Rock Hard Festival 2013 - Gelsenkirchen
30.05.2013 | 00:0017.05.2013, Amphitheater
Für Kohle und Stahl kommt man noch immer ins Ruhrgebiet!
ATTIC waren wohl DIE Aufsteiger des vergangenen Jahres. Kein Wunder also, dass die Gelsenkirchener den letzten Tag des Festivals eröffnen dürfen. Und obwohl sich beachtlich viele zu dieser Zeit aus dem Zelt geschlichen haben und die pralle Mittagssonne auf das Amphitheater scheint, steht der 45-minütige Auftritt der Jungs unter keinem guten Stern. Erhebliche Sound- und Technikprobleme machen es ihnen speziell am Anfang schwer, sodass, nach dem dramatischen 'The Hidden Grave', 'Funeral In The Woods' und 'Join The Coven' schon einmal besser klangen. Auch der Front-Falsett-Sänger hat in höheren Gefilden einige Probleme, legt diese mit der Zeit jedoch ad acta. Ab 'Edlyn' wird auch der Sound ein wenig besser, die Band um Meister Cagliostro findet in der prallen Mittagshitze in ihre gewohnte Spur und 'The Invocation', 'The Headless Horseman' sowie 'Evil Inheritance' überzeugen letztendlich schon eher. Und obwohl die fünf Jungs am Ende wohl noch einen ausschenken wollen, werden sie kurzerhand von der Bühne geschickt. Hier fehlt anscheinend die Abstimmung zwischen Crew und Band. Das gefällt weder ATTIC noch den Zuschauern im Schatten des Amphitheaters. Schade.
Setlist: Funeral in the Woods, Join the Coven, Black Mass, Satan's Bride, Edlyn, In the Chapel, The Invocation, Evil Inheritance, The Headless Horseman
Nach diesem KING-DIAMOND-Gedächtnisgig gibt es, ähnlich wie am Vortag mit DESASTER, tighten und spitzfindigen Black-/Thrash-Metal. Als "Leckerbissen für die Underground-Fraktion" angepriesen, locken die pünktlichen Australier von GOSPEL OF THE HORNS eine ähnlich dichte Menge wie ATTIC vor die Bühne, die so manch Mähne schütteln und Faust recken lassen. Der Sound ist deutlich besser und druckvoller als zuvor, böse, laut und roh zocken Howitzer, Masochist und die anderen beiden Nackenbrecher unter der angenehmen, aber nicht passenden Mittagssonne routiniert ihr Set herunter. Dass jene Sparte auf Festivals wie diesen eine gute Figur abliefert, ist offensichtlich und wird in den kommenden Jahren hoffentlich derart fabriziert wie dieses Mal. Mit dem neuen Minialbum "Ceremonial Conjuration" im Gepäck, ist nach 40 Minuten der krawallige und gelungene Spuk vorbei und hinterlässt eine kleine, ausgepowerte, aber glückliche Zuschauermenge.
Setlist: Gospel of the Horns, Awakening, Strength Through Fear, Sorcery And Blood, A Call to Arms, Desolation Descending, Absolute Power, Vengeance is Mine, Slaves, Death Sentence, Powers of Darkness
ORDEN OGAN hat mich schon auf der Tour im Vorprogramm mit Luca Turillis RHAPSODY überzeugt. Mit einer ähnlichen Performance bitten mich die deutschen Powermetaller auch auf dem Rock Hard Festival nach drei Songs von der Tribüne des Amphitheaters vor in die erste Reihe, wo zwei Forumskollegen auch schon feuchtfröhlich feiern. Man mag sich echauffieren über die etwas albernen Ansagen von Sänger Seeb. Der bittet beispielsweise das Publikum zwecks eines Fotos, sich wie Piraten die Handfläche auf das Auge zu legen, später sollen noch Fäuste gen Himmel gereckt und ähnlich doofe Singspielchen gespielt werden. Dass Seeb das selber ein wenig albern findet, merkt nur der aufmerksame Beobachter aus der ersten Reihe. Ähnlich wie Helge Schneider, der auch das ganze Geld mit Quatsch verdient, kann sich Seeb manchmal das Lachen ob des Blödsinns nicht verkneifen. Doch eigentlich müssten ORDEN OGAN nicht albern sein. Sie haben tolle Heavy-Metal-Schlachthymnen am Start, die für sich sprechen, darüber hinaus sind sie nach anfänglichen Holpereien tight und extrem spielstark. Klar, manche Chorpassagen müssen nicht vom Band kommen, die könnte man auch live singen, aber selbst beim KING ist vieles aus der Konserve. Am Ende zählt, wie es klingt und ORDEN OGAN fabrizieren einen runden, satten, kraftvollen und knackigen Sound, und mit Ohrwürmern wie 'The Things We Belive In', 'To The End' oder 'Angels War' stellen ORDEN OGAN mich und die meisten Zuschauer sehr zufrieden. Schönes Ding!
