Ragnarök Festival 2019 - Lichtenfels

26.05.2019 | 12:10

26.04.2019, Stadthalle

Da schlägt das Heidenherz höher: Das 16. Ragnarök Festival hat zwar mit einigen plötzlichen Bandausfällen zu kämpfen, kann aber trotzdem voll überzeugen.

Das Jahr eins nach dem 15-jährigen Jubiläum: Das Ragnarök Festival lockt wieder ins bayerische Lichtenfels in die Stadthalle. Mit 25 angekündigten Bands hat man zwar weniger am Start als in den Jahren zuvor – was durch manche kurzfristige Absage auch noch reduziert werden muss – dennoch schafft man es, mit seiner ganz eigenen Bandauswahl und eigenem Konzept das übliche Flair aufrecht zu halten zwischen Pagan, Black Metal und deutschen Underground. Zwei Bühnen, keine Überschneidungen: Während die eine Bühne beackert wird, läuft auf der anderen wie üblich der Change Over. Wodurch es zwischen den Gigs nur kurze Pausen gibt. Abseits werden obendrein Wikingerschlachten sowie jede Menge Met und Absinth serviert. Hermann Wunner und meine Wenigkeit haben sich für euch in die Schlacht gestürzt.
[Carsten Praeg]

Zum Startschuss muss Freitagmittag erst mal kurzfristig reichlich umorganisiert werden: Durch den Streik einer Fluglinie kann SKELETONWITCH erst tags drauf anreisen, NAGLFAR muss gar völlig absagen. Neue Running Order, neues Glück: Mit einer halben Stunde Verspätung darf dann ATLAS PAIN auf die Bühne, die Band mit den knallgrünen Shirts am Merchandise-Stand. Die vier Italiener, die musikalisch irgendwo zwischen ALESTORM, Hans Zimmer und EQUILIBRIUM operieren, zaubern mit ihrem Piraten-Metal so manchem Zuschauer ein Schmunzeln ins Gesicht. Captain Jack Sparrow lässt grüßen. Beim klassischen Intro heißt der breit grinsende Sänger und Gitarrist Samuele Faulisi das Publikum erst mal per Megafon willkommen, ehe es mit 'The Moving Empire' losgeht. Im Husaren-Outfit und Schulter an Schulter liefert sich Samuele mit seinen Saitenkollegen Gitarrenschlachten und feuert die Fans mit typischem Akzent immer wieder an. Ein erster kleiner Stimmungstest, den das anfangs noch etwas hüftsteife Publikum aber durchaus besteht, als es zum abschließenden 'The Storm' die letzte kollektive Hüpfaufforderung zu meistern gilt. Savvy!
[Carsten Praeg]

Als zweiter Act des Festivals steht MIDVINTERBLOT aus Schweden auf dem Programm. Die Band ist in unseren Breitengraden noch nicht sehr bekannt und dies sogar der erste Auftritt in Deutschland überhaupt für MIDVINTERBLOT, wie Sänger Fisk dem Publikum verrät. Der Folk Metal, den die Schweden auf die Bühne bringen, kommt bei den Fans in Lichtenfels allerdings richtig gut an und so dürfen sich die Schweden über viel Applaus freuen. Obwohl es erst die zweite Band des Tages ist, sind schon richtig viele Zuschauer in der Halle, was natürlich für kleinere Bands richtig toll ist. Die Stimmung ist super und auch die Bühnenshow der Schweden kann sich sehen lassen, man kann ihnen die Spielfreude förmlich ansehen. Da der Jubel der Zuschauer von Lied zu Lied immer lauter wird, ist es fast klar, dass am Ende des Auftritt "one more song!" gefordert wird. Aus Zeitgründen ist das aber leider nicht möglich und damit muss der erste Auftritt von MIDVINTERBLOT in Deutschland ohne Zugabe enden. Hat mir richtig gut gefallen, den Namen sollte man sich merken.

