SUMMER BREEZE 2019 - Dinkelsbühl
18.09.2019 | 20:0618.08.2019, Flugplatz
Der Metal-Marathon von Dinkelsbühl, die 23.
Endspurt. Schade, das Festival ist schon fast wieder vorbei, aber eine Tag und 35 Bands gibt es noch, stürzen wir uns also erneut ins Gewühl!
Ich bin früh auf dem Gelände und höre von weitem schon den Metalcore von EVERGREEN TERRACE, für den ich aber noch nicht wach genug bin. Zumal es nieselt. Nein, ich gehe erstmal in den Pressebereich, mal schauen, wer von den anderen Fotografen schon da ist und trinke erstmal einen Kaffee. Nach einem Viertelstündchen kommt mir aber die Idee, dass ich ja mal zur Wera Tool Stage schauen könnte, wo jetzt HIGHER POWER spielt, denn da gibt es ein kleines Dach, sodass die Kamera nicht nass würde. Gesagt, getan. Das Wetter ist mies und der Sound auch! Das ist tatsächlich der schlechteste Sound, den ich bisher auf dem diesjährigen SUMMER BREEZE gehört habe und den wir alle allgemein eher Tönen gelobt haben, vor allem vor der Hauptbühne. Kann am Fotograben liegen, aber auch später, als ich von weiter hinten noch ein wenig lausche, ist es kaum besser. Die Band bemüht sich redlich, auch wenn es mich irritiert, dass der Sänger immer das Mikro an die Nase hält, was ziemlich seltsam aussieht, und einer der Gitarristen bei der Wahl seiner heutigen Kopfbedeckung ziemlich daneben gegriffen hat, kann aber letztendlich gegen die Umstände nicht punkten, zumal ich von den Briten nichts kenne. Das sind denkbar schlechte Voraussetzungen und ich gehe rüber zur Main Stage, während mir einige mit Feierfreude in den Augen entgegenkommen und zu MR. IRISH BASTARD zur T-Stage gehen.
Aber das Gedudel lasse ich links liegen, für mich ist jetzt Pflichtprogramm auf der Hauptbühne, denn da folgt BRAINSTORM. Mit dem Album "Midnight Ghost" hat man gerade einen neuen Karrierehöhepunkt erklommen, was die Schwaben auch in der Setliste deutlich werden lassen. Von acht Liedern stammen gleich fünf vom aktuellen Album! Das kommt aber nicht unerwartet, denn bis auf ein Lied ist der heutige Auftritt der gleiche, den die Band auch schon erfolgreich auf dem BANG YOUR HEAD vor vier Wochen aufs Parkett gelegt hat. Auch heute verfehlen die neuen Hymnen ihre Wirkung nicht und obwohl es für die Band natürlich viel zu wenige Zuschauer sind, versammeln sich doch beachtlich viele trotz des Regens vor der Hauptbühne. Die Band hat ganz offensichtlich Spaß und Frontkomödiant Andy B. Franck holt aus den Anwesenden das Optimum heraus, als bereits früh im Set der Kracher 'All Those Words' intoniert wird. Die einzige Show ist wieder die junge Dame als bewegliche Dekoration bei dem Lied 'Jeanne Boulet (1764)', die ich immer noch für irgendwie zu wenig halte. Dann lieber gar nicht. Aber egal, wir schmettern die großartigen Melodien mit und liegen uns am Ende bei 'Ravenous Minds' in den Armen. BRAINSTORM 2019 ist in Deutschland die Latte, an der sich alle anderen messen müssen. Warum stellt man die eigentlich immer so früh auf die Bühne?
Setliste: Devil’s Eye; Worlds Are Comin’ Through; Revealing The Darkness; Jeanne Boulet (1764); All Those Words; The Pyre; Firesoul; Ravenous Minds
Deathiger Thrash aus unseren Landen folgt auf der kleinen Wera Tool Stage. Die Franken FINAL BREATH schicken sich an, ihr aktuelles Album "Of Death and Sin" zu unterstützen, das sie beinahe ein einhalb Jahrzehnte nach dem Vorgänger "Let Me Be Your Tank" letztes Jahr auf die Thrashmeute losgelassen haben. Das ist genau der Sound, den ich mit der kleinsten der drei Hauptbühnen verbinde und dementsprechend ist auch das Publikum bereit für ein paar rifflastige Nackenbrecher. Dreißig Minuten ist eine kurze Spielzeit, mögen sich die Jungs gedacht haben, und machen deswegen keine Experimente, sondern holzen sechsmal direkt und ohne Umwege brachial los. Aggression pur, gepaart mit tödlichen Riffs - eine beeindruckende Visitenkarte der Fünf aus Lohr.
Eines vorweg: Es gibt keinen "A Capella Metal". Metal hat Gitarren, A Capella hat keine Gitarren, folglich ist das einfach kein Metal, sondern ein Imitat, umgefähr so wie Lachsersatz. Sieht ähnlich aus, ist aber kein Lachs und schmeckt auch nicht so. Sondern furchtbar. VAN CANTO ist der Lachsersatz des Metal. Man kann kurz glauben, es wäre das echte Produkt, stellt dann aber fest, dass es eben doch nur schlecht ist. Was hat nun ein solches Imitat auf dem SUMMER BREEZE verloren? Fragt mich nicht, ich weiß es nicht. Zumal auch noch etwa die Hälfte des Sets aus Coverversionen besteht. An dieser Stelle muss ich dann meine Aversion gegen das Geschehen auf der Bühne kurz ausblenden, denn die Vