Rock Am Ring - Nürburg
04.07.2006 | 11:2502.06.2006, Nürburgring
18 VISIONS
Durch die Tatsache, dass die ungehemmte Rock Im Park-Gemeinde keine Skrupel hatte BUSHIDO von der Bühne zu jagen und ihm die Lust auf das gleiche Schauspiel bei Rock Am Ring zu nehmen, fing der Tag auf der Alternastage am Samstag einfach mal eine Stunde später an, recht ärgerlich wenn man bedenkt, dass die Bands am Anfang gerade einmal zwanzig Minuten Spielzeit bekamen.
Nun, anstelle zu STRAPPING YOUNG LAD fünf Minuten zu spät zu kommen, kam ich für irgendeine Band namens 18 VISIONS gerade richtig.
Wohlgemerkt: irgendeine Band. Mehr kann man über die in schwarz gekleideten und irgendeine uninteressante Mischung aus Hardrock und Crossover vortragenden Jungs auf der Bühne nicht sagen. Vom Sound her so unauffällig und unspektakulär, dass man gleich das Radio hätte anlassen können, und vom Habitus auch recht unspektakulär fragt man sich wie solche Bands eigentlich zustande kommen: "Hey, lasst uns mal spielen was schon X Bands vorher gespielt haben, einen auf richtig böse machen, und bloß nicht vergessen die Leute darauf hinzuweisen unseren Kram zu kaufen."
Im Endeffekt waren das zwanzig Minuten die man sich genauso gut hätte sparen können.
[Michael Kulueke]
STRAPPING YOUNG LAD
Nach der Enttäuschung von 18 VISIONS stand endlich mal was an, auf dass man sich aufrichtig freute: die Mannen um Devin Townsend. Mit ihrer infernalischen Mischung aus Metal und Industrial sind ihre Platten bestens dazu geeignet unbescholtene Bürger drei Stockwerke höher das Gefühl eines relativ nahen Meteroiteneinschlags durchleben zu lassen, oder einfach der örtlichen Untergrundbahn mal ein wenig Spannung im schwankenden Tunnel zu verleihen. Anyway, die Jungs reißen ziemlich was ab.
Mit einem undankbaren Platz als zweiter Opener der Talentstage standen STRAPPING YOUNG LAD nicht unbedingt vor perfekten Ausgangsbedingungen, und die Tatsache dass sich der Sound nach wenigen Sekunden auch nichtmehr schöndenken ließ stellte die Geduld auf eine harte Probe.
Nichtsdestotrotz, Mr. Townsend präsentierte sich als ungehemmtes Großmaul ("We are the masters of the universe, and you all are maggots winding through the waste you call a life").
Jaja, schön, erzähl mehr von deinem Leben. Dass die Band auf Platte zu den perfekten Abrissbirnen gehört, konnte man bei dem Soundbrei, den die Band auf dem Festival präsentierte, auch nur erahnen, und so blieb einem nichts anderes übrig als es aufzugeben die Songs erkennen zu wollen, die hörten sich eigentlich alle gleich scheiße an. Das einzige was hoffen ließ, war Devins starker Gesang, der sich immer wieder erfolgreich vom Wust der Restband abhob und so erkennen ließ, dass der Frontmann auch was anderes als die beliebte Brüllordnung versteht. Sowieso zelebrierte Townsend eine Mischung aus Selbstironie (mit Blick auf Bierbauch und Halbglatze "I am old and fat"), gigantischer Selbstüberschätzung ("Prepare to get blown away.") und Witz ("This song is for the guy with the orange hat, that's fuckin' metal, dude!"), was beim Publikum auch prima ankam.
Nach nicht einmal zwanzig Minuten war auch für STRAPPING YOUNG LAD Schicht im Schacht, und so lässt sich hoffen dass die Jungs auf regulären Touren besser klingen und vor allem mehr Zeit zum Spiel mitbringen.
[Michael Kulueke]
Der Spielplan auf der Alternastage wurde anscheinend kurzerhand noch einmal durcheinander gewirbelt, so dass auch STRAPPING YOUNG LAD später als geplant ran mussten. Die Fans von ALTER BRIDGE staunten daher auch nicht schlecht, als der verrückte Maniac Devin Townsend mit seinen fast noch verrückteren Sidekicks für eine knappe halbe Stunde die Bühne stürmte und mal eben so alles in Schutt und Asche legte. Damit hatten die Anhänger des CREED-Ablegers jetzt nicht gerechnet...
