Rock Hard Festival - Gelsenkirchen

18.05.2008 | 13:01

09.05.2008, Amphitheater

Oida

Sonntag:
Jau, geil war der Samstag. Erst die Flächenbombardierung durch EXODUS und dann die "Pandas of Northern Darkness", deren Frontmann mit seinen Eiern permanent auf dem Bühnenboden schliff. So was nenne ich Posing! Alle Mann waren der Meinung, dass man das nicht toppen kann. Höchstens vielleicht unsere Campingnachbarn, die ständig irgendein Zeuch hören, bei dem die Vocals klingen, als würde im Sekundentakt ein Frosch platzen. Lustig ist's nicht, wenn man den detonierenden Frosch den ganzen Tag ertragen muss [doch, ist es! - augenzwinkernd, Carsten].
[Alex Straka]

Traditionell ist der Sonntag immer der stärkste Tag auf dem Rock Hard Festival. Und so ist es auch diesmal, als ENEMY OF THE SUN um kurz vor zwölf auf die Bretter steigen. Das neue Betätigungsfeld von Waldemar Sorychta (u. a. GRIP INC.) setzt auf FEAR FACTORY-Sounds, lässt aber die elektronischen Spielereien außen vor. Allen voran Frontmann Jules Näveri bellt sich die Seele aus dem Leib und legt mit Morgenkaffee auf dem Drumpodest gesegnet eine ordentliche Leistung aufs Parkett. Drummer Daniel Zeman und Bassistin Alla Fedynitch stehen ihm in nix nach und halten die Songstrukturen kompakt zusammen. Waldemar hat ordentlich Spaß in den Backen und pendelt zwischen harten Riffs und melodischen Parts hin und her. Zwar gehen die bandeigenen Songs gut ins Ohr, absolutes Highlight stellt jedoch 'Ostracized' vom GRIP INC.-Debüt "The Power Of Inner Strength" dar [wo warst du, als die Jungs und das Mädel 'Hostage To Heaven' vom Debüt gespielt haben? DAS war der Hammer! - Chris]. Leider ist der Gig nach vierzig Minuten viel zu früh fertig. Nach diesem Einstand ist der Adrenalinspiegel in höheren Gefilden angesiedelt. Und wer danach noch einen Kaffee braucht, dem ist nicht mehr zu helfen. Geil!
[Tolga Karabagli]

Endlich ist es Zeit für die traditionelle Prog-Einlage auf dem Rock Hard Festival, und wie jedes Jahr haben sich die Veranstalter wieder ein besonderes Genre-Zuckerl herausgepickt, denn keine Geringeren als SIEGES EVEN dürfen den sonntäglichen Sonnenschein proggen! Das Frickel-Feuerwerk entfaltet bei Genre-Liebhabern eine wohlige Gänsehaut, und das Szenario erinnert irgendwie an den Auftritt von SPOCK'S BEARD letztes Jahr. Während die einen dösig auf den Rängen sitzen und lieber dem Bier frönen, findet sich eine kleine, aber feine Gemeinde im mittleren Rund ein, um die Band gnadenlos abzufeiern. SIEGES EVEN sind aber auch wieder in Bestform. Sänger Arno strahlt ein sympathisches Charisma aus, überzeugt mit einer astreinen Performance und mit lustigem Stage-Acting, kaspert immer wieder mit seinen Kollegen um die Wette, animiert zum Mitsingen, selbst wenn man die Lyrics nicht kennt, und widmet sogar einen Song seiner Mama. Echt süß. Zur Erklärung: Heute ist Muttertag. ;-)

Auch an der Songauswahl gibt's nichts zu meckern, und sowohl die neuen als auch die alten Frickel-Hymnen lassen keine Wünsche offen. Die ganze Sache könnte allerdings vielleicht noch länger dauern, denn SIEGES EVEN gehen gezählte zehn Minuten zu früh von der Bühne, natürlich nicht mit Absicht, sondern wohl aus dem Missverständnis heraus, dass sie statt 40 Minuten nur eine halbe Stunde Spielzeit hätten. Dass Götz die Jungs in den Himmel lobt und noch einmal auffordert, auf die Bühne zu gehen für einen letzten Song, bringt leider auch nichts mehr, denn dort wird schon fleißig umgebaut. Aber auch so gab's eine geballte Ladung feinster Prog-Mucke, die für mich fast das Highlight des Tages darstellt!
[Caroline Traitler]

