Rock Hard Festival 2017 - Gelsenkirchen

09.09.2017 | 23:50

02.06.2017, Amphitheater

Schönes Wetter, die Schiffe auf dem Rhein-Herne-Kanal als Kulisse und viele tolle Bands.

Den Samstag darf die britische Band MONUMENT eröffnen, deren Sänger aktuell wohl am meisten nach Bruce Dickinson klingt. Das wird bereits mit den ersten Takten von 'A Bridge To Far' klar, mit dem die Londoner in ihren Set starten. Die Songs sind deutlich kompakter und flotter als das, was IRON MAIDEN heuer so spielt und so macht der Auftritt trotz einiger Verspieler und Macken mächtig Spaß. Denn hier springt direkt der Funke der originalen NWoBHM über - rohe und zugleich melodische Musik mit großen Refrains, zweistimmigen Gitarren und einer echten Sirene am Gesang. Da der etatmäßige Basser leider krankheitshalber verhindert ist, hat man sich als Ersatz auch direkt den Tieftöner von Dickinsons Soloband mitgebracht, dem man jedoch die kurze Einarbeitungszeit hin und wieder anmerkt. Was soll's, die Songs sind spitze, der Gesang überragend und Fäuste und Haare fliegen in den vorderen Reihen bereits ab dem ersten Song. Auch kann die Band bereits als Opener heute immer wieder "MONUMENT"-Sprechchöre verbuchen, was durchaus eine Leistung ist für eine Truppe, die bislang noch nie hierzulande aufgetreten ist. So wird der Gig trotz leichter Abzüge bei der Perfektion zu einem wahren Triumphzug und mit dem abschließenden 'Lionheart' zeigt uns MONUMENT auch noch, wie es klänge, wenn RUNNING WILD endlich wieder gute Songs schreiben würde und Bruce Dickinson diese dann einsingen würde. Die Antwort? Verdammt gut natürlich.
[Raphael Päbst]

 

Jupps, MONUMENT war mit diesem IRON MAIDEN-Gedächtnis-Metal ein fescher Opener, mit KETZER erwarte ich aber mein erstes persönliches Tages-Glanzlicht, denn "Starless" ist ein klasse Album, welches hier nach wie vor rauf und runter gehört wird. Zudem ist auch Interesse an dem durchaus anders und härter klingenden älteren Material vorhanden. Eine gute Dreiviertelstunde später muss ich aber leider ein sehr durchwachsenes Fazit ziehen. Der Sound an diesem Samstag ist einfach nicht gut und vor allem harte und schnelle Bands leiden hier besonders darunter. Auch nach einigen Positionswechseln kann ich kaum Nuancen hören und Gerrits Krächzgesang - auf "Starless" noch klasse produziert - ist live nur noch eintönig. Dazu kommt, dass die alten Songs eher Rumpelthrash der Marke SODOM oder DESTRUCTION markieren, wovon ich nun überhaupt kein Fan bin, und was nicht zum Gefallen beiträgt. Davon darf man sich gerne ganz trennen, und in Zukunft wäre wohl die Hinzunahme eines guten Clean-Sängers eine bedenkenswerte Alternative, wenn man musikalisch und kommerziell einen weiteren Schritt nach vorne machen will. Songs wie 'Godface' würden viel gewinnen. Meine KETZER-Euphorie hat nun jedenfalls einen Dämpfer erhalten.
Setliste: Satan's Boundaries Unchained, Starless, The Fever's Tide, When Milk Runs Dry, Godface, White Eyes, He, Who Stands Behind The Rows, The Fire To Conquer The World
[Thomas Becker]

 