Die Show der Kanadier war hingegen mal wieder eine echte Wonne. Klassisches Highspeed-Geballer wurde mit Songs des neuen Albums gemixt, und das wiederum war so geil, dass man es sich sogar leisten konnte, den Bandhit 'Detox' außen vor zu lassen. Besonders eindrucksvoll: Drummer Gene Hoglan, der mit Leichtigkeit die brutalsten Blastbeats aus den Kesseln zauberte und zwischen einzelnen Spielereien mit seinen Sticks auch immer mal seinen Stinkefinger gen Menge richtete. Coole Statements und ein wenig Selbstbeweihräucherung beendeten dann diese eindrucksvolle Demonstration musikalischer Brutalität. Mr. Townsend ist und bleibt ein Gott!
[Björn Backes]
ALTER BRIDGE
Dass ALTER BRIDGE quasi CREED sind, nur ohne Nörgelkopf Scott Stapp, sollte mittlerweile ja bekannt sein. Nicht so bekannt ist jedoch, dass ALTER BRIDGE der Klasse ihrer Vorgängerband in nichts nachstehen. Sowas führt zum Beispiel dazu dass sie auf der Alternatestage spielen müssen, und das ziemlich früh.
Die Jungs machten sich keinen Hehl aus dieser seltsamen Position und rockten direkt von Anfang an ein Set ohne Gleichen ab. ALTER BRIDGE sind ja nicht umsonst Veteranen des Alternative Rocks, und im Gegensatz zu CREED klingt die Mucke des Quartetts um einiges authentischer und lockerer, was vor allem die Stimmung im Publikum ankurbelte.
Gespielt wurde natürlich hauptsächlich aus dem ersten Album, das mit solider Stärke für mächtig Bewegung unter den Fans sorgte, und auch Nicht-Fans zu begeistern wusste.
Interessant wurde es, als Myles Kennedy zwei neue Songs ankündigte, die sich nach wenigen Sekunden als kraftvolle Bretter erwiesen. Die Band wird härter, und klingt dabei auch noch ziemlich gut.
Vielversprechender als ALTER BRIDGE kann eine Band gar nicht sein, und so darf man hoffen, dass man die Band in nicht all zu langer Zeit auch auf der Mainstage bewundern darf. Das Zeug dazu hat sie, mehr als das.
[Michael Kulueke]
OPETH
Eine gute Freundin und ich, beide begeisterte Fans der Schweden, haben uns vor dem Gig von OPETH einen Witz daraus gemacht zu wetten, wie viele Songs die eigentlich spielen würden. Schließlich verstehen sich Akerfeldt und Co. perfekt darauf, aus einem Song Stoff für zehn Minuten und mehr zu machen. Und so geschah es auch. Unter frenetischem Jubel (ein weiteres Markenzeichen: man kann OPETH nicht mögen. Entweder man liebt sie, oder man kommt überhaupt nicht auf ihre Musik klar) wurde die Band begrüßt, die gleich mit einem verspielten Intro anfing und sofort eine Stimmung verbreitete, welche die Menge in andächtiges Staunen versetzte. Mit 'The Grand Conjuration' wurde dann auch für erste Bewegung gesorgt. Während die Band sich in berauschte Rumspielereien und Soundexperimente verstrickte, versuchte man im Publikum sich so passend wie möglich zur Musik zu bewegen, was einige sehr interessante Verrenkungen hervorrief.
Mastermind Akerfeldt selbst gab sich trocken und ironisch, veranstaltete zwischendurch ein heiteres Akkorderaten mit den Fans ("Now, which Chord is this? No, this is G. And which one is this? Right. You passed this little stupid test."). Großartiges Klangkino gab es mit 'Closure' vom kongenialen Album "Damnation", und OPETH hatten mehrere tausend Zuhörer in den Bann geschlagen. Dass die Band vorher noch nie in der Eifel gespielt hatte merkte man am Satz "Pretty cold up here. Please keep warm by headbanging.", dem dann auch bei 'Deliverance' eifrig Folge geleistet wurde.