Setlist: We Are Pirates, To New Shores of Sadness, The Lords of the Flies, This World of Ice, The Things We Believe In, To the End, Angels War
Ein absoluter Tiefpunkt des bis dahin nahezu perfekten Festivals ist am Sonntag Nachmittag erreicht, als sich ORDEN OGAN daran machen, das Publikum mit schlechter Musik und schlechtem Humor zu unterhalten. Was daran großartig sein soll, die belanglosesten Elemente jüngerer BLIND GUARDIAN mit den belanglosesten Elementen jüngerer IN FLAMES zu mischen, ist schon rätselhaft genug, die gesamte Biederkeit dadurch zu entschuldigen, dass man "lustige" Ansagen macht, um das Ganze zu ironisieren, ist allerdings das Allerschlimmste. Da hilft es auch nicht, dass die Musiker kompetent und der Sänger eigentlich gar nicht schlecht sind, das Gesamtergebnis scheitert auf ganzer Linie. Das Ärgerliche ist einfach, dass die Band zu jeder Zeit den Eindruck erweckt, sie würde sich für all die scheinbaren Peinlichkeiten, die klassischer Power Metal so mit sich bringen kann, dadurch entschuldigen, dass sie so tut, als würde sie das nicht ernst nehmen und sich drüber lustig machen. Und das ist traurig, denn wer Metal spielt, sollte auch zum Metal stehen und nicht ständig andeuten, dass man doch alles nicht so meint, falls einem Mal jemand vorwerfen könnte, dass das alles doch ganz schön lächerlich wirken könnte. Selbst die wilde 13 ist näher an Blackbeard oder Störtebeker, als das blödsinnige Gehampel, das hier als Interaktion mit dem Publikum verkauft wird. Abseits von der musikalischen Überflüssigkeit der Band regt mich diese Mischung aus Ballermann, Karneval und Kindergeburtstag bei McDonald's in den Ansagen richtig auf. Vielleicht bin ich ja ein humorloser Geselle und engstirnig, Vergleiche mit Helge Schneider sind jedoch so weit hergeholt wie die zwischen Putin und lupenreiner Demokratie.
Die Sonne scheint, man ist gut gelaunt. Die perfekte Zeit für Doom. Laut Rock Hard Chef Götz ist es für ORCHID der erste große Auftritt vor einem "richtigen Metal Publikum", da die Band aus San Francisco bislang nur mit ähnlich gelagerten Bands auf Tour war. Die Kalifornier sind jedenfalls selbstbewusst genug um das Amphitheater bei besten Bedingungen zu bespaßen. Mit der korrekten Feststellung "California Hippies brought you sunshine" startet ORCHID in das Set, das sich jeweils zur Hälfte aus Songs der beiden LPs "Capricorn" und "The Mouths Of Madness" so wie einem Track der Debüt-EP "Through The Devils Doorqay" zusammensetzt. Eines lässt sich gleich am Anfang beobachten: Diese Jungs legen eine fantastische Show hin! 'The Mouths Of Madness' rockt das Amphitheater, es groovt wie zu besten Zeiten von BLACK SABBATH und alle Anwesenden feiern die Truppe. Man kann wohl merken, dass dieser Gig sich an eine komplette Europa-Tour der Doomster anschließt, denn so eingespielt, tight und gut gelaunt präsentiert sich kaum eine andere Band an diesem Wochenende. Man möchte gar nicht glauben, dass diese Band erst zwei Alben auf dem Buckel hat und in Deutschland trotz eines dicken Plattenvertrags und superben neuen Albums noch Newcomer-Status besitzt. Wenn das so weitergeht, werden wir alle noch viel Spaß mit BLACK SABBATH, äh, ORCHID haben.
