Rock Am Ring - Nürburgring

17.07.2005 | 19:41

03.06.2005,

MUDVAYNE:

Wenn man eine Band richtig mag, und sie dann nicht zufällig der Headliner auf einem Festival ist, dann wird man für gewöhnlich enttäuscht. So ging mir das schon mit SYSTEM OF A DOWN und auch mit MUDVAYNE. Es kotzt einen jedes Mal aufs Neue an, wenn Sie irgendeinen Song aufgrund begrenzter Spielzeit weglassen müssen. Deshalb machte ich mir auch nicht allzu viele Hoffnungen, als ich am Sonntag Nachmittag vor die Centerstage pilgerte um eben diese MUDVAYNE zum mittlerweile unzähligsten Mal live zu sehen.
Zurückblickend kann ich jetzt nur sagen: einfach genießen was gespielt wird und nicht daran denken was fehlt. Wem das zu schwer fällt, der sollte einfach etwas davor trinken, dann ist die Stimmung eh gerettet.
Nachdem die Typen von THE HELLACOPTERS den Old-School-Rock'n'Roll zurückgebracht hatten wurde also gemächlich für MUDVAYNE umgebaut. Dass dies nicht irgendeine Band ist, hatte sich wohl schon rumgesprochen, denn der Innenraum erfreute sich an zahlreichen Besuchern. Nicht wenigen davon standen die Ungeduld und der Wille sich voll zu verausgaben im Gesicht. Seit SLIPKNOT am Freitag war das Wetter zum Kotzen gewesen und jetzt sollte einem das für eine gute halbe Stunde mal egal sein. MUDVAYNE wurden empfangen wie ein Headliner und eröffneten ihre Show erwartungsgemäß mit der ersten Single des neuen Albums, 'Determined'.
Weil es bei der Centerstage ja traditionell immer ein Thema ist, wie denn der "Sound nun war", kann man dahingehen nur sagen: wie auch immer es in anderen Ecken oder weiter hinten klang, direkt vor der Bühne war der Klang perfekt! Besonders der bei MUDVAYNE so signifikante Bass war gut zu hören.
Offensichtlich gefiel es dem Quartett aus Peoria ausgesprochen gut, nach zwei Jahren auf die Centerstage des Rock am Ring-Festivals zurückzukehren. Was damals noch ein glücklicher Zufall als SLIPKNOT-Ersatz war, war dieses Mal reine Planung. Jeder spürte, dass diese Bühne nicht zu groß für diese Band war. Allen voran die Band selbst, die in ständiger Bewegung die gesamte Fläche ausnutzte. Binnen Sekunden hatte sich zu 'Determined' der Innenraum in einen Hexenkessel verwandelt. Chad wirkte sehr viel munterer als auf der durch Krankheit und Schwäche zum echten Durchhalttrip mutierten Tour Anfang des Jahres. Nicht mehr so verbissen, leicht blass geschminkt im Gesicht und locker die Bühne ablaufend präsentierte er sich dem Publikum.
Zum wahren Konditionskiller entwickelte sich das Stück '-1' vom Majordebüt "L.D.50", das traditionell schon immer eine feste Größe im Liveset der Illinoiser ist. Wirklich böse wurde es dann allerdings, als man von diesem Lied direkt in 'Death Blooms' überging. Spätestens jetzt brannten bei eingefleischten Fans die Sicherungen durch und man brüllte sich die Seele aus dem Bauch.
MUDVAYNE wussten offensichtlich um ihre knappe Zeit und pflügten somit hauptsächlich kompakte (wenn man bei MUDVAYNE überhaupt von kompakten Liedern sprechen kann) und verhältnismäßig schnelle Lieder in die Setlist. Somit wurde scheinbar bewusst auf die Clubhymne 'World So Cold' verzichtet und mit 'Silenced' eine weitere Peitsche ausgepackt. Augenscheinlich war auf Ryan Martinie, seines Zeichens Bassvirtuose, sehr angetan von der in Europa eher ungewohnt großen Lauffreiheit. Zumindest stürmte er von einem Ende der Bühne zum anderen.
Bei MUDVAYNE kann man nach nunmehr drei offiziellen Alben bereits davon sprechen, das sie für solch kurze Live-Auftritte bereits eine Art Best-Of ihrer Songs auf die Beine stellen können. Somit wurde vom neuen Album neben der unumgänglichen, weil extrem eingängigen, Single 'Happy?' nur noch das vertrackte 'IMN' gespielt. Sehr viel mehr Zeit blieb dann auch nicht mehr und so forderte man dem Ring noch einmal alle frühnachmittäglichen Kräfte mit 'Not Falling', dem Center des letzten Albums und 'Dig' ab. Dann gingen MUDVAYNE und hinterließen eine schwitzende, kollabierte Masse vor der Bühne.
(Michael Langlotz)

