ROCK HARD Festival 2018 - Gelsenkirchen

13.06.2018 | 09:57

18.05.2018, Amphitheater

Große alte Herren und Ruhrpott-Nostalgie!

Persönliche Premiere beim Rock Hard Festival: Seit 2006 zieht es mich schon hierher, doch noch niemals bin ich früh genug da gewesen, um auch die ersten Bands zu sehen, dem Stau sei Dank. Heute allerdings stehen wir (Fotografin Nives und Meinereiner) Gewehr bei Fuß parat, um die traditionell harte Eröffnung mitzubekommen.

Dawn Of DiseaseOft ist es Thrash und heute sogar eine heftige Portion Death Metal in Form von DAWN OF DISEASE aus dem gar nicht so fernen Osnabrück. Und die Jungs legen schon mal gut los. Laut ist es, die Bässe dröhnen anfangs gewaltig ins Ohr und allzu viel Struktur erkenne ich in den technischen und blastbeatgespickten Songs erstmal nicht. Die Burschen lassen dafür aber ganz schön ihre Haare fliegen, wirken engagiert und sympathisch, und nach einer Weile schimmern auch ein paar nette Melodien durch den Soundwall hindurch. Ein paar Death-Metal-Aficionados schütteln dazu auch schon eifrig ihr Haupthaar, vermutlich auch wohl wissend, dass dieser Stil heuer eher unterrepräsentiert ist. Meine Musik ist DAWN OF DISEASE aber insgesamt eher nicht.
[Thomas Becker]


Jedes Land braucht seine KING-DIAMOND-Epigonen, Schweden hat PORTRAIT und hatte IN SOLITUDE, Deutschland hat ATTIC. Die Lokalmatadore konnten mit ihrem Debüt einigen Staub aufwirbeln und die Attic - Meister Cagliostro Rock Hard Festival 2018Erwartungen an das zweite Album waren im letzten Jahr durchaus hoch. Leider konnte mich "Sanctimonious" nicht voll überzeugen und auch der Auftritt auf dem Headbangers Open Air im letzten Jahr war "nur" gut. Entsprechend gespannt bin ich, als ich das Amphitheater heuer zum ersten Mal betrete und das düstere Intro bereits im Rund erklingt. Vor Jahren konnte ATTIC hier mächtig abräumen, wird es den Jungs wieder gelingen, das heimische Publikum auf ihre Seite zu ziehen? Die ersten Töne erklingen, als ich noch oben am Bierstand stehe und diese sorgen für große Ernüchterung. Die Gitarren sind kaum zu hören, Bass und Schlagzeug hingegen viel zu laut. Der Gesang klingt wie gewohnt nach Diamantenkönig und nach ein paar Minuten erkenne ich dann auch den Song. Mit Flüssigkeit versorgt, begebe ich mich hinunter ins Amphitheater, in der Hoffnung, dort sei der Sound besser. Doch auch ein Herabsteigen bis auf den untersten Höllenschlund bringt nur wenig Linderung. Ja, die Gitarren sind da, aber man hört sie immmer noch nur hier und da, während die Rhythmusfraktion mächtig bollert. Damit ist natürlich eine Hauptstärke ATTICs quasi neutralisiert und so tue ich mir schwer damit, dem Auftritt etwas abzugewinnen. Das mag alles gut gespielt sein, davon kommt bei mir aber nur wenig an. So sitze ich die 45 Minuten eher desillusioniert aus und hoffe, dass es bei den kommenden Bands mit dem Sound besser wird.
[Raphael Päbst]

Ich sehe die Lage ähnlich wie Raphael, viel Differenziertes kommt da soundtechnisch auch bei ATTIC nicht rüber. Zudem ist quiekerte Gesang von "Meister Cagliostro" eher eine schlechte Parodie auf KING DIAMOND, zumindest live. Wohlige Erinnerungen an den legendären Gig des Kings anno 2013 kann ATTIC zumindest musikalisch nicht hervorrufen. Bühnenoptik und Stageacting finde ich hingegen sehr kreativ und gelungen, also geht her und übt das Spielen, Jungs!


