ROCK HARD Festival 2018 - Gelsenkirchen

13.06.2018 | 09:57

18.05.2018, Amphitheater

Große alte Herren und Ruhrpott-Nostalgie!

Traitor PromofotoThrash ist auf Festivals immer die beste Musikrichtung, um den Tag zu eröffnen. Nicht zu kompliziert, schön flott und aggressiv, so kann man einen etwaigen Kater schnell aus dem Kopf schütteln und bekommt auch direkt wieder Durst. Das ist bei den Schwaben TRAITOR nicht anders, die heute bei strahlendem Sonnenschein ihren klassischen Thrash irgendwo im OVERKILL-Fahrwasser in ein anfangs noch etwas müde wirkendes Amphitheater schleudern dürfen. Das schöne Wetter hält vermutlich noch den einen oder anderen auf dem Zeltplatz, doch TRAITOR lässt sich davon nicht abschrecken. Songtechnisch hat man sowieso alle Trümpfe in der Hand und an Spielfreude mangelt es auch nicht. Was hingegen auffällt, ist, dass die Band eher selten auf so großen Bühnen spielt, von der gesamten Ausstrahlung und dem Auftreten her passt TRAITOR eher in einen kleinen, vollgepackten Club als auf die große Bühne eines halb leeren Amphitheaters. So verpufft einiges an Energie schlicht in den weiten des Runds, was man aber weniger der Band als dem nicht anwesenden Publikum vorwerfen muss. Dennoch kann der Auftritt unterhalten, die ersten beiden Biere schmecken direkt wieder und am Schluss gibt es durchaus mehr als Höflichkeitsapplaus für die Truppe. Mission accomplished, würde ich mal sagen.



NOCTURNAL RITES war einst eine der großen Hoffnungen des schwedischen Melodic Metal, härter als viele Konkurrenten und mit einem fantastischen Sänger am Mikrofon. So stand der Band mit "New World Messiah" Nocturnal Rites - Rock Hard Festival 2018scheinbar eine große Zukunft bevor. Dann aber wandte sich die Truppe moderneren Sounds zu, was auf "Grand Illusion" noch leidlich, auf "The 8th Sin" eher schlecht funktionierte und nach ein paar Touren vor GAMMA RAY oder EDGUY war dann erst mal Schicht im Schacht. Doch seit letztem Jahr ist die Band wieder aktiv und konnte mit einem neuen Album, wenn auch noch nicht ganz zu alter Größe zurückkehren, so doch wenigstens ein ordentliches Lebenszeichen abgeben. Umso gespannter bin ich, wie sich NOCTURNAL RITES nach so langer Zeit live präsentiert. Die Antwort fällt etwas gemischt aus. Denn einerseits ist der Gesang so beeindruckend und emotional wie früher, andererseits liegt der Fokus klar auf den groovigen Midtemposongs der späteren Bandphase und die Interaktion mit dem Publikum kommt noch etwas hölzern daher. Dennoch höre ich den einen oder anderen lieb gewonnenen Song aus der Vergangenheit und so in der Sonne sitzend ist das alles mehr als gut hörbar. Die Riffs klingen hier und da etwas sehr nach IN FLAMES, aber mit diesem Gesang kann man das ruhig mal machen. Dennoch, ein paar mehr flotte Songs der älteren Alben würden den Set auflockern und vielleicht auch für etwas mehr Stimmung im Publikum sorgen. So bleibt ein guter Auftritt mit Luft nach oben. Ob NOCTURNAL RITES nochmal zurück zu alter Stärke findet, werden wohl die nächsten Jahre zeigen.
[Raphael Päbst]