Setlist:
Determined
Silenced
-1
Death Blooms
IMN
Happy?
Not Falling
Dig

BILLY IDOL:

"Billy is back!" stand auf etlichen Shirts, als man sich der Hauptbühne näherte, und die Frage ob der Altpunk diesem Statement auch live gerecht werden würde, nachdem seine neue Platte bisher auf voller Länge überzeugen konnte, war fast jedem auf die Stirn tätowiert, der die Augen gebannt auf die Mainstage gerichtet hielt.
Und dann zeigte sich der ehemalige GENERATION X-Fronter auf der Bühne, um die wohl krasseste Ein-Mann-Show des ganzen Festivals auf das Publikum loszulassen. Von der ersten Sekunde an rockte der Mann mit den weißen Haaren und dem zerfurchten, aber ständig grinsenden Gesicht, über die komplette Bühne, und deklassierte etliche jüngere Bands und Musiker durch eine Energie die kaum einen Zuschauer ungerührt ließ. Die Backingband, unter anderem mit Steve Stevens (der Mensch, der Idol erst groß gemacht hat) und Brian Tichy an den Drums, zockte professionell und energisch ein Feuerwerk an BILLY IDOL-Klassikern und neueren Songs, so dass der Auftritt des Briten nicht nur visuell ein Hochgenuss war. Der Kontakt zu den Fans war wohl eine der obersten Prioritäten für Idol, so turnte der fast 50-jährige immer wieder über die Kamerabahnen und die Bühnenausläufer, warf dauernd signierte Drumsticks in die Menge, verzog sich während eines Songs komplett im Graben vor der Bühne und kam schließlich mit einem "Billy is back!"-Shirt wieder auf die Bühne, was das Publikum zur schieren Ekstase trieb.
Auch wenn für das Rock Am Ring-Volk die meisten BILLY IDOL-Songs eher unbekannt waren, der Mann zog auch ohne Vorwissen alle Register und eroberte die Meute im Sturm, was auch an der enthusiastischen Backingband lag, deren Leistung mehr als nur überzeugte. Bissige Ironie bewies Idol, als er das Publikum darauf aufmerksam machte, dass er ein neues Album heraus gebracht hätte, und dass man es ruhig im Internet stehlen könnte, da er noch genug an Coverversionen einer gewissen Punkband verdiene, die vor ein paar Jahren wohl recht erfolgreich war. Dass der Mann schon Ewigkeiten im Geschäft ist, zeigte sich vor allem in seiner Art mit den Kameras zu spielen, das Posen vor der Linse trieb er zu schierer Perfektion, und die Kameramänner dankten es ihm mit immer spektakuläreren Aufnahmen seiner Bühnenshow, während der Aufnahmeleiter für die Großleinwände sich extrem zurückhielt und dieses Mal nicht, wie bei fast allen anderen Acts auf der Hauptbühne, jede musikalische Stimmung mit nervendem Perspektivwechsel zunichte machte.
Sowieso schien BILLY IDOL auch die Organisatoren in seinen Bann geschlagen zu haben, so konnte der Mensch mal eben zwanzig Minuten überziehen, während anderen Bands konsequent der Strom abgedreht wurde, wenn sich noch weiterzocken wollten. Die großen Songs des Auftritts waren natürlich der legendäre 'Rebell Yell', 'Flesh For Fantasy' und 'White Wedding', während die unbekannteren Songs trotz ihrer Frische für das Publikum von diesem begeistert aufgenommen wurden.
Nach der Show schien der Platz auf der Running Order des Festivals mehr als einfach nur undankbar, so lieferte Idol eine Leistung ab die die meisten Headliner des Festivals nicht mehr toppen konnten. Billy is back, ohne Zweifel!
(Michael Kulueke)

