QUEENSRŸCHE und NIGHT DEMON - München
28.02.2025 | 12:5219.02.2025, Backstage, Werk
Geburtstagsparty mit metallischem Glanz!
Am Spätnachmittag des 19. Februar setzen Marcus Sefar und ich uns mit dem Auto in Richtung München in Bewegung. Unser Begehr ist es, das im Backstage anberaumte Konzert der aktuellen QUEENSRŸCHE-Tour live zu erleben. Rund um den Erdball haben die Mannen um die Gründungsmitglieder Michael Wilton und Eddie Jackson ihre Fans, so auch uns, bereits vor Monaten mit der Ankündigung zum Sabbern gebracht, unter dem Tourmotto "Origins", also "Ursprünge", die erste EP sowie das "The Warning"- Debütalbum in Gänze plus ein paar der größten Hits livehaftig darbieten zu wollen.
Um 18:30 Uhr am Backstage angekommen, stellen wir das Auto auf dem Parkplatz davor ab, und ich rechne damit, immer noch eine lange Schlange auf Einlass wartender Menschen anzutreffen. Doch um die Gebäudeecke spähend werde ich eines besseren belehrt: Die erwarteten Hundertschaften befinden sich offenbar bereits im Gebäude. Fix mein Bändchen und den Fotopass für Marcus geholt, und Minuten später stehen wir im Werk, dem größten Veranstaltungsraum des Backstage. Ich wundere mich abermals: Viele Leute sind noch nicht da. Seltsam, sind die Konzerte dieser Tour anderenorts doch bereits seit längerem ausverkauft.
Mein im Backstage auf Burger konditionierter Magen meldet sich vehement. Hinausgehend rechne ich bereits damit, für eine halbe Stunde in der Kälte vor der Location ausharren zu müssen, weil die Bestellung hier meist eher lange braucht und man die Speisen nicht mit hineinnehmen darf. Erneut weit gefehlt: Heute dauert es keine fünf Minuten, bis ich den ersehnten Hamburger in den Händen halte und mit Appetit esse, weshalb ich mich zehn Minuten später schon wieder im gut temperierten Werk aufwärmen kann. Neben dem enorm hohen Altersdurchschnitt fällt vor allem die "Konserven-Musik" auf, und zwar positiv. Heute Abend setzt man auf Rockklassiker, gerne auch die nicht so bekannten aus der "2. Reihe".
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Um 19:27 Uhr geht das Licht aus, das Intro von NIGHT DEMON beginnt. Als das Licht wieder angeht starten Armand John Anthony und "Mr. CIRITH UNGOL reunited" Jarvis Leatherby mit Brian Wilson am Schlagzeug sehr energetisch mit dem Song 'Outsider' in ihr Set. Letztgenannter Drummer hat übrigens rein gar nichts mit den BEACH BOYS zu tun! Deren BRIAN WILSON ist schließlich schon 82 Jahre alt und hat sich der vergleichsweise seichteren Rock- und Pop-Musik verschrieben. Ich erlaube mir an dieser Stelle jedoch nicht, völlig in Musikerlebensläufe abzuschweifen, weil NIGHT DEMON heute Abend fast alles richtig macht und es daher bereits von der Vorband viel zu berichten gibt.Die Songauswahl bildet mit jeweils zwei Liedern von der EP und den ersten beiden Alben, sowie vier vom noch aktuellen Album "Outsider" einen guten Querschnitt durch das Schaffen der 2011 gegründeten Band. Marcus und ich sind uns einig, dass der Sound hervorragend klingt. Glockenklar, druckvoll, aber nicht zu laut und genau im richtigen Lautstärkeverhältnis der Instrumente zueinander sowie zur Gesangsstimme, machen Lieder wie 'Screams In The Night', 'Escape From Beyond' oder 'Dawn Rider' dem Publikum heute Abend besonders großen Spaß.