Setlist: The Mouths of Madness, Eyes Behind the Wall, Capricorn, Silent One, Eastern Woman, Wizard of War, He Who Walks Alone
Nachdem die jüngeren Kollegen dankenswerterweise den Löwenanteil der Berichterstattung zu übernehmen bereit waren, ist an diesem somit durchaus gemütlichen Festivalwochenende TANK mein erster Pflichttermin an der Schreiberfront, und der stand im Vorfeld zwar nicht unbedingt unter einem schlechten Stern, aber er warf auf jeden Fall Fragen auf und sorgte für Skepsis zumindest unter denjenigen TANK-Fans, welche die Band im klassischen Lineup kennen und lieben. Hatte man sich langsam und vor allem mühsam daran gewöhnt, dass da am Mikro nun nicht mehr Algy Ward shoutet, sondern Doogie White singt, so müssen wir uns nun, zumindest vorübergehend, mit einer weiteren prominenten Aushilfe in den Reihen der Panzerfahrer anfreunden. Jedenfalls steht heute am Mikro kein Geringerer als ZP Theart (ex-DRAGONFORCE) und das ist dann schon mal ein kleiner Schock für die Traditionalisten. Der Auftritt an sich ist dann den Umständen entsprechend sogar ziemlich gut. Der Drachenkraftfronter aus Sicht des Algy-Fans zumindest stimmlich nicht viel deplatzierter als es Doogie White auch ist. Optisch und in Sachen Habitus indes durchaus. Insoweit bleibt festzuhalten, dass ZP Theart die TANK-Songs sehr rockig und eine gute Ecke bissiger herüberbringt, als man dies von ihm bei DRAGONFORCE gewohnt war. Über seine demonstrativ zur Schau gestellten Fähigkeiten als Party-Animateur kann man hingegen geteilter Meinung sein. Dass dafür die Herren Tucker und Evans als Gitarrendoppel wie eh und je die Saiten brennen lassen und uns ihre ratternden Riffs um die Ohren blasen, dürfte keiner je angezweifelt haben. Auch, dass sie dabei nicht die authentischen alten Recken geben würden, die sie eben sind, stand nie zu befürchten. Wenn dann auch noch die Rhythmusgruppe mit den Herren Hopgood (ex-PERSIAN RISK) und Chris Dale (ex-SKUNKWORKS) prominent besetzt ist, dann ist klar, dass hier musikalisch aber auch wirklich alles im grünen Bereich ist. Die Songs, die sie heute spielen haben Drive, sind nett anzuhören, und bei 'Echoes', bei 'Honour & Blood' und bei 'This Means War' ist dann auch bei mir der Drang zum Mitsingen und Mitwippen da. Aber die Fragezeichen bleiben halt doch im Gesicht: Brauchen wir TANK ohne ein einziges Originalmitglied? Brauchen wir TANK ohne Algy Ward? Brauchen wir TANK mit einem "richtigen" Sänger? Brauchen wir TANK ohne 'Don't Walk Away', ohne 'Power Of The Hunter' und ohne 'Filth Hounds Of Hades'? Vermutlich eher nicht. Liebe Musiker, warum gebt ihr nicht der Band einen anderen Namen und spielt ein paar TANK-Covers, weil zwei von euch so lange bei der Band dabei waren? Das wäre doch auch in Ordnung, und es ließe nicht so viele Altfans ratlos zurück. Unter dem TANK-Banner fehlen halt die Räudigkeit, der Schmutz und die Panzerketten? So bleibt ein Panzer ohne den Staub des Krieges und ohne einen Großteil der Songs, welche ihn zur Legende gemacht haben. Das mag alles legitim sein, Bands können und dürfen sich verändern. Aber es fühlt sich bei aller Klasse der Musiker noch immer seltsam an. Bitte versteht mich nicht falsch, denn ich schätze die beteiligten Musiker sehr und ich mochte ihren Auftritt auch ganz gerne, aber irgendetwas fehlt mir einfach, um es als TANK feiern zu können, und so bleibt der Wunsch, auch den guten alten Algy nochmal live auf der Bühne zu sehen, mit welchen Kollegen auch immer er diese dann teilen wird.
