Rock Hard Festival - Gelsenkirchen

18.05.2008 | 13:01

09.05.2008, Amphitheater

Oida

Freitag:

Bei gefühlten vierzig Grad haben THE CLAYMORE aus Castrop-Rauxel die Aufgabe, das Rock Hard Festival zu eröffnen. Die Jungs sind momentan scheinbar schwer im Kommen, sie haben beispielsweise den "Unerhört!"-Wettbewerb des Rock Hard gewonnen. THE CLAYMORE steigen direkt mit IRON MAIDEN-ähnlichem Power Metal im Uptempo-Bereich ein, und prinzipiell machen sie ihre Sache auch ganz gut. Das Tempo ist schön flott, das Drumming schön tight, und der Sound ist auch in Ordnung. Stimmung will noch nicht so richtig aufkommen, aber man kann auch um die frühe Uhrzeit schon die ersten Pommesgabeln sehen. Bei dem, was der Sänger der Band zusammenjodelt, hat man aber das Gefühl, Castrop-Rauxel liege im tiefsten Oberbayern auf einer Alm anstatt im Ruhrgebiet. Er schafft es echt nicht, in einem 35-minütigen Set auch nur einen einzigen Ton nicht als Indianerschlachtruf enden zu lassen. Dagegen sollte man meiner Meinung nach schleunigst was tun. Dieses Gejammer zehrt wahnsinnig an den Nerven und den Zahnwurzeln. Dementsprechend negativ wirkt dann auch der dritte Song, der tatsächlich ein IN FLAMES-Cover ist, nämlich 'Trigger'. Ich habe absolut nichts gegen Coversongs, aber man sollte dann auch Lieder covern, die wenigstens ein kleines bisschen zur Musik passen. Außerdem verliert 'Trigger' durch das Gejodel anstelle der Growls bzw. Shouts so ziemlich alles, was das Lied ausmacht. Letztendlich kann ich THE CLAYMORE nicht wirklich viel abgewinnen, aber ich sollte fairerweise auch dazusagen, dass diese Musikrichtung bis auf wenige Ausnahmen nicht wirklich mein Fall ist.
[Hagen Kempf]

Nachdem auch ich nach etlichen Staus auf der Autobahn und an der Ticketkasse auf dem Gelände angekommen bin, sind die Norddeutschen STORMWARRIOR bereits mitten in ihrem Set. Dabei merkt man schon, dass es eine mehr als undankbare Aufgabe ist, am Freitagmittag aufspielen zu müssen. Das Amphitheater ist recht spärlich besetzt, da viele noch im Anreisestau stecken oder an diesem speziellen Freitag eher in Richtung Oberhausen zu KISS unterwegs sind. Auch die brüllend heißen Temperaturen tun dabei ihr Übriges. Direkt vor der Bühne, wo auch der einzige schattige Platz auf dem Festival zu dieser Tageszeit ist, tummeln sich jedoch einige Metaller, die auch vereinzelt bereits ihre Matten schwingen.

STORMWARRIOR präsentieren eine gelungene musikalische Reise durch ihr bisheriges Schaffen: vom ersten Album "Stormwarrior" ('Thunderer', 'Sign Of The Warlord', 'Iron Prayers'), über "Northern Rage" ('Valhalla', 'Odins Warriors') bis hin zum aktuellen Album "Heading Northe" ('Heading Northe', 'Metal Legacy', 'Into The Battle') und der Single 'Heavy Metal Fire' - alles recht flott und natürlich ohne Ziehvater Kai Hansen, dessen großen Schatten die Band wohl niemals loswerden wird (die Geister, die ich rief ...). Es gibt nicht wenige Menschen, die behaupten, STORMWARRIOR wären die wahren HELLOWEEN oder zumindest deren legitime Nachfolger. So war es, so ist es, und so wird es auch für immer sein – so weit lehne ich mich mal an dieser Stelle aus dem Fenster. Bei gutem Sound knallt das aber alles sehr ordentlich, denn rein musikalisch gibt es an der Darbietung auch nichts auszusetzen. Irgendwie passiert mir nur auf der Bühne etwas zu wenig, so dass die Norddeutschen auch keine Begeisterungsstürme entfachen können, wohl aber anerkennenden Applaus aus dem weiten Rund ernten. Ein netter Einstieg für mich in das Festival.
[Chris Staubach]

