SKÁLMÖLD und METSATÖLL - Hamburg
19.10.2023 | 13:3315.10.2023, Headcrash
Viele Stimmen und viel Stimmung.
Die isländische Formation SKÁLMÖLD hat sich in den letzten Jahren einen festen Platz im Folk-Metal-Olymp erkämpft. Nach einem erfolgreichen Festival-Sommer und der Veröffentlichung des neuen Krachers "Ýdalir", steht endlich eine erste eigene Headliner-Tour durch Europa an. Verdient. Da sich mit METSATÖLL zusätzlich auch noch die beste Band des Baltikums angemeldet hatte, war der Hamburg-Termin schnell im Kalender blockiert. So geht es dann für meinen Kompagnon Daniel Lindhorst und mich, an einem gleichermaßen sonnigen wie verhagelten Samstagabend, nach St. Pauli ins Headcrash. Da die Anreise etwas weiter ist und wir beide zunächst noch unseren familiären Verpflichtungen nachkommen müssen, entscheiden wir, dass es ausreicht, zum angekündigten Konzertbeginn um 19 Uhr in Hamburg zu sein. Nach einer längeren Parkplatzsuche an der Reeperbahn sind wir dann beinahe pünktlich und sind zunächst etwas erstaunt über den komplett gefüllten Laden.
Es dauert etwas länger bis ein kühles Bier in unseren Händen ist und wir erneut erstaunen. Die Vorband namens ATAVISTIA hat wohl schon gespielt. Schade, kommt die Band doch aus Kanada und klang beim Testhören gar nicht so verkehrt. Es ist wirklich bedauernswert, dass vom Veranstalter vorab nicht klar kommuniziert wurde, wann es wirklich losgeht. Passiert immer wieder und ich bin jedes Mal wütend und kann beim besten Willen keinen Sinn dahinter sehen, warum so mit Bands und Fans umgegangen wird. Leider kann ich zum Auftritt natürlich nichts sagen, und lege stattdessen jedem Freund des melodischen und symphonischen Death Metals der Marke WINTERSUN nahe, die Band einmal anzutesten.
So beginnt schon um halb acht die zweite Band des Abends. Und auf diese habe ich mich im Vorfeld besonders gefreut. Seit ich METSATÖLL 2010 in Wacken sah, bin ich dem Sound der Gruppe aus der estnischen Hauptstadt verfallen. Leider war dies auch der einzige Live-Kontakt mit den baltischen Wölfen. Das sehr sehenswerte Corona-Stream-Konzert mal ausgenommen, das es übrigens immer noch bei YouTube zu sehen gibt. Umso mehr bin ich begeistert, als das stimmungsvolle Intro des aktuellen Albums "Katk Kutsariks" vom Band läuft. Die versammelte Meute vor der Bühne ist zwar zahlreich, reagiert aber eher verhalten. Doch nach kurzer Zeit scheint das Eis gebrochen und es wird gejubelt und gejohlt. Dabei ist der Folk Metal METSATÖLLs ja so ziemlich das Gegenteil von Partymusik.
Gerade live klingt der Vierer ziemlich hart und arbeitet mit seinen vertrackten Rhythmen eher im progressiven Thrash Metal, woran Schlagzeuger Tõnis Noevere einen großen Anteil haben dürfte. Dass dabei die Folklore nicht zu kurz kommt, dafür sorgt "Varulven" Lauri Õunapuu mit Sackpfeife, Maultrommel und Zither. Beeindruckend auch seine tiefe Stimme, die manchen Songs nochmal eine ganz neue Dimension verpasst. Auch Hauptsänger und Gitarrist "Rabapagan" Markus Teeäär ist bei bester Stimme und Laune und sorgt mit ein paar deutschen Ansagen für Jubel. Ich bejubele gleichermaßen den für diese kleine und enge Location erfrischend klaren Sound, der den Bass von Raivo Piirsalu direkt in die Gedärme treibt. Beim Hit 'Kivine Maa' brechen irgendwann die meisten Dämme und man hört allerorten den Versuch, die estnische Sprache nachzuahmen. Auch der tänzerische Ausflug ins Publikum kommt sehr gut an. Besonders gefallen hat mir die Darbietung des Ritualgesangs 'Metsaviha', das mir etliche Schichten Gänsehaut auf den verschwitzten Körper zaubert. Wahnsinn. Leider ist nach fünfzig Minuten schon alles vorbei, ich hätte METSATÖLL heute ewig zuhören können.