Mit NOTHGARD steht nun auch die erste heimische Band auf der Bühne. Die Jungs hat man schon oft live gesehen und wurde noch nie enttäuscht. Anfangs bin ich allerdings etwas verwirrt, als ich sehe, dass Gitarrist Skaahl heute den Bass zupft. Nachdem die Jungs dann aber gleich richtig Gas geben, denke ich nicht weiter darüber nach und genieße die Show. Die macht wie immer richtig Laune, auch wenn der Gesang einen Tacken lauter sein könnte, wofür NOTHGARD allerdings nichts kann. In den 40 Minuten Spielzeit knallen die Bayern dem Lichtenfelser Publikum einen Kracher nach dem anderen vor den Latz, was diesem natürlich sehr gefällt. Und das obwohl melodischer Death Metal auf dem Ragnarök Festival eher als exotischer Stil angesehen werden muss. Geile Songs sind auf den bisher erschienenen vier Studioalben auch ausreichend vorhanden, mit dem Material könnte NOTHGARD mittlerweile sogar locker eine Headlinershow bestreiten. Als es schließlich zu Ende ist, gibt es nochmal viel Jubel vom Publikum und NOTHGARD hat damit sicherlich nicht nur mir einen frühen Höhepunkt des Festivals beschert.
[Hermann Wunner]

Jubiläum, das erste: Vor fast auf den Monat genau zehn Jahren brachten die Ostwestfalen EIS – damals noch unter dem Namen GEIST – ihren kleinen Meilenstein "Galeere" heraus. "Wer von euch hat’s damals schon gehört?", fragt Bandgründer und -kopf Alboin, der zunächst eine Bootslaterne schwenkend auf die Bühne kommt, hinter seinem mit einem Schiffsruder verzierten Mikroständer. Wie gut, dass für den Gig 50 Minuten anberaumt sind: So passt das komplette Album gerade so in die Setliste. Nach dem Titelsong darf zu 'Einen Winter auf See' auch das dazugehörige Schifferklavier nicht auf der Bühne fehlen, während Alboin mit Bass, Jackett und Stehkragen über die Bühne schlendert. Zum Abschluss wird nochmal das Signal geschwenkt, tags drauf wird EIS gleich nochmal auf der Bühne stehen – denn auf den Jubiläumsgig soll sogleich ein vermeintlicher Abschiedsgig folgen...

Jubiläum, das zweite: Ein Ragnarök ohne seine Stammgäste von AGRYPNIE ist eigentlich fast unvorstellbar. Und so kann sich Bandkopf Torsten nach eigenem Bekunden auch keinen besseren Ort vorstellen, um das 15-jährige Bandbestehen zu feiern. Im Vorfeld wurde zwar ein reines Set vom neuen Album "Grenzgænger" angekündigt, so ganz ohne den traditionellen Opener 'Der tote Trakt' kann Herr Hirsch dann aber doch nicht auf die düsterblau angestrahlte Bühne stürmen, die obligatorische Faust in die Luft gereckt. Mit 'Auferstehung' rast anschließend das erste neue Material aus den Boxen, ehe Torsten selbst zu Gitarre greift. Der Sänger flachst wie gewohnt, wie lange doch das neue Album auf sich warten ließ, kündigt aber grinsend schon mal das nächste an. In den Jahren zuvor musste er schließlich seine komplette Mannschaft austauschen. Der aktuelle Live-Basser Andreas ist heute verhindert, stattdessen springt ein Kollege von HARAKIRI FOR THE SKY ein. Und hat auch gleich Verstärkung mitgebracht: HARAKIRI-Frontmann J.J. lässt es sich nicht nehmen, wie auf dem Album 'Die längst Nacht' zu schmettern, den Mittelfinger in die Luft gestreckt. 'Aus Zeit erhebt sich Ewigkeit' mit Evíga wäre sicherlich auch eine gute Option gewesen, doch DORNENREICH reisen wohl erst am nächsten Tag an. Stattdessen wummert zum Abschluss dann 'Zu Grabe' mit doch etwas viel Bass aus den Boxen. Nach gerade mal fünf Titeln ist Feierabend, aber die genialen Songs von AGRYPNIE dauern dafür schließlich auch jeweils gefühlte drei Stunden. "Rennt nicht gleich weg", ruft Torsten den Fans noch zu, denn was wäre ein Jubiläumsgig ohne ein Gruppenfoto mit Publikum.

