Ragnarök Festival - Lichtenfels

17.05.2024 | 09:13

04.04.2024, Stadthalle

Im zweiten Jahr in Folge wird die oberfränkische Hochburg für Pagan und Schwarzmetall auf drei Tage ausgedehnt.

Raus aus dem Schlafsack im Zelt oder Auto oder aus dem Bett wahlweise in der Schlafhalle oder etwas dekadenter in einer der umliegenden Pensionen – und hin zur Stadthalle. Der Freitag beginnt dort mit den Schweizer Piraten CALAROOK und dem ersten kleinen Circle-Pit des Tages. Während anschließend die mit FINNTROLL tourenden finnischen Ländsmänner SUOTANA mit Keyboardlastigem Power-Pagan versuchen, die Stimmung weiter anzukurbeln, fahren die Niederländer VANAHEIM mit einer herumwirbelnden Violinistin auf und tragen auch mal eine Nachtwächterlampe über die Bühne.

Derweil können die Österreicher THEOTOXIN nach ihrem Auftritt beim "Dark Easter"-Festival eine knappe Woche zuvor eigentlich gleich in Bayern bleiben und die knapp 270 Kilometer aus München rüberkommen. Die Lautstärke zieht ziemlich an, als die Schwarzmetaller mit 'Golden Tomb' amtlich losbollern. Sänger Ragnar schraubt sich beim Bangen fast die Rübe ab und setzt als einziger "nur" auf Kriegsbemalung, während sich die übrigen Bandmitglieder zusätzlich mit schwarzen Halstüchern maskieren. Hinter einem verbirgt sich bekanntlich AGRYPNIE- und NOCTE OBDUCTA-Sänger Torsten, der hier den Bass zupft und es irgendwie gefühlt jedes Jahr schafft, mit einer seiner vielen Bands in Lichtenfels auf der Bühne zu stehen. Allesamt in Lederwesten gekleidet reißen die Wiener plus ein Hesse die Fäuste hoch und sorgen für ordentlich düstere Stimmung, während Drumsticks in die Menge fliegen. Ein ziemlich energiegeladener Auftritt.

Auf der linken Bühne werden anschließend zwar weiterhin Blastbeats und Gekeife serviert, allerdings deutlich getragener und mit melodischen Zwischenparts aufgelockert: Nach dem ruhigen Quasi-Intro 'A Taglachinger Morgen' ziehen die Münchner Heidenmetaller WALDGEFLÜSTER das Tempo mit 'Im Ebersberger Forst' wieder an. Flankiert von Galgenbäumen lässt Sänger Jan alias Winterherz die Haare fliegen und erzählt anschließend stolz, dass seine Truppe bereits vor zwölf Jahren erstmals beim "Ragnarök"-Festival gespielt hat. Höhepunkt des Auftritts dürfte sicherlich der viel beklatschte Achtminüter 'Unter bronzenen Kronen' sein. "Ihr wart Spitzenklasse!", ruft Jan der Menge abschließend zu, wonach ein gemeinsames Foto mit den Fans natürlich auch nicht fehlen darf.

Dann zieht es in Sachen Düsterheit und auch Geschwindigkeit wieder an: Schon beim Soundcheck bollert IMPERIUM DEKADENZ ordentlich, nach dem etwas knacksenden Intro fragt Sänger Christian alias Horaz ins Rund: "Seid ihr mit uns?" Dann legen die Baden-Württemberger mit 'Bis ich bin' ordentlich los. Der Spagat zwischen wilder Raserei und ruhigerer Atmosphäre funktioniert auch im langsameren 'Aurora' gut, inklusive Poser-Duell der Saitenfraktion. Melodisch wird es auch mit dem abschließenden 'The Night Whispers To The Wise' nochmal. Horaz kippt eine komplette Flasche in seinen Gitarristen (angesichts der Menge wohl nur Wasser und kein Schnaps) und verabschiedet sich schonmal klatschend von der Bühne, während seine Saitenmitstreiter den achtminütigen Song zu Ende spielen.

Auf der linken Bühne folgt nun mit WINTERFYLLETH die optisch schlichte Variante des Black Metals. Während sich Keyboarder Mark Deeks permanent einen abgrinst, kommt Frontman Chris Naughton mit Kurzhaarschnitt und schwarzem Longsleeve eher unscheinbar daher, holt aus seiner Stimme aber alles raus. Ebenso wie die restliche Saitenfraktion, die mit blastig-melodischen Nummern wie 'Absolved In Fire' und 'The Reckoning Dawn' vom aktuellen Album überzeugen kann. Dass sich die Engländer einst von NSBM-Vorwürfen distanzieren und von einem Bandmitglied trennen mussten, scheint längst vergeben und vergessen: Das Publikum feiert die Band, die sich nach dem angelsächsischen Winternachtsfest benannt hat, ziemlich ab.

[Carsten Praeg]

Im Tourgepäck von FINNTROLL dürfen natürlich auch die Esten METSATÖLL auf der Lichtenfelser Bühne nicht fehlen. Es ist davon auszugehen, dass viele Festivalbesucher die Band nicht auf dem Schirm haben, da ihr letztes Album schon rund zehn Jahre alt ist. Doch mit ihrer rauen Interpretation des Folk Metals, der durch Flöte und Dudelsack energetisch wie melodisch aufgeladen durch die PA dröhnt, erspielt sich die sympathische Band schnell eine beachtliche Zuhörerschaft. Der Sound geht direkt ins Ohr, ins Hirn, ins Tanzbein und motiviert zur besten Vorabendzeit zum Abtanzen. Für uns eine der Überraschungen des Festivals!

