Rock Hard Festival 2013 - Gelsenkirchen

30.05.2013 | 00:00

17.05.2013, Amphitheater

Für Kohle und Stahl kommt man noch immer ins Ruhrgebiet!

Die Aufgabe, den zweiten Tag zu eröffnen, fällt den jungen Schweden von SLINGBLADE zu, die sich auf Material von ihrem bisher einzigen Album "The Unpredicted Deeds Of Molly Black" beschränken. Das Material ist sehr melodischer, traditioneller Heavy Metal, der sich an den Achtzigern orientiert und neben ein paar tollen MAIDEN-Gedächtnisparts vor allem von der Stimme von Sängerin Kristina Karlsson lebt. Man merkt der Band direkt an, dass sie noch recht unerfahren ist, die große Bühne und das imposante Amphitheater scheinen den Musikern gehörigen Respekt einzuflößen. Hinzu kommen zu Beginn des Auftritts ein paar technische Probleme, die einer perfekten Darbietung der Lieder im Wege stehen. Die musikalische Umsetzung ist ansonsten jedoch tadellos, Kristinas mädchenhaftes Auftreten passt super zu den Horrortexten der Lieder und zumindest in den vorderen Reihen kann man so einige Pluspunkte sammeln. Ich bin sowieso begeistert, aber dessen war ich mir bereits vor dem Auftritt sicher. Dennoch wirkt der Auftritt neben aller musikalischen Qualität etwas hölzern und ich bin mir sicher, in einem kleinen Club würde das alles besser funktionieren. Aber wenn das nächste Album wieder solch großartige Songs wie 'Tie Her To The Cross' oder 'Off The Hook' enthält, dann lass ich mir diese auch gerne wieder von dieser sympathischen Band live präsentieren.

Setlist: The Nature of Evil, Back to Class, Tie Her To The Cross, The Demon, Slasher On the Loose, This Dream Will End, Molly's Death, Give Back What You Borrow

[Raphael Päbst]

 

Direkt danach zeigt dann eine andere schwedische Band, wie das richtig geht, mit diesem Retrorock, von dem alle immer reden. Mit dem schönsten, wärmsten Gitarrensound des gesamten Festivals, einem exaltiert singenden und auftretenden Sänger und jeder Menge Hymnen, die einen direkt an LED ZEPPELIN erinnern, machen HORISONT bereits nach wenigen Takten den etwas lauwarmen Auftritt von GRAVEYARD aus dem Vorjahr vergessen. Die Sonne mag sich zwar noch hinter Wolken verbergen, doch auf der Bühne und in meinem Herzen ist sie bereits aufgegangen. Das Bier fließt bereits herrlich und dazu laufen Großtaten wie 'Crusaders Of Death' perfekt rein. Spielfreude und Zusammenspiel sind nahe an der Perfektion, das Publikum scheint dies zu spüren, es geizt nicht mit Zuneigungsbekundungen und die Dreiviertelstunde verfliegt im Nu. Was sich bereits beim letztjährigen Hammer Of Doom Festival andeutete, bewahrheitet sich auf dem Rock Hard Festival: HORISONT ist ein Garant für großartige, völlig innovationsbefreite Nostalgietrips in die Siebziger, die gerade unter freiem Himmel richtig Spaß machen.

Setlist: Visa Vägen, On the Run, The Unseen, Crusaders of Death, Time Warrior, Magnus Kills, Thunderflight, Nightrider, Second Assault

[Raphael Päbst]

 