Nach kurzer Umbauzeit, die wir dafür nutzen, die mitgebrachten Waren aus Estland gegen Geld einzutauschen und etwas frische Hamburger Regenluft zu schnappen, stehen ohne große Umschweife dann auch schon die Headliner des Abends auf der Bühne. Die bei der versammelten Mannschaft übrigens noch kleiner wirkt. Immerhin stehen hier bei SKÁLMÖLD gleich drei Gitarristen auf der Bühne, was gemeinsam mit Keyboarder, Bassist und Schlagzeuger ganze sechs Personen ergibt. Bestens aufgelegt verkündet Frontmann Björgvin Sigurðsson nach dem Intro und mit einem Tränchen im Knopfloch, dass das Headcrash heute ausverkauft sei und dass dieser Umstand der Band auf der ersten Europatour als Headliner einiges bedeute. Sympathisch. Das gilt auch für den ganzen Auftritt, bei dem neue Songs der Marke 'Ratatoskur' (zu dem es auch ein wirklich süßes Eichhörnchen-Shirt am Merch-Stand gibt) oder 'Verðandi' genauso gut ankommen wie schon bekanntere. Dabei steht "Ýdalir" natürlich im besonderen Fokus und wird gleich mit fünf Songs repräsentiert.
Ich bin eigentlich schon direkt begeistert, als ich Baldur Ragnarsson auf der Bühne entdecke. Der Gitarrist steuert gerade auch live derart wahnwitziges Geschrei bei, dass mir immer wieder eine Gänsehaut auf dem Trommelfell wächst. Klingt jetzt irgendwie eklig, aber so ist es eben. Er, und auch sein Bass spielender Bruder Snæbjörn, grinsen sich im Prinzip durchs gesamte Set, was sich direkt auf mich überträgt. Als Gegenpol zum ganzen Geschrei und -brüll in der ersten Reihe, agiert Tastenmann Gunnar Ben mit seinem wunderbaren Klargesang. Und um das Bild komplett zu machen, greift auch Drummer Jón Geir Jóhannsson noch zum Mikrofon und singt seine Strophen derart zart und wohlklingend, dass man kaum glauben mag, dass der gleiche Mensch kurz davor noch so brutal seine Felle verkloppt hat. Wir haben also heute mit nur zwei Bands sechs Musiker gehört, die wenigstens phasenweise den Leadgesang übernommen haben. Großartig.
Während ich teilweise das Gefühl habe, SKÁLMÖLD und meinen Ohren würde eine kurze Pause gut tun, weil der Sound schon sehr dicht ist, machen die Isländer munter weiter. Irgendwann zum Ende hin wird noch eine Schneekanone ausgepackt, was den kalten Klängen noch etwas mehr Atmosphäre verschafft. Zum Schluss wird mit 'Kvaðning' noch eine ziemlich alte Kamelle ins Rund geschmissen, dass mich in meine Erinnerungen zurückwirft, als meine Schwester einige Monate in Island verbrachte und mir als Geschenk eine CD namens "Baldur" mitbrachte, auf der mir eben dieser Song direkt gefiel. Und während ich noch schwelge und kopfnicke, verkündet die Band auch schon, dass der Gig nun vorbei sei. Das ging aber schnell. Nach etwa 75 Minuten gehen heute die Lichter wieder an und wir treten, fast noch im Hellen, um 22 Uhr den Rückweg an. Naja, dann ist man wenigstens am nächsten Tag nicht so müde. Der Abend war somit etwas kurz, aber definitiv lohnenswert und für Freunde von Folk Metal mit Köpfchen und angenehm wenig Tralala ein Muss.
Fotos: Daniel Lindhorst
- Redakteur:
- Marius Luehring