SCHANDMAUL - Köln

11.05.2004 | 06:11

03.05.2004, LiveMusicHall

SCHANDMAUL sind gefährlich.
Wirklich. Bei der Truppe aus Bayern gibt man vor jedem Konzert sein 'Über-Ich' ab, gibt dem 'Es' einen Stock zum knabbern und amüsiert sich als pures 'Ich' hemmungslos auf mit der aufstrebenden Folkrocktruppe, ohne wirklich mitzubekommen was geschieht.
So auch an diesem ziemlich düsteren Montag, als die Bayern das Kölner Volk zum dritten Mal in 3 Jahren in die LiveMusicHall riefen, um es mit dem Stoff des neuen Albums live zu bezierzen.
(einen Bericht über eine Vorband gibt es dieses Mal nicht, da die Kölner Verkehrsbetriebe mich eine geschlagene Stunde zu spät kommen ließen)
Schon beim Eintreten wurde mir bewusst dass die Bayern kräftig an Bekanntheit zugelegt hatten: wo letztes Jahr die LMH noch halb voll war, war die Bude dieses Mal gut gefüllt.
Nach einer Weile des Umbaus wurde es dann endlich duster, und man bekam sofort eine der größten Änderungen an Schandmaul zu sehen: die Band hatte vermehrt in Lichttechnik investiert, und so zogen zwei Lichtwerfer projizierte Schiffe durch den Nebel.
Als Frontmann Thomas dann noch die Einleitung vom "Geisterschiff" ins Mikro raunzt ist das Kommando für die versammelte Fanschaft gekommen. SCHANDMAUL werden mit einem Getöse begrüßt dass ich normalerweise nur von "größeren" Acts gewohnt bin. Der Jubel ist dann aber auch das einzige was an den Gig einer Headlinerband erinnert. SCHANDMAUL zocken von Anfang an locker und gut gelaunt ihr Set durch, beeindrucken durch die technisch aufwendige Lichtshow (da konnte wohl wer beim Einkaufsbummel nicht genug kriegen) und die professionelle Darbietung ihrer Lieder. Sänger Thomas schien selber von dem Raketenartigen Aufstieg seiner Band überrascht zu sein, und auch (und gerade) ihm blieb nicht verborgen dass sich das Volk der SCHANDMAUL-Fans fleissig vermehrt hat (O-Ton: Vor 2 Jahren hatten wir hier viel Spass... hier vorne... vor einem Jahr hatten wir auch viel Spass... bis hier .... und heute? Heute ist die Bude voll! Dankeschön!) Dementsprechend begeistert ging die Band auch ans Werk. Songs wie "Leb!", "Der Sumpf" und der "Drachentöter" werden auf das Publikum losgelassen, welches diese mit der gleichen Begeisterung aufnimmt, und sich quasi komplett tanzend und mitgehend der Musik der Band hingibt. Die Show knallte vor allem um einiges mehr als vor einem Jahr, auf dem Abend hatte man das Augenmerk eindeutig auf ROCK gelegt, und so konnte man sich bei den schnelleren Songs nicht zwischen Tanzen und Bangen entscheiden.
Die Band hatte auf der Bühne den Mordsspass den man von der Truppe gewohnt war und beschäftigte sich zeitweise lieber mit sich selbst als mit dem Publikum (ja, sie haben sich alle SEHR lieb), das Set wurde beinahe fehlerfrei heruntergedudelt, und zu der eh schon mit positiven Schwingungen um sich werfenden Musik gesellten sich noch die Ansagen des Frontmenschen, der seinen Status als Bühnenkomiker zementierte.
Das Set bestand quasi zu gleichen Teilen aus den 4 Alben, Publikumslieblinge wie "Das Teufelsweib", "Dein Anblick", "Sichelmond" und "Vogelfrei" gesellten sich neue Songs wie "Der Tyrann", "Der Stein der Weisen" und "Das Duell", die ausnahmslos gefeiert wurden als gäbe es nichts anderes auf der Welt.
Nach einer Ewigkeit voll Folkrock, wohlklingender guter Laune, lichterfülltem Nebel und einer nach Schweiss und Bier stinkenden Meute wollten SCHANDMAUL doch glatt ihren Abschied machen, wurden von der gierigen Menge aber vehement auf die Bühne zurückzitiert.Nach drei weiteren Songs wollte das Volk seine Helden immer noch nicht gehen lassen (die Band widmete diesem Fans-Band Zusammenhalt dann auch gleich den neuen Albumtitel), und erst als Thomas nach der zweiten Zugabe den Musikhungrigen versprach nachher zusammen mit ihnen etwas gegen den gemeinsamen Durst zu tun gab es einigermaßen Ruhe.

Im nachhinein betrachtet war das Konzert noch besser als man es schon fand als man mittendrin im Hexenkessel war. Die üppige technische Ausstattung erschien mir bisweilen zwar etwas kitschig, das war dann aber auch der einzige (und verschwindend unwichtige) negative Punkt des Abends. Ansonsten faszinierten SCHANDMAUL mit einer perfekten Performance, einer mitreissenden Art und Weise das Volk um den Finger zu wickeln, und einer Musik die die Raffinesse und gute Laune des Folk mit der besitzergreifenden und energiegeladenen Macht des Rock'n'Rolls vermischt. Eigentlich sind SCHANDMAUL-Konzerte eine Droge, und gehören in das Betäubungsmittelgesetz (gibt es auch ein Abrockmittelgesetz?): man weiss nicht wie einem geschieht, lacht sich halb tot, führt seltsame Verrenkungen auf (besonders der Freak der im hinteren Teil der LMH eine abstrakte Mischung aus Headbangen, Matrix-KungFu-Stunts und Stillstehen aufführte), reisst fasziniert die Augen auf, gibt komische Laute von sich und verliert absolut das Zeitgefühl.

Ich habe nicht den geringsten Schimmer wie lange SCHANDMAUL da ihren musikalischen Bannzauber zelebrierten, aber jede Sekunde war es mehr als nur wert.

Redakteur:
Michael Kulueke

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