Die Schweden MUSTASCH sind mit ihrem schwer groovenden "Dicke Eier"-Hard Rock in ihrer Heimat bereits eine recht große Nummer, denn mittelhohe Positionen auf großen Festivals sind dort eher die Regel als die Ausnahme. Auf deutschem Boden backen die Jungs um Frontmann und Rhythmusgitarrist Ralf Gyllenhammer aber noch deutlich kleinere Brötchen, denn in Gelsenkirchen muss man das Publikum bereits am frühen Nachmittag bespaßen. Das klappt hervorragend, denn MUSTASCH sind überaus motiviert, spielen extrem tight und Ralf Gyllenhammer scheint die Veranlagung zum Alleinunterhalter mit der Muttermilch aufgesogen zu haben. Neben Singen und Klampfen hat er nämlich noch genug Zeit für Scherze mit den Fotografen, Späße mit dem Publikum à la "Prost, ihr Säcke!'" - "Prost, du Sack!" und Händeschütteln mit Fans in der ersten Reihe. So findet sich vor der Bühne eine Menge Fans ein, die den Schnurrbärten praktisch aus der Hand frisst und auch auf den gut gefüllten Rängen des Amphitheaters sichtet man allgemeines, wohlwollendes Kopfnicken und Fußgewippe. Die Setlist bietet einen soliden Querschnitt durch die Diskographie aus dem besonders das Rausschmeißerdoppel "Double Nature" und "I Hunt Alone" herausstechen. Insgesamt muss man festhalten, dass sich MUSTASCH augenscheinlich auf jeder Bühne und vor jedem Publikum zuhause fühlen und es auf ihre Seite ziehen können. Die Band wird heute garantiert einige neue Fans für sich gewonnen haben.

Setlist: Black City, Mine, It's Never Too Late, I Don't Hate You, Down In Black, Tritonus/ Heresy Blasphemy, Bring Me Everyone, Speed Metal, Double Nature, I Hunt Alone

[Arne Boewig]

 

Mit einigen Minuten Verspätung und einem tiefen Basssound erklimmen an diesem Samstagmittag die Koblenzer von DESASTER die Bühne des Amphitheaters. Nicht wenige wollen sich dieses Black'n'Thrash-Spektakel anschauen und lassen sich auch nicht von den vereinzelten Sonnenstrahlen, die langsam durch die dichte Wolkendecke schimmern, beirren. Doch auch hier schleicht sich ab den ersten Tönen von 'Nekropolis Karthago' der Fehlerteufel in den Sound, sodass der schwarzmetallisch angehauchte Thrash der Jungs einem schlecht gemischten Soundgeröll gleicht. Es ist viel zu laut und unsauber. Das tut der Stimmung aber keinen Abbruch und ihr Dreiviertelstunden-Inferno passt auch musikalisch gut zum Festival. DESASTER sind gut drauf, die Zuschauer sind gut drauf, der Sound bessert sich langsam aber sicher von Minute zu Minute und die Cover in Form von SLAYERs 'Black Magic' und KREATORs 'Tormentor' lassen auch meine Füße wippen. Mit mehr Druck und einer besseren Abmischung wäre hier jedoch durchaus mehr drin gewesen.

Setlist: Nekropolis Karthago, Devil's Sword, Phantom Funeral, Divine Blasphemies, Hellbangers, Teutonic Steel, Satan's Soldiers Syndicate, Black Magic (SLAYER Cover), Metalized Blood, Tormentor (KREATOR Cover)

[Marcel Rapp]

 

Black Metal ist auch am Samstag angesagt und keine Geringeren als die Schweden von NAGLFAR machen sich auf der Bühne bereit, Gelsenkirchen mit der schwarzen Pest zu überziehen. Im Gepäck eine kunterschwarz gemischte Setlist, die bis auf "Diabolical" alle LPs mit mindestens einem Song vertritt. Selbst den nicht-Black-Metal-Fans fällt schon beim Opener auf, dass die Jungs keineswegs nur in der orthodoxen Schwarzkiste wühlen, sondern auch zu differenzierten Taten imstande sind. NAGLFAR ist zwar nicht die Black-Metal-Band mit der größten Street Credibility, begnadete Musiker und Songwriter hat sie aber sehr wohl. Höhepunkt ist für viele sicherlich 'As The Twilight Gave Birth To The Night' vom Debüt "Vittra", das zu den besten Nummern der Truppe gehört. Mit insgesamt nur 45 Minuten bleibt leider auch recht wenig Spielraum für das Machtwerk "Teras" aus dem letzten Jahr, von dem es immerhin 'Bring Out Your Dead' und 'Pale Horse' zu hören gibt. Schade, dass es noch nicht dunkel ist!