Dankbar konnte man auch dafür sein dass die Soundprobleme von ALTER BRIDGE und STRAPPING YOUNG LAD sich nicht fortsetzten, was wohl den Auftritt der Band rettete und in ein kurzes, aber eindrückliches Konzerterlebnis verwandelte.
Wenn man das Intro abzieht haben die eigentlich nur drei Songs gespielt. Hat mich drei Bier gekostet.
[Michael Kulueke]
Mikael Akerfeldt hatte es am Nürburgring absolut nicht leicht. Es befanden sich zwar einige eingeschworene Fans in den ersten Reihen, als die Schweden ihren Gig starteten, doch der Funke wollte zu keiner Zeit so richtig überspringen. Und dabei spielten OPETH schon vergleichsweise hartes und nicht ganz so experimentelles Material.
Mehr als Höflichkeitsapplaus war aber einfach nicht drin, und so verabschiedeten sich OPETH auch so leise und unauffällig von ihrem Publikum, wie sie es eine halbe Stunde zuvor begrüßt hatten. An der Band hat's nicht gelegen; es waren einfach nur die falschen Zuschauer…
[Björn Backes]
Setlist:
Intro
The Grand Conjuration
Closure
Deliverance
CRADLE OF FILTH
Toller Einleitungssatz des Radiomoderators von SWR3: "Die tragen Klamotten, die würden jeder Frau stehen."
Ich hab mir von CRADLE OF FILTHs Liveperfomance viel erzählen lassen, und bis heute habe ich keine einzige positive Stimme darüber vernommen was die Briten onstage so von sich geben. Jetzt hatte ich wenigstens mal die Möglichkeit mir die Band live reinzuziehen, die mich mit ihren Alben eigentlich bisher konsequent begeistern konnte, und so wartete ich gespannt darauf dass der Dummschwätzer vom Radio endlich seine noch dümmeren Sprüche von sich gegeben hatte und die Band die Bühne betrat.
Quasi sofort fiel einem das auf, was einem so ziemlich jeder über die Liveperformance von CRADLE OF FILTH gesagt hatte: der Sound war total mies. Die einzelnen Instrumente konnte man trotz Windstille nicht wirklich raushören, oder nur teilweise, und Danis Geschrei ging immer unter wenn er die Tonlage ein wenig höher ansetzte.
Das schien auch der Mensch von der Technik mitbekommen zu haben, und so verbesserte sich der Klang nach drei Songs erheblich, war aber immernoch klar unter dem anzusiedeln was man als "erträglichen Standard" verstehen konnte. Für einige Verwirrung sorgte die beleibte Backgroundsängerin der Band, die bei genauerem Hinsehen jegliche Anzeichen eines menschlichen Kinns vermissen ließ.
Die Setlist hatte es eigentlich in sich, Klassiker wurden vorgetragen, und neueres Zeug kam ebenso zum Einsatz, was aber oft kaum rauszuhören war. Die Jungs lieferten dennoch eine solide Leistung ab, auch wenn Dani mit seinen Motivationssprüchen nicht immer den Nerv der Zuschauer ("Scream as if you had the World Cup in your hands, before we take it away from you.") traf. Die Band gab auf jedenfall ruhige bis fast synphonische Stücke zum besten, aber auch der Moshpit kam nicht zu kurz, und so wurden die Briten bei ihrem letzten Song ziemlich positiv aus ihrer halben Stunde verabschiedet.
[Michael Kulueke]
CRADLE OF FILTH am frühen Nachmittag? Bei Rock am Ring? Was vor einigen Jahren noch undenkbar gewesen wäre, ist 2006 Realität. Die Band gehört eben mittlerweile zum Mainstream und hat anscheinend auch ein immer jünger werdendes Pubilkum - zumindest wenn man nach den vielen jugendlichen Shirt-Trägern geht, die das Gelände vor der Alternastage bevölkerten. Die Briten nutzten die Gelegenheit, sich vor einem solch großen Publikum zu präsentieren auch völlig aus und präsentierten sich nach einigen eher biederen Festival-Shows in den letzten Jahren wieder von ihrer besten Seite. Dani und Co. blieben ihrer Linie der letzten Tour dabei weitestgehend treu und ließen Klassiker wie 'Cruelty Brought Thee Orchids' oder 'Dusk And Her Embrace' zugunsten neueren Songs aus. 'Nymphetamine' und 'Born In A Burial Gown' waren die heimlichen Hits eines ziemlich souveränen Sets, bei dem die Band nur wenig Kontakt zu ihren Fans suchte. Stattdessen wirkte man hochkonzentriert und sehr motiviert, was sich auch in der Leistung widerspiegelte. Lediglich besagte Klassiker hätten zu einem vollkommen genialen Gig gefehlt.