Setlist:
Super Overdrive
Dancin' With Myself
Flesh For Fantasy
Body Snatcher
White Wedding
Scream
Eyes Without A Face
Rat Race
World Coming Down
Ready Steady Go
Jump
Rebel Yell
Mony

HIM

Ville Valo und seine Mannen sind mittlerweile ja auch schon Stammgäste am Ring und müssten das dritte Mal dabei sein. Leider war meiner Meinung nach der erste Auftritt im Jahre 1999 auch der beste. Sänger Ville Valo sieht mittlerweile wie ein verblichener BWL-Student aus. Mit einem schwarzen Mantel gekleidet, die dunklen, strähnigen Haare nach hinten gekämmt, kommt der Finne auf die Bühne geschlurft um seine Songs zum besten geben. Der Mann hat derzeit soviel Ausstrahlung wie ein totes Pferd. Einzig Basser Migge rockt, allerdings auch nicht mehr so kultig wie damals mit seinem Cowboyhut. Gitarrist Linde hat einen Aktionsradius von einem Bierdeckel und kann mit seiner Rasta-Haarpracht auch unerkannt bei einer Reggae-Kapelle einsteigen. Schade was aus einer geilen Band geworden ist. Musikalisch geht man auf Nummer sicher greift auf das Standardrepertoire zurück. Hätte man nicht wirklich gebraucht.
(Frank Hameister)

Setlist:
Right Here In My Arms
The Sacrament
Wicked Game
Soul On Fire
Heartache Every Moment
Killing Loneliness
Join Me In Death
Poison Girl
Buried Alive By Love
Vampyre
You Sweet 666
Funeral Of Hearts

VELVET REVOLVER

Die Gunners sind tot, es leben VELVET REVOLVER! Mit Slash, Duff McKagan und Matt Sorum sind ja bekanntlich drei ehemalige GUNS'N'ROSES-Mitglieder bei VELVET REVOLVER aktiv und entsprechend groß war die Erwartungshaltung an die Band. Sehr oft hörte man im Vorfeld die Fragen "Welche Gunners-Stücke werden die wohl spielen? Spielen sie überhaupt welche?". In erster Linie konzentriert man sich zuerst auf eigene Stücke wie 'Sucker Train Blues', 'Superhuman' oder 'Fall To Pieces', ehe man mit 'It's So Easy' zu der ersten Gunners-Nummer kommt, die entsprechend frenetisch abgefeiert wird. Gerade Frontmann Scott Weiland wirkt mit seiner Garderobe als Blickfang und rennt eifrig von einem Ende der Bühne zum anderen. Gitarrist Slash post in gewohnter Manier und Basser Duff stakst lethargisch über die Bühne. Gerade diesen beiden Herren sieht man an, daß sie zu Gunners-Zeiten nicht vieles ausgelassen haben.
Gegen Ende des Sets setzt es mit der PINK FLOYD-Nummer 'Wish You Were Here' einen ersten Höhepunkt der Show, der mit 'Mr. Brownstone' und dem Megaseller 'Slither' noch ein wenig getoppt wird und den Abend gelungen ausklingen läßt. Wieso jedoch um VELVET REVOLER ein solches Aufhebens gemacht wird, ist mir gänzlich unverständlich. Sicherlich eine gute Band, die meiner Meinung nach nur von ihren alten Taten zehrt. Jedoch keineswegs eine Band, die für mich jemals einen Superstarstatus erreichen wird.
(Frank Hameister)

Setlist:
Sucker Train Blues
Do It For The Kids
Headspace
Superhuman
Fall To Pieces
Dirty Little Thing
Big Machine
It's So Easy
Sex Type Thing
Set Me Free
Wish You Were Here
Mr. Brownstone
Slither

LACUNA COIL:

Auf dem winzigen Talentforum durften sich die Bands ein paar Quadratmeter teilen, die es noch nicht so dick mit Medienpräsenz hatten. So wurden zum Beispiel echte Kracher wie IN FLAMES, MESHUGGAH, SUBWAY TO SALLY und LACUNA COIL auf die Schulbühne geschickt. Während man darüber Wetten abschloss wie oft sich die SUBWAY TO SALLY-Mitglieder gegenseitig von der Bühne werfen würden und die ersten zu einer nicht näher spezifierten höheren Existenz dafür beteten, dass die LACUNA COIL-Frontfrau in Richtung Publikum fallen würde, klang das Intro für die Italiener an. Mit dem Auftreten der ersten Bandmitglieder reckten sich die ersten Fäuste in die Höhe, und mit Auftauchen der Frontfrau klinkten sich die ersten Hirne aus (übrigens nicht nur männliche!).
Für jene, die noch in der Lage waren der Musik einigermaßen konzentriert zuzuhören, brachte die Band zuerst einen ziemlich verkorksten Sound zustande, der erst nach vier Songs einigermaßen gefixt wurde. Mit 'Swamped' begann die Show der Italiener, die sich ziemlich routiniert und ein wenig müde ans Werk machten, die Herzen der paartausend Zuschauer zu erobern. Nur Frontfrau Scabbia und Sänger Ferro schlichen stets über die Bühne, immer den drohenden Rand im Auge, was für so manchen schiefen Ton sorgte. Songs wie 'Humane' und 'A2' fanden eher ernüchterten Anklang bei der Ringgemeinde, doch nach einer Weile vermochte die Band, das Volk aufzutauen, während sie selber weiterhin ziemlich unterkühlt ans Werk ging.
Bassist und Gitarristen harmonierten zwar in perfektem Synchron-Banging, verteidigten das Stück Bühne auf dem sie standen aber mit verbissener Hartnäckigkeit gegen anrückende Sänger und andere Bandmitglieder. Einzig die Frontfrau schien sich nicht an den engen Verhältnissen auf der Bühne zu stören, und machte munter Stimmung unter den Zuschauern. Nach nicht einmal einer Dreiviertelstunde war der Spuk vorbei und die Band drängte nach dem letzten Song 'Heaven's A Lie' und einer mittelmäßigen Show, die nur durch die gute Laune der Sängerin gerettet wurde, wieder ins Freie.
(Michael Kulüke)

SUBWAY TO SALLY:

Die Mittelalterrocker von SUBWAY TO SALLY sollten sich als nächste auf die Winzbühne quetschen, was erstaunlicherweise auch gelang, ohne Mensch und Equipment zu stapeln. Mit ein wenig Verspätung betraten dann auch Frontmann Eric Fish und Restband die Bühne und kletterten auf ihre Plätze, um direkt loszulegen. Das Ringvolk war vom Eifelwetter kalt erwischt worden und somit dankbar für jede Möglichkeit sich aufzuwärmen. Bei vielen Klassikern war der Mob natürlich heftigst am Rotieren, und SUBWAY TO SALLY versuchten auf der Bühne soviel Agilität wie möglich zu zeigen, was zu lustigen Paarkonstellationen führte.
Die Show und die Setlist konnte sich wie üblich sehen lassen, zwar wurde auf der kleinen Festivalbühne weniger rumgebastelt als auf vergangenen Touren, und die propaganda-angehauchten Aufbauten waren völlig verschwunden, jedoch überzeugte die Band durch Spielfreude und einer kleineren Pyroshow, die mir beinahe die Linse aus der Kamera brannte (die Warnung der Security, es könnte im Fotograben "etwas" heiß werden war letztendlich ziemlich untertrieben!). Songs wie 'Kleid aus Rosen' und 'Knochenschiff' wurden begeistert aufgenommen, und selbst in den hinteren Reihen bei den ersten Theken, zu denen man sich nach dem Flammenwerferangriff rettete, wurde noch fleißig mitgewippt.
Auf der Bühne hingegen ließ man sich nichts über die Tatsache anmerken, dass IN EXTREMO auf der Hauptbühne spielen durften, gab sich mit den besonderen Platzverhältnissen zufrieden und zockte fröhlich drauflos, auch wenn Frau Schmitt eine ziemlich gestresste Miene an den Tag legte. Frontmann Fish hatte das Volk bestens im Griff, die Band produzierte einen für Festivalzustände einigermaßen guten Sound, und die Setlist bestand größtenteils aus alten Hits. Den Spaß schmälern konnte jedoch nicht etwa der arg begrenze Raum auf der Bühne, sondern die noch stärker begrenzte Zeit auf derselben. So mussten SUBWAY TO SALLY ihren Standardabschlusshit 'Julia und die Räuber' schon nach einer halben Stunde raushauen, um die Zuschauer mit netten Grüßen und Wünschen in den Resttag zu entlassen.
(Michael Kulueke)

FETTES BROT:

Eine HipHop-Band auf dem Ring? "No way!", wird wahrscheinlich so mancher Leser dieser Worte denken. Darüber, dass FETTES BROT Fans in nahezu allen Lagern haben, konnte man sich am letzten Tag des Festival überzeugen. Natürlich waren die ersten Reihen von Menschen mit viel Stoff um sich herum besetzt, andererseits war diese Spezies Mensch auf dem ziemlich harten Ring diesen Jahres einigermaßen rar.
Das tat dem Applaus, den FETTES BROT einheimsten als man nach SUBWAY TO SALLY rüberpilgerte, keinen Abbruch. Bei 'Schwule Mädchen' war der erste Höhepunkt erreicht, und das komplette Volk vor der Alternastage war auf und über den Beinen. Die Stimmung war am kochen, Bangmitglieder heizten mit bissigen und humorvollen Ansagen und Kommentaren an was anzuheizen war, und so geriet man nach dem Mittelalterrock von Gegenüber mitten in eine große Party, die keinen Halt vor Altersklassen und Szene machten. Die Hintergrundband brachte die Stimmung und die Hits der drei weiter vorran, vor der Bühne steppte der Bär, und auf der Bühne spielten sich Sänger, Band und Gastsänger gegenseitig die Bälle zu, während Hits wie 'Jein', 'Nordisch By Nature' und der Blockbuster 'Emanuella' dem Volk jede Menge Spaß bereitete.
Mit breitgefächerter musikalischer Unterstützung, vom simplen Beat zu Trompetensoli und Beatbox, wurde etwas geschaffen, das man gar nicht für möglich gehalten hätte: musikalische Abwechslung ohne Ende. Während man sich selber darüber wunderte, dass man einige der Texte fast fehlerfrei mitsprechen konnte, rannte die Band immer noch über die Bühne und sorgte für Verwirrung und Verzückung gleichermaßen. Mit einer Energie die keine Fragen offen ließ wurde der Beat ins Publikum gepumpt, und dieses nahm den Faden nur allzu begierig auf. So wurde 'Emanuella' gefeiert bis zum Abwinken und ließ die Leute bis in die letzten Reihen tanzen, und bei 'Jein' gab es kaum Lippen die sich nicht bewegten. Nach einer Weile verabschiedeten sich die drei mit einer kleinen Zugabe, stellten danach höflich ihre Band vor und bedankten sich noch einmal ausgiebig beim Publikum, das trotz der etwas anderen Musikrichtung keinen Zweifel daran ließ, wie gut man zu dem richtigen Beat rocken kann.
(Michael Kulueke)

Setlist:
Blues-Intro
Ich bin müde
The Grosser
Wie immer
Die meisten meiner Feinde
Kuba
Emanuela
An Tagen wie diesen
Jein
Schwule Mädchen
CDU
Nordisch By Nature

ADAM GREEN:

Mit dem amerikanischen Songwriter ADAM GREEN wurde mein Abend an der Alternastage abgeschlossen, und mit nahezu Null Vorwissen ließ ich den Liebling diverser Indie- und Halbrock-Zines auf mich zukommen.
Was einem erwartete war mit Sicherheit nicht das typische Rock Am Ring-Programm, obwohl, was ist auf dem Ring schon typisch? Auf jeden Fall erschien mit Adam Green eine ziemlich entrückt wirkende Gestalt mit halblangen braunen Locken und einem Sakko auf der Bühne. Das Programm, das man danach zu hören bekam ist nicht anders als mit "phänomenal" zu bezeichnen. Eine Mischung aus Alternative, sämtlicher Härte beraubt, dazu ein Schuss mit der Flasche Funk, der man vorher den Kopf abgeschaubt hat, und das ganze so zusammengepresst dass es schon fast minimalistisch wirkt. Ist es aber nicht, man bekommt jede Sekunde was neues um die Ohren gehauen, und der Rhythmus ist nicht das einzige was dich trägt: die träge, sonore Stimme des Sängers, der leicht torkelnd über die Bühne schwebt, lässt nicht mehr los.
Sowieso: mit einer kleinen Band im Hintergrund und ein paar aufgehängten Sternchen glänzt die Show vor allem durch ihre simple Gestaltung: ADAM GREEN, sonst nichts. Schnell fällt auf, dass der Mann nicht ganz ausgelastet ist, beinahe jeder Song handelt vom Fortpflanzungsritus der Menschen. Da ist es auch wenig verwunderlich, dass Green die Zeile "Let's talk about sex, ba-by...let's talk about sex..." anstimmt. Beim Volk kommt der in unseren Gefielden eher unbekannte Amerikaner mit Musik und Wort bestens an, zwar lädt die Musik nicht gerade zum Tanzen ein, aber auch so herrscht eine geladene Stimmung unter den Zuschauern, welche die Augen kaum von dem Freak auf der Bühne abwenden können. Zum Abschluss gab es tosenden Applaus für den etwas verdrehten Sonderling, der mit einer völlig abgedrehten, aber schlichten Show den Zuschauern den Kopf verdrehte.
(Michael Kulueke)

Setlist:
Friends Of Mine
Down On The Street
Gemstones
Chubby Princess
Hollywood Bowl
Bunnyranch
Choke On A Cock
Hey Dude
My Shadow Tags On Behind
Nat King Cole
Jessica
I'll Be Your Mirror
Over The Sunrise
Pay The Toll
Dance With Me
Carolina
Emily

WIR SIND HELDEN:

Von 0 auf 100. Ohne Plattenvertrag beim Musikfernsehsender unseres Vertrauens gespielt zu werden, und aus dem Stehgreif so was wie eine neue deutsche Welle loszutreten bekommt nicht jede Band hin. Kitsch, Hype, Teenie-Platitüde hin oder her, die Band hat was. Nachdem die amerikanischen Weichkekse dem Rock Am Ring recht spät eine Absage erteilten, bekamen es Lieberberg und Company noch gebacken zwei der derzeit beliebtesten deutschen Rockacts für ihr Festival zu gewinnen. Mit nur zwei Alben auf der Mainstage zu stehen, und das als Headliner, erschien nicht nur mir seltsam, die meisten Zuschauer waren recht verwirrt über die Tatsache dass die HELDEN als Ersatz für eine Band wie LIMP BIZKIT herhalten sollten. Da blieb auch die Tatsache, dass man für eine Band plötzlich zwei präsentiert bekam, auf der Strecke.
Die Band schien sich dieselben Gedanken gemacht zu haben, und als der unselige MTV-Liebling, Taugenichts und Vollzeitchaot Bam Margera von der Bühne verschwand, tappsten vier verdammt nervöse Gestalten auf die Bühne. Allen voran Frontfrau Judith Holofernes, die dieses Mal mit quietschbunten Gummistiefeln auffiel. Klar, einen solchen Hype steckt nicht jede Band so einfach weg, aber dass die Helden jetzt als quasi Vor-Abschlussact des Festivals ihr Bestes geben sollten, grenzt schon fast an Musikerquälerei. Die Bühnenaufbauten der Band erstreckten sich nicht einmal auf die Hälfte der Mainstage, und so standen Mrs. Holofernes und Band ziemlich weit vorne, umringt von einem Haufen Scheinwerfern und versuchten irgendwie verzweifelt dem gerecht zu werden, das man "Erwartung an einen Headliner des populärsten Festivals Deutschlands" nennt.
Klar, die Musik, die die vier zu bieten haben, hat definitiv was auf dem Kasten, so wurden Hits wie 'Aurelie', 'Guten Tag' und das neuere 'Gekommen um zu bleiben' vom Volk abgefeiert als gäbe es kein Morgen, doch dass Sängerin Judith bei ihren Ansagen regelmäßig ins Stottern kam und sich am liebsten vor den zigtausend Menschen hinter ihrem Mikro verstecken wollte, blieb niemandem verborgen.
Nichtsdestotrotz konnte sich die Liveperformance der Neukommer sehen lassen, jeder Song wurde nahezu fehlerfrei dargeboten, die Zuschauer sangen begeistert mit, und die Band gab sich größte Mühe auch weiterhin als Rockband bezeichnet zu werden (wenn da nicht diese Gummistiefel gewesen wären). Die Setlist war so vorhersehbar wie eine Werbepause im Musikfernsehen, was war bei zwei Alben auch groß an Auswahl zur Verfügung? Songs wie 'Denkmal', 'Von hier an blind', 'Nur ein Wort' und 'Echolot' wurden überzeugend dargeboten, aber über der ganzen Show lastete eine beinahe greifbare Aufregung, und die Bandmitglieder sahen sich ziemlich hilflos der guten (und musikgierigen) Laune mehrerer Regimenter Musikfans ausgeliefert. Nach einer Dreiviertelstunde musste die Frontfrau leider bekannt geben, dass die Zeit abgelaufen sei, aber es war nicht schwer zu erkennen wie froh man war von der riesigen Bühne runterzukommen.
WIR SIND HELDEN sind ohne Frage eine der erfrischendsten Bands der letzten Jahre, aber was werden kann wenn ein übereifriges Management nach nur zwei Jahren Medienpräsenz eine so unerfahrene Band auf die Bretter schickt, auf denen Veteranen wie MARILYN MANSON, DIE TOTEN HOSEN und IRON MAIDEN zu Hause sind, wurde heute Abend mehr als nur deutlich. Das nächste Mal bitte wieder auf der Alternastage!
(Michael Kulueke)