[Julian Rohrer]

Die Vielfältigkeit des "Ragnarök"-Festivals sieht man heute ganz besonders: Nach lupenreinem Black und Death Metal sowie anschließendem Folk mit Dudelsack und Flöte geht es mit THE VISION BLEAK ins Gothic-Genre. Kurz vor dem Auftritt des heimlichen Headliners KANONENFIEBER hat sich eine beachtliche Menge vor der Bühne versammelt, um Konstanz' und Schwadorfs Auftritt zu verfolgen. Auch wenn die Veröffentlichung des neuen Albums "Weird Tales" kurz bevorsteht, wartet ein Großteil natürlich auf die "Carpathia"- und "Deathship"-Klassiker der ersten Alben, mit denen die Band ihren eigenen transsilvanischen Stil geprägt hat. Die zwei neuen Songs 'In Rue d’Auseil' und 'The Premature Burial' werden höflich aufgenommen, doch seinen Höhepunkt erreicht das Set natürlich bei mit dem obligatorischen "Kutulu, Kutulu, ftagn, ftagn"-Wechselgesang. Das sollte auf jeden Fall den "Großen Alten" geweckt haben!

[Martin Storf / Twilight Magazin]

Vor dem nächsten Gig gibt es im Fotograben noch schnell eine Kurzeinweisung: Betreten auf eigene Gefahr, bei jedem Song werden permanent Pyros gezündet. Damit legt das Abrisskommando KANONENFIEBER bei seiner ohnehin schon spektakulären Show noch eine Schippe drauf. Das junge Projekt um Frontmann Noise kann auf eine Blitzkarriere blicken: Vor vier Jahren erst gegründet, vor zwei Jahren nachmittags beim "Ragnarök" eingesprungen und nun bereits Co-Headliner.

Traditionell wird auf der mit Stacheldraht und Kanonen verzierten Bühne mit 'Feuertaufe' eine erste Breitseite abgefeuert, während im Hintergrund die wie Senfgas aussehenden Nebelfontänen aufsteigen. Die Halle ist auf beiden Tribünenseiten sowie den Treppenaufgängen brechend voll und die neugierige Schar bekommt einiges geboten: Zum neueren 'Kampf und Sturm' tauschen die maskierten Schwarzmetaller ihre Uniformen gegen Matrosen-Outfits und beweisen, dass sie nicht nur im Landkrieg bestehen können. Schade nur, dass es ihr vielbeachtetes 'Stop The War' gegen Russlands Angriffskrieg in der Ukraine nicht in die Setlist schafft. Zum abschließenden 'Yankee Division March' packt der inzwischen mit Totenkopfmaske verkleidete Noise einen Flammenwerfer aus und fordert das Publikum dann strickt gestikulierend zu einer "Wall of Death" auf. Eher untypisch für Black Metal, doch die Fans leisten zum finalen Pyroknall nicht nur Folge, sondern setzen noch einen wilden Pogo-Pit obendrauf. Sieg auf ganzer Linie!

Nach dem Weltkriegsszenario wäre wohl alles Kontrastprogramm: Mit angeklebten Trollohren stürmt mit FINNTROLL der Speerspitze des Humppa-Metals auf die Bühne und wirft zum alten 'Människopesten' gleich mal die Nebelfontänen an. Schnell bildet sich ein erster kleinerer Pogo-Pit und die Fans feuern die Finnen kollektiv an. "Are you still with us?", will Sänger Vreth die Partystimmung nicht abflauen lassen, die spätestens beim ewigen Gassenhauer 'Trollhammaren' ihren Höhepunkt erreicht. Die Truppe hat heute einiges an älterem Material wie 'Slaget Vid Blodsälv' im Gepäck, mit "eins, zwei, drei, vier!" zählt Vreth 'Nattfödd' an. Ein letzter Circle-Pit, dann ist mit 'Midvinterdraken' auf der linken Bühne Schluss für heute.

Ein noch größerer Kontrast ist der heutige Rausschmeißer PERCHTA, nach VERMILIA vom Vortag ein weiteres atmosphärisches Projekt mit Frontrau. Die Österreicherin, die sich selbst ebenfalls "Perchta" nennt, kommt als mystische Sagengestalt verkleidet auf die Bühne, die Augen und Lippen schwarz unterlaufen. Mal schlägt sie mit einem Totemstab auf den Bühnenboden, mal bearbeitet sie eine hölzerne Flachtrommel, gestikuliert flüsternd oder keift inbrünstig ins Mikro. Als hätte dieser Anblick nicht schon etwas Groteskes, spielt einer ihrer Kollegen auf einer Hülpdimer Zither, während der Gitarrist durchaus beeindruckende Verrenkungen auf seinen Saiten vollzieht. Die Texte im tiefsten Tiroler Dialekt tun bei Songs wie 'Ois wås ma san' oder 'Vom Verlånga' ihr Übriges. Eine Woche zuvor beim "Dark Easter"-Festival reichte es mir mit dem bizarren Schauspiel ehrlich gesagt nach drei Songs, heute liegt mein Toleranzlevel deutlich höher. Auch wenn es anschließend vorsichtshalber ein Schlummertrunk mehr sein darf, um keine düsteren Albträume zu bekommen.

[Carsten Praeg]

 

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Redakteur:
Carsten Praeg

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