Das dritte Album des Orchesters um SOILWORK-Sänger Björn "Speed" Strid wird allerorts als Sommeralbum des Jahres gefeiert, wenn auch traditionsbewusste Metaller dem poppigen Sound eher skeptisch gegenüber stehen. Heuer folgt nun also die Deutschlandpremiere auf einer Bühne und zur Unterstützung hat sich Björn noch zwei Sängerinnen auf die Bühne geholt, die die Chöre weiter aufpeppen. Von Beginn an wird klar, wie viel musikalische Erfahrung hier auf den Brettern steht, denn technisch ist das Gebotene einwandfrei. Björn singt die hochmelodischen Songs live mehr als souverän, die Instrumentalfraktion ist perfekt engespielt und so kommen die Hits hier am Fließband und in bestechender Form auf uns eingeprasselt. Partymusik und Discoflair auf dem Rock Hard Festival funktionieren erstaunlich gut, und bei Hits wie 'Living For The Nighttime', 'Stiletto' oder 'Midnight Flyer' verwundert das wohl niemanden, der nicht zu den unverbesserlichen Grantlern gehört. Sei's drum, THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA zeigt heute, dass man auch live liefern kann, was man auf den Alben verspricht, und ich freue mich jetzt schon auf eine kommende Hallentour. Bis dahin kann man den heutigen Auftritt durchaus als großen Erfolg verbuchen.[Raphael Päbst]

 

Die Briten von SKYCLAD haben nicht nur den Folk Metal erfunden, sondern auch seither stets mit starken Alben überzeugt, was jedoch nicht mit großem Erfolg honoriert wurde. Auch das neue Album "Forward Into The Past" kann wieder überzeugen und so ist es umso bedauerlicher, dass man die Band heutzutage nur noch selten auf deutschen Bühnen erlebt. Das Rock Hard Festival verspricht Abhilfe, doch der erste Blick auf die Bühne verwirrt erst einmal. Denn dort fehlt eindeutig Geigerin Georgina Biddle. Sänger Kevin klärt dann auch schnell auf, dass Georgina wegen einer Operation im Krankenhaus sei und deshalb leider nicht spielen könne. So gibt es nun also SKYCLAD als reine Metalband nur mit Gitarren, Bass und Drums zu hören. Die Klasse der beteiligten Musiker und die Exzellenz des Songmaterials sorgen jedoch dafür, dass der Auftritt zu einem wahren Triumphzug wird, die Songs funktionieren auch ohne Violine, die Band ist super eingespielt und Kevin hat sich über die Jahre zu einem großartigen Sänger gemausert. Der Bandphilosophie bleibt man treu und so werden die politischen Texte auch durch politische Ansagen eingeleitet, die britischen Parlamentswahlen werden kommentiert, Skeptikern und Leugnern des Klimawandels wird zum Abschluss 'Thinking Allowed' entgegengeschleudert und dazwischen gibt es mit 'Inequality Street', 'Penny Dreadful' und 'Parliament Of Fools' weitere Stücke, bei denen man mit der Meinung nicht hinterm Berg hält. Auch die fröhliche Partyseite der Band wird mit 'Another Drinking Song' gewürdigt und das Publikum weiß die Klasse der Band anständig zu würdigen. SKYCLAD hier und heute ist schlicht grandios und die Band sollte schnellstmöglich zurück nach Deutschland kommen - politischer, kritischer Heavy Metal mit solch großen Songs fehlt in der heutigen Szene viel zu oft und SKYCLAD ist und bleibt eine wichtige Band.
[Raphael Päbst]

 