Diesen Eindruck gewinnt man sehr schnell nach Beobachtung der ersten Reihen vor der Bühne, die nach anfänglicher stoischer Bewegungslosigkeit immer mehr auftauen und sich besonders von Jarvis' und Armands unermüdlichem Headbanging und ihrer schweißtreibenden Bühnenaction mitreißen lassen. Bald fliegen die ersten Haupthaare rhythmisch, und mit fortschreitendem Set stimmen immer mehr Konzertbesucher in den Gesang von Jarvis ein oder versuchen es zumindest. Bei der erwähnten hervorragenden Soundqualität verwundert des Bandleaders etwas forsches "Gemotze" in Richtung der deutschen Gesetzgebung über eine Lautstärkebegrenzung. Erstaunt nehme ich zudem zur Kenntnis, dass die Metaller vor der Bühne überhaupt nicht automatisch in seinen Unmut einstimmen. Tja, in Sachen bayerischer Politik- und Gesetzestreue muss der Frontmann wohl noch seine Hausaufgaben machen. In diesem Moment steht er jedenfalls für einige Sekunden vor einem zwar gut gefüllten, aber fast stillen Werk.
'Welcome To The Night', der Opener des "Darkness Remains"-Albums bringt die Meute vor der Bühne noch einmal richtig in Fahrt, bevor mit 'The Chalice' ein unverzichtbarer atmosphärischer Höhepunkt jedes NIGHT DEMON-Konzerts gespielt wird. Dabei tritt eine als "Night Demon" von den Plattencovern gewandete Person auf die Bühne und präsentiert dem Publikum einen Kelch. Eine einfache, aber wirkungsvolle Showeinlage! Ähnlich einer gewissen britischen Metal-Legende, gibt es den namensgebenden Song zuletzt: 'Night Demon' beendet somit ein 50-minütiges Konzert, das eindrucksvoll beweist, wie sehr NIGHT DEMON als Band musikalisch und im Bühnenauftreten kontinuierlich gewachsen ist und die Früchte der harten Arbeit durch die vielen Live-Auftritte allmählich ernten kann. Ich vermute und wünsche es den Dreien, dass die Band in einigen Jahren das Werk im Backstage auch einmal alleine füllen kann.
Setliste NIGHT DEMON: Outsider; Screams In The Night; Escape From Beyond; Dawn Rider; The Howling Man; Beyond The Grave; The Wrath; Welcome To The Night; The Chalice; Night DemonAls ich mich nach Ergattern meiner zweiten Cola "Hamburger Machart" an der Bar auf der linken Seite der Bühne umsehe, bemerke ich, dass die Location nun straffer gefüllt ist. Waren es vor NIGHT DEMON geschätzte 500 Besucher, so dürfte diese Zahl sich inzwischen der 700 annähern. Mit 800 Besuchern wäre das Werk dann ausverkauft. Eine kurze Visite am Merch-Stand ergibt, dass die Shirts, im Vergleich mit den Preisen anderer Künstler von ähnlichem Rang, zu tatsächlich derzeit günstigen 35€ verkauft werden. "Normal" sind da momentan 40 bis 45€.
Als das Uralt-Bandlogo von QUEENSRŸCHE sichtbar wird, sorgt das für erste kurze, vernehmbare Verzückung im Publikum. Der Umbau auf der Bühne geht unaufgeregt, jedoch sehr fix vonstatten, so dass bereits nach 25 Minuten, also pünktlich um 20:45 Uhr das Licht ausgeht und eine tiefe Stimme auf "Five Freedom Fighters" hinweist, die sinngemäß nun mit ihrer Musik für uns kämpfen werden. Zeitgleich betreten Eddie Jackson, Michael Wilton und Mike Stone die Bühne - währenddessen schon das kurze Intro zu 'Queen Of The Reich' spielend - bevor schnell danach, unter großem Begrüßungsjubel des ganzen Werks, Todd La Torre an die Bühnenkante tritt und den leider etwas im Mix untergehenden legendären, einleitenden ersten Schrei dieses Liedes von sich gibt.
Der nach GEOFF TATE, zweite großartige Sänger der Band, pusht das Publikum wie immer alleine schon durch seinen sportlichen Körpertonus und seine empathische, stets Kontakt zum Publikum haltende Bühnenperformance. Nach der Queen folgt natürlich der 'Nightrider', genau wie auf der berühmten EP. Bereits jetzt ist für die Altersregionen, in denen sich QUEENSRŸCHE-Fans heutzutage zum Großteil befinden, viel Bewegung und metallisch-bangende Action im Publikum auszumachen. Dennoch sind freilich auch junge bis sehr junge Liebhaber unserer geliebten harten Klänge anwesend, die warscheinlich ihr erstes QUEENSRŸCHE-Konzert erleben und mächtig "Alarm" machen. Todd La Torre kündigt nun 'Blinded' an und man klebt mit den Ohren sogleich an den furiosen Soli von Michael Wilton.