Mit LAKE OF TEARS ist für den heutigen ersten Tag etwas für meinen Musikgeschmack dabei. Bei strahlendem Sonnenschein steigen Daniel Brennare und seine Mannen um 16.55 Uhr auf die Bühne. Im Vergleich zu den letzten Auftritten hat Daniel von Anfang an die alberne Pilzmütze weggelassen, auch wenn es sich bei dem aktuellen Albumtitel "Moons And Mushrooms" angeboten hätte. Zwar ist der Sound zu Beginn etwas matschig, und das Stage-Acting überschreitet auch diesmal nicht die Bierdeckelgrenze, doch das ist den meisten Anwesenden egal. Dafür können die Jungs ab dem zweiten Song mit einem wesentlich besseren Sound glänzen, jedoch fällt bei 'The Greymen' der Bass aus. Das soll im Laufe des Festivals nicht die einzige Panne darstellen, von daher schauen die Fans mit einem sonnigen Auge über diesen Umstand hinweg. Insgesamt funktioniert der melancholische und etwas an SENTENCED angelehnte Düster-Rock bei Tageslicht sehr gut, was nicht gerade zu erwarten war. Mit dem Hammondorgel-geschwängerten 'Crazyman' (letzter Track des "Black Brick Road"-Albums" - Anm. d. Verf.) verabschieden sich die Jungs viel zu früh von der Bühne.
[Tolga Karabagli]

Nach der ordentlichen Düster-Rock-Packung steht mit Y&T riffender Rock aus den Siebzigern und Achtzigern auf dem Plan. Vor zwei Jahren hatte ich den Jungs auf dem "Bang Your Head!!!" zugunsten des Weltmeisterschaftsspiels Deutschland gegen Schweden den Laufpass gegeben. Umso mehr war ich auf ihre Performance gespannt. Und wie nicht anders zu erwarten, holen die Jungs gleich zu Beginn mit 'Meanstreak' zum Paukenschlag aus. Mit einem glasklaren Sound gesegnet, werden Klassiker wie 'Midnight In Tokyo' und 'Rescue Me' zelebriert, was die Festival-Besucher mit Y&T-Chören in den Songpausen quittieren. Was ich nicht wusste: Die Jungs stehen seit 35 Jahren auf den Brettern und haben auch in den Neunzigern Alben veröffentlicht. Genau aus dem Jahrzehnt wird 'Pretty Poison' zelebriert, was in der Setlist das progressivste Stück darstellt. Da schütteln sich die wenigen Progfans bei den abgehackten Parts breit grinsend die Birne weich. Nach diesem kurzen Exkurs geht's aber gewohnt mit Hits wie 'Black Tiger' und 'Looks Like Trouble' weiter.

Fazit: schöne Gitarrenharmonien, cooles Stage-Acting und eine verdammt gute Songauswahl.
[Tolga Karabagli]

Morgens noch auf 'ner Fortbildung in Berlin gebüffelt, dann samt Drei-Wochen-Urlaub-in-Deutschland-Gepäck per Zug einmal quer durch die Republik gegondelt, im urigen Gelsenkirchener Hotel eingecheckt, per Taxi zum Amphitheater gedüst, in der zum Glück relativ kurzen Bändchenschlange ausgeharrt, dabei schon die ersten Kollegen geknuddelt, um dann genau rechtzeitig zur absoluten Reitermania vor der Bühne aufzuschlagen - das nenne ich Timing! Egal, jetzt bin ich da, wo ist mein erstes Bier? Denn zu Thüringens wohl verrücktester Party-Band namens DIE APOKALYPTISCHEN REITER muss man feiern! Auch wenn man deren Co-Headliner-Gig des ersten Festival-Tages - so viel vorweg - eher als "solide" denn "überraschend" bezeichnen muss.

Okay, Pitrone ist plötzlich erblondet und nennt sich jetzt "Lady Cat-Man". Die neue Gitarristin schlägt sich gut, und Fuchs hat jetzt eine permanent anwesende Dame zum Umgarnen, was er allerdings erstaunlich wenig nutzt. Doch ansonsten bleibt alles beim Alten. Allein die Setlist beschränkt sich wie zuletzt eigentlich immer lediglich auf die letzten vier Alben - schade, ich hatte gehofft, dass die "Old-School-Show" auf dem 2007er Party.San Open Air den Herren Fuchs, Volk-Man, Sir G. und Dr. Pest wieder Bock auf alten Rock gemacht haben könnte.

Ein wenig Spontanität legen die REITER dennoch an den Tag, wobei das bei den Thüringern zum Konzept gehört. So werden zu 'Seemann' die sitzenden Metaller auf den Stufen des Amphitheaters (relativ erfolgreich) von der Band und den Fans vor der Bühne zum Aufstehen animiert. Eine der beiden Damen, die als "Seemannsbräute" auf die Bühne geholt werden, bleibt bei 'Sehnsucht' das Schicksal des An-den-Käfig-gekettet-Werdens erspart (in dem Dr. Pest übrigens fast nackig zu sehen ist) und darf stattdessen die coole Gitarristin mimen - ausgestöpselt natürlich. Zum eigentlich völlig live-untauglichen 'Mmmh' bläst Fuchs in ein merkwürdig gewundenes Horn, von einem Kumpel spontan als "apokalyptisches Didgeridoo" tituliert. Ansonsten gibt es jedoch das übliche "revolutionäre" Fahnenschwingen, zwei Mädels beim Bangen zugucken und Schlauchboot-Rennen, welches so neu eben auch wieder nicht mehr ist, aber trotzdem Laune macht. Denn von den beiden Teilnehmern schafft es einer tatsächlich bis ganz hoch auf die letzte Stufe und darf sich am Merchandising-Stand dafür ein Souvenir aussuchen.