Setlist:
When Alpha And Omega Collide
Tidal
The Waking Hours
Duende
Life Cycle
Sequence I: The Weight

Am Sonntag zieht es mich als Erstes zu ASPHYX vom Bier am Zelt weg. Dass die Jungs wieder spielen, finde ich wirklich super. ASPHYX glänzen auf der Bühne mit richtig schönem Old School Death Metal der Marke GRAVE oder ENTOMBED. Der Sound ist toll. Der Mann am Pult kriegt es laut der anderen Jungs aus der Redaktion (ich bin halt noch zu jung, um das miterlebt zu haben) perfekt hin, ASPHYX wie Mitte der Neunziger klingen zu lassen. Das Drumming kommt komplett ohne Blastbeats aus, wirkt aber trotzdem richtig fett. Die Gitarren sägen einem wunderbar tief in die Knochen, man spürt die fiesen Riffs bis in die tiefsten Innereien, so muss das sein!

ASPHYX sieht man wirklich an, dass sie geil drauf sind, wieder auf der Bühne zu stehen. Gitarrist und Basser freuen sich wie zwei kleine Kinder auf einer Geburtstagsparty beim Topfschlagen, und Sänger Martin van Drunen lobt das Publikum mit Wortkreationen wie "Ihr seid verfickt wunderbar!" oder "Besauft ihr brav!" Insgesamt wirken die Holländer sehr charismatisch. Das Publikum sieht das genauso und feiert ASPHYX bei Songs wie 'The Rack' oder 'Wasteland Of Terror' richtig ab. Nicht verwunderlich, dass den alten Herren nach ihrem Ausflug auf die Bühne "Zugabe!"-Chöre hinterhergebrüllt werden. So muss Geschichtsunterricht in Sachen Death Metal aussehen!
[Hagen Kempf]

Ein großer Redner war er ja noch nie, der Herr Kühnemund, und seine Umfrage "Wollt ihr auf dem nächsten Festival lieber mehr Hardrock oder mehr Thrash Metal hören?" war eher für die Füße - klar wird selbst dann, wenn ein gewisser JORN in den Startlöchern sitzt, für beide Genres lautstark gebrüllt. Ich persönlich hätte allerdings nichts gegen ein wenig mehr harten Rock auf JORN-Niveau einzuwenden, denn das, was der unter anderem Ex-ARK-, BEYOND TWILIGHT- und MASTERPLAN-Sänger in den folgenden 45 Minuten leistet, ist saustark. Von Götz zu Recht als die beste Hardrock-Stimme der letzten zwanzig Jahre bezeichnet (nicht ohne den leidigen Coverdale-Vergleich zu bemühen), präsentiert sich der Norweger erstaunlich allürenarm - seine Begleitband scheint auf der Bühne fast gleichberechtigt zu sein. Vor allem aber hat der singende Tausendsassa zwei neue Songs des kommenden Albums "Lonely Are The Brave" im Gepäck, was für einen (in der Regel) Best-of-Festival-Gig eher ungewöhnlich und daher umso löblicher ist.

Den Anfang macht jedoch das tolle 'We Brought The Angels Down', gefolgt von dem nicht minder starken 'Blacksong', in denen der Blondschopf allen Zweiflern gekonnt das Maul stopft. Der Meister der Improvisationen (Motto: Ein "Yeah" passt immer noch irgendwo rein) hält sich nur grob an die Album-Vorgaben, und das ist auch gut so - JORN lebt seine Musik! Die neuen Tracks - das straighte 'Lonely Are The Brave' und das epische 'War Of The World' - machen klar, dass sich an der stilistischen Ausrichtung des bekennenden Hardrockers so schnell nichts ändern wird; die nächste Platte können seine Fans offenbar blind kaufen. Und auch in Sachen Publikumsnähe weiß der sympathische Normann zu überzeugen, freut er sich doch fast kindlich über das während 'The Duke' im Publikum kreisende aufblasbare Plastik-Sofa und schmeißt nebenbei etliche "Thank you!" und "Make some noise!" in seine Ansagen. Die leider nicht ganz so zahlreiche Menge frisst dem Stimmwunder aus der Hand, und auch der Wettergott muss ein Hardrocker sein. Denn pünktlich zu 'Stone Cold' erfrischt eine laue Brise die erhitzten Gesichter.