Setlist: Pale Horse, The Darkest Road, Bring Out Your Dead, I Am Vengeance, The Perpetual Horrors, As the Twilight Gave Birth to the Night, A Swarm of Plagues, Harvest

[Nils Macher]

 

Am späten Samstagnachmittag wird es dann Zeit für Geschunkel und den leider einzigen Folk-/Pagan-Metal-Act auf diesem Festival. Das aktuelle Album "Unsung Heroes" hat zwar schon einige Monate auf dem Buckel, was jedoch nicht heißt, dass ENSIFERUM musikalisch einrosten. Die Finnen um Petri Lindroos lassen die Hörner emporheben, den Met fließen und die Schenkel klopfen. Man hat es hier einfach mit einer tollen Live-Band zu tun, was man an der ausgelassenen Stimmung und den Circlepits im Publikum merkt. Auch wenn sich der Sound, im Gegensatz zu ihren Vorgängern, ein wenig verbesserte, so ist auch dieser nicht frei von Fehlern, wodurch die Backgroundvocals überhaupt nicht zu hören sind. Das tut der allgemeinen Laune jedoch keinen Abbruch und mit 'From Afar', 'Lai Lai Hei' und dem obligatorischen 'Iron' ziehen ENSIFERUM ihren Gig konsequent und mit einem nicht unerheblichen Hauch von Spielfreude durch. Das freut die Menge, das freut den Schreiber, obgleich es mir immer noch ein Rätsel ist, warum man nicht mehr Bands von dieser Sorte eingeladen hat. Wir sehen, dass Acts wie dieser hier bestens funktionieren und die Menge bei einem besseren Sound zum Kochen bringt.

Setlist: In My Sword I Trust, Guardians of Fate, From Afar, Burning Leaves, One More Magic Potion, Retribution Shall Be Mine, Stone Cold Metal, Ahti, Twilight Tavern, Iron

[Marcel Rapp]

 

Die Dänen von D.A.D sind bereits seit einer halben Ewigkeit unterwegs, ihr Partyrock mit Punk-Einflüssen sorgt stets für gute Laune und die Bühnenshow der Band ist immer für einen Schmunzler oder eine Überraschung gut. Auch ich habe die Herren in den letzten Jahren ein paar Mal gesehen und es war jedes Mal eine nette Auflockerung im sonst eher metallischen Festivalprogramm. Doch all dies war ein laues Lüftchen, verglichen mit dem, was die Gebrüder Binzer und ihr verrückter Bassist an diesem Samstagabend unter der endlich scheinenden Sonne abliefern. Von der ersten Minute an spürt man, dass die Band richtig Spaß hat und den auf das Publikum übertragen will. Das Liedgut ist dazu natürlich bestens geeignet, alles lässt sich auch von Leuten, die das Material nicht kennen, sofort mitsingen und sorgt für mächtig Durst. Dazu kommen die sympathischen, leicht chaotischen Ansagen des Sängers, der seine Deutschkenntnisse zur Schau stellt. "Verstehen sie, was ich sage?" und "Das ist Liebe!" werden des öfteren zur Kommunikation genutzt und auch die Aussage, "Warum hat mein Bruder das alt Gitarre laut gemacht? - Weil wir ein altes Lied spielen!" lässt keine fragenden Gesichter zurück. Die gesamte Band sprüht nur so vor Spielfreude, im Falle gewisser Kopfbedeckungen nicht nur sprichwörtlich und der Bassist geht ab wie eine Rakete. Kurz und gut, 75 Minuten allerbester Partymusik euphorisieren mich weit über den Auftritt hinaus und 'I'm Sleeping My Day Away' beschert mir bis weit in den famosen QUEENSRYCHE-Auftritt hinein einen Ohrwurm, der auch am nächsten Tag noch das eine oder andere Mal sein Haupt erhebt. In dieser Verfassung gehören D.A.D immer noch zum Besten, was im punkigen Hardrock unterwegs ist und ich sollte wohl auch zu Hause mal häufiger "No Fuel Left For The Pilgrims" auflegen.

