ROCK OF AGES - Seebronn
14.08.2016 | 20:4329.07.2016, Festivalgelände
Unser Bericht von dem Familienfestival zum Ferienbeginn!
Die erfahrenen Festivalveranstalter des Bang Your Head haben vor elf Jahren ein etwas anderes Festival aus der Taufe gehoben, das etwas weniger Richtung Metal schielt, dafür gibt es ja bereits die große Party in Balingen. Seit dem letzten Jahr wird gerade die Familienfreundlichkeit betont, was die Veranstaltung einzigartig macht. Da ich es beruflich in diesem Jahr vereinbaren konnte, war Powermetal.de nach einer langen Zeit der Abstinenz mal wieder vor Ort, um sich dieses auf eher betagte Rockacts, die auch gerne mal in Richtung Pop ausschlagen dürfen, ausgerichtete Veranstaltung anzusehen, denn die Mischung aus Oldies und Metal ist gewiss einzigartig in der alljährlichen Festivallandschaft. Eine solche Zusammenstellung macht man als erfahrener Veranstalter nur, wenn man selbst daran Spaß hat. Wer käme sonst auf die Idee, KIM WILDE, EAV und CHRIS THOMPSON neben AVANTASIA und IN EXTREMO zu buchen? Genau, niemand. Also rein ins Gewühl.
Doch bevor es losgehen konnte, erreichte die Fans eine schlechte Nachricht: UFO würde nicht auftreten können, da Sänger Phil Mogg sich einem medizinischen Eingriff würde unterziehen müssen. Eine Absage am Tag vor dem Auftritt ist natürlich nicht zu kompensieren. Daher wählten die Veranstalter die Variante, die anderen Bands des hochkarätig besetzten Auftakttages einfach mit mehr Spielzeit zu bedenken. Das freut mich vor allem wegen der GRAHAM BONNET BAND, die das Festival eröffnen darf. Noch ist das Gelände verständlicherweise nur zum Teil gefüllt, aber wenn jemand mit Klassikern von RAINBOW, MICHAEL SCHENKER GROUP und ALCATRAZZ aufwarten kann, ist gute Stimmung garantiert. Bonnet ist nun wirklich ein Urgestein des Rock mit einer einzigartigen Stimme, die auch jetzt noch gut funktioniert, denn der Meister ist mittlerweile 68 Jahre alt.
Gleich zu Beginn eröffnet er mit 'Eyes Of The World' und 'All Night Long', zwei Klassikern des 1980er RAINBOW Albus "Down To Earth". Großartig. Seine Band besteht aus deutlich jüngeren Musikern, bei denen vor allem Gitarrist Conrad Pesinato auffällt, dem Bonnet gerne einmal das Rampenlicht überlässt. Dennoch steht natürlich vor allem der Frontmann im Mittelpunkt des Interesses. Der Laufsteg vor der Bühne wird von ihm bereits eifrig genutzt. Eine kleine Überraschung ist der Song 'Stand In Line', den Graham Bonnet für das Debütalbum von Chris Impellitteri eingesungen hat. Kürzlich erst auf dem Bang Your Head habe ich den Song gehört, da eben von IMPELLITTERI mit Rob Rock am Mikrophon. Wer war nun besser? Ich würde sagen, unentschieden. Rock war insgesamt vielleicht etwas dynamischer, aber Bonnet ist eben das Original. Im Anschluss folgt ein Block mit ALCATRAZZ-Songs, darunter natürlich 'God Blessed Video', aber überraschenderweise nicht 'Island In The Sun'.
Der größte Jubel brandet auf, als die Band zur MICHAEL SCHENKER GROUP-Phase übergeht, und da besonders bei 'Desert Song'. Bonnet singt mit Gefühl und Freude, vor allem, da das Publikum für den Klassikerreigen dankbar ist. Natürlich folgt noch 'Since You Been Gone' und dann zum Abschluss noch 'Lost In Hollywood', bevor der erste Auftritt des Tages auch schon vorbei ist. Wenn das so weitergeht, dann wird dieses Festival ein Freudenfest.