[Björn Backes]
Setlist:
Satyriasis
Gilded Cunt
Medusa And Hemlock
Born In A Burial Gown
Nymphetamine (Overdose)
Her Ghost In The Fog
The Forest Whispers My Name
From The Cradle To Enslave
SOULFLY
Max Cavalera hat mit seiner Band lange daran gearbeitet sich als zuverlässige Abrissbirne zu etablieren, und sein Auftritt auf Rock Am Ring sollte dieses Jahr der perfekte Beweis dafür werden. Die Band hatte nur knapp eine halbe Stunde zur Verfügung, nutzte aber wirklich jede Sekunde aus.
Was soll man da noch groß schreiben? Ich habe die Band jetzt mit Sicherheit zum zwölf mal live gesehen - und sie wird immer besser. Kaum ruhige Momente, die Setlist war sowas von geladen, dass dem Pit absolut keine Chance blieb sich irgendwann zu erholen, und so bekam das Volk eine halbe Stunde lang Extremsport verordnet. Das einzige was genervt hat ist, dass Mastermind Max mal wieder seinen Sohn Richie zu 'Bleed' und 'Tree Of Pain' hervorholen musste. Sonst gab es nicht viel zu sagen, NAILBOMB wurden ausgepackt, SEPULTURA ebenso, und das einzig wirklich Sonderbare an der Show war, dass die Band sich zum ersten Mal traute, 'Roots Bloody Roots' nicht zu spielen.
[Michael Kulueke]
Setlist:
Intro
Babylon
Prophecy
Seek'n'Strike
Refuse/Resist
Execution Style
Fuel The Hate
Frontlines
Tribe
Bleed/Tree Of Pain
Back To The Primitive
Eye For An Eye
DANKO JONES
Nach SOULFLY verflüchtigte sich das Volk ziemlich schnell, und ein Bruchteil der Menge, die gerade noch Cavalera und Co. zugejubelt hatte, wartete darauf dass der Kanadier Danko Jones mit seiner gleichnamigen Band auf der Bühne erschien.
Mit quasi Null Vorwissen und fünf Millarden Empfehlungen ließ ich also dieses Konzert auf mich zukommen, und die Tatsache, dass die Aufbauten der Band gerade mal ein Drittel der verfügbaren Bühnenfläche einnahm, ließ auf wenig Visuelles schließen.
Wie man sich täuschen kann. Kaum betraten Danko Jones die Bühne, legte ihr Frontmann auch mit einer unglaublichen Show an Gesichtsakrobatik los. Dabei war die Rolle der Musik, bodenständiger Rock'n'Roll mit interessanten Spielereien verziert, nur darauf beschränkt durch Rhythmus und Energie die Faxen des Frontmanns zu untermalen.
Seine Lieblingsthemen, Masturbation und Frauen, verdeutlichte der Fronter auch immer wieder anhand sehr anschaulicher Gesten, die dafür sorgten, dass das buntgemischte Publikum immer wieder Grund bekam laut loszujubeln oder sich einfach nur kaputtzulachen. Dankos Ansprachen waren auch eine Show für sich, immer wieder versuchte er die Leute darüber aufzuklären, dass Liebe das gefährlichste Gefühl der Welt sei, und dass Masturbation eine geflissentlich lockere Lösung für das dadurch entstehende Problem sei. Nachdem er dann seine Show quasi 50% des Rock Am Ring-Lineups gewidmet hatte (und diese auch Band für Band aufzählte) ging die Rockstunde locker weiter, wurde durch sein Ego immer wieder unterbrochen, und sowieso bekamen die "Krauts" hier eine volle Packung DANKO JONES. Spaß bei der Sache hatte nicht nur das Publikum, auch die Backingband des Mannes musste sich mit Mühe das Grinsen verkneifen, und bei einigen seiner Sprüche war es auch bei ihnen mit der Contenance vorbei. Zum Markenzeichen des Sängers, der mit rauer und fester Stimme durch das Programm führte, wurde schnell seine Angewohnheit seine Zunge in Gene Simmons-Manier zu präsentieren oder beim Bangen seine Vorderzähne leicht Nagetierartig durch das Bild zucken zu lassen.