Der Sound ist für mein Empfinden ähnlich gut wie bei NIGHT DEMON, wenn auch etwas lauter. Lediglich das etwas helle, durch den Mix in den Vordergrund gebrachte Schlagzeug von Casey Grillo, hört sich etwas gewöhnungsbedürftig für mich an. Der Drummer erinnert mich, trotz dunkler Haare, den ganzen Abend an seinen rotblonden Instrumentenkollegen Shawn Beamer von MOOLLY HATCHET, pustet ihm doch ohne Unterlass ein Ventilator die langen Haare empor, genauso wie es der erwähnte Southern Rock-Schlagwerker ebenfalls mag. Nun kommt das komplex-progressive, aber dennoch hymnische 'The Lady Wore Black' zum Einsatz, das stellenweise von alten Fans mitgesungen wird. 'Warning', erklingt danach der bekannte, panisch-hell tönende Hinweis zu Beginn des ebenso benannten ikonischen Liedes, das auch dem Album-Debut von QUEENSRŸCHE im Jahr 1984 seinen Titel gegeben hat. Ab jetzt ist eine stetige Steigerung der Publikumsbegeisterung mit jedem weiteren Lied zu beobachten. Vermutlich auch, weil diejenigen, die nichts vom vollständigen Aufführen der beiden ersten Tonträger wissen, mit jedem Song mehr aus dem Häusschen geraten.
So packt mich besonders der nächste Track 'En Force', der heute Abend ausgesprochen mitreißend dargeboten wird, wie ich finde. Während Todd La Torre seine glänzende Jacke nach einigen Songs ablegt, stapft Michael Wilton weiterhin stoisch, wie der Terminator aus dem Jahr 1984, in seiner schlichten, schwarzen Motorradjacke auf der Bühne umher, stets in sein anspruchsvolles Gitarrenspiel vertieft. Wenn ich mich recht erinnere, gibt es vor 'Deliverance' eine ausführliche Begrüßung durch Todd und eine Erläuterung des Tourmottos "Origins". Bei 'No Sanctuary' ist es schon zum zweiten Mal um mich geschehen: Ich recke in meiner Begeisterung das Handy für ein kurzes Filmchen in die Luft! Das hart rockende, schleppende Stück mit seiner hypnotischen Melodie ist aber auch zu toll heute Abend!
Nun folgt mit 'NM 156' Heavy Metal-Science Fiction at it's best, ein Text aus dem Jahr 1984 über künstliche Intelligenz und staatliche Überwachung aus der Feder der Band - der allseits anerkannte Überhammer von 1988. Vor dem nächsten Lied verschwindet Todd La Torre kurz, warum auch immer. Eddie Jackson nutzt den Moment, schnappt sich das Mikrofon und teilt dem Publikum mit "We have a birthday tonight!" Dann stimmt er mit allen Anwesenden, inklusive Roadies und NIGHT DEMON, die auch auf die Bühne kommen, ein enthusiastisches "Happy Birthday" für Todd La Torre an, der am heutigen Mittwoch, den 19. Februar 2025, einundfünfzig Jahre alt wird. Viele Umarmungen, viel brüderliche Liebe auf der Bühne, und weiter geht es mit 'Take Hold Of The Flame', das Todd großartig wie eh und je intoniert, vielleicht in diesem Moment sogar noch ein wenig emotionsgeladener. Auf alle Fälle begleitet ihn ein phänomenaler, hoch motivierter Publikumschor an den entsprechenden Stellen mit viel "Ohohoh".