Eine ganz andere Dimension in puncto Performance ist dann die nächste Band. Das Rock Hard Festival bucht ja oft sehr interessante Gruppen abseits der traditionsmetallischen Schiene auf den Freitagnachmittag-Slot, und Dool - Ryanne van Dorst - Rock Hard Festival 2018oft sind dies junge und aufstrebende Bands wie BLUES PILLS, JEX THOTH oder damals THE DEVIL's BLOOD. Auf dieser Schiene fährt dieses Jahr DOOL, eine Band aus einer kreativ sehr belebten niederländischen Szene, die irgendwie aus den Trümmern von THE DEVIL'S BLOOD entstanden zu sein scheint. In vorderster Front steht bei DOOL Ryanne van Dorst. Diese Frau scheint eine Inkarnation des Rock 'n' Roll-Gottes zu sein. Ihr gesamtes Auftreten wirkt ziemlich männlich "in your face". Schnörkel, esoterische Anwandlungen oder gar Antikosmisches sind hier Fehlanzeige. Im Vergleich zur sehr feinfühlig produzierten CD "Here Now, There Then" gibt die Band live einen deutlich metallischeren Ton ab, ohne jedoch an Nuancen zu verlieren. So bin schon nach dem zweiten Song 'Golden Serpents' überzeugt, dass wir hier eines der Festival-Highlights erleben. Dies hört wohl auch ein Großteil des Publikums und es wird für den späten Freitag Nachmittag schon erstaunlich voll in der Arena, die auch beim nachfolgenden 'She Goat' in Wallung gerät. Natürlich sind es auch die langsameren und längeren Songs, die DOOL nicht nur bei Powermetal.de zum Newcomer des Jahres 2017 befördert haben. Auch diese werden mit deutlich mehr Power dargeboten, bisweilen scheint aber der Soundmann mit den anschwellenden Lautstärke-Orgien noch ein wenig überfordert zu sein, und ein paar kleine Längen schleichen sich insbesondere beim zehnminütigen 'Vantablack' auch ein. Alles in allem erscheint es mir aber ziemlich mächtig, was DOOL live auffährt und ich kann mir vorstellen, dass ein kleiner Clubgig hier nochmal ein ganz anderes Erlebnis wird.
Setliste: The Alpha, Golden Serpents, She Goat, In Her Darkest Hour, Vantablack, Oweynagat
[Thomas Becker]


Nun kommen wir zu einer jener NWoBHM-Legenden, die vor allem durch einen Song bekannt wurden. Im Falle DIAMOND HEADs ist dies nicht mal durch die eigene Version, sondern durch das Cover von 'Am I Evil', welches Diamond Head - Brian Tatler - Rock Hard Festival 2018METALLICA verbrochen hat. Und ja, selbst in der Vorstellung der Band darf dann der Verweis auf die ehemaligen Thrasher aus Kalifornien nicht fehlen. Das ist einerseits verständlich, andererseits aber auch schade, denn DIAMOND HEAD hat ne Menge starker Songs im Gepäck, und im aktuellen Line-Up auch ordentlich Spielfreude und Energie. Das konnte ich bereits vor zwei Jahren beim Stormcrusher Festival beobachten und das bestätigte sich auch auf dem aktuellen Album, das erstaunlich frisch klingt und vom Songwriting her wenig Wünsche offen lässt. Und so zockt sich die Band auch heute durch einen äußerst unterhaltsamen Set, Sänger Rasmus Bom Andersen brilliert mit einer variablen Stimme, während Bandchef und -Gründer Brian Tatler sich durch ganz und gar eigenständige Riffs sägt, die DIAMOND HEAD ausmachen. Neues Material passt hier wunderbar zu älteren Songs, und mit 'It's Electric' gibt es einen ersten Song, der ebenfalls von diesen Kaliforniern gecovert wurde, aber nicht so bekannt ist wie eben 'Am I Evil'. Das gibt es dann natürlich auch noch und spätestens hier singt dann auch das gesamte Amphitheater mit, da hat die zusätzliche Promotion durch das Cover offensichtlich gefruchtet. So geht dann ein durch und durch starker, unterhaltsamer und toll gespielter Auftritt zu Ende. Eine Band, die es schon lange verdient hat, fährt viel Applaus ein und um mich herum sehe ich nur glückliche Fans.
Setliste: Play It Loud, Borrowed Time, Bones, Helpless, In the Heat of the Night, Lightning to the Nations, Set My Soul on Fire, Shoot Out the Lights, It's Electric, The Prince, Am I Evil?
[Raphael Päbst]

Nach dem feinen DIAMOND HEAD-Auftritt freue ich mich nun auch auf TIAMATs "Clouds"/"Wildhoney"-Gig. Beide Alben haben mich in den 90ern freudig erregt, wobei ich zugeben muss, dass die "Clouds" schon lange nicht mehr lief. Und nach den ersten zwei Lieder wundere ich mich, ob das schon damals so klang. Irgendwie Tiamat - Rock Hard Festival 2018tönt das "Clouds"-Material etwas stumpf und lustlos durch die Boxen, auch ob der optischen Darbietung frage ich mich, ob Johan Edlund wirklich Spaß an der Sache hat. Dieser fehlende Enthusiasmus führte zu Entscheidung, den restlichen Gig von ausserhalb zu verfolgen und die Ohren ein wenig für SODOM zu schonen. Das "Wildhoney"-Material klingt von Weitem dann wesentlich besser, auch wenn die Vocals auch hier nicht vor Inspiration strotzen. Irgendwie scheinen die großen TIAMAT-Jahre vorbei zu sein. Vielleicht hat sich aber auch nur mein Geschmack verändert. Wie seht ihr das, Kollegen?
Setliste:
In a Dream, Clouds, Smell of Incense, A Caress of Stars, The Sleeping Beauty, Forever Burning Flames, The Scapegoat, Undressed, Wildhoney, Whatever That Hurts, The Ar, Do You Dream of Me, Visionaire, Gaia
[Thomas Becker]

Tja, ich muss Thomas da zustimmen, wenn auch ich eine Besserung im Vergleich zum letztjährigen Gig auf dem Summer Breeze konstatieren muss. Aber gut, das war nicht so schwer, etwas weniger verstrahlt, wenn auch nicht motivierter, ist Johann heute nämlich schon. Aber es wirkt schlicht nicht so, als hätte er noch Bock auf diese beiden, vermutlich erfolgreichsten Alben seiner Karriere und liefere hier eben Dienst nach Vorschrift ab, auf einem Platz in der Running Order, die TIAMAT mit aktuellem Material eben niemals einnehmen würde. Schade, hier wird das Erbe nicht würdig verwaltet sondern eher gefleddert.
[Raphael Päbst]


Sodom - Tom Angelripper - Rock hard Festival 2018Nun also ist sie gekommen, die Stunde der Wahrheit. Wie wird sich SODOM mit neuer Besetzung schlagen? Wieviel Wahrheit steckt in der Behauptung, dass man wieder mehr in Richtung old school gehen will? Die Antwort nach dem Gig wird lauten: mehr als mancher denkt, und wohl auch mehr als so mancher will. Aber der Reihe nach:

Als die Band mit 'My Atonement' einsteigt, bin ich erst mal baff angesichts dessen, was ich gerade erlebe, nämlich etwas, das mit Bernemann und Makka so nicht möglich gewesen wäre. SODOM rumpeln durch die Botanik wie anno 1988, versprühen Oldschool-Spirit, so dass man - macht man kurz die Augen zu - das Gefühl haben könnte, da stehen ein paar Jungs mit Topfhaarschnitt und spielen ihren ersten Gig. Und direkt wird mir auch klar, was mir all die Jahre bei der Band immer gefehlt hat: die zweite Gitarre. Mein Grinsen wird mit jeder Sekunde breiter, was auch der grandiosen Setlist in der ersten Hälfte der Setlist geschuldet ist: 'Sodomy And Lust', 'Nuclear Winter', 'Outbreak Of Evil', 'Christ Passion' und eine völlig geile Version von 'The Saw Is The Law'. Muss man mehr sagen?

Ja, muss man, denn bei aller Euphorie, die mich quasi durchdrehen lässt, muss ich bei der Gitarrenarbeit des öfteren den Kopf schütteln (leider in die falsche Richtung). Eigentlich hatte ich den Eindruck, Blackfire hätte die letzten Jahre auch mal Gitarre gespielt; heute allerdings bin ich der Meinung, dass er sich darauf beschränkt hat, hier und da mal ne Triangel zu bedienen. Der Kerl war für einige superbe Soli für SODOM und KREATOR verantwortlich und lässt an diesem Abend solotechnisch jeden unbegabten Gitarrenschrammler wie Yngwie Malmsteen aussehen. Das Solo bei 'Agent Orange' ist das schlimmste Gefummel, das ich je bei einer gestandenen Band gehört habe und wirklich nicht mal jugendzentrums-tauglich. Das hat dann auch nix mit oldschool-Gerumpel zu tun, sondern ist einfach eine absolute Frechheit!

Sodom - Rock Hard Festival 2018Ganz anders dagegen die beiden Neuzugänge Yorck und Tormen - ähem - Husky, die sich perfekt ins Gesamtbild einfügen. Gerade Husky erweckt mit seinem Spiel den Spirit eines Witchhunters (RIP!) zu neuem Leben und passt natürlich um einiges besser zu dem alten Material als der Techniker Makka. Er schafft es sogar, den "Decision Day"-Song 'Strange Lost World' etwas simpler, aber unfallfrei zu trommeln und ihm einen altschuligen Charakter zu verpassen. Trotzdem hätte ich persönlich heute den genannten Song sowie auch das SACRICIFE-Cover 'Lifeline' nicht unbedingt gebraucht.

Während das Set sich nun dem Ende nähert, freue ich mich immer mehr auf das nächste SODOM-Album und hoffe, dass Tom Angelripper auf dieser ähnlich angepisst klingen wird wie heute. Man merkt ihm an, wie viel Spaß er daran hat, seinen neuen beziehungsweise alten Weg zu gehen, wie sehr er dieses Feeling die letzten Jahre möglicherweise vermisst haben muss. Und ich muss zugeben, ich auch. Und als mich zum Abschluss dann 'Ausgebombt' (auf deutsch) und ohne Unterbrechung 'Bombenhagel' (inklusive versemmelter Nationalhymne) in Richtung Heimat schicken, denke ich mir nur eins: Mille, hoffentlich hast du noch die Telefonnummer von Tritze!
Setliste: My Atomement, Sodomy and Lust, Nuclear Winter, Outbreak Of Evil, Christ Passion, The Saw Is The Law, City Of God, Blasphemer, One Step Over The Line, Agent Orange, Strange Lost World, Tired And Red, Lifeline, Remember The Fallen, Silence Is Consent, Ausgebombt, Bombenhagel
[Michael Meyer]

Hier geht es zum Samstag...

Redakteur:
Thomas Becker

Login

Neu registrieren