Nichtsdestotrotz, auch musikalisch ward einem viel geboten, obwohl man sich fragen musste, ob die Platzierung hinter Größen wie ALTER BRIDGE und SOULFLY wirklich angebracht war.
[Michael Kulueke]
Setlist:
Intro
I'm Alive And On Fire
Sticky Situation
Forget My Name
Sugar Chocolate
First Date
Baby Hates Me
Don't Fall In Love
Invisible
Mango Kid
She's Drugs
Lovercall
Sleep Is The Enemy
Mountain
THE DARKNESS
Irgendwie machen sich die Leute ja immer ein wenig über THE DARKNESS und den Eierkneifer-Gesang von Frontmann Justin Hawkins lustig. Doch genau diese Menschen haben die britische Retro-Rock-Formation mit Sicherheit noch nie live gesehen. Ihr Auftritt bei Rock am Ring war nämlich auch mal wieder eine echte Wonne und meines Erachtens auch der einzige Gig am gesamten Wochenende, bei dem man von echter Partystimmung reden konnte. Der mittlerweile etwas pummelig gewordene Hawkins ist ein Anheizer allererster Kanone und hatte das schon reichlich gefüllte Auditorium demzufolge auch vom ersten Moment an voll im Griff. Besonders die Songs des Debüts standen hoch im Kurs und wurden auch weiter hinten noch ziemlich laut mitgesungen. Das Highlight war aber trotzdem das kurze Cover-Einsprengsel kurz vor Feierabend, bei dem der Bassist plötzlich die beiden AC/DC-Klassiker 'Highway To Hell' und 'Thunderstruck' anstimmte und auch in bester Bon Scott meets Brian Johnson-Manier mit seiner rauchigen Stimme begleitete. Hiernach wusste jeder, dass diese Band kein Fake sondern ein gottverdammtes Original ist. Natürlich stieg der Stimmungspegel bei diesen Songs rapide an, so dass THE DARKNESS nachher leichtes Spiel hatten und die eigenen Singles 'Love Is Only A Feeling', 'I Believe In A Thing Called Love', etc. lässig nach Hause schaukelten. Das war Rock'n'Roll in Reinkultur!
[Björn Backes]
REAMONN
Ich wüsste mal gerne, warum REAMONN den zweithöchsten Rang auf der Centerstage zugesprochen wurde. Und dann auch noch vor METALLICA. Sorry, aber das war wohl eine ziemlich krasse Fehlentscheidung, die auch ganz vorne mit erhobenen Mittelfingern und ziemlich krassen Missmutsbekundungen quittiert wurden. Dabei war der Auftritt der Band immerhin noch ganz solide. REAMONN spielten ihre im Radio ständig präsenten Hits, ließen zwischendurch ein bisschen den Blues heraus und schlugen sich prinzipiell ganz anständig. Aber es gelang ihnen nicht mal im Ansatz, die Stimmung der zuvor aufgetretenen THE DARKNESS zu halten. Nach dem unvermeidlichen 'Supergirl' war dann auch endlich Schluss und der Weg frei für den Headliner schlechthin: METALLICA!
[Björn Backes]
METALLICA
Wer die Chance bekommt sich METALLICA reinzuziehen tut das auch, egal wie scheiße er die letzten Alben der Metal-Ikonen findet. So fand sich auch ein absoluter Großteil der 80.000 Ringrocker vor der Hauptbühne ein, verfluchte die Festivalplanung dafür dass IN FLAMES zur gleichen Zeit spielten, und wartete geduldig darauf dass James Hetfield nach seinem Intermezzo mit ALICE IN CHAINS dieses Mal mit seiner eigenen Band die Bühne betrat.
Was dann unter großem Jubel auch geschah: 'Creeping Death' war der erste Song der durch die Boxen dröhnte, und nach und nach betraten vier scheinbar recht gut gelaunte Herren die Bühne mitsamt Instrument, um der Menge einzuheizen.