Die NEW ROSES hatte ich nicht auf dem "unbedingt gucken"-Zettel. Und just im Moment, als ich so richtig in Partylaune komme, platzt Kollege Raphaels Nachricht in die unsere Whats-App-Gruppe, wie "überflüssig" diese The New Roses - Rock Hard Festival 2018Band sei, die "sich nicht entscheiden könne, ob sie zur Baumarkt-Eröffnung AC/DC oder BON JOVI covern" solle. Am Ende steht es aber 1:3 gegen unseren Herzblut-Undergroundler, denn Michael, Nives und Meinereiner kommen richtig gut mit der rosigen Gute-Laune-Musik zurecht. Die Band um Frontmann Timmy Rough weiß einfach, wie man mit einer guten Mixtur aus AEROSMITH, GUNS'N'ROSES, BON JOVI aber auch AC/DC Stimmung ins Tanzbein bringt, und im Publikum gibt es auch genug durstige Kehlen, die zu Mitsing-Hymnen wie 'Every Wildheart' wild abrocken. Die erste Überraschung kommt für einige dann bei der Ansage, denn der Sound der Musik und das Aussehen der Band ist so amerikanisch, dass die deutsche Sprache erstmal verblüfft. Doch die Band ist aus Wiesbaden und nicht aus Los Angeles. Die Sonnenbrille sollte man dennoch aufsetzen, denn Titel wie 'Life Ain't Easy (For a Boy With Long Hair)' darf man alles andere als bierernst nehmen. Einfach die Sonne genießen, den Rock 'n' Roll-Spirit aufsaugen und dankbar sein, auf einem tollen Festival weilen zu dürfen ist, hier mein Motto. Und da ist es wieder, dieses Rock-Hard-Fest-Glücksgefühl, das mich regelmäßig hier erreicht, wenn Bands wie HIGH SPIRITS, AUDREY HORNE oder eben nun THE NEW ROSES hier aufspielen. Ganz logisch, dass es nach dem starken Schlusspunkt 'Thirsty' dann das erste Bier des Tages gibt.
Setliste: Every Wildheart, Forever Never Comes, Dancing on a Razorblade, Gimme Your Love, It's A Long Way, Life Ain't Easy (For a Boy With Long Hair), Devil's Toys, One More for the Road, Thirsty
[Thomas Becker]


Leatherwolf, Rock Hard Festival 2018Was haben LEATHERWOLF und IRON MAIDEN gemeinsam? Klar, da braucht man nicht lange zu überlegen: drei Gitarristen. Was aber unterscheidet LEATHERWOLF von IRON MAIDEN? Auch klar: bei ersteren hört man jede der drei Gitarren. Und diese hört man auch sofort glasklar heraus, als die Amerikaner mit 'Spiter' in den Set einsteigen und zu einem wahren Triumphzug ansetzen. Man weiß, was die Fans hören wollen, und beschränkt sich daher auf die Hits der ersten drei Platten, von denen es wahrlich mehr als genug gibt. Auch wenn Sänger und Gitarrist Michael Olivieri die hohen Töne nicht mehr ganz stemmen kann oder oftmals ganz weglässt (leider sehr deutlich bei meinem Fave 'Hideaway' nachzuhören), macht er alles mit seiner Präsenz und ansonsten trotzdem noch immer tollen Stimme wett. Jedem der Band ist die Spielfreude überdeutlich anzumerken, man ist immer in Bewegung und posiert auch desöfteren als Gitarrentrio wie in glorreichen Zeiten. Dazu eine Setliste, die mich alten Fan selig lächeln lässt, aber leider auch ein Publikum, das zum Großteil wohl nicht mit dem Material des ledernen Wolfes vertraut zu sein scheint. Ich wusste im Vorfeld nicht, was ich erwarten sollte, aber nach dem Gig ist eines klar: die Band ist definitiv wieder "Street Ready"!
[Michael Meyer]


Hast Du jetzt echt alle drei Gitarristen klar unterscheiden können, lieber Michael? So etwas Ähnliches stand inklusive einer Spitze gegen IRON MAIDEN stand nämlich auch im Begleitheftchen zum Festival und so habe ich versucht, unter diesem Aspekt mal genauer hin zu hören. Nun, ja, hinter die These, ob LEATHERWOLF das Potential von drei Gitarren nun wirklich besser ausnutzen, setze ich gerne ein Fragezeichen, so richtig nachvollziehen konnte ich dies nicht. Dass LEATHERWOLF einen sehr guten Gig gespielt hat und Musik macht, die mir mitunter sehr gut gefällt, ist aber die Take-Home-Message für mich und hoffentlich auch für einen Teil des unvertrauten Publikums. Aus den dunklen Sümpfen oller Tapes entsinne ich mich auch an LEATHERWOLF und dass es mich damals nicht allzu sehr gekickt hat. Die hier gehörte Mischung aus melodischem US Metal und 80er Hard Rock ist aber spritzig und originell, Neugierde ist geweckt.
Setliste: Spiter, Endangered Species, Season Of The Witch, Street Ready, Princess Of Love, Spirits in the wind, Cry Out, Thunder, Hideaway, Leatherwolfm Wicked Ways/The Calling/Wicked Ways

[Thomas Becker]


