll während des Songs vom Publikum in der Luft gehalten werden, was übrigens Gefahr für die quer über den Saal gespannten Lichterketten bedeutet.

Besonderen Eindruck macht Sänger Alessandro Conti, dessen Stimme die Songs trägt und zu den Hymnen macht, mit denen die Band punkten kann, noch dazu mit der starken Unterstützung von Sängerin Kristin, die später in 'Night Of Winterlight', das man laut Aussage Contis erstmals live spielt, und 'Twilight Horizon', vom Debüt "Tales Of Ancient Prophecies", auch den Leadgesang übernimmt. Zugegeben, gegen Conti zieht sie knapp den Kürzeren, aber mit dem ehemaligen Sänger von LUCA TURILLI'S RHAPSODY hat sie auch einen mächtigen Kontrahenten.

Langsam neigt sich der Auftritt dem Ende entgegen. Es gibt noch ein Singspiel, dann kommen wir mit 'The Power Of The Ancient Force' zum Ende eines Auftritts zwischen Barden-Gesang in der Fantasy-Taverne, epischen "Suche-nach-Irgendwas"-Geschichten und bombastischen Chören, die hier und heute ganz sicher ins Schwarze getroffen haben, sodass das "Twilight Force!" im letzten Lied aus vielen Kehlen erklingt. Übrigens ist es schön, dass sich kurz darauf Gitarrist und Ober-Elf Galen in vollem Kostüm unter das Publikum gesellt und mit Fans für Fotos posiert. Top-Cosplay, Galen!

Setliste: Dawn Of The Dragonstar; Twilight Force; Dragonborn; Thundersword; Flight Of The Sapphire Dragon; Night Of The Winterlight; Twiligth Horizon; The Power Of The Ancient Force

Seit FELLOWSHIP sind wir ja sowieso alle schon ein wenig glücklicher, aber da geht bestimmt noch etwas. Ich erinnere mich, in den späten Achtzigern haben wir gerne HELLOWEEN als Happy Metal verballhornt, aber FREEDOM CALL macht daraus einfach eine Tugend und nennt ihren Stil genau so. Jau, da kennen die nix, und genauso wenig ist ihnen ihr schunkeliger Speed-Schlager mit Gitarren in irgendeiner Weise peinlich. Ich muss zugeben, auf Albumlänge tue ich mich damit immer ein wenig schwer, aber was soll man machen, wenn man vor der Bühne steht, bereits partiell total glücklich gemacht wurde und nun Grinsekatze Chris Bay und seine Mannen vor sich sieht? Genau, einfach einen 'Perfect Day' daraus machen.

Ein 'Hammer Of The Gods', ein Festival, zwei Wohlfühlbands, ist das eventuell mal zuviel des Guten? Quatsch, "Ihr seht gut aus!" ruft Chris in den Saal, bekommt seinen Applaus und meint, der hätte gut getan, ob er den nochmal bekommen könnte? Das klingt geschrieben durchaus fremdschämwürdig, aber nicht bei FREEDOM CALL, hier ist das Programm und klingt einfach ehrlich und ja, sogar passend. Natürlich muss man eine erhebliche Schicht Zuckerguss auf seinem Metal mögen, aber wer dagegen allergisch ist, hat bereits vor über zweieinhalb Stunden das Hasenpanier ergriffen. Mittlerweile ist FREEDOM CALL bereits seit 25 Jahren im Namen des metallischen Glücksgefühls unterwegs, worüber Chris sinniert, da er ja gerade dreißig geworden sei... "Ja, mit fünf, ich war sehr frühreif".

Mit den Triplett 'Supernova', 'Out Of Space' und dem titelgebenden 'Silver Romance' wird auch das aktuelle, im Mai erschienene elfte Studioalbum gewürdigt, sodass die Setliste tatsächlich auch 23 der Jahre umspannt. Dazwischen gibt es immer wieder Interaktion mit dem Publikum, ein paar Singspiele, allgemeines Lachen, ja, das hier ist eine 'Union Of The Strong', wie man dann deutlich bei der 2001er Bandhymne 'Freedom Call' hört. Langsam geht auch diese Stunde dem Ende entgegen, es folgen noch ein paar Lieder aus der langen Bandgeschichte, bis dann 'Metal Is For Everyone' und das abschließende 'Land Of Light' diese Jahresend-Wohlfühl-Party mit ein paar Minuten Überlänge beendet.

Setliste: A Perfect Day; Hammer Of The Gods; Tears Of Babylon; Supernova; Silver Romance; Union Of The Strong; Out Of Space; Freedom Call; Power & Glory; Warriors; Metal Is for Everyone; Land Of Light

Aber das ist ja noch nicht alles, es kommt ja noch der Headliner, FABIO LIONE'S DAWN OF VICTORY, auf den hier Viele warten. Ob die Band aber auf die bisherige Performance noch einen draufsetzen kann? Die Zeichen stehen natürlich gut, der Sänger, mit dem RHAPSODY beziehungsweise RHAPSODY OF FIRE hauptsächlich assoziiert wird, dazu Schlagzeuger Alex Holzwarth, von 2000 bis 2016 in der Band, Bassist Patrice Guers (2002 bis 2011) und Gitarrist Dominique Leurquin (2000 bis 2011). Alle haben also als Band mindestens neun Jahre und sechs Studioalben miteinander musiziert und komponiert und alle haben die Klassiker häufig live auf die Bühne gebracht. Da kann eigentlich nichts schief gehen.