Natürlich ist sowas für die Bühnen- und Rock am Ring-Veteranen kein wirkliches Problem, die Menge machte die Sprechchöre im Song alsbald mit und bangte und moshte ohne Reue zu einem makellosen Sound und einer Spielfreudigen Band. Sowieso schien alles zu stimmen, Hetfield vertrieb sich die Zeit zwischen den Songs durch seltsame Sprachspiele mit dem Publikum, das wirklich jeden Ton nachmachte, und nachdem man schon mit Songs wie 'Fuel', 'For Whom The Bell Tolls' und 'Wherever I May Roam' mächtig Bewegung ins Volk brachte wurde nach dem ruhigeren 'Fade To Black' mal eben das komplette "Master Of Puppets"-Album runtergezockt. Song für Song.
Sowas macht natürlich Stimmung, und ob die 20 Jahre die seit der Veröffentlichung verstrichen sind nun wirklich der Ausschlaggeber für diese Setlist waren kann niemand sagen, angekommen ist es jedoch hundertprozentig: die Menge kriegte sich vor Jubel garnicht mehr ein.
Zwischendurch stimmten die Jungs dann auch mal für ein paar Sekunden IRON MAIDEN an, bevor sie weiter durch ihre Setlist hämmerten.
Bei den ruhigeren Songs gab es immer wieder Figuren im Publikum die es als nötig ansahen bengalische Feuer zu entzünden, was die Security dazu veranlasste sich mitten ins Getümmel zu werfen und die Trottel vom Gelände zu werfen. Dass die Dinger mordsgefährlich werden können, vor allem in einer Tausendermenge, schienen diese Spezialisten nicht kapieren zu wollen. Insgesamt fünf dieser Menschen durften sich dann das Restfestival von draußen angucken.
Interessant zu sehen war die Reaktion des Publikums auf den obligatorischen Schnulzsong 'Nothing Else Matters': früher war es mal angesagt Feuerzeuge dazu zu schwenken, irgendwann wurden dann Knicklichter modern, und was schwenkt man heute?
Genau, richtig geraten: Handydisplays. Verrückte Welt.
Das einzig wirklich Auffällige war, dass die Band recht wenig mit ihren Fans um die Wette bangte, stand eigentlich immer recht stoisch auf ihren Plätzen oder lief über die Bühnenaufbauten, aber das Headbangen wurde konsequent den Fans überlassen.
Alle haben drauf gewartet, und bei 'One' war es dann auch so weit: Drummer Ulrich verknüppelte sich und durfte den Song nochmal von vorne anfangen.
Ansonsten gab es wenig großes Kino, aber die volle Packung Power: METALLICA zockten mehr als zwei Stunden lang ein Set durch, das leider ohne neuere Songs auskommen musste, aber dennoch unter den Fans für viel Begeisterung sorgte. Gewusst wie. Als die Band sich dann brüderlich umarmend von der Menge verabschiedete hagelte es dann noch nette Worte für die Fans, und Ulrich ließ es sich nicht nehmen, einen Fotografen, der tapfer vor der Bühne ausharrte, vollzurotzen.
METALLICA hatten sich ein weiteres Mal als absolute Livemacht bewiesen, und damit den eindrücklichen (und vor allem trockenen) Samstag des Festivals abgeschlossen.
[Michael Kulueke]
Für mich persönlich waren METALLICA der einzige Grund, dieses Jahr erneut zu Rock am Ring zu fahren. Schließlich hat die Band nach wie vor den Ruf der weltweit besten Live-Band zu verteidigen, und genau das gelang ihnen an diesem Samstagabend wieder mal sehr, sehr eindrucksvoll.
Bereits vor dem Gig merkte man in den vordersten Reihen die Anspannung und dieses nur noch selten erlebte Kribbeln am ganzen Körper, und als dann nach dem Intro endlich die vier Helden die Centerstage betraten, gab es unter den geschätzt 70.000 Anwesenden kein Halten mehr. Bereits beim Opener 'Creeping Death' zeigte sich dann aber auch ein sehr großes Problem. Vor dem Wellenbrecher ganz vorne standen einfach zu viele Leute, und so dauerte es nur wenige Minuten, bis ich mich selber nach Luft ringend an den Rand begab, nur um später vollkommen aus dem Gedränge zu fliehen und mir irgendwo in den brechend vollen Zuschauerräumen noch einen Platz zu suchen. Und den fand ich nach einer guten Viertelstunde, in der die Band mit dem überraschenden 'Fuel', 'Wherever I May Roam' sowie dem erhabenen 'For Whom The Bell Tolls' schon völlig abräumte, irgendwo circa 100 Meter von der Bühne entfernt, dafür aber in "sicherer" Umgebung.