Setlist: Great Expectations, Honour and Blood, Judgement Day, Don't Dream In The Dark, Echoes of a Distant Battle, Feast of the Devil, Phoenix Rising, War Nation, This Means War
Und jetzt alle: THRESHOLD, THRESHOLD, THRESHOLD! Prog Metal aus Großbritannien ist angesagt, wir versprechen uns eine tighte Live-Show, einen großartig aufgelegten Damien Wilson am Mikrofon und so virtuos vorgetragene wie toll geschriebene Melodien. Los geht es mit 'Mission Profile', einem wunderbaren mid-tempo Song mit stolzen knapp neun Minuten Redezeit. Ein Stampfer mit Überlänge als Opener – wie selbstbewusst ist das denn bitte? Doch die Reaktion des gut gefüllten Runds zeigt: Es war die richtige Entscheidung. THRESHOLD-Fans fühlen sich sofort zu Hause und Neuankömmlinge wissen wenigstens, was sie erwarten dürfen. Mit 'Don’t Look Down' ist Schluss mit Träumereien. Wir befinden uns in der Gegenwart, mitten in der aktuellen Großtat der Briten, "March Of Progress". Das Album ist in mehrfacher Hinsicht bemerkenswert: einerseits durch die durchweg hohe Qualität der Songs, andererseits als Comeback-Album des alten neuen Sängers Damien Wilson. Dieser folgte 2007 seinem kongenialen Sangeskollegen Andrew "Mac" McDermott (R.I.P. Mac!) erneut ans Mikrofon – zuletzt war Damien auf "Extinct Instinct" von 1997 zu hören, umso größer war die Überraschung, als er sich mit den neuen Songs wie ein junger Sangesgott präsentierte. Und jetzt das Beste: Nachdem Damien auf der Comeback-Tour vor einigen Jahren mit einigen Wacklern auffiel, ist er heute in absoluter Höchstform. Da macht es auch nichts, dass zeitweise die Gitarre von Pete Morten ausfällt. Überhaupt, die Instrumentalisten stehen ihrem Frontmann in nichts nach – so eine Sicherheit, so eine Tightness: Die Briten holen den Technik-Cup an diesem Wochenende definitiv auf die Insel. Und so lässt sich spätestens nach der aus hunderten Kehlen mitgetragenen Über-Hymne 'Pilot In The Sky Of Dreams' behaupten, dass die Erwartungen nicht erfüllt, sondern übertroffen wurden. Danke Damien, danke THRESHOLD!
Setlist: Mission Profile, Don’t Look Down, Ashes, Light and Space, The Rubicon, Pilot in the Sky of Dreams, Slipstream
Als Co-Headliner hat es das Thrash-Arsenal aus Brasilien schwer, die Stimmung vor dem King und nach THRESHOLD aufrechtzuerhalten. Doch, um es bereits vorwegzunehmen, wir werden eines besseren belehrt: SEPULTURA legen das gesamte Amphitheater in Schutt und Asche. Sehr gut besucht macht das Quartett bereits ab 'Troops Of Doom' eine mehr als spielfreudige und bestens gelaunte Figur. Der Sound ist druckvoll, es strömen immer mehr Zuschauer nach vorne, die Bude kocht und Stücke wie 'Refuse/Resist', 'Attitude' oder der Brecher 'Sepulnation', werden frenetisch empfangen. Die Energie, die Kisser, Green und Co. an diesem frühen Abend empfangen und mit ins Studio transportieren wollen, ist immens, sodass auch das starke "Chaos A.D."-Spektakel 'Biotech Is Godzilla' sowie das 'Policia'-Cover bestens ins Songgefüge passen. Die Sonne scheint nicht nur sinnbildlich heute auf SEPULTURA, die die Menge im Theater mit den obligatorischen Hammern 'Arise' und 'Roots Bloody Roots' in die wohlverdiente Pause schicken. Ein Schweiß treibender Gig, eine gut aufgelegte Band und eine brutale Setliste, Thrash-Herz, was willst du mehr? Hinzu kommt die Zuschauermenge, die die Brasilianer abfeiert, als gäbe es kein Morgen mehr. Definitiv ein Gewinner an diesem Wochenende.
Setlist: Troops of Doom, Refuse/Resist, Kairos, Sepulnation, Convicted in Life, Attitude, Choke, The Treatment, Biotech Is Godzilla, Policia, Slave New World, Territory, Arise, Ratamahatta, Roots Bloody Roots
Tja, lieber Marcel, genau das habe ich auch beobachtet: Ein Publikum, das die Brasilianer an breiter Front abfeiert und das bedingungslos mitgeht. Auf der anderen Seite höre ich hier und da aus der traditionellen Ecke auch Misstöne von der überflüssigsten Band des Festivals und dergleichen. An dieser Stelle muss ich gestehen: Würfen wir die Zeitmaschine an und reisten wir zurück ins Jahr 1996, als eine Scheibe namens "Roots" erschien, dann wäre ich wohl unter den Nörgelzapfen gewesen. Damals fühlte auch ich mich von derlei Klängen in meiner heilen altmetallischen Welt belästigt und bis heute bin ich kein großer Fan dieser - kommerziell wohl erfolgreichsten - Phase der Band. Doch jetzt und hier, auf der Amphitheaterbühne in Gelsenkirchen, da ist alles anders: SEPULTURA ist toll! So skeptisch ich der Roots-Tribal-Groove-Trend-Geschichte immer gegenüberstand, es gibt ein großes Aber: Das Quartett legt nämlich am heutigen Sonntag einfach alles in Schutt und Asche. Der Sound ist mächtig, Kissers Riffs unglaublich wuchtig und erdrückend, Paolo mit einem gut gelaunten Dauergrinsen unterwegs und Derrick Green ist einfach ein Tier von einem Frontmann. Auch die Setlist ist - dafür, dass die erfolgreichsten Zeiten der Band zwischen 1990 und 1996 lagen - durchaus ausgewogen und bietet mit 'Troops Of Doom' und 'Arise' auch ein bisschen was für die Altfans. Das hätte für mich gerne viel mehr sein dürfen, aber man muss es halt auch akzeptieren können, wenn eine Band vor allem ihre Gegenwart und die erfolgreichsten Phasen präsentiert. Zumal mir die aktuelle Hardcore-lastige Thrash-Kiste eigentlich ziemlich gut gefällt. Ach ja, die von Derrick erzählte Anekdote, dass die Band 1991 zum ersten Mal für das Rock Hard ein Konzert gab, in dem Jahr, als ihr jetziger Drummer geboren wurde, ist dann doch durchaus erwähnenswert. Von wegen Trendkapelle, wer so lange am Start ist, der hat seinen Platz in der Halle der ehrenhaften Veteranen der Metalszene sicher.