Nun ist es also so weit, auch auf einem Mainstream Festival wie dem RHF darf die Kauzlegende CIRITH UNGOL auftreten. Im Gegensatz zu den letztjährigen Triumphzügen auf Keep It True, Up The Hammers oder Hammer Of Doom gibt es heuer aber keinen Headlinerslot, sondern mickrige 55 Minuten am Nachmittag. Dennoch hat sich eine beachtliche Zahl an Zuschauern versammelt, um den Kaliforniern dabei zuzuhören, wie sie ihren ureigenen Sound zelebrieren, wie Tim Baker sich die Lunge aus dem Leib kreischt und wie man insgesamt Cirith Ungol - Tim Baker - Rock Hard Festival 2018Musik macht, die ganz und gar an heutigen Hörgewohnheiten vorbeigeht. Zunächst gibt es aber noch eine Überraschung zu verkraften, denn Gitarrist Greg Lindstrom ist nicht mit von der Partie, er fehlte bereits beim Frost And Fire in London und auch Mittwochs in Hamburg, da er wegen eines nicht weiter erläuterten Unfalls zu Hause bleiben musste. Ersetzt wird er durch den NIGHT-DEMON-Klampfer, der seinen Bandkollegen Jarvis heute auch mal bei CIRITH UNGOL begleiten darf. Davon abgesehen gibt es einmal mehr eine starke Performance einer inzwischen gut eingespielten Band zu hören, die ihren sehr späten Ruhm offensichtlich genießt. Nicht so ekstatisch wie noch im Februar in Griechenland, aber dennoch ordentlich werden die Songs abgefeiert und es spricht für die Qualität von CIRITH UNGOL dieser Tage, dass sich das Amphitheater bis zum Schluss der Show nicht leert. Natürlich ist das heute nicht vergleichbar mit dem Auftritt beim Hammmer Of Doom im letzten November, bei dem man mal locker dreimal so lang gespielt hat, aber dennoch kann auch der heutige Gig als voller Erfolg abgespeichert werden und die CIRITH-UNGOL-Reunion gehört so zumindest live mit zu denn besten und begeisterndsten der letzten Jahre.
Setliste: Blood & Iron, I'm Alive, Black Machine, Frost and Fire, Cirith Ungol, Chaos Descends, Fire, Master of the Pit, King of the Dead
[Raphael Päbst]



Marduk, Motuus, Rock Hard Festival 2018Kleine organisatorische Panne in unserem Rock-Hard-Team: Nach dem bockstarken Doppel LEATHERWOLF und CIRITH UNGOL möchte sich jeder eine Verschnaufpause gönnen und keiner will die Panzerdivision MARDUK sehen. Also muss wieder das Weichei der Truppe ran. Erstaunlicherweise gefällt mir das "Frontschwein"-Album ziemlich gut, obwohl ich ansonsten mit diesem Mähdrescher-Black-Metal nicht allzu viel anfangen kann. Bitterböse sehen sie dann auch aus, die vier schwarzweiß geschminkten Herren, allen voran Frontschwein, ähem, -mann Mortuus. Live funktioniert das musikalisch allerdings für mich nicht allzu gut. Gitarren, Bass, Drums und Gesang sind ein Getöse und der Sound ist da einfach nicht gut genug, um das aufzulösen. Die Band wirkt allerdings sehr routiniert und tight und von der Ferne tackert die Maschine extrem präzise. Immer wenn das Tempo gedrosselt und walzend gegroovt wird, hat die Musik durchaus Momente. Für mehr Euphorie fehlt mir aber die Melodie, auch Mortuus' kehliger Gesang kann bei mir weniger punkten als noch auf Konserve.
[Thomas Becker]

AXEL RUDI PELL direkt nach MARDUK? Kontraste können wohl nicht größer sein. Nun ja, macht nix, so ein bisschen was fürs Herz ist ja nach der Panzerattacke der Schweden nun auch nicht das schlechteste. Und das genannte Herz geht dem Zuschauer dann auch gleich auf, als nach einem Intro die Band zum Opener der letzten Platte "Nights Call ('The Wild And The Young') die Bretter erklimmt, der Gitarrist aus dem benachbarten Wattenscheid die Gitarre aufdreht und Johnny Gioely von der ersten Sekunde an zeigt, dass er nicht nur diesen Wahnsinnsgesang drauf hat, sondern beim Singen auch einen Marathon laufen kann. Der Mann ist für die Dauer des Gigs nicht zu stoppen und singt dabei wie Gott persönlich. Axel Rudi Pell - Rock Hard Festival 2018Instrumental wird natürlich ein amtliches Fundament gelegt, dabei übertreibts Herr Pell selber aber manchmal etwas mit den Soli (bei dem von 'Mystica' rennt er auch mal kurz durch den Fotograben). Wenn man nicht gerade zwei Stunden Zeit hat, dürfte man sich meiner Meinung nach gerne etwas zurückhalten und die Zeit für einen weiteren Song opfern. Das Selbe gilt übrigens auch für das unnötige Drumsolo, selbst wenn der Drummer Bobby Rondinelli heißt. Hier haben wir aber Meckern auf sehr hohem Niveau: das Publikum frisst der sympathischen Band aus der Hand, auch wenn man sich zu viel auf die letzten Alben konzentriert und gerade mal ein Medley aus 'Masquerade Ball'/'Casbah'/'Rock The Nation' zum Schluss bringt. Da die Songs der letzten Alben gegenüber den alten Werken aber so gut wie nicht abfallen, ist dies verschmerzbar. Trotzdem verzeihe ich dem blonden Wundergitarristen niemals das Fehlen von 'Oceans Of Time'!
Setliste: Intro, The Wild The Young, Wildest Dreams, Only The Strong Survives, Mystica (mit Drumsolo), Long Live Rock, Game Of Sins, The Line, Masquerade Ball/Casbah, Rock The Nation
[Michael Meyer]



