Rock Hard Festival 2024 - Gelsenkirchen

22.05.2024 | 01:50

17.05.2024, Amphitheater

Familientreffen auf Metal-Art.

Ein Festival eröffnen kann eine undankbare Aufgabe sein und wenn man dann auch noch angekündigt wird als "Da der Sänger morgen mit PRIMORDIAL hier spielt, dachten wir uns, wir könnten auch mal seine andere Band buchen." wird man nicht gerade mit Vorschusslorbeeren ins Rennen geschickt. Glücklicherweise ist DREAD SOVEREIGN dieser Aufgabe jedoch bestens gewachsen und rüpelt sich und das Publikum des diesjährigen RHF direkt mit teuflisch viel Freude durch die nächste halbe Stunde und ein bisschen. Der Sound des Trios, der sich als VENOM spielt BLACK SABBATH beschreiben lässt, kommt live immer deutlich roher und energischer rüber als auf den wirklich coolen Alben und kann so hoffentlich auch einige Leute überzeugen, denen das Doom-Label bisher eher als Warnung denn als Empfehlung diente. Hinzu kommt, dass Alan Averill außerhalb des doch recht stringenten PRIMORDIAL-Konzepts deutlich befreiter agiert und das in äußerst unterhaltsamen Ansagen und Publikumsinteraktionen mündet. Unterhaltsam bedeutet hier fröhliches Bepöbeln der Anwesenden, was hervorragend zum Sound und der generellen Atmosphäre passt. Da der gute Mann auch einen Bass in der Hand hat, kann er sich auch nicht konstant an einer Wein- oder Whiskeyflasche festhalten, was ebenfalls der Energie des Gigs gut tut. Und so geht die erstaunlich kurze Setlist von fünf Songs mit finalen Zitaten von BLACK SABBATH und JOY DIVISION im Fluge vorbei, mein Nacken ist aufgewärmt, der Bierdurst stark gestiegen und die Laune exzellent. Gut, dass es im Anschluss direkt nochmals Doom mit ein paar extremeren Einflüssen gibt und ich mich mental gar nicht erst umstellen muss.

Setliste: This World Is Doomed; She Wolves Of The Savage Season; The Great Beast We Serve; Nature Is The Devil's Church; We Wield The Spear Of Longinus

[Raphael Päbst]

Freitag Nachmittag im Pott ist der Verkehr natürlich unterirdisch und den Auftritt von THRONEHAMMER wollen wir auf keinen Fall verpassen. So hetzen wir fast im Laufschritt aufs Gelände, während schon die ersten Klänge von 'Kingslayer' erklingen. Direkt ein Highlight des aktuellen Albums zum Auftakt. Der Sound wirkt anfangs noch etwas dumpf, das haben sie aber spätestens mit dem zweiten Song 'Thy Blood' schnell im Griff und die Wahnsinnsröhre von Kat Shevil Gillham kommt mächtig und klar rüber. Der Freitagnachmittag ist sicher nicht der einfachste Platz auf dem Spielplan, die Festivalbesucher trudeln gerade erst so nach und nach ein und das Publikum ist noch etwas verhalten. Dazu ist es natürlich viel zu hell für diesen düster-bösen Doom. Macht nix, die Band liefert sauber ab und der Auftritt hat alles, was das schwarze Herz begehrt. Die Band bringt mit dem gleichnamigen Schlusssong 'Thronehammer' die kleine, feine Doomgemeinde dann doch zum Mitschreien und die Hände sind oben. Nach genau 4 Songs ist pünktlich Schluss – im Falle von THRONEHAMMER bedeutet das knapp 40 Minuten. Die erste Band haben wir zwar leider verpasst, aber mit THRONEHAMMER ist es für uns ein hervorragend gelungener Auftakt ins Festival.

