SALTATIO MORTIS und TABERNIS - Ulm
23.06.2025 | 11:5621.06.2025, Klosterhof Wiblingen
Heiße Mittelalter-Rockshow im altehrwürdigen Klosterhof zu Wiblingen. SALTATIO MORTIS startet die Finsterwacht-Burgentour in Ulm.
Burgentour? Schon mal gehört, nicht? Aber diesmal sind es nicht die Spielleute von IN EXTREMO, sondern die Mittelalter-Rocker von SALTATIO MORTIS aus Karlsruhe, die eine solche Tour veranstalten. Tourauftakt ist am Samstagabend im barocken Klosterhof zu Wiblingen nahe Ulm. Eigentlich schon eine Zusatzshow der erst für den Herbst geplanten Tour, zurückzuführen laut der Band auf den "phänomenalen Erfolg". Während des Sommers finden noch weitere dieser Zusatzshows in Saarbrücken, Singen, Creuzburg, Koblenz und Magdeburg statt, bevor im Herbst die ursprünglich geplante Tour durchstartet.
Zurück zum Ort des Geschehens. Als ich am Kloster ankomme, sind die für eine Veranstaltung dieser Größe viel zu wenigen Parkplätze natürlich schon längst belegt - sprich: Irgendwo im Ort parken. Na, die Anwohner werden's danken. Einen Shuttleservice vom Ulmer Hauptbahnhof gibt es zwar, der bringt aber recht wenig, wenn der erste Bus am Bahnhof losfährt, wenn schon der Einlass am Laufen ist. Aber gut, das ist eine andere Geschichte...
In diesem Fall ist das Konzert das dritte und nach der kurzfristigen Absage von HURTS ungeplant auch der letzte Event der von einer lokalen Tageszeitung und einem Radiosender präsentierten jährlichen Open Air-Reihe im Klosterhof. Die Tage zuvor waren bereits SAMU HABER (Ex-SUNRISE AVENUE) und der DJ Robin Schulz auf der Bühne.Naturgemäß überwiegt heute hier die Farbe Schwarz bei der Kleidung der angereisten Fans, Shirts aller möglichen Bands kann man erspähen, recht weit vorne sehe ich sogar einen jungen Mann im Shirt der japanischen Metalcore-Gruppe HANABIE.. Auch Fans mit Kriegsbemalung und/oder passend kostümiert finden sich nicht wenige, das obligatorische Trinkhorn bei einigen inklusive. Zusammen mit dem historischen Klosterensemble aus dem frühen 18. Jahrhundert, welches später als Kaserne, Schule und Altersheim genutzt wurde, bietet sich ein wahrhaft passendes Ambiente.
So langsam füllt sich der Platz an diesem sonnigen Sommerabend, der glücklicherweise warm, aber nicht brütend heiß daherkommt. Es ist noch taghell, was kaum verwunderlich ist, haben wir doch heute schließlich den längsten Tag des Jahres.
Meine Fotoregeln sind heute etwas anders - während der Show vom Platz aus darf ich die ganze Zeit schießen, zum Bühnengraben gibt es aber erst zum Zugabenblock Zugang. Der Grund dafür erschließt sich im Laufe des Abends. Also erstmal ein obligatorisches Konzertbier geschnappt (0,4 L Gold Ochsen Original im unbedruckten Plastikbecher für nen Fünfer... naja, Lokalmatador halt...), dann auf in Richtung Bühne. Da es ein Konzert quasi vor meiner Haustür ist, bleiben natürlich Treffen und Gespräche mit den einen oder anderen bekannten Gesichtern nicht aus. Die Schlange vor dem Merchstand ist sehr lang, weswegen ich mich dazu entschließe, diesem einen Besuch während der laufenden Show abzustatten. Das letzte Mal, dass ich SALTATIO MORTIS gesehen habe, war 2014 im an diesem Tag sehr heißen und dämpfigen Ulmer Zelt, ein paar Kilometer flussabwärts.
Zehn vor Acht, noch etwas vor der Zeit, geht es los, die Lautsprecher dröhnen und summen. Aber: auf der Bühne tut sich... nichts. Irgendwann setzen Trommeln ein, aber es ist immer noch nichts zu sehen... Des Rätsels Lösung (und ein Grund für die abweichenden Fotoregeln): Die als Support engagierte Zwei-Mann-Gruppe TABERNIS startet ihr Set auf der recht improvisiert wirkenden sogenannten B-Stage, inmitten des Publikums vor dem Tower mit dem Mischpult und der Lichttechnik. Es dauert nur kurz, bis sich das Publikum in die richtige Richtung dreht.
TABERNIS sind zwei Hobby-Imker aus Belgien mit einem Faible für mittelalterliche Marktmusik, die sie während der nächsten Minuten dort darbieten. Dabei werden lediglich ein Davul (eine in Osteuropa und Nahost gebräuchliche traditionelle Holztrommel) und eine Marktsackpfeife verwendet, die Spielleute treten in traditioneller Imkerkleidung auf, inklusive Korbdeckel vor dem Gesicht. Einige der historischen Melodien sind bereits sehr bekannt und wurden auch schon von Gruppen wie IN EXTREMO oder CORVUS CORAX genutzt.Ein Gutes an diesem Doppelbühnensetup ist: Es gibt keine Umbauphase - während TABERNIS sich zurückzieht, geht auf der Hauptbühne bereits die Show von SALTATIO MORTIS mit 'Finsterwacht' los. Hier ist dann auch der zweite Grund für die Fotoregelung ersichtlich: Die Band spielt mit dem Feuer, im wahrsten Sinne des Wortes! An der gesamten Bühnenfront sind Flammenwerfer aufgebaut, an der Ostseite ein weiterer großer Werfer, der riesige Flammen in den Himmel schießt. Würde die übliche Fotoregelung "First Three, No Flash" hier gelten, wäre der Fotograf spätestens nach dem dritten Song wohl mindestens Medium Rare - die Hitze der Flammen ist bis weit in das Gelände zu spüren.
