Rockharz Open Air 2013 - Ballenstedt

29.07.2013 | 21:33

11.07.2013,

20. Rockharz Open Air - ein beeindruckendes Jubiläum!

Mittwoch

Ähnlich wie der große Bruder in Wacken ist auch das ROCKHARZ kein reines Drei-Tages-Festival mehr. Schon am Anreise-Abend am Mittwoch spielen auf der eigens dafür aufgebauten "Devil’s Wall Stage" mehrere etwas unbekanntere Bands. Ein schönes Warm-Up für die kommenden drei Tage also. Durch eine etwas verzögerte Anreise ist die erste Band, die unsere Ohren beglücken soll, auch gleichzeitig die letzte dieses Tages. Und mit einer Spielzeit von 75 Minuten ist MEGAHERZ auch der inoffizielle Headliner am Mittwoch. Mit geringer Erwartungshaltung betrete ich das Festivalgelände und bin direkt erstaunt über den großen Ansturm. Und dann geht es auch schon los, schwarz-weiß geschminkte Clowns betreten die Bühne und covern schon beim ersten Song die großen Vorbilder RAMMSTEIN. Oder ist das gar kein Cover? 'Jagdzeit' erinnert jedenfalls nicht nur vom Chorus her an 'Laichzeit'. Zu fast jedem Song findet sich ein passendes und besseres RAMMSTEIN-Gegenstück. Auch der Sänger hat seinen Lindemann studiert. Sein Singen, Flüstern, Sprechen, alles klingt wie das große Idol. Nur sind die Texte halt schwächer, die Riffs nicht so spannend und die ganz großen Gefühle scheint man sich nicht zuzutrauen. Die Aufforderung zu jedem Liedanfang und –ende doch bitte die Hände zu heben, klingt ähnlich unkreativ wie das gesamte Songmaterial. Zudem kommen die Keyboards komplett vom Band. Doch man kann es drehen und wenden wie man will, die Stimmung vor der Bühne ist super und das Gelände ist voller Menschen. Entweder ist also das Bier sehr günstig (bezweifle ich) oder MEGAHERZ scheint irgendwas zu haben, das ich nur nicht erkenne. Der heutige Erfolg gibt spricht jedenfalls für sie.

[Arne Boewig]

Donnerstag

Der Donnerstag beginnt bereits anders als geplant, denn nicht Berlins Punker TOXPACK, sondern die GRAILKNIGHTS eröffnen den ersten großen Festivaltag. Man könnte meinen, die Hannoveraner würden mit ihrem quietschbunten Bühnenoutfit die Augsburger Puppenkiste wieder auf die Bühne bringen wollen. Damit nicht genug, denn man räumt fleißig die Resterampen von BLIND GUARDIAN und CHILDREN OF BODOM leer. All das ändert aber nichts daran, dass die Mitglieder des GRAILKNIGHTS-Battlechoir sich zu so früher Stunde schon zahlreich vor der Bühne versammelt haben und sich sehr stimmgewaltig präsentieren. Diese Schlacht könnnen die GRAILKNIGHTS durchaus als gewonnen bezeichnen.

Nun ist aber TOXPACK an der Reihe, um mit Punk und plumpen deutschen Texten das Publikum zu spalten. All jene Gestalten die bei der 2011er Ausgabe des Festivals FREI.WILD abgefeiert hat, kommen nun plötzlich wieder aus ihren Zelten und werden von den Berlinern anständig bedient.

Kommen wir nun zu ganz großem Rock 'n' Roll-Sport, denn AUDREY HORNE lockt nun endlich die Sonne raus und hat richtig Bock. Die Fans lassen sich von dieser Begeisterung direkt anstecken. Torkjell Rød ist die coolste Frontsau des Tages und reißt einen mit Mimik, Gestik und natürlich mit einer auch heute fantastischen Gesangsleistung einfach mit. Dabei geht er immer wieder auf Tuchfühlung mit dem Publikum und hat sichtlich Freude an der Kommunikation mit den Fans. Von 'Blaze of Ashes' abgesehen vertraut man ganz auf das Songmaterial des neuen Albums '"Youngblood". Diese Strategie geht voll auf, denn die Menge vor der Rock Stage wächst beständig an. AUDREY HORNE hat sich beim nächsten ROCKHARZ-Auftritt definitiv einen späteren Slot verdient.

Die Hamburger Kiez-Rock 'n' Roller OHRENFEINDT erweisen sich in den folgenden 40 Minuten zuverlässigerweise als ein ebensolcher. Man wirft all das in einen Topf, was die BÖHSEN ONKELZ, KNEIPENTERRORISTEN und FREI.WILD aus Ehrgefühl nicht mehr verwenden wollten. Da deren Kernpublikum beim ROCKHARZ-Open Air aber durchaus vertreten ist, kommt die Band recht gut an. Neue Fans dürfte man mit dieser Vorstellung hier und heute aber nicht gewonnen haben.