Nun kommt jene Band, welche die Metal-Szene in den zurückliegenden Jahren ziemlich gespalten hat: Während auf der einen Seite VARG-Dissen in den sozialen Netzwerk eine recht beliebte Sportart ist, können die Coburger auf der anderen Seite wie hier beim Ragnarök auf eine ziemlich enthusiastische Anhängerschar bauen. Zum ersten Mal an diesem Tag ist auch die Sitztribüne gänzlich gefüllt. Nach Nymphen-Geträller zum Einstieg – die Pan-Dame wird kurz darauf von den irritierten Securities zunächst nicht zurück in den Backstage-Bereich gelassen – geht’s mit 'Wolfszeit' los. Und drei Podesten am Bühnenrand, die von den mit Warpaint und Blut verschmierten Bandmitgliedern immer wieder erklommen werden. Kennt man sonst eher vom Metalcore, aber als solcher werden VARG schließlich auch schon seit geraumer Zeit im Metal-Archiv gelistet. Nebst Melodic Death und Black Metal. Pagan Metal, anyone? Darüber hinaus zieren Wikingerschilde und Totenschädel die Bühne sowie aufwändige LED-Türme, aber kamen die, außer vielleicht mal kurz am Anfang, überhaupt zum Einsatz? Egal, "macht mal ein bisschen Lärm!", feuert der gewichtige Sänger Freki die Meute an. "Wo sind meine Wikingerfreunde?", gefolgt von einem Moshpit zu 'Das alte Feuer' und 'Schildfront'. Man kann von den Jungs sicher halten, was man will, Erfolg haben sie jedenfalls und die Wolfskult-Anhänger sind sichtlich zufrieden.[Carsten Praeg]

GOD DETHRONED ist eine der Bands, die dem Flugstreik zum Opfer gefallen ist und daher den Auftritt auf dem Ragnarök Festival leider absagen muss. Sehr schade, aber da ich die Jungs eine Woche zuvor in Zwickau bereits live gesehen habe, kann ich diesen Ausfall noch am ehesten verschmerzen. Schade ist es trotzdem, denn GOD DETHRONED hätte sicherlich auch in Lichtenfels für den totalen Abriss gesorgt. Aber das ist eben höhere Gewalt, da kann man leider nichts machen. Mit HARAKIRI FOR THE SKY folgt nun eine weitere Band, auf die ich mich im Vorfeld sehr gefreut habe. Auch die Österreicher habe ich schon mehrmals live gesehen und war jedes Mal begeistert. Im Post-Black Metal ist HARAKIRI FOR THE SKY für mich eine der interessantesten Bands und kann zudem mit vier extrem starken Alben noch eine makellose Diskographie vorweisen. Dass die Jungs richtig was können, hat sich mittlerweile scheinbar herumgesprochen, denn die Halle ist ziemlich voll. Vor allem die vielen sphärischen Elemente im Sound der Österreicher sind richtig aufwühlend und schön zugleich, HARAKIRI FOR THE SKY lässt aber auch oft genug den sprichwörtlichen Knüppel aus dem Sack. Die Bühnenshow macht auch Spaß, obwohl HARAKIRI FOR THE SKY das Ganze relativ einfach hält und auf allen überflüssigen Firlefanz verzichtet. Dieses Konzept geht voll auf und den Gesprächen mit diversen anderen Festivalbesuchern kann ich entnehmen, dass nicht nur ich diesen Auftritt verdammt stark fand. [Nicht zu vergessen: Die Revange von AGRYPNIE-Torsten, der nun umgekehrt hier als Gastsänger auftritt. - Anm. v. Carsten] Zu diesem Zeitpunkt ist das für mich die beste Show des Festivals, das müssen die anderen Bands erstmal überbieten.