Genau, streichen wir das "eigentlich". Wir kommen in den Genuss der nächsten Rollenspieler-Titel-Setliste, die klingt, als wäre sie direkt den "Dungeons & Dragons"-Büchern entnommen. Es wimmelt von Zwergen, Zauberern und Kriegern, Schwertern und verwunschenen Landen, Ehre, Verhängnis und Unsterblichkeit. RHAPSODY ist auf jeden Fall auch gutes Material für Trinkspiele beim Musikhören. Die leichte Verzögerung zu Beginn stört hier niemanden, das Publikum singt sich schon mal warm, dann ertönt ein symphonisches Intro, natürlich wieder vom Band. Dass eine Band, die RHAPSODY-Lieder spielt, keinen Keyboarder auf der Bühne hat, irritiert mich dann doch, aber als Fabio auf die Bühne kommt, ist der Jubel groß.

Ungewöhnlich finde ich auch, dass FABIO LIONE'S DAWN OF VICTORY kein Backdrop hat, sondern vor einem schwarzen Vorhang spielt, aber so stehen eben die Kompositionen im Mittelpunkt, deretwegen alle hier sind. Es geht quer durch alle Alben, die unter dem ursprünglichen Namen RHAPSODY veröffentlicht worden sind, mit dem einzigen Ausflug 'Unholy Warcry' zum 2004er "Symphony Of Enchanted Lands II - The Dark Secret". Schnelle, epische, symphonische Titel, die Bombast-Bombe 'Lamento Eroico' genauso wie geschichtenerzählende Longtracks, wie 'The Wizard's Last Rhymes' und 'Symphony of Enchanted Lands', die aber um ein paar Instrumentalteile gekürzt sind, was sich live positiv bemerkbar macht, immerhin gibt es auch so einige Passagen vom Band. Fabio und seine Power-Metal-Ritter konzentrieren sich weitgehend auf die aufführbaren Teile und dürfen sich darob des Beifalls der Anwesenden gewiss sein.

Ich bin langsam platt und habe noch einen zweistündigen Heimweg. Ich sagte ja bereits, dass ich zu diesen Zeiten der Entstehung der Alben kein Fanboy der Italiener war, auch wenn die Gründe dafür in meiner Jugend und nicht in den Alben selbst zu suchen sind, immerhin habe ich den Weg in den Überbombast bei BLIND GUARDIAN mitgemacht. Nach einer guten Stunde verabschiede ich mich, zumindest um die Erkenntnis reicher, dass ich neben meiner "Symphony Of Enchanted Lands" vielleicht doch mal die anderen, wegweisenden Frühwerke der Band in mein heimisches Regal stellen sollte. FABIO LIONE'S DAWN OF VICTORY ist schon ein würdiger Headliner hier in Geiselwind.

Setliste: Dawn Of Victory; Wisdom Of The Kings; March Of The Swordmaster; The Wizard's Last Rhymes; Riding The Winds Of Eternity; Land Of Immortals; Warrior Of Ice; The Village Of Dwarves; Eternal Glory; Lamento Eroico; Knightrider Of Doom; Holy Thunderforce; Symphony Of Enchanted Lands; Unholy Warcry; Emerald Sword

Nach über neun Stunden Fantasy-Metal und Ausflüge in jedes erdenkliche magische Land, das man mit flirrenden Saiten erreichen kann, verlasse ich die Music Hall und mache mich auf den Rückweg.

Grundsätzlich bin ich ja ein Freund von Festivals mit abwechslungsreichem Billing, etwas, das man dieser Veranstaltung kaum attestieren kann, aber heute hat das ziemlich gut funktioniert. Die ungewöhnlicheren Bands sind am Anfang platziert und ab LABYRINTH ist der Rest doch im gleichen Fahrwasser unterwegs. Aber ich betrachte das POWER OF THE DRAGONFLAME-Festival eher als große Metal-Party, der die Stimmung absolut gerecht wird. Dabei habe ich ein paar neue Bands kennengelernt und gleich mal eine Delle in mein Paypal-Guthaben bestellt.

Leider bleibt dieses Festival wohl ein Unikat, es ist von vornherein als Einzelveranstaltung konzipiert worden. Zugegeben, es dürfte schwer sein, diesem Billing ein gleichwertiges nachfolgen zu lassen, so ist es vielleicht auch gut, es bei einer denkwürdigen Ausgabe zu belassen. Andererseits... man soll ja niemals nie sagen. Nicht wahr, Herr Weinsheimer?

Fotocredit: Andre Schnittker

Redakteur:
Frank Jaeger
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