Als nächstes betritt mit den Polen von VADER die wohl brutalste Band des Festivals die Dark Stage. Pünktlich um zwanzig nach sechs beginnt das Schlachtfest und legt alles ringsherum in Schutt und Asche. Perfekter Sound, tightes Spiel und aggressive Songs sorgen für eine prächtige Stimmung mit vielen gereckten Fäusten und Headbangen auf dem Acker. Peter ist gut bei Stimme und auch die Band zockt sehr genau auf den Punkt. Das ist bei diesen Geschwindigkeiten sicher nicht selbstverständlich. Zudem scheint die Death Metal-Institution auch noch so selbstbewusst, dass auf ein Plakat im Hintergrund verzichtet wird. Nach nur vierzig Minuten ist das Knüppel-Spektakel auch schon wieder vorbei. Mich als eher unextremen Metalfan kann man heute durchaus überzeugen. Live gerne wieder.

Die US-Amerikaner UNEARTH geistern nun schon seit 1998 durch die Metalcore-Szene, so ist es auch nicht verwunderlich, dass der Platz einigermaßen gut gefüllt ist. Geboten wird szenetypische Mucke mit jenem Gepose, Breakdowns und Clean-Refrains, die auch jede andere Band dieses Stils auf Lager hat. Dabei zeigt die Band um Frontmann Trevor Phipps viel Einsatz und Bewegungsfreude, was sich allerdings nur mäßig auf das Publikum überträgt. Erst langsam kommt die Meute in Stimmung und legt zum Ende des Auftritts einen anständigen Circle Pit auf die Wiese. Doch dazu hätte es nun wirklich keine Band aus den Staaten gebraucht. Gruppen, die genau so klingen, gibt es doch wie Sand am Meer auch in Deutschland. So ist dieser Auftritt nach dem gelungenen Gemetzel von VADER doch nur ein ziemlich laues Lüftchen, das etwas die Stimmung drückt.

Mit dem DEVIN TOWNSEND PROJECT hält nun der Progressive Metal Einzug in Ballenstedt. Und stilecht startet das Set mit dem fantastischen Quasi-Instrumental 'Truth'. Direkt fallen der großartige Sound und die gut eingespielte Band auf. Dabei fehlt heute der zweite Gitarrist, der aus familiären Gründen nicht dabei sein kann. Direkt im Anschluss besucht ein alter Bekannter das ROCKHARZ: 'Ziltoid'. Unterstützt von einer großen Videoleinwand erzählt uns Devin diese und diverse andere Geschichten. Leider ist die Sonne auch um 21 Uhr noch zu hell, sodass die Filmchen nicht so beeindruckend rüberkommen. Devin jedenfalls ist bei bester Laune und rockt hart und wild in seinem Schlabberhemd. Sein teils etwas unsicheres Auftreten, das er mit viel Witz und coolen Ansagen überspielt, macht ihn dabei noch sympathischer. Das führt zu einer ausgelassenen Feierlaune beim Publikum. Auch die neuen Songs der letzten Alben kommen sehr gut an. Eine Stunde Spielzeit sind bei so einer umfangreichen Diskographie natürlich zu kurz, trotzdem gelingt es der Band, mit zehn Songs eine schöne Brücke von 1998 bis ins Jetzt zu schlagen. Dieser beeindruckende Auftritt wird sicher noch vielen Fans und Neu-Fans im Gedächtnis bleiben.

KREATOR den Late Night-Slot zuzuweisen und SUBWAY TO SALLY zum Headliner zu machen, erweist sich als organisatorischer Fehler. Während des Auftritts der Potsdamer Folk-Metaller harren alle Kuttenträger des Festivals vor der Rock Stage aus und warten auf KREATOR. Wer an beiden Auftritten interessiert war, musste bei einem wohl oder übel auf einen exponierten Platz verzichten. Hätte man es umgekehrt gelöst, hätte sich das Publikum nach KREATOR als Konsens-Headliner besser verteilen können und niemand hätte wartend in der Luft hängen müssen.

Als es dann aber endlich Zeit für KREATOR ist, verwandelt sich jede mögliche Müdigkeit in Adrenalin, denn die Fans brennen auch zu später Stunde noch extrem für Deutschlands erfolgreichste Thrash Metal-Band. Die Essener Thrash-Institution reiht vorhersehbar Hit an Hit. Dabei wird deutlich, wie überzeugt die Band von ihrem aktuellen Material ist, denn die Mehrheit der gespielten Songs stammt von den Alben seit "Violent Revolution". Die euphorischen Reaktionen des Publikums geben KREATOR in dieser Hinsicht recht, denn die Fans fressen Frontmann Mille Petrozza bei allen noch so albernen Ansagen aus der Hand und jede Aufforderung, einen Moshpit zu starten, wird artig in die Tat umgesetzt. Nach dem aktuellen Reißer 'Civilization Collapse' ist erstmal Schluss, doch der stimmgewaltige Zugaben-Chor treibt die Band wieder auf die Bühne, wo man mit 'The Patriarch' und 'Violent Revolution' und dem Uraltdoppel 'Flag of Hate' und 'Tormentor' stilecht den Sack zumacht. Wie eingangs schon erwähnt, hätte KREATOR den Headliner-Slot in jeder Hinsicht verdient gehabt.

[Arne Boewig]

Redakteur:
Jakob Ehmke

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