Zweite Band des Tages ist SAGA, die aufgrund von Soundproblemen etwas verspätet beginnt. Auch hier erwarte ich nichts anderes als einen Hit-Reigen, und die Kombination aus 'Don't Be Late', 'On The Loose' und 'You're Not Alone in den ersten vier Songs ist genau das, was zu erwarten gewesen war. Doch SAGA ist eine aktive Band und lebt nicht ausschließlich in der Vergangenheit. Immer wieder werden neuere Lieder eingeflochten. Ich denke mir dabei, dass eventuell auch die zusätzliche Spielzeit einen Teil dazu beigetragen haben dürfte, dass SAGA eine größere Setliste spielen kann und dadurch nicht nur alle Hits vortragen wird. Der Ausfall UFOs lässt sich tatsächlich recht einfach kompensieren.
Die Band selbst ist mit Freude bei der Sache. Sänger Michael Sadler hat seine eigene Keyboardstation und zuweilen übernehmen nicht weniger als drei Keyboards die Melodieführung. Der große Vorteil dieser Wechselspiele und der vielen Instrumente ist, dass eigentlich immer irgendetwas passiert, obwohl die meisten Musiker ja an ihr stationäres Instrument gebunden sind. Doch der Sänger zusammen mit Gitarrist Ian Crichton nutzt die Bühne und auch den Laufsteg wie überhaupt nahezu alle Bands mit dem tollen Bühnensetup gut klar kommen und den gebotenen Platz auch ausnutzen und offensichtlich zu schätzen wissen. Die fünfundsiebzig Minuten vergehen wie im Fluge, die Setliste ist abwechslungsreich, auch wenn mir dann doch noch der eine oder andere eigentlich unverzichtbare Klassiker fehlt, und SAGA ist für die Fans ein noch größerer Höhepunkt als Graham Bonnet. Ich tendiere zwar dazu, mehr Begeisterung für die Eröffnungsband zu zeigen, aber das liegt daran, dass ich SAGA schon häufig gesehen habe. Allerdings nicht immer so gut, daher: Daumen hoch!
Co-Headliner des ersten Tages ist AXEL RUDI PELL, ein alter Bekannter, stand er doch bereits dreimal auf der Bang Your Head Bühne und ist auch bereits zum dritten Mal auf dem Rock Of Ages zu Gast. Wird es auf irgendeine Weise anders werden? Immerhin hat der blonde Gitarrist seit sehr langer Zeit ein stabiles und nahezu unverändertes Line Up am Start, nur an den Drums ist nun Bobby Rondinelli zu sehen und hören, der Tausendsassa Mike Terrana kürzlich ablöste. Ich muss sagen, dass mir Bobbys Drumstil zu Axels Kompositionen generell tatsächlich deutlich besser gefällt als der auffälligere, zappelige Terrana. Nur heute ist das anders. Warum? Weil dem Auftritt etwas mehr Action durchaus gut tun würde. Dass Axel Rudi Pell keinen so großen Bewegungsradius hat, ist bekannt. Muss er auch nicht, von ihm möchte ich seine Gitarrensoli hören und die großen Riffs. Sänger Johnny Gioeli ist auch nicht schuld, der läuft über die Bühne und rockt unermüdlich, aber gerade das bringt es an den Tag: irgendwie wirkt das Ganze behäbig. Während der Anfang mit 'Fire' und 'Fool Fool' noch ganz schmissig klingt, wird es mit 'Nasty Reputation' langsamer und beginnt mit 'Strong As A Rock', das viel zu lang ausgewalzt wird, tatsächlich etwas langweilig zu werden. Zwar ist der Titelsong des aktuellen Albums "Game Of Sins" nicht von schlechten Eltern, aber ein bisschen mehr in die Trickkiste hätte er schon greifen können, zumal ein Drumsolo im Anschluss ganz sicher nicht der Weisheit letzter Schluss sein dürfte.