Es gibt nur eine Handvoll klassischer Death-Metal-Bands, die mich wirklich begeistern und ASPHYX gehört neben UNLEASHED klar dazu. Die Holländer mit deutschem Trommler zeigen dann auch heute wieder, warum das so ist. Denn in puncto Rohheit, Energie und Ehrlichkeit macht der Truppe so schnell keiner was vor. Wo andere im Genre mit totgetriggerten Drums, eindimensionalem Gegrunze und instrumentalem Overkill voll an mir vorbeispielen, liefert ASPHYX einen klassischen Sound, der näher am Thrash gebaut ist als bei vielen, feuert Riffs ab, die diesen Namen verdienen und Martin van Drunen gehört nach wie vor zu den brutalsten Frontmännern im Death Metal. Dass der Mann ein fast akzenfreies Deutsch spricht, hilft bei der Unterhaltsamkeit der Ansagen sehr und so schafft es der Sympath direkt, das ganze Publikum in seinen Bann zu ziehen. Was dann folgt, ist eine Death-Metal-Vollbedienung, brachial, energiegeladen und herrlich authentisch. Von neuen Krachern der letzten drei Alben gibt es ebenso auf die Fresse wie von Klassikern wie "The Rack", Martin wünscht allen Terroristen, die Musikfestivals angreifen 'Death The Brutal Way' und nimmt auch sonst kein Blatt vor den Mund. Als die letzten Töne von 'The Rack' verklingen, hat ASPHYX einmal mehr Nacken zerstört, ein Festival in Schutt undf Asche gelegt und dabei nur gute Laune verbreitet. Ja, die Holländer gehören klar zu meinen liebsten Death-Metal-Bands.
[Raphael Päbst]

 

Amerikanischer Thrash Metal kommt beim RHF immer bestens an, ganz egal, ob die Delinquenten von der Ostküste kommen wie OVERKILL, aus der Wüste wie SACRED REICH oder eben aus der berühmten San Francisco Bay Area wie die Genremitbegründer EXODUS. Letztere darf ich heute Abend bereits zum dritten Mal hier im Amphitheater bestaunen. Das erste Mal war ich völlig begeistert, bretterten die Herren nach dem formidablen Comeback "Tempo Of The Damned" doch in der bestmöglichen Besetzung und mit richtig Spaß in den Backen durch die Botanik. Das zweite Mal dann, mit Herrn Dukes am Mikro war es dann immer noch brachial, aber deutlich weniger sympathisch und charismatisch. Nun ist der Herr Souza zwar zum Glück zurück, doch bekanntlich ist der Bandleader Gary Holt ja aus slayerigen Gründen abgängig, und der fehlt natürlich schon, denn er ist halt Mr. Exodus. Dennoch, es sind ja die Herren Altus und Lum am Start, die auch keine schlechten Klampfenschwinger sind, während die Rhythmusgruppe um Urgestein Tom Hunting und Basser Jack Gibson ordentlich die Nackenwirbel beschäftigt. So macht der Gig auch heute wieder richtig Laune, und Zetro hat das Publikum mit seinem schelmischen Grinsen und seiner bissigen Stimme voll in der Hand. Es ist einfach schön, dass er wieder dabei ist, und ja, so leid es mir tut, aber ich vermisse das Songmaterial der Dukes-Alben, das heute bis auf 'Children Of A Worthless God' außen vor bleibt, kein bisschen. Statt dessen gibt's die "Bonded By Blood"-Vollbedienung zu Ehren des vor fünfzehn Jahren verstorbenen Paul Baloff, die leider ohne den 'Piranha' auskommt. Dafür schließen sich zwei Songs vom aktuellen Album an, die sich super in die Show einfügen, und die obligatorischen Titelstücke der Alben Nummer zwei und drei dürfen auch nicht fehlen. Dazu dann noch die schwarze Liste vom "Tempo"-Album, der gute alte Giftwalzer und am Schluss darf dann noch das Viech zuschlagen, wie es halt so sein muss. Ja, good, friendly, violent fun - so geht das. Gerne wieder!
Setliste: Bonded By Blood; Exodus; And Then There Were None; Blood In, Blood Out; Pleasures Of The Flesh; Fabulous Disaster; Body Harvest; Children Of A Worthless God; Blacklist; The Toxic Waltz; Strike Of The Beast
[Rüdiger Stehle]

 