Setlist:
Ist Das So?
Zuhälter
Guten Tag
Heldenzeit
Von hier an blind
Du erkennst mich nicht wieder
Denkmal
Echolot
Wenn es passiert
Gekommen um zu bleiben
Aurelie
Nur ein Wort
Müssen nur wollen

DIE TOTEN HOSEN:

Der "Überraschungsheadliner" des Abends waren nach drei Tagen voll Spekulationen die Altpunks DIE TOTEN HOSEN. Überraschend war die Bekanntgabe wirklich, da die Hosen just ein Jahr zuvor schon das Festival anführten. Ein Deal mit den Organisatoren des Hurricane- bzw. Southside-Festivals verhinderte, dass Lieberberg für sein Festival so hochkarätige, gerade tourende Acts wie die NINE INCH NAILS, RAMMSTEIN oder DIE ÄRZTE verpflichten konnte, und so wurden die HOSEN zwar als gigantische Überraschung angekündigt, mit dem Versprechen dass die HOSEN ewige Spielgarantie auf dem Fest hätten, jedoch war jedem klar, dass man es einfach nicht gebacken bekommen hatte eine bessere Band in der kurzen Zeit zu verpflichten, was den Zuschauern jetzt eine total nervöse Newcomer-Band und eine Band, die fast alle vor einem Jahr schon gesehen hatten, bescherte.
Nachdem IRON MAIDEN am Tag zuvor den Stimmungsrekord unter den Zuschauern für dieses Jahr aufgestellt hatten, blieb den HOSEN natürlich keine Chance.
Die Stimmung, welche die HOSEN kreierten, war dennoch nicht zu verachten, zwar roch die ganze Show tierisch nach gestellter guter Laune für die Kameras, und die HOSEN klotzen einen Song nach dem anderen raus, aber die Menge kümmerte es nicht: der letzte Headliner des Abends, da war Party angesagt. Es wurde immer wieder beteuert wie schön es sei, wieder "zu Hause zu sein", und mit Songs wie 'Pushed Again', dem 'Bayern'-Song und 'Zehn kleine Jägermeister' gab es für die Meute auch was zum Mitsingen. Älteres gab es mit 'Hier kommt Alex' und 'Wünsch' dir was'. Frontmann Campino ließ es sich nicht nehmen, immer wieder mal ein Bad in der Menge zu nehmen, was besonders bei 'Walkampf' gut ankam. Nach nur einer Dreiviertelstunde verschwand die Band zum ersten Mal von der Bühne und ließ sich nur durch immenses Schreien nach einer Zugabe wieder auf die Bühne holen, nur um drei weitere Songs abzuklappern, und sich dann wieder zu verabschieden. Die meisten Gesichter sahen nach der Show und dem Abschluss-Feuerwerk ziemlich zufriedengestellt aus, aber die Frage, ob man lieber zwei halbgare Headliner oder einen Kracher haben wollte, schwebte dennoch über den meisten Köpfen.
(Michael Kulueke)

Setlist:
Intro - Kalinka
Auswärtsspiel
Du lebst nur einmal
Song 2
Ich bin die Sehnsucht in dir
Hier kommt Alex
Alles wird vorübergehen
Wünsch dir was
Steh auf wenn du am Boden bist
Pushed Again
Bayern
Walkampf
Schön sein
Zehn kleine Jägermeister
Schönen Gruß, auf Wiedersehn
Hang On Sloopy
Freunde
You'll Never Walk Alone

Redakteur:
Frank Hameister

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