Auf die 'Finsterwacht' folgt 'Schwarzer Strand', dann 'Brunhild', 'Odins Raben' und 'Der Himmel muss warten', allesamt eher neuere Werke der Gruppe. 'Kaufmann und Maid', ein von Ben Metzner (FEUERSCHWANZ, DARTAGNAN), Simon Frontzek (TOMTE), Rudi Meyer und Maximilian Williams als Teil einer Satire für die Sendung Late Night Berlin geschriebener und von verschiedenen Bands interpretierter Song bildet den Schlusspunkt des ersten Teils. Danach machen sich die Bandmitglieder um Alea den Bescheidenen samt historischen Instrumenten auf zur B-Stage, um dort mit TABERNIS zwei weitere Stücke zum Besten zu geben. Das mittelalterliche Stück 'Totus Floreo' sowie 'Was wollen wir trinken', worauf das ohnehin heute sehr feierfreudige Publikum eine Schippe drauflegt und lauthals mit einstimmt.
In kleinen Pausen zwischendurch hört man dann auch immer wieder den Schlachtruf - ein laut gerufenes "Saltatio!", erwidert vom Publikum mit einem lauten "MORTIS!!", und das immer dreimal hintereinander. Respekt an die Dame, die den ganzen Abend das "Saltatio!" und "Danke!" über den riesigen Hof ruft - heute ist da wohl Stimme schonen angesagt. Die Dreifachsalve wird mit einem "Danke!" von ihr und einem "BITTE!!" von den Fans beendet. Die Band ist mit 'Stella Splendens' auf dem Weg zurück zur Bühne, und während die Instrumentalisten hinter dem zwischenzeitlich hochgezogenen Vorhang ihre Plätze wieder einnehmen, stellt sich Alea auf ein Podest direkt vor das Publikum und stimmt mit diesem 'Pray To The Hunter' an - mit kurzer Panne: Ein Pyrotechnik-Körper geht ein wenig zu früh los, die Funken fliegen knapp am Vorhang vorbei. Nichts passiert, also weiter im Text beziehungsweise Takt. Ich mache mich derweil mal auf zum Merchstand, wo ich das Tourshirt und den obligatorischen Patch einsacke und auch TABERNIS um eine CD erleichtere.
Langsam setzt die Dämmerung ein und die Feuershows werden intensiver, je dunkler es über Ulm wird. Nach 'We Might Be Giants' folgt ein Ausflug in die nordische Mythologie mit 'Loki' und 'Heimdall', dann ein Schwenk ins Mittelalter. Alea und auch Schlagzeuger "Jéan Mechant Der Tambour" werden indes nicht müde, immer und immer wieder die hart arbeitende Crew im Hintergrund lobend zu erwähnen, dass ohne die solche Konzerte gar nicht machbar wären. Mit 'Prometheus' und 'Feuer & Erz' folgt das Ende des Hauptsets. Für mich wird es Zeit, zum Treffpunkt aufzubrechen, um von der Security in den Graben geleitet zu werden.
Auch hier wieder bekannte Gesichter, manche der Sicherheitskräfte kenne ich hier schon seit über zehn Jahren. Für Plausch ist aber keine Zeit, schließlich haben wir im Zugabenblock nur zwei Songs Zeit, Bilder zu schießen. Dieser wird mit 'Wo sind die Clowns' eingeleitet, womit der fehlende Humor in der heutigen Zeit angeprangert wird ("Wer hat das Lachen abgestellt?"). Zu 'Für immer jung' verwandelt sich der mittlerweile dunkle Klosterhof dann in ein wahres Lichtermeer, als Alea die Fans auffordert, die Taschenlampen an ihren Smartphones (die die meisten Zuschauer vorher lobenswerterweise in der Tasche gelassen haben) zu aktivieren. Gefühlt viel zu früh endet dann die Show mit dem 'Spielmannsschwur' und ein paar Dudelsackeinlagen um kurz nach zehn.
Die Abreise entpuppt sich als weniger chaotisch als gedacht, zwar gibt es kurzfristig Staus auf der Hauptstraße und in den Nebenstraßen, aber ich komme doch recht flott wieder vom Fleck. Ich denke, dass ich im nächsten Jahr dann aber doch lieber wieder mit dem Fahrrad zum Open Air komme, sollte was Interessantes für mich dabei sein. Alles in allem auf jeden Fall ein sehr gelungener Abend.
Darauf ein dreifaches "Saltatio!" - "MORTIS!!". "Danke!" - "BITTE!!"
Setliste: Finsterwacht; Schwarzer Strand; Brunhild; Odins Raben; Der Himmel muss warten; Kaufmann und Maid; Totus Floreo*; Was wollen wir trinken*; Stella Splendens; Pray To The Hunter; My Mother Told Me + Valhalla Calling; We Might Be Giants; Loki; Heimdall; Mittelalter; Vogelfrei; Keine Regeln; Rattenfänger; Prometheus; Feuer & Erz; Zugaben: Wo sind die Clowns?; Für immer jung; Spielmannsschwur
*) Auf der B-Stage
Text + Fotocredit: Michael Vogt
- Redakteur:
- Michael Vogt