Setlist: Isn't That Wild, Jihad, A New Age Moving In, Everything Glows, Rim of Hell, Grow or Pay, Riding With Sue, Last Time In Neverland, Monster Philosophy, I Want What She's Got, Bad Craziness, The End, Sleeping My Day Away

[Raphael Päbst]

 

Als würdiger Abschluss des zweiten Tages präsentiert sich eine absolute Großmacht des Metals im Ruhrgebiet. QUEENSRYCHE, und zwar die Band mit den Musikern, die auf Scheiben wie "Empire", "Operation Mindcrime" oder "Rage For Order" gespielt haben. Und sie bringen uns ihren neuen Sänger Todd LaTorre mit, den man bisher als Midnight-Nachfahren bei CRIMSON GLORY kannte. Doch für den heutigen Abend ist die Seifenoper ausgeblendet, um die Musik geht es schließlich. Von der zeigen sich alle Anwesenden sichtlich begeistert, als das US-Prog-Metal-Gespann mit 'Queen of the Reich' in den Abend startet und Frontmann LaTorre beim eröffnenden Schrei glänzt als hätte er die letzten zwanzig Jahre nichts anderes getan. Dazu ist auch die Instrumentalfraktion von Beginn an so tight wie eine Knackwurst und lässt bei Fans nicht nur eine Freudenträne durch's Gesicht kullern. Was in den nächsten eineinhalb Stunden folgt, ist ein einzigartiger Siegeszug durch die bärenstarken frühen Jahre des Backkatalogs. Wer hätte denn vorher gedacht, dass gleich fünf Tracks der "Warning" oder vier Nummern von "Operation: Mindcrime" gespielt werden? Vermutlich niemand. Noch besser als die Tatsache dass die Klassiker gespielt werden ist aber der Fakt, dass auch bei hartgesottenen Die-Hard-Followern niemand Geoff Tate vermisst und Todd seinen neuen Job herausragend meistert. 'The Needle Lies' mit einem anderen Sänger? Das funktioniert heute Abend mehr als nur wunderbar. Demzufolge gibt es hier Gänsehaut bis zum Abwinken, denn selbst bei den zwei Tracks des neuen selbst betitelten Albums ('Redemption', 'Fallout') ist das Publikum wie gebannt von der Performance der Mannschaft aus Seattle. Auch die Band ist sichtlich erfreut und genießt ihren Status, den sie bei den Fans vollkommen zurecht immer noch hat. Kein Wunder, wenn man mit US-Metal-Gassenhauern wie 'Prophecy', 'Child Of Fire' oder 'Walk In The Shadows' um sich werfen kann, um die gierigen Ohren der Festivalbesucher zu befriedigen. Doch auch die bisher 14 Songs sind kein Trostpflaster dafür, dass nach den beiden Zugaben 'Take Hold Of The Flame' und 'Empire' endgültig Schluss für heute Abend ist. Ich bin sicher, die 7000 Seelen hätten auch bei sommerlicher Kälte gerne noch weiter ausgeharrt um eine der besten Prog-Metal-Bands überhaupt zu feiern. Zum Glück erklärt die Band, dass vom heutigen Auftritt eine Live-DVD mitgeschnitten wurde, sodass man sich in ein paar Monaten die Wunden lecken kann und einem Niemand mehr nehmen kann, dass man bei diesem denkwürdigen Auftritt dabei war.

Setlist: Queen of the Reich, Speak, Walk in the Shadows, The Whisper, En Force, Redemption, Fallout, Child of Fire, Warning, The Needle Lies, Prophecy, Roads to Madness, I Don't Believe in Love, My Empty Room, Eyes of a Stranger, Take Hold of the Flame, Empire

[Nils Macher]

 

Ohne große Erwartungen gehe ich an den Gig einer früher mal so tollen Band ran, denn so richtig mitreißend waren die musikalischen Darbietungen im Hause QUEENSRYCHE in den letzten Jahren nicht gewesen. Der neue Sänger, Todd LaTorre geniest ja große Vorschlusslorbeeren, aber man glaubt ja nichts, was man nicht selber mal hört, nicht? Und dann kommt er und singt, und das tut er wie ein Geoff Tate in absoluter Bestform. Und WAS er da singt! Alle alten, tollen, geliebten und ans Herz gewachsenen QUEENSRYCHE-Klassiker. Die anwesende Powermetal.de-Crew feiert, bangt und singt aus vollsten Kehlen mit. Das ist Gänsehaut, das hat Mehrwert, daran wird man sich noch lange erinnern. Danke QUEENSRYCHE. Danke Todd LaTorre. Da hat man ja sogar mal wieder Laune auf ein neues Album, das ja bald kommt. Danke!

[Thomas Becker]

 

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Redakteur:
Nils Macher

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