Viel zu schnell läutet 'End Of Time' auch fast schon das Ende dieses extrem kurzweiligen Auftritts ein, dem ein relativ unnerviges Schlagzeugsolo und das finale 'Are You Ready' einen würdigen Schlusspunkt setzen. Und Götz, wenn dich JORN nicht überzeugt hat, im nächsten Jahr mehr Hardrock ins Billing zu holen, wer dann?!
[Elke Huber]

Es sollen beim nächsten Mal ruhig noch mehr Hardrocker auf die Bühne gestellt werden [bitte nich! - schwarzbeseelt, Carsten]. Man bekommt dann zwar von den bis zur Flöte aufgeknöpften Hemden der Musiker und den Brust-Flokatis schlimme Pupillenschmerzen, aber wenn die Bands so gut sind wie Y&T in diesem Jahr, verkraftet man die. Was JORN am Rhein-Herne-Kanal raushaut, ist hingegen oberer Durchschnitt - so vorhersehbar, dass man umgehend 'ne Wahrsager-Laufbahn einschlagen möchte, routiniert zusammengeklaut und nicht auf einer Qualitätsstufe mit den Inspirationsquellen, ohne nennenswerte Hooks. Der Norweger kann singen, was er in der Vergangenheit ausgiebig gezeigt und auch noch nie jemand bezweifelt hat. Aber es fällt erneut auf, dass ARK oder die BEYOND TWILIGHT-Scheibe, auf der er mitwirkte, nicht ausschließlich wegen ihm großartig waren. Jeder Song des präsentierten Solo-Repertoire-Auszugs ist chancenlos gegen ARK-Geräte wie 'Feed The Fire' oder 'Heal The Waters'. Bei diesem Gig wippt man drei Songs lang mit. Danach wünscht man JORN nur noch kurz, dass er bald wieder mit Könnern von Tore-Østby-Format zusammenarbeitet, und schaltet ab.
[Oliver Schneider]

Kurz nach vier Uhr füllt sich das Amphitheater recht stattlich, und auch der prozentuale Anteil von "Nazi Punks - Fuck Off!"-Shirts mit durchgestrichenem Hakenkreuz im Publikum nimmt schlagartig zu. Noch einmal die Finger dehnen und warm machen für den bevorstehenden Moshpit. Und nach dem Intro ihres aktuellen Longlayers legen NAPALM DEATH auch gleich mächtig los, mit 'Sink Fast, Let Go' und 'Silence Is Deafening' im direkten Anschluss. Sofort bildet sich ein Circle Pit, aber nach zwei Runden geht allen in der Nachmittagshitze schon die Puste aus. Doch die britische Grindcore-Legende lässt ihre Fans nicht zur Ruhe kommen: 'Suffer The Children', Höhepunkt eines jeden Gigs, wird schon nach wenigen Minuten rausgehauen und lässt die Anhängerschaft regelrecht ausflippen. Dabei ist die Ansage "We're NAPALM DEATH from Birmingham, England" eigentlich völlig überflüssig. Wer das jetzt immer noch nicht mitbekommen hat, dem ist nicht mehr zu helfen.

Frontflummi Barney und Gitarrist Mitch grunzen und kreischen um die Wette, Basser Shane ähnelt mit seiner Hinterkopfplatte immer mehr Crusty, dem Clown, während Schlagzeuger Danny scheinbar Horgh Konkurrenz machen will: Arschcool sitzt er mit Sonnenbrille hinter seiner Schießbude und haut mit einer Seelenruhe die fiesesten Blastbeats raus. Experimentellere Songs wie 'Breed To Breathe' oder 'Greed Killing' bleiben gänzlich außen vor, hier gibt’s nur straight in die Fresse. Derweil widmet Hobbyphilosoph Barney eine Ansage allen nicht-religiösen Freidenkern, was auch sein neues Tattoo, ein durchgestrichenes Gebet auf dem Unterschenkel, unterstreicht. Gegen Ende des Gigs werden die Songs wie gewohnt immer kürzer, auch das zweisekündige 'You Suffer' darf nicht fehlen - womit NAPALM DEATH wohl die längste Setlist des gesamten Festivals haben dürften, rein an der Anzahl der Songs gemessen. Als Zugabe kommt – natürlich – 'Nazi Punks Fuck Off', doch damit nicht genug: Überraschenderweise wird auch noch 'Siege Of Power' hinterhergeschoben, und die Fans geben noch mal alles. Ein Wunder, dass es im Moshpit nur bei blauen Flecken und Kratzern bleibt, während die Sanis beim anschließenden VOLBEAT-Gig einen Fan mit klaffender Platzwunde am Kopf verarzten dürfen.
[Carsten Praeg]