Außerhalb des Ansturms konnte man dann aber auch wieder alles genießen, so zum Beispiel auch die Ansage nach den ersten Songs von "Master Of Puppets", dass man zum 20-jährigen Jubiläum dieser Scheibe das ganze Album am Stück spielen wird. Von lautem Beifall begleitet kamen infolge dessen der Titeltrack, die wunderbare Ballade 'Welcome Home' und sogar das Instrumental 'Orion' zum Zuge, bevor dann mit einer unheimlich tighten Performance bei 'Damage Inc.' der erste Teil der Show abgeschlossen wurde. Mit 'Sad But True' und einer Gänsehaut-Fassung von 'Nothing Else Matters' kehrte man dann zurück, zündete bei 'One' die bekannten Pyros und mobilisierte dann bei 'Enter Sandman' schon die letzten Reserven. Aber natürlich durfte dies noch nicht alles sein; das MISFITS-Cover 'Last Caress' (die zweite Überraschung im Set) und der Oldie 'Seek & Destroy' durften auch noch ran und beschlossen nach etwas mehr als zwei Stunden eine fulminante, denkwürdige Show der wohl derzeit größten Rockband auf der ganzen Welt. Da kann man meinetwegen noch jahrelang über die letzten drei Alben von METALLICA meckern, live kommt an dieses Quartett niemand heran! Nur eines sollte Herr Lieberberg langsam mal überdenken: Ist es bei derartigen Zuschauermassen überhaupt noch sinnvoll, die Centerstage neben dem Fahrerlager zu platzieren? Oder wäre ein Tausch mit der Alternastage nicht mal langsam angebracht?
[Björn Backes]
Setlist:
Intro
Creeping Death
Fuel
Wherever I May Roam
For Whom The Bell Tolls
Fade To Black
Battery
Master Of Puppets
The Thing That Should Not Be
Welcome Home (Sanitarium)
Disposable Heroes
Leper Messiah
Bass Solo
Orion
Damage Inc.
Sad But True
Nothing Else Matters
One
Enter Sandman
Last Caress
Seek & Destroy
TURBONEGRO
Eigentlich war ich nach dem vorerst harten Abschluss dieses sehr metallischen Tages vollkommen geplättet und überlegte, ob ich mir TURBONEGRO überhaupt noch anschauen sollte. Aber da man die verrückten Deathpunks ja auch nicht alle Tage zu sehen bekommt, entschloss ich mich schlussendlich doch pro erection und schaute mir an, wie ein vollkommen eigenartig gekleideter Henk van Velvete sich über Rennfahrer Michael Schumacher und seinen verschollenen zweiten Bruder lustig machte, dabei sein Wissen um die deutsche Vulgärsprache unter Beweis stelte und trotzdem eine der besten Leistungen seit der Reunion ablieferte. Auch Happy Tom und die übrige Begleitmannschaft wirkten überraschend konzentriert und spielten zwischen all dem Ulk ein supertightes Set. Selbst wenn man bei den Ansagen den Eindruck hatte, die Band würde erneut unter Drogen stehen, gab man sich keine Blöße und begeisterte im regulären Set vor allem mit Hits wie 'Don't Say Motherfucker, Motherfucker' und 'Fuck The World', übertroffen von einem supergeilen Abriss von 'Get It On', der von vielen auch sehr laut mitgesungen wurde. So verging die Zeit auch unheimlich schnell, und schon schneller als erwartet verließ die Band bei lautstarken 'I Got Erection'-Forderungen die Bühne, um nur kurze Zeit später für einen fantastischen Abschluss eines überraschend souveränen Konzerts zu sorgen. Erst als dies zu Ende war, kam die Müdigkeit langsam wieder hoch und riss mich schnell zu Boden. Als ich gegen 3.30 Uhr endlich in meinem Schlafsack lag, hatte ich trotz des störenden Zuschauerandrangs den wohl besten Konzerttag dieses Wochenendes erlebt.
[Björn Backes]
- Redakteur:
- Michael Kulueke