Wenn ich eines immer noch beeindruckend finde, so ist es die verdammt gute Stimmung, die einen DIE APOKALYPTISCHEN REITER-Gig prägt. Unten im Loch tobt die Menge, und selbst die faulen Sitzstreikenden auf den Treppen helfen beim Schlauchboot hochhiefen kräftig mit. Fazit: ein nicht unbedingt spektakulärer, aber dennoch gewohnt Laune machender Gig. Jetzt bin ich auf dem Rock Hard Festival angekommen.
[Elke Huber]

Setlist:
Intro: Vom Ende der Welt
Friede sei mit dir
Riders On The Storm
Unter der Asche
Warum?
Revolution
Seeman
Sehnsucht
Erhelle meine Seele
Mmmh
We Will Never Die
Du kleiner Wicht
Reitermania
Die Sonne scheint
Metal Will Never Die

Scheinbar bin ich nicht der Einzige, der sich auf den Freitags-Headliner TESTAMENT freut. Das Amphitheater ist ordentlich gefüllt und will eine klassische Thrash-Packung serviert bekommen. Umso nüchterner werden die hohen Erwartungen im Keim erstickt. Der Sound: eine Katastrophe. Die Band: ohne Alex Skolnick. Das allein ist schon Grund genug, gleich auf den Zeltplatz zu rennen und sich auch als Straight-Edger die Vollkante zu geben. Doch man ist ja Profi und schaut sich das Konzert bis zum bitteren Ende an.

An der Songauswahl gibt's überhaupt nix zu meckern: Klassiker von Kultalben wie "The New Order" oder "The Legacy" werden im Fünf-Minuten-Takt aus den Boxen geblasen. Doch leider halten die Jungs nicht, was sie versprechen ('Practice What You Preach'), und darüber hinaus ist der Sound einfach nur unterirdisch ('Low'), um mal die Klangfarbe des heutigen Abends mit einigen Songtiteln zu unterstreichen.

Normalerweise wird im Laufe eines Konzerts der Sound besser, doch was der bandeigene Livemischer leistet, kann man nur mit Arbeitsverweigerung umschreiben. Während des kompletten Konzerts stehe ich auf Höhe des Mischpults, aber von einer Besserung ist nichts in Sicht. Auch die höfliche Ansprache an den Security-Mann, den Livemischer auf sein desaströses Arbeitsverhalten hinzuweisen, verpufft im Nichts. Während der Gesang zu Beginn zu leise ist, wird er im Laufe lauter gedreht, genauso wie die anderen Instrumente. Demzufolge dröhnt der Bass nur, die Gitarre ist teilweise nicht zu hören, und die Drums klangen auch schon mal besser. Ein Fan will dem Livemischer ans Leder, wird aber von seinem Kumpel und dem Security-Mann davon abgehalten. Selten war eine Security für den Livemischer so nötig wie bei diesen Gig [sämtliche Pegel des Wahnsinnigen hängen permanent im roten Bereich, selbst in ruhigen Momenten vor den Ansagen ist ein dröhnendes Rauschen zu vernehmen. - kopfschüttelnd, Carsten].

Besonders traurig ist die Tatsache, dass "Buck Chilly" von Gitarrist Eric Peterson immer dann angeschubst wird, wenn der Gesang einsetzen muss. Hallo! Die Jungs spielen schon seit zwanzig Jahren zusammen. Da kann man auch mal erwarten, dass eine gut eingespielte Band auch ohne Monitorsound auskommt. Gekrönt wird dieser Umstand durch die Tatsache, dass Chuck Billy die Anwesenden zum "Hard Rock Festival" begrüßt. Peinlicher geht's nicht mehr.

Gegen kurz vor elf hat der Spuk (aufgrund der Curfew-Auflagen seitens der Stadt Gelsenkirchen) endlich ein Ende. Bei einem regulären Konzert könnte man für diese miese Leistung sein Eintrittsgeld zurückverlangen. Jegliches Schmerzensgeld reicht nicht aus, um diesen Gig zu entschädigen. Mit diesem Konzert haben TESTAMENT ihren Restkredit verspielt und ihr eigenes Grab geschaufelt. Traurig, aber wahr. Und als ob das nicht reicht, dröhnt zum Ausklang 'The Root Of All Evil' vom DREAM THEATER-Album "Octavarium" aus den Boxen. Passender hätte die Songauswahl nach diesem Alptraum nicht ausfallen können.
[Tolga Karabagli]

Redakteur:
Elke Huber

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