Vor zwei Jahren galten sie noch als Geheimtipp. Wohlwollende POWERMETAL.de-Kollegen redeten auf mich ein: "Die sind toll, die musst du sehen." Und ich quälte mich am dritten Festival-Tag zu noch viel zu früher Stunde mit verkaterter Birne auf einen der Sitzplätze, um eine halbe Stunde später hellwach zu sein. Hunderte von Gigs und ein Album später dürfen VOLBEAT ohne Übertreibung als die Senkrechtstarter der Szene bezeichnet werden, und ich frage mich, warum man sie nicht gleich als Co-Headliner gebucht hat. Vorsichtig geäußerte Wetten, dass sie das Amphitheater bis zum Anschlag füllen dürften, bleiben ohne Gegner, und dass Nick Holmes und sein verlorenes Paradies danach in die Röhre gucken werden, bezweifelt niemand. Dafür sind die Songs von "The Strength/The Sound/The Songs" und "Rock The Rebel/Metal The Devil" allein auf dem Zeltplatz viel zu omnipräsent. Ihr eigenwilliger und eigenständiger Rock-'n'-Roll-Sound vereint die Massen, keine Frage.

Und tatsächlich, es ist brechend voll, als Michael Poulsen - noch mit akkurat sitzender Tolle - das Konzert mit 'The Human Instrument' eröffnet. Doch nicht nur die stets Arsch tretenden und doch gefühlvollen Kompositionen machen das "Phänomen VOLBEAT" aus - die lustigen Ansagen sind die halbe Miete. Nicht ohne Seitenhiebe auf einige eher destruktiv veranlagte Kollegen im Billing wird Michael nicht müde, die Menge zu "We love the sun"-Sprechchören zu animieren. "Wir freuen uns, wieder auf dem Rock Hard Festival spielen zu dürfen, denn ihr rockt hart!", grinst er, um daraufhin noch härter zu rocken. Die Frisur sitzt - nicht mehr.

Jeder Song ein Hit, so scheint es. Am Anfang klingen sie zwar alle gleich (weil irgendwie roggnrohlig), aber dann entpuppen sie sich als wahre Ohrwürmer mit "Don't try this at home"-Gesangspassagen, denn solche Verbalakrobatik kriegt nur ein Herr Poulsen hin - wir haben's ausprobiert. Dann doch lieber noch ein "We love the sun" aus Tausenden von Kehlen, bevor unsere Zungen bleibende Schäden davontragen.

Das Eisen muss natürlich geschmiedet werden, so lange es heiß ist, und so haben die Dänen die nächste Platte bereits in den Startlöchern, mit der sie offenbar eine neue Religion gründen wollen - die der Rock-'n'-Roll-Gläubigen. Denn 'Hallelujah Code' (oder so ähnlich, Herr Poulsen singt zwar wie ein junger Gott, spricht aber manchmal etwas undeutlich) heißt einer der Titel, den der Sänger für sein "Fuck religion, scream for Rock'n'Roll!"-Manifest heranzieht. Später lästert er noch mehrmals unterschwellig über die ach so humorlosen Schwarzmetaller - denn wer von der "satanischen" (schwarz) zur "Jesus-Gitarre" (weiß) wechselt, sagt mehr als das. Ja, wir lieben die Sonne, und wir lieben VOLBEAT, selbst wenn der zu 'The Garden's Tale' zur Verstärkung auf die Bühne geholte Gitarren-Techniker gesanglich die Töne nicht trifft (was dem Stück jedoch etwas von einem irischen Sauflied verleiht, ich mag das). Und wir werden die neue Platte lieben, weil auch der zweite, namenlose Track, der sich in die Setlist verirrt, dank leichter Reggae-Note spannend ist. So wie die bisherigen Alben halt auch.
[Elke Huber]

Setlist:
The Human Instrument
Mr. & Mrs. Ness
Radio Girl
Sad Man's Tongue
Caroline Leaving
Danny & Lucy
Neuer Song: Hallelujah Code (?)
I Only Wanna Be With You
Pool Of Booze, Booze, Booza
The Garden's Tale
Rebel Monster
Neuer Song (ohne Titel)
River Queen