BORKNAGAR aus Norwegen ist ebenso ein heißer Kandidat für ein Highlight des Tages oder sogar des Festivals. Die Truppe aus Bergen schafft es nicht erst seit dem letzten (und überall hochgelobten) Album "Winther Thrice", die Metalfans in aller Welt für die eigenständige Mischung aus Black-, Viking- und Folk-Metal, welche mit diversen progressiven Zutaten angereichert wird, zu begeistern. Auch live zaubern die Jungs eine mehr als amtliche Show aufs Parkett, welche beim Publikum, wie nicht anders zu erwarten war, ebenfalls wunderbar ankommt. Die Songs machen Spaß, sowohl Fans als auch Band haben sichtlich Bock, aber ich muss trotzdem sagen, dass BORKNAGAR es nicht ganz schafft, eine ebenso geile Atmosphäre wie zuvor HARAKIRI FOR THE SKY in der Stadthalle Lichtenfels zu entfesseln. Irgendwas fehlt noch, auch wenn ich nicht sagen kann, was es genau ist. Nichtsdestotrotz war das eine starke Show von BORKNAGAR, die den Anwesenden auf jeden Fall in guter Erinnerung bleiben dürfte.[Hermann Wunner]

Optisch CRADLE OF FILTH auf LSD, musikalisch EMPEROR auf Speed: Die Niederländer CARACH ANGREN brennen auch in Lichtenfels zum Abschluss des Tages ihr durchgeknalltes Feuerwerk ab. Sänger Seregor mimt an seinem Sensen-Mikroständer mehr denn je den unter epileptischen Anfällen leidenden Zappelphilipp, während der Keyboarder auf sein mit gruseligen Masken verziertem Tastengerät einhackt. Strobogewitter, Blastbeats, Gitarrengefrickel. Auf dem Pfad zu Tolkiens Mordor, auf nichts Anderes bedeutet der Bandname auf Sindarin schließlich, scheuen CARACH ANGREN wieder keine Kosten und Mühen: Auf Knopfdruck fahren Seregors Mitstreiter regelmäßig auf ihren Podesten gefühlt mehrere Meter in die Höhe und überblicken die staunende Menge. "Die hüpfen mir zu viel", befindet ein Kollege nebenan. Und tatsächlich wirken nicht nur die kollektiven Springaufforderungen, sondern spätestens Seregors aufgesetztes Krönchen dann doch etwas übertrieben. Trotzdem: Musikalisch trifft dieser hochkomplexe Symphonic Black Metal jederzeit voll auf den Punkt und auch optisch wird Einiges geboten, wenn auch manchem etwas zu viel. Nach SKELETONWITCHs heutigem Ausfall heißt es dann leider früher als gewohnt: Raus aus der Halle, morgen geht’s weiter.
[Carsten Praeg]

Als ich erfahre, dass auch der Headlinerauftritt von SKELETONWITCH ausfallen soll, bin ich sehr geknickt, denn auf die Amerikaner habe ich mich tatsächlich mit am meisten gefreut. Mein zweiter Topfavorit wäre NAGLFAR, was am morgigen Samstag ebenfalls ausfallen soll. Drecks Flugstreik! Umso glücklicher bin ich dann natürlich, als ich mitbekomme, dass SKELETONWITCH es am Samstag nach Lichtenfels schafft und den Timeslot von NAGLFAR übernimmt. So sind es mit GOD DETHRONED zumindest nur zwei Hochkaräter, die wegen dieses (...) Flugstreiks ihren Auftritt absagen müssen.
[Hermann Wunner]

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Redakteur:
Carsten Praeg

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