Das anschließende 'Before The Storm' lässt ebenfalls keine Wünsche offen, es wird packend und mit herrlicher Spielfreude dargeboten. Nach einer kurzen Ansage von Todd ist das Publikum bei 'Child Of Fire' voll dabei. Vor allem während der ruhigen Teile der Ballade wird deutlich, wie gut Todd singt, obwohl er nun schon nahezu 90 Minuten lang stimmlich zu 100% beansprucht wird. Zum Ende des Hauptteils gibt es, wie kann es bei der Darbietung vom "The Warning"-Album anders sein, 'Roads To Madness', das abermals über Todd La Torres Stimmgewalt staunen lässt. GEOFF TATE mag dieses spezielle Feeling für die ganz feinen Töne haben und ist sowieso einfach der Originalsänger auf dem grandiosen Album, aber Todd singt dieses wunderschöne (und für Sänger, das sei angemerkt, sauschwere!!!) Stück Heavy Metal mit seiner etwas schneidenderen, kraftvollen Stimme dennoch einfach fantastisch!
Schon während der letzten Töne des Liedes schiebe ich mich in Richtung Garderobe. Währenddessen fragt Todd uns, ob wir noch ein oder zwei, oder vielleicht sogar noch mehr Stücke hören wollen, was natürlich mit Gebrüll in Orkanlautstärke beantwortet wird. Noch bevor ich mich in der noch kurzen Schlange vor der Jackenausgabe anstelle, beginnt 'Walk In The Shadows'. Die tanzbare Nummer von "Rage For Order" lässt jede der etwa 10 anstehenden Personen tänzeln oder zumindest verstohlen wippen, da bekommt man wieder richtig Bock auf Rock-Disse am Klassiker-Abend! Direkt im Anschluss ist eine fast meditativ einlullende Gitarrenmelodie zu vernehmen: 'Jet City Woman' ist nun an der Reihe. Jetzt gibt es kein Halten mehr und das Backstage singt geschlossen mit. Todd nimmt zum wiederholten Mal eines der vielen Handys von den Leuten in der ersten Reihe und macht ein exklusives Mini-Livevideo für den glücklichen Besitzer.
Die Band kann den Stimmungspegel mit dem direkt nachfolgenden Superhit 'Empire' locker halten. Die tiefe Substimme im Refrain, die das Wort "Empire" brummelt, wird übrigens komplett vom Publikum übernommen, was ich zunächst etwas irritierend finde, es funktioniert jedoch tatsächlich super! Am Ende schreie ich selbst begeistert mit. Während des Songs erfolgt auch noch die obligatorische kurze Vorstellung der Bandmitglieder durch Todd. Der unverwechselbare, durch Becken und Snare dominierte Beginn von 'Eyes Of A Stranger' sorgt für einen letzten Aufschrei im Publikum und der nachfolgende Song lässt jeden Konzertbesucher mitmachen, egal ob Fäuste reckend, Arme wedelnd, oder einfach nur mitsingend: Die Band hat, wie man so sagt, allerspätestens jetzt "alle im Sack", und das an einem Mittwochabend!
Setliste QUEENSRŸCHE:"QUEENSRŸCHE EP": Queen Of The Reich; Nightrider; Blinded; The Lady Wore Black; "The Warning-Album": Warning; En Force; Deliverance; No Sanctuary; NM 156; ("Happy Birthday") Take Hold The Flame; Before The Storm; Child Of Fire; Roads To Madness; Zugaben: Walk In The Shadows; Jet City Woman; Empire, Eyes Of A Stranger
Nach dem Konzert und dem mittlerweile von keiner Band ausgelassenem Schlussfoto blicke ich nur in begeisterte Gesichter. Als Marcus sich nach wenigen Minuten seinen Weg von seitlich neben der Bühne zu mir nach hinten gebahnt hat, ist auch er zutiefst begeistert, vor allem von der phänomenalen stimmlichen Leistung von "La", wie Eddie Jackson seinen Sänger nennt. Jetzt fahren wir zwar wieder nach Hause, sind aber glücklich und zufrieden mit einem Konzert, wie schon lange nicht mehr. Mit anderen Worten: Es war echt toll! Als motivierende Aufforderung formuliert: Seht euch QUEENSRŸCHE mit dieser Setliste unbedingt an, wenn ihr dieses Jahr noch oder irgendwann die Gelegenheit dazu haben solltet!
Danke für eure Lesezeit!
Photocredit: Marcus Sefar
- Redakteur:
- Timo Reiser