Wer nach VOLBEAT spielen muss, der hat eigentlich eh schon fast die Arschkarte gezogen, denn diese Stimmung, diese einmalige Partylaune und diese Show ist kaum noch zu toppen. Und ausgerechnet die Düster-Briten PARADISE LOST sollen jetzt die schwierige Aufgabe lösen, die Stimmung nach VOLBEAT nicht ganz kippen zu lassen. Dabei sind die kultigen Doomster eh schon nicht für ihre überragende Live-Performance bekannt und die meisten Fans nach einem energiegeladenen VOLBEAT-Gig eher erschlagen und in Bierlaune. So leeren sich die Ränge zusehends, als PARADISE LOST auf die Bühne kommen, und Nick Holmes braucht erst mal mindestens den halben Set, um aus seinem schüchternen Trance-Schlaf aufzuwachen. Mal ehrlich, der Mann kann zwar singen, aber er hat teilweise wirklich das Charisma eines Kleiderschranks, und das machen auch die etwas lustlos in die Menge geworfenen Ansagen nicht viel besser. Zum Glück gibt die Saitenfraktion ordentlich Gas (auch wenn man die zweite Gitarre kaum hören kann), und auch die Setlist greift tief genug in die Klassiker-Kiste, um den PARADISE LOST-Auftritt zumindest für die Genre-Fans noch zu retten, und so kann man dank Hits wie dem Übersong 'Gothic' und den Ohrwürmern 'Remembrance', 'Say Just Words' oder 'One Second' doch noch Gefallen an der Show finden. Und ja, selbst die neueren Stücke wirken gut auf der Bühne, so dass die anfängliche Enttäuschung über einen hüftsteifen, stinklangweiligen Nick Holmes schnell verfliegt und PARADISE LOST zumindest bei mir dank der kultigen Songauswahl doch noch einen versöhnlichen guten Eindruck machen.
[Caroline Traitler]

KARAOKE-ALLSTAR-JAM
Was auf einer kleinen Bühne vor vielleicht hundert Nasen als Pausenfüller zwischen zwei Gigs hervorragend funktioniert, kann sich im großen Rahmen schnell als Flop entpuppen. Der Karaoke-Wettbewerb, welcher in einigen über die drei Tage verteilten Halbstunden-Zeitspannen auf der Biergarten-Stage zahlreiche Schaulustige anlockte, die den mehr oder weniger gelungenen Interpretationen von Metal-Klassikern durch diverse Nachwuchs-Sängerinnen und -Sänger lauschten, ist an sich eine tolle Sache, um den Döner zwischendurch musikalisch zu untermalen. Aber muss man das auch noch auf die Hauptbühne holen? Dann doch lieber eine halbe Stunde mehr Schlaf am Morgen.

ROKKEN heißt die Combo, die sowohl den Nachwuchs als auch die im Finale präsenten Profis begleitet. Erstere sind durch Tanja und Dennis vertreten, die den Wettbewerb für sich entscheiden konnten. Tanjas 'Holy Diver'-Interpretation von Altmeister Ronnie James Dio kann man als gelungen gelten lassen, auch wenn ihre Bewegungen etwas schüchtern rüberkommen. Doch Dennis' Abwandlung des 'Highway To Hell'-Refrais (AC/DC) in Richtung "Rock Hard Festival" wird spätestens bei der dritten Wiederholung langweilig. Dafür post er recht nett.

Auch die großspurig als "superspontan, lasst euch überraschen, wer sich da alles gegenseitig die Instrumente und Mikros aus der Hand reißen wird" angekündigte Promi-Karaoke ist eher verzichtbar. Das Gerangel um das Equipment hält sich nämlich in Grenzen. Man hat angesichts der sehr übersichtlichen Musikerschar am Bühnenrand sogar den Eindruck, das Rock-Hard-Team sei froh, überhaupt ein paar Freiwillige gefunden zu haben. Darunter ist - natürlich - JORN, der von Mikrofonen magisch angezogen zu werden scheint. Zusammen mit DESTRUCTIONs Schmier liefert er eine recht unterhaltsame Interpretation von JUDAS PRIESTs 'Breaking The Law', in der er das tut, was er immer macht: improvisieren. Auch Schmier schlägt sich gut, allerdings könnte Götz Kühnemunds abschließendes Lob "Mensch Schmier, du kannst ja richtig singen" leicht missverstanden werden.