[Rüdiger Stehle]
Gott Sei Dank bin ich keiner der truen Metaller und darf SEPULTURA mit stolzer Brust gut finden. Das tue ich sogar schon seit 1991. "Arise", ein Schädelspalter. Und 2013 ist die Band noch besser, zumindest live. Mit dem besten Sound des diesjährigen Festes grooven und walzen die SEPs alles nieder. Ich bange, ich hüpfe, ich remple und springe. Und bei den von Schlagzeuger Eloy Casagrande millimetergenau gespielten Breaks und Fills staune ich sogar. Der Typ ist super! Kisser sowieso. Und der Hüne Derrick Green mal erst recht! 'Arise', 'Territory', 'Refuse/Resist', 'Roots Bloody Roots', was will man mehr? Dazu muss ich überraschend gestehen: Die neuen Songs sind nicht schlechter! Diese ganzen jungen Thrasher, die momentan die Bands der 80iger kopieren, sollen sich mal diese Kraftwalze anhören und dann winseln. Thrash is SEPULTURA!
Trash ist toll! Ja, ich liebe Trash. Nein, nicht diese 1, 2 Marschmusik, die aus der Nachbarschaft des RockHards kommt und ein „H“ zu viel im Namen trägt, sondern dadaistische Kultur-Kunstwerke wie das Dschungelcamp, NANOWAR, HGich.T, Rangeln oder den Trend, sich an ungewöhnlichen Orten mit Milch zu übergießen. Zum Gefallen gehören dann auch nur zwei Dinge: Es muss in seiner Abartigkeit cool sein und einen gewissen Esprit versprühen. Tja, und dann gibt es da noch die böse Schwester des guten Trashs. Dazu gehören JBO, Steinbrücks Stand-Up-Comedy-Versuche, Emos und – jetzt kommt’s – MAMBO KURT. Bedenkt man, dass gerade SEPULTURA die Bühne ungespitzt in den trockenen Boden gerammt haben und dass in knapp sechzig Minuten der wahre KING des Metals das Rund rocken wird, so ist der glatzköpfige Jämmerling auf der Bühne nicht nur ein kleines Ärgernis. Er ist vielmehr ein Sakrileg, eine Entweihung der heiligen Stunden, der Holzwurm in den Brettern, die die Welt bedeuten. Mal ganz im Ernst: Gegen eine Auflockerung des Programms ist überhaupt nichts einzuwenden. Aber muss man wirklich diesen personifizierten Schwachsinn buchen und seinem musikalischen Dilettantismus einen Raum zur Selbstdarstellung geben? Dann holt doch um Gottes Willen lieber wieder die echten Amateure der Karaoke auf die Bühne. Die waren musikalisch sicherlich auch nicht besser, haben aber durch viel Sympathie und Herz(blut) punkten können. Und wie bezeichnend kann es denn bitte sein, wenn der Typ, der am meisten vor der Bühne abgeht, etwa fünfzehneinhalb Jahre alt ist und ein VARG-T-Shirt trägt? Am Schluss bleibt nur die Hoffnung, dass Jeff Hannemann höchstpersönlich die Seven Gates Of Hell durchschreitet, um mit Mambos Kurt in bester KNORKATOR-Manier das Instrument des Übels zu zerstören, nicht nur wegen des völlig vergeigten SLAYER-Covers. Und dann, come come to the sabbath - da sind wir dann auch ganz locker - tanzen wir wie verrückt gewordene Hexen auf den Trümmern dieser an Unnötigkeit kaum zu überbietenden Aufführung und verzeihen dem großartig arbeitenden RockHard-Team diesen kleinen Fauxpas.