Overkill - Bobby Blitz - Rock Hard Festival 2018Gott Sei Dank gibt es ein paar Konstanten im Leben. Zwei plus zwei ist vier. Die Donau fließt ins schwarze Meer. [Thomas wird den Unterschied zwischen "ss" und "ß" niemals lernen - der Lektor]. Und OVERKILL ist eine tolle Liveband. Über Sinn und Unsinn von Shows mit speziellem Fokus auf nur ein oder zwei Alben kann man sich aber gerne streiten. Ähnlich wie TIAMAT wählt OVERKILL heute zwei Alben aus, die mir persönlich sehr liegen. "Feel The Fire" war mein erster Tonträger im CD-Format (vorher gab es nur Vinyls). Und "Horrorscope" ist nach "The Years Of Decay" mein zweitliebstes OVERKILL-Album. Von daher habe ich Glück, Fans der neueren Phase schauen aber ein bisschen in die Röhre. Sei's drum, was auch immer OVERKILL auf der Bühne performt, es hat Druck, Energie und ist spielerisch oberste Qualität. Der erste Block gehört "Horrorscope". Das Eröffnungs-Quartett des Album ist bekanntlich pfeilschneller High-Tech-Thrash, und die kratzig hohen Fledermaus-Vocals des wie immer blitzschnellen Kugelblitzes Bobby 'Blitz' imponieren. Diese Vocals waren auf dem Debüt "Feel The Fire" (von 1985!) noch hoch und klar. Und auch klanglich erschien das Debüt noch völlig anders. Deshalb brauche ich eine Weile, um mich wieder an 'Raise The Dead' oder 'Rotten To The Core' zu erinnern. Ich gebe zu, das Album lief schon seit Ewigkeiten nicht mehr und ich gehöre nicht so sehr zu den Verehrern des Steinzeit-Metal der 80er. Heute klingt das viel druckvoller, massiver, und auch Blitz' oben schon gelobte Vocals haben geben den alten Songs einen modernen Charakter. Klar merkt man einem eher simpel gestrickten Song wie 'Hammerhead' auch heute noch die Jugendlichkeit der damaligen Aufnahme an, doch insgesamt ist die Mischung aus 80er und 90er-Songs eine sehr homogene Einheit.

Overkill, D.D.Verni, Rock Hard Festival 2018Leider werden die Alben nicht komplett gespielt und mir persönlich fehlen Ende die zwei "Horrorscope"-Highlights 'New Machine' und vor allem 'Soulitude'. Dafür zeigt OVERKILL wie immer am Ende des Sets seine Punk-Wurzeln mit dem obligatorischen 'Fuck You' als Schlusspunkt. Ob das nun sein muss oder nicht, sei dahin gestellt, doch sowohl Bobby als auch die große Mehrheit des Publikums gefällt sich beim Stinkefinger zeigen. Und ich bin trotzdem sehr zufrieden, wie immer bei OVERKILL, zumal mit 'Elimination' auch ein Kracher von meinem absoluten OVERKILL-Liebling fulminant dargeboten wird. Da knacken die Knochen im Nacken.
Setliste: Coma, Infectious, Blood Money, Thanx for Nothin', Raise The Dead, Rotten To The Core, There's No Tomorrow, Feel The Fire, Hammerhead, Nice Day...for a Funeral, Overkill, In Union We Stand, Elimination, Fuck You, Sonic Reducer
[Thomas Becker]

 

Hier geht es zum Sonntag...

Redakteur:
Thomas Becker

Login

Neu registrieren