Setliste: Kingslayer; Thy Blood; A Fading King; Thronehammer

[Barbara Sopart]

Endlich da, habe ich mir direkt ein gutes Plätzchen im Auditorium gesichert. Jetzt geht es schließlich mit den Allgäuern MYSTIC PROPHECY weiter, die ich grundsätzlich sehr gerne mag. „Habt ihr Bock auf deutschen Power Metal?“, schallt es von der Bühne. Aber sicher doch! Als sich die Band jedoch mit den ersten Klängen von 'Metal Division' dem Publikum präsentiert, fällt sofort auf, Bassistin Joey Roxx ist nicht mit am Start. In Gelsenkirchen hat die Band keinen Ersatz dabei und verzichtet somit direkt mal auf die tiefen Töne. Ein Verlust auf vielen Ebenen. Joey hat ihre Abschlussprüfung just an diesem Tag, sodass sie glücklicherweise nur temporär verhindert ist. Verwunderlich nur, dass der ansonsten so redselige Frontmann während der ganzen fünfzig Minuten dazu kein einziges Wort verliert. Die Band gibt trotzdem Vollgas und haut mit eben 'Metal Division', dem flotten 'Burning Out' und 'Killhammer' gleich mal drei Kracher ins weite Rund. Doch die Herrschaften müssen kämpfen. Der Sound passt nicht richtig. Lias Gesang und auch die Backings sind zu leise. Ebenso weht eine leichte Brise durchs Amphitheater (ständig flüstert immer irgendwer eine neue Wettervorhersage in des Nachbarn Ohrs), was dazu führt, dass die mächtigen Flaggen auf der Bühne während des Sets aus Sicherheitsgründen wieder eingepackt werden müssen. Auch das Publikum wirkt noch etwas müde. So wollen beispielsweise die ersten Mitsingspielchen bei 'War Panzer' noch nicht richtig funktionieren. Es zündet noch nicht, der berühmt-berüchtigte Funke will noch nicht vollends über die ersten Reihen hinauf in die Ränge springen. Die Songauswahl ist indes top. 'Unholy Hell', 'Hellriot', das groovende 'Dracula' und 'We Kill You Die' lassen keine Wünsche offen. Die beiden Gitarristen Markus Pohl und Evan K sind enorm agil und machen einige Meter, während Sänger Lia souverän die Anwesenden animiert („Männer, Bock auf eine schnelle Nummer?“). Diese gewollte Zweideutigkeit funktioniert scheinbar immer, denn es sorgt für ein verschmitztes Kichern, teils auch herzhafte Lacher bei Männlein und Weiblein. Stimmlich ist Mr. Liapakis ebenfalls gut aufgelegt. Die Spielfreude ist unübersehbar. Mit dem mächtigen 'Ravenlord', 'Eye To Eye' und 'Metal Brigade' (die Singalongs sind noch immer sehr verhalten) beenden die Herrschaften mehr als amtlich ihren Set, für den sie von den Anwesenden zu recht zahlreiche Pommesgabeln und anerkennenden Applaus ernten. Ein für mich ordentlicher Einstieg in das Festivalwochenende, von dem ich mir persönlich jedoch noch ein bisschen mehr Dampfwalze und Abrissbirne versprochen hatte.

Setliste: Metal Division; Burning Out; Killhammer; War Panzer; Unholly Hell; Hellriot; Dracula; We Kill You Die; Ravenlord; Eye To Eye; Metal Brigade

[Chris Staubach]

Auf die Sekunde pünktlich startet die schwedische Truppe UNLEASHED mit ihrem Set. Das Wetter ist und bleibt optimal, genau richtig für ein Open-Air-Festival, möchte ich meinen. Der Platz zwischen Bühne und der Tribüne ist erstaunlich rasch gut gefüllt und die Stimmung in der Menge bereits zu Beginn des Gigs hervorragend. Was will man also mehr? „Are you ready for swedish Death Metal?“ möchte Sänger Johnny Hedlund wissen und die Antwort fällt selbstredend einstimmig positiv aus. Mit 'Lead Us Into War' und 'The Longships Are Coming' haut man dann Songs raus, die allen Freunden des skandinavischen Death Metal durchweg dunkle Freude bereiten sollten. Der Sound ist klar, kraftvoll und brachial. Genau das, was perfekt zu dieser Art von Musik passt. Für mich der über das ganze Event gesehen vermutlich beste Klang des Wochenendes. Leichter, ganz leichter Regen setzt bei 'Hammer Batallion' ein, es bleibt aber bei ein paar vereinzelten Tröpfchen. Mit 'The Longships Are Coming' beendet UNLEASHED exakt nach sechzig Minuten eine durchaus überzeugende Show, die gefühlt lediglich in der Mitte einen relativ kleinen Durchhänger hatte.