Die nach wie vor beste dänische Rockband ist D-A-D und das zeigt die Truppe auch heute wieder in beeindruckender Weise. Bereits vor den ersten Tönen haben die Herren die Lacher auf ihrer Seite, denn als Bühnenbild haben sie sich quasi ihr Wohnzimmer ins Amphitheater geholt, inklusive riesigem Sofa. Dann geht es los und von Anfang an herrscht gute Laune, wie sie bei D-A-D-Songs quasi unausweichlich ist. Auch die äußerst unterhaltsamen Ansagen im sehr dänischen Deutsch sorgen für mindestens so viel Gelächter wie Unverständnis. Während man sich auf den Festivalauftritten im letzten Jahr auf die Frühphase des Bandschaffens konzentrierte, gibt es dieses Mal auch wieder aktuellere Songs wie 'Monster Philosophy' zu hören, die neben Klassikern der Marke 'No Fuel Left For The Pilgrims' eine wirklich gute Figur machen. Dazu zieht einmal mehr das Bassmonster Stig Pedersen mit seinen ausgefallenen Instrumenten und allerlei Bühnenaktivitäten den Blick auf sich, während Drummer Laust wieder Opfer einiger Gemeinheiten und Mitsingspiele wird. Kurz und gut, D-A-D zeigt wie jedes Mal, wie man eine perfekte Rockshow voller guter Laune, knackiger Songs und lustiger Einfälle abreißt. Dazu ist die Band so dermaßen gut eingespielt, dass die Songs mächtig grooven und alles extrem locker und spontan wirkt. So steht dann auch das gesamte Amphitheater bereit, Jesper Binzer gesanglich zu unterstützen, als er "Ein Schlaflied" ankündigt und die Bandhymne 'Sleeping My Day Away' anstimmt. Großes Entertainment wie immer, ganz ohne übertriebenes Image oder anderen Firlefanz, schlicht Musiker, die mit ihrer positiven Ausstrahlung und einem Sack voller Hits für gute Laune sorgen - ziemlich genau das Gegenteil von dem, was heute noch folgen sollte
[Raphael Päbst]

 

Jetzt geht es mir wohl wie einigen alten Metal-Fans am Freitag mit BLUES PILLS. Denn der Samstags-Headliner BEHEMOTH ist für mich ein großer Unbekannter, ich besitze kein Album und kenne keinen Song dieser Band. Ich stelle aber nach einigen Minuten fest, dass dies überhaupt keine Voraussetzung ist, diesen Gig zu genießen. Denn die machtvolle Mixtur aus Black- und Death- und Prog-Metal ist klanglich und optisch so beeindruckend, dass man mit der Zeit immer tiefer in diese besondere Stimmung eintauchen kann. BEHEMOTH ist keine Mitsing-Band. BEHEMOTH ist nicht einmal eine Bewegungs-Band, keine Musik für Moshpits und Zappelheimer. Es ist fast schon eine Mischung aus Theater und Musik, auf der Bühne passiert viel, die düsteren Musiker sind Blickfänge, Bewegungsabläufe sind en détail einstudiert, die Bühnenaction wohl dosiert. Die Stimmung erinnert bisweilen an den KING DIAMOND-Gig hier anno 2013. Dazu kommt eine hohe instrumentale Klasse, vor allem die Drums sind supertight und selbst die schnellsten Strumming-Passagen präzise gespielt. Einfach nur wow! Ganz am Schluss kommt sogar noch ein Song, der auch zwei Wochen danach noch im Schädel klebt, einen den ich unbedingt haben will. Es ist 'Chant For Ezkaton 2000 e.v.'. Falls das auf CD ähnlich beeindruckend ist, beginnt nun vielleicht eine schöne Entdeckungsreise in dunkle musikalische Gefilde für mich. BEHEMOTH ist ab sofort auf meinem Radar.
Setliste: Blow Your Trumpets Gabriel, Furor Divinus, Messe Noire, Ora Pro Nobis Lucifer, Amen, The Satanist, Ben Sahar, In The Absence Ov Light, O Father O Satan O Sun!, Ov Fire And The Void, Conquer All, Chant For Eschaton 2000
[Thomas Becker]

Wir danken Verena Schröder von @RockpixPhotography für die freundliche Genehmigung zur Verwendung der Bilder; Link: https://www.queeniesrockpix.de/

Hier geht es zum dritten Tag...

Redakteur:
Rüdiger Stehle

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