SACRAL RAGE, SABOTER, ARMORY - Hamburg

07.04.2019 | 15:52

10.03.2019, Bambi Galore

Die griechischen Senkrechtfrickler auf Clubtour!

Da ist es wieder: Das Sonntag-Problem. Obendrein ist es auch der letzte Tag meines Urlaubes. Im Normalfall wäre dies eine eindeutige Entscheidung zugunsten der Sofakartoffel geworden, aber heute heißt das Lockmittel SACRAL RAGE und so komme ich nicht umhin, meine müden Knochen in Wallung zu bringen und die öffentlichen Verkehrsmittel quer durch die Hansestadt zu bemühen. Bevor allerdings die griechische Frickel-Thrash-Sensation auf die Bretter darf, gibt es zuerst mit schwedischem Retro-Speed aus dem Hause ARMORY kräftig etwas auf den Latz.

Die fünf Herrschaften aus Goetheburg gehen nach einem coolen Intro geht voll nach vorne ab. Die ungestüme Mischung aus Thrash und Speed läuft den leider sehr wenigen Besuchern offenbar von der ersten Note an gut rein, denn man sieht nur zufrieden wackelnde Köpfe vor der Bühne. Die Jungs um Sänger Petrus Andersson legen aber auch mit einer Spielfreude los, die ansteckend ist. Offenbar ist ihnen völlig gleichgültig, dass die Veranstaltung eher mäßig besucht ist, denn sie spielen, als sei der Teufel hinter ihnen her. Ach nee, bei ARMORY sind es eher Außerirdische, aber das spielt im Gesamtergebnis eine eher zweitrangige Rolle. Vor allem Bassist Jesper Lundin scheint die Bühne viel zu klein zu sein, denn er ist quasi permanent an allen Ecken zu sehen. Vielleicht hätte man die ziemlich opulenten Bühnenaufbauten doch weglassen sollen, aber die beiden Gestalten vom Cover ihres letzten Albums sehen schon klasse aus. Also: Alles richtig gemacht!

Schön eingestimmt geht es nun mit den griechischen SABOTER weiter, mit deren Musik ich weniger vertraut bin. Ich hatte das wohl mal angetestet und aus irgendeinem Grund nicht im Musikhirn abgespeichert. Als ich dann fünf Musiker mit roter Kriegsbemalung auf die Bühne gehen sehe, befürchte ich schon, es gäbe nun farbenfrohen Death Metal. Dem ist aber nicht so. Das Quintett liefert US Metal, der mal episch, mal leicht verschachtelt klingt. Eigentlich eine coole Mischung, die mir zusagen müsste. Im diesem speziellen Fall wollen die Songs aber so gar nicht zünden, was eventuell auch an ihrer optischen Darbietung liegen mag. Sänger Antonis Vailas, dessen Stimme zwar Gläser zerspringen lassen kann und der mehrfach sehr eindrucksvoll belegt, wie viel Luft er in seinen Lungenflügeln hat, ist mit seiner theatralischen Gestik für meinen Geschmack in seiner eigenen Welt gefangen. Völlig unvermittelt gestikuliert er mitten in den Songs mit den Armen in der Luft herum und schneidet Grimassen, die man vielleicht versteht, wenn man das vermeintliche Textkonzept kennen würde. Da habe ich meine Hausaufgaben nicht gemacht und bin daher verwirrt und auf Dauer sogar etwas genervt. Schade eigentlich.

Nun kann die wilde Fahrt aber endlich losgehen, denn es steht ein Auftritt einer meiner Lieblings-Newcomer von SACRAL RAGE an. Das Quartett aus Athen hat auf seinen beiden Longplayern schon eindrucksvoll bewiesen, dass sie wissen, wie man technisch anspruchsvollen Thrash mit Twists und Hooks schreibt, und das Livererlebnis am Keep It True-Festival 2015 war ebenfalls ganz großartig. Von daher bin ich also sehr gespannt, ob die Jungs ihr technisch höchst anspruchsvolles Material auch in einem kleinen Club unfallfrei und begeisternd zur Schau stellen können. Nach einem langen Intro geht es gleich zackig los. Alle vier Musiker stehen sofort in Flammen und dieses Feuer überträgt sich unwillkürlich auf die Zuschauer. Mit schlafwandlerischer Sicherheit jonglieren die beiden Saitenhexer Spyros und Marios durch die vielschichtigen Fragmente ihrer Songs. Dazu zwirbelt Vagelis vertrackte Takte ins Gehölz und bringt die Gliedmaßen in Wallung. Was jetzt wie eine wirre Irrfahrt im Notendickicht klingt, ist aber sowohl optisch wie auch akustisch von einer selbstverständlichen Leichtigkeit beseelt, die für Maulsperren sorgt. Vor allem, wenn man bedenkt, mit welchem Tempo die Jungs durch ihre Songs rasen. Im Mittelpunkt steht aber Sänger Dimitris, dessen theatralische Kabinettstückchen – im Gegensatz zu denen seines Vorsängers – ganz hervorragend zur Musik passen. Wenn er wie ein geistig Verwirrter nach den richtigen Takten sucht, hat man fast Mitleid mit ihm. Dass er sie immer findet, gebührt Hochachtung, denn seine Gesangsmelodien sind so etwas wie kleine Anker in den Notenfolgen der Mitstreiter. Obendrein gibt es dicke Pluspunkte für Shirts von Holy Terror und Voivod. Alles sehr geschmacksicher im Hause SACRAL RAGE. Leider, und das ist das einzige Manko dieses makellosen Auftrittes, ist das Spektakel sehr früh zu Ende. Oder kommt es mir nur aufgrund der ratzefatz verflogenen Zeit so vor? Kann ich rückblickend kaum mehr beantworten. Ich weiß nur eins: Das war ganz großes Kino und Seelenbalsam der allerersten Klasse. Wenn die Band sich so weiterentwickelt, will ich mir gar nicht ausmalen, wie großartig das in zwei Jahren aussehen wird.

Bitte ganz schnell wiederkommen!

Redakteur:
Holger Andrae

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