'Mystica' bringt dann endlich einen der erhofften großen, alten Songs, aber mit 'The Line' ist dann auch schon wieder das Ende der großen Begeisterung erreicht, denn der sehr ruhige Song nimmt nun wirklich jede Stimmung aus dem Publikum, egal wie sehr sich auch der Mann am Mikrophon bemüht. Denn Johnny Gioeli scheint einen ganz anderen Gig zu spielen als der Rest der Band, er rennt von links nach rechts, rockt hier und feuert da an, ist ständig in Bewegung und singt dabei ganz ausgezeichnet. Mit 'Edge Of The World' kommt dann doch noch etwas Drive in die Sache, aber das abschließende 'Rock The Nation' ist alles andere als ein Highlight in der Diskographie des blonden Saitenmeisters. Ich frage mich, wo die großen, epischen Lieder geblieben sind, die immer Highlights der Auftritte sind? Denn abgesehen von 'Mystica' gab es kein 'Casbah' oder 'The Clown Is Dead', kein 'Into The Storm' oder 'Black Moon Pyramid'. Sehr schade, so bleibt der Eindruck eines Auftrittes mit gebremstem Schaum, zu lang ausgewälzten Liedern und insgesamt einer wenig mitreißenden Performance. Natürlich immer noch nicht schlecht, aber am Ende des Tages wird AXEL RUDI PELL bei mir nicht auf das Tagestreppchen kommen.
Setliste: Fire, Fool Fool, Nasty Reputation/Strong as a Rock, Game of Sins, Drum Solo, Mystica, Edge of the World, The Line, Rock the Nation
Zeit für den Headliner IN EXTREMO. Ein wenig unpassend erschien mir die Band im Vorfeld, fügt sie sich doch kaum in das weitgehend klassisch-rockige und –metallische Billing des heutigen Tages ein. Andererseits dürfte sich die Qualität der Berliner mittlerweile herumgesprochen haben, denn das Gelände ist tatsächlich deutlich voller als zuvor. Klar, einige müssen an diesem Werktag erst anreisen, aber die Begeisterung, die IN EXTREMO bereits beim Opener 'Rasend Herz' entgegenschlägt, spricht auch eine deutliche Sprache, an der auch die Soundaussetzer, die die Band einfach ignoriert und im Vertrauen auf die Technikcrew weiterspielt, nichts ändern.
Zu 'Feuertaufe' werden die Pyros ausgepackt und dem Gelände inklusive Publikum ordentlich eingeheizt. Die Mittelalter-Rocker haben heute freie Bahn und spielen einen langen Headlinergig, bei dem sich nahezu alle Musiker einmal in den Vordergrund spielen dürfen. Natürlich vor allem Das Letzte Einhorn alias Michael Robert Rhein, der als Sänger die Augen der Meisten auf sich zieht und großartig, kraftvoll und den Auftritt sichtlich genießend die Lieder zelebriert. Dass er eine echte Röhre hat, ist ja bekannt. Aber auch die anderen sorgen für Unterhaltung. Eindrucksvoll schaffen dies immer wieder Flex der Biegsame (Marco Ernst-Felix Zorzytzky) und Yellow Pfeiffer, in Wirklichkeit Boris mit Vornamen, an den Sackpfeifen, die mächtig Action machen. Auch Dr. Pyrmonte alias André Strugala hat seinen großen Auftritt mit der Harfe, umjubelt und mit alleinigem Rampenlicht. Überhaupt, Licht. IN EXTREMO bietet eine starke Show, die visuell eindrucksvoll ist und doch die Musik nicht zur Nebensache degradiert. Das wäre auch schwerlich zu erreichen, denn der Ausflug durch die Bandgeschichte mit eingeflochtenen neuen Songs des Albums "Quid Pro Quo", dass erst sechs Wochen zuvor erschienen ist, ist einfach zu mitreißend. Besonders 'Sternhagelvoll' entpuppt sich zu einem echten Live-Hammer.
Leider muss ich vor dem Ende des Auftrittes los, denn das hier ist ja ein Familienfestival. Deswegen ist zum Härtetest meine durchaus festivalerprobte Tochter dabei, die aber im Laufe des Sets schlapp macht. Da ich IN EXTREMO dieses Jahr schon auf dem Rockavaria gesehen habe, ist es Zeit, das Bett aufzusuchen. Morgen geht es weiter und da stehen wieder einige Highlights auf dem Programm.
- Redakteur:
- Frank Jaeger