Danach folgen noch METALLICAs 'Enter Sandman' mit Tore Moren von der JORN-Band am Mikro und JUDAS PRIESTs 'Painkiller' mit James Rivera von HELSTAR und Kelly von EXITER am Gesang, bis die Bühne endlich für das große Finale gerüstet wird.
[Elke Huber]

Ich muss ja zugeben, dass ich mich auch als Glamour-Grind-Pussy "Shirley" schon irgendwie auf ICED EARTH gefreut habe. Auch wenn ich ein richtig mulmiges Gefühl in den Knochen hatte. Die Frage, die wohl fast jeden, dem der Name ICED EARTH etwas sagt, beschäftigt hat, ist: Bringt er's noch? Gemeint ist natürlich Matt Barlow, der ja bekanntermaßen wieder bei den Amis eingestiegen ist. Um es direkt vorwegzunehmen: JA! Wer braucht schon den Ripper? Barlows Stimme ist nicht nur eine andere Liga, man hat das Gefühl, die beiden würden unterschiedliche Sportarten betreiben [Letzteres vielleicht, Ersteres ganz sicher nicht - Oliver].

ICED EARTH stehen mit einer Spielfreude und einer Energie auf der Bühne, die so ziemlich alles umreißt, was sich im näheren Einzugsbereich befindet. Matt singt gut wie nie, die Riffs von Schaffer sind rasiermesserscharf und so glasklar, dass man den Eindruck bekommt, der Mann könne doch keine Fingerkuppen mehr besitzen. Bei mir zünden ICED EARTH direkt beim ersten Ton, obwohl ich seit bestimmt vier Jahren kein einziges Lied der Jungs mehr gehört habe. Der Sound ist perfekt, man hört jedes Detail.

Die Setlist besteht aus lauter Hochkarätern. Aus der neueren Schaffensperiode hören wir zum Glück nur 'Declaration Day' und 'Ten Thousand Strong'. Bei fünfzehn Liedern wirkt es fast so, als würden ICED EARTH diese Songs nur aus Verlegenheit spielen, weil man die neuen Alben ja nicht ganz ignorieren kann. Als Entschädigung für das eher mäßige 'Declaration Day' (das ist halt auf Tim Owens und sein PRIEST-Gejaule zugeschnitten) bekommen wir siedend heiß 'Violate' serviert – richtig, richtig geil. Von "Horrorshow" fliegt uns nur 'Dracula' um die Ohren. Die Fans danken es mit Moshpits und singen kräftig mit. 'Watching Over Me' und 'Melancholy (Holy Martyr)' (in der Zugabe) dürfen natürlich auch nicht fehlen, und auch bei diesen Songs merkt man einfach wieder, was Barlows Organ zu leisten fähig ist. Meiner Meinung nach ist er einer der wenigen Sänger, bei denen man wirklich das Gefühl hat, Emotionen werden direkt an das Publikum weitergegeben. 'Travel In Stygian' glänzt dann mit solch einem pfeilschnellem Riffing und einem göttlichen Solo, dass es einem schwerfällt, nicht auf die Knie zu fallen. Vor der Zugabe spielen ICED EARTH 'A Question Of Heaven', bei dem sich alle aus der Redaktion (auch die Thrasher und Deather) in den Armen liegen und mitgrölen. Rausgeworfen werden die Fans dann mit 'Iced (MOTHERFUCKING) Earth', und auch der Song funktioniert nach mehr als fünfzehn Jahren noch perfekt.

ICED EARTH legen einen absolut geilen Auftritt hin, sie wirken noch um einiges energiegeladener als kurz vor Matt Barlows Weggang. Nur um das noch mal deutlich zu machen: Normalerweise stehe ich zu größten Teilen auf Death und Black Metal und Ähnliches. Trotzdem haben mich ICED EARTH absolut überzeugt. Es gibt immer noch Power Metal, der den Begriff "Power Metal" verdient und nicht wie der ganze Einheitsbrei aus Europa klingt.
[Hagen Kempf]

Setlist:
Dark Saga
Vengeance Is Mine
Burning Times
Declaration Day
Violate
Pure Evil
Watching Over Me
Ten Thousand Strong
Dracula
The Coming Curse
Travel In Stygian
A Question Of Heaven
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Melancholy (Holy Martyr)
My Own Saviour
Iced Earth

Redakteur:
Tolga Karabagli

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