[Frank Wilkens]

Wunderschön, einfach wunderschön. Ich kannte BRUTUS bis zu diesem Zeitpunkt nicht und war ob der stilistischen Einordnung in den Post Rock- bzw. poppigen Hardcore-Bereich etwas skeptisch, ob die Band mir gefallen würden. Und dann auch noch zwischen Death Metal und meinem persönlichen Festival-Highlight AMORPHIS? Die Skepsis wuchs. Doch dann stehen Stefanie, Peter und Stijn auf der Bühne. Oder besser gesagt: Stefanie sitzt. Und das hinter dem Schlagzeug. Und sie singt dabei und ich bin von der ersten Sekunde an hin und weg. Diese einzigartige Atmosphäre, diese Wohlfühl-Aura, eine vollkommen hypnotisierende und fesselnde Wirkung – ich ziehe meinen Hut vor dieser Leistung, eine höchst energetische und punktgenaue Leistung am Schlagzeug abzuliefern und dabei mit diesem so wunderschönen, markerschütterndem und mitten ins Herz katapultierenden Gesang komplett meinen Nerv zu treffen. Da weicht selbst der angekündigte Regen vor Respekt. Mehr noch: Ob es nun an der Gnade Petrus oder am absoluten Aha-Moment liegt, aber hauchzarte Sonnenstrahlen kriechen hervor und geben dieser einzigartigen Stimmung den letzten Pfiff. BRUTUS spielt sich mit 'Storm', 'Miles Away' und 'Chainlife' in einen Rausch, diese atemberaubenden Songs gehen nahtlos ineinander über und viele ebenso faszinierte wie emotional berührte Zuschauer sehen den bemerkenswerten Auftritt des Freitag-Co-Headliners, der anfangs Skepsis aber später pure Begeisterung und Hingabe hervorholt und nach dem finalen 'Victoria/'Sugar Dragon'-Duo nur ein Fazit zulässt: Wunderschön, einfach wunderschön.

[Henriette Tressin]

Headliner am ersten Festivalabend sind die Finnen von AMORPHIS. Dreißig Jahre nachdem ich die Band mit dem sensationellen Album "Tales Of The Thousand Lakes" lieben gelernt habe, war es an der Zeit zu prüfen, ob und wie der Zahn der Zeit an der Band eben in diesen drei folgenden Dekaden genagt hat. Kurz gespoilert: Gar nicht. Um halb zehn an diesem lauschigen Freitagabend fährt AMORPHIS eine ziemlich beeindruckende Lichtshow auf, die weniger von spektakulären Momenten als viel mehr von einer gut strukturierten Gesamtchoreografie lebt und im Zuge der über den Ruhrpott majestätisch untergehenden Sonne für eine schöne optische Untermalung sorgt. Musikalisch lässt der Sechser nichts anbrennen und Tomi Joutsen scheint bester Laune. Beim dritten Song ' The Smoke' sind alle Arme oben, es läuft bei den Finnen, der Funke ist längst übergesprungen. Was AMORHIS in den anderthalb Stunden abliefert, ist keine einfache Aneinanderreihung von Songs, sondern sozusagen eine einzige akustische und optische (meist in blau und violett gehaltene) Wohlfühloase. Mit 'My Kantele', 'House Of Sleep' und der Zugabe 'The Bee' entlassen uns die Finnen in die Nacht. Ein durchweg sauberer Gig und eine gute Visitenkarte für das im August erscheinende Live-Album.

[Frank Wilkens]

Hier geht es zum Samstag!

Redakteur:
Marcel Rapp

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