Das kann man natürlich alles so sehen. Man kann aber auch anerkennen, dass genügend Leute Spaß an dem Klamauk hatten. Dass es bei diesen Leuten mit heiligen Gefühlen nicht so weit her ist. Und dass man auch mal locker durch die Hose atmen darf. Natürlich ist das Trash in Reinkultur, den MAMBO KURT da verzapft, aber eine derartige Hassorgie hat er keineswegs verdient. Ich finde diese mit einem riesigen Augenzwinkern versehenen Coverversionen nämlich durchaus unterhaltsam. Nicht wirklich gut, aber unterhaltsam. Und wenn man mal genau auf die Details achten würde, könnte man auch merken, dass MAMBO KURT sich sogar um Details schert - so viel zum Thema "Dilettantismus". Natürlich ist die Platzierung am Abend auf dem RockHard nicht halb so gelungen wie nachts bei einem größeren, auf Party ausgelegten Festival wie dem Wacken oder Summer Breeze, dort ist er selbstredend noch um ein Vielfaches besser platziert. Das ändert aber nichts daran, dass die lange Umbaupause von KING DIAMOND so zumindest teilweise kurzweilig gestaltet wurde. Und die Gewinner des Karaoke-Contests wurden im Übrigen deshalb nicht vorgestellt, weil es gar keinen gab. So einfach.
[Oliver Paßgang]
Ist es wohl möglich, eine noch größere Erwartungshaltung zu erschaffen als vor diesem Auftritt? Ich kann es mir kaum vorstellen. Nach der tollen Vorstellung von SEPULTURA muss die Bühne für KING DIAMOND gleich eine ganze Stunde lang verhüllt werden, um die bis dato aufwendigste Bühnenproduktion im Gelsenkirchener Amphitheater aufzubauen. Nicht kleckern, sondern klotzen ist jetzt angesagt. Passend zum ehrwürdigen Headliner ist die Location proppenvoll, selbst auf den Stufen wird jetzt gestanden, um das Treiben auf der Bühne mitzubekommen. Als dann der Blick auf die Bühne nicht mehr vom schwarzen Tuch verhüllt wird, gibt es schon den ersten Applaus für das imposante Bühnenbild. Hinter dem Friedhofszaun lässt sich nur erahnen, was sich hier gleich abspielen wird. Vom Band läuft jetzt 'The Candle', das wohl mit dem schaurig-schönsten Intro der KING-DIAMOND-Diskografie aufwarten kann und unter den Anwesenden die Vorfreude ins Unermessliche schießen lässt. Als dann die Band losbrettert, ist selbst das Wort Euphorie noch eine Untertreibung. Matt Thompson an der Schießbude, Hal Patino am Bass und das kongeniale Gitarrengespann Mike Wead und Andy LaRocque sind perfekt eingespielt und von Anfang an eine sichere Bank. Und dann, und dann kommt er endlich auf die Bühne. Der KING! Endlich betritt er wieder deutschen Konzertboden. Für viele der Anwesenden (inklusive meiner Wenigkeit) ist es die erste leibhaftige Begegnung mit einem der legendärsten Musiker, den unsere metallische Welt zu bieten hat. Die LPs von MERCYFUL FATE und KING DIAMOND rauf und runter zu hören und sie auswendig zu lernen - das ist eine Sache. Nur ein paar Meter entfernt zu stehen und das Spektakel live zu verfolgen entbehrt jeglicher Beschreibung. Wenn es im Vorfeld eine Frage gab, dann war es die nach der stimmlichen Verfassung von Kim Bendix Petersen, denn gesundheitlich ist der Däne ja alles andere als auf Rosen gebettet. Doch es besteht zu keiner Sekunde ein Zweifel daran, dass er sich an seine Maxime hält und nur dann ein Konzert gibt, wenn er auch in der Lage dazu ist. Nach dem tollen 'The Candle' geht es jetzt chronologisch zwei Jahre weiter zum "Them" Album. Was wäre eine Show ohne die Großmutter? Natürlich, sie wird zu 'Welcome Home' im Rollstuhl auf die Bühne geschoben. Und damit es in bester Horror-Manier weitergeht, folgt der erste Song von der "Conspiracy". 'At The Graves' glänzt ebenfalls durch sein Intro und bietet zumindest eine kurze Verschnaufpause für diejenigen Redakteure eines nicht näher genannten Magazins, die schon bei den ersten beiden Nummern steil gegangen sind als gäbe es kein Morgen. Musikalisch ist der heute Abend sowieso unantastbar, das beweist auch der nicht vermeintlich beste Song der "Graveyard"-Scheibe 'Up From The Grave'. Da aber alle KING-DIAMOND-Nummern live noch eine Spur härter dargeboten werden als auf Platte, brennt auch hier nichts an. Ganz zu schweigen davon, was für eine Atmosphäre heraufbeschworen wird wenn über 7000 Kehlen abwechselnd 'Up From The Grave' anstimmen, nur um dann in wilde Kopfstimmenorgien einzustimmen. Mit 'Voodoo' steht auch gleich der nächste Brecher an, der live mindestens noch eine Klasse besser kommt als auf Platte. Selbstverständlich gibt es auch mehr als ein Hörspiel-Intro vom Band zu hören, 'Let It Be Done' wird genutzt um von vermummten Stagehands den Zaun abzubauen bevor 'Dreams' das Amphitheater in Schutt und Asche legt. Mittlerweile ist auch der Sound besser als zu Anfang und die rauschende Party erlebt einen Höhepunkt nach dem Anderen. Anschließend geht es mit 'Sleepless Nights' zumindest teilweise etwas langsamer zu, Erholung ist aber nicht wirklich angesagt. Die braucht gerade wohl auch niemand, ist das Publikum doch kollektiv in den Bann gezogen und feiert mit jedem weiteren Song die Krönung des KING. Um seine Stimme zu schonen, darf Matt Thompson anschließend ein kleines Drumsolo hinlegen, bei dem man immerhin Getränkenachschub besorgen oder sich mit dem Nachbarn austauschen kann, wie genial das ist, was man gerade erlebt. Auch das jüngste Album von KING DIAMOND, "Give Me Your Soul…Please", findet seinen Platz in der Setlist. 'Shapes Of Black' mit seinem morbiden Charme kommt ebenfalls superb an, doch was danach folgt, lässt ungestüm Fäuste in die Luft schnellen, Adrenalin freisetzen und jegliche Beherrschung verlieren: MERCYFUL FATE. Ja, er "covert" seine aufgelöste Band, deren Musik im Metal-Olymp noch einen Tacken höher rangiert als sein Solo-Schaffen. Und was für ein Song! 'Come To The Sabbath' wird aus allen Kehlen mitgesungen, man liegt sich in den Armen und die Stimmung am Rhein-Herne-Kanal erreicht ihren absoluten Höhepunkt. Der König befiehlt, seine Untertanen folgen. Das gilt genau so für den zweiten und letzten Song von MERCYFUL FATE, den es zu hören gibt: 'Evil'. Dass das Debüt ebenfalls absolut manisch abgefeiert wird, ist ja wohl selbstverständlich. Wir sind ja nicht zum Spaß hier! Was jede andere Band jetzt nicht mehr toppen könnte, kann der KING. Bevor der Vorhang fällt, gibt es noch einen seiner besten Songs zu hören: 'Eye Of The Witch'. Glückliche Gesichter, wohin man schaut, einen Herrn Petersen in bester Verfassung und seine Band, wie sie besser nicht sein könnte. Die Faust des Doom, die Faust des Metal regiert gerade in Gelsenkirchen, und sie regiert als eiserne Faust. Auch wenn die Nummer auf Langrille stark daherkommt, die Show der lebenden Legende macht sie noch besser. Doch mit dem Ende des Songs geht auch ein Auftritt zu Ende, den man auf einem Rock Hard Festival so schnell nicht wieder zu sehen bekommen wird. KING DIAMOND setzt mit seinen drei Zugaben noch einmal absolute Highlights ('The Family Ghost', Halloween', 'Black Horsemen') und lässt sich auch für jeden Song einzeln bitten, aber das ändert nichts daran, dass der Auftritt in den Köpfen und Herzen der Fans noch lange nicht zu Ende ist. Auch beim Verfassen dieser Zeilen sind die Erinnerungen an eines der besten Konzerte, die er je gesehen hat, omnipräsent. Danke, liebes Rock Hard für KING DIAMOND. Und Danke KING DIAMOND für diesen unvergesslichen Abend!
Setlist: The Candle, Welcome Home, At the Graves, Up from the Grave, Voodoo, Let It Be Done, Dreams, Sleepless Nights, Drum Solo, Shapes of Black, Come to the Sabbath (MERCYFUL FATE), Evil (MERCYFUL FATE), Eye of the Witch, The Family Ghost, Halloween, Black Horsemen
Ich kannte KING DIAMOND vor diesem Auftritt nicht. Okay, ich konnte seine Stimmfarbe wohl einschätzen, weil ich irgendwo mal einen Song gehört habe, aber da hörte es dann wirklich schon auf. Warum? Tut jetzt nichts zur Sache. Jedenfalls war ich außerordentlich gespannt, was mich da erwarten würde, schließlich machte sich das halbe Amphitheater scheinbar schon seit Wochen ins Hemd, was diesen Auftritt angeht. Auch die Ansagen der Veranstalter ließen immer wieder durchblicken, wie sehr sie sich gerade einen Ast abfreuen, dass sie den Dänen endlich für ihr Festival gewinnen konnten. Eine Umbaupause von einer Stunde? Aha. Der muss ja ordentlich was auffahren. Und das tut er auch. Ich weiß gar nicht, wie ich in Worte fassen soll, was da auf einen einwirkt. Das hat mit einem klassischen Konzert irgendwie nicht mehr so ganz viel zu tun, das ist mehr Theater, Oper oder gar Film. Und zwar eine selten spannende Variante davon. Diese Inszenierung auf jeder Ebene hinterlässt Spuren. Dabei nimmt einen KING DIAMOND bereits mit seiner Musik vollständig gefangen. Und selbst da weiß man nicht, ob man sich nun auf diesen unverwechselbaren Gesang oder auf diese fabelhafte Instrumentalfraktion konzentrieren soll. Beides wird hier nahe der Perfektion geboten, wenn man entsprechende Klänge denn zu schätzen weiß. Das Spektakel auf den Brettern, was vom Bühnenbild bis zum Schauspiel genau den richtigen Anstrich hat, setzt dem Herren dann wirklich die Krone auf: niemals kitschig, allerdings auch niemals zu ernst. Man weiß zu jedem Zeitpunkt, dass man sich auf einer Heavy-Metal-Show befindet, und doch ist da so viel mehr. Selten vergingen 90 Minuten einer Band, die mir nicht geläufig war, dermaßen schnell. Richtig einordnen kann ich die Show immer noch nicht, und es wird vermutlich lange Zeit dauern, bis dies möglich sein wird. Ein Konzert, wie ich es zuvor noch nie erlebt habe – und vielleicht auch nie wieder erleben werde.
In Sachen Karo-König bin ich nun wirklich der Allerletzte, der ein Interesse daran hat, Haare in der Suppe zu finden, aber wenn man den Großmeister der Horrorepik bereits einmal mit seiner Soloband und einmal mit seiner Stammband gesehen hat, dann ist die rosa Brille, die Ehrfurcht und die unkritische Haltung vielleicht doch von ein wenig Rationalität überschattet. Zum einen bin ich von einem für mich überraschend genialen SEPULTURA-Gig ein wenig geplättet, und zum anderen ist an meinem Standort der Sound, der mir von der Bühne entgegen schallt, doch sehr laut, sehr matschig und ziemlich dröhnend, sodass ich eine Zeit lang ziemliche Schwierigkeiten habe, der königlichen Stimme folgen zu können. Das trübt natürlich erst einmal die Vorfreude. Andererseits pegelt sich der Sound nach und nach immer besser ein, das Ohr gewöhnt sich an das Klangbild, und dann bricht sie doch durch, diese ganz spezielle Magie, die den König eben zum König macht. Auch wenn einige Gesangspassagen in den Intros vom Band kommen, und auch wenn Königin Livia Zita ordentlich am Hintergrund-Gesang beteiligt ist, wird schnell klar, dass Herr Petersen hervorragend bei Stimme ist und sich auch in Sachen Bühnenauftreten sehr agil gibt. Man merkt ihm die gesundheitlichen Probleme der letzten Jahre jedenfalls nicht an. Auch die Songauswahl bietet für mich als erklärten Fan aller Schaffensphasen jede Menge Perlen und viel Abwechslung. Auch wenn KING DIAMOND für mich in der Gesamtschau den beiden anderen Tagesheadlinern und seinem eigenen Co-Headliner vom Sonntag zumindest nichts mehr drauf setzen kann, endet ein großartiges und gemütliches Festival letztlich auch am Sonntag ebenso brillant, wie an den Tagen zuvor: Mit einem würdiger und faszinierenden Schlusspunkt mit der fraglos aufwändigsten Bühnenproduktion der Festivalgeschichte.
...ZURÜCK ZUM SAMSTAG
WEITER GEHT'S ZUM FAZIT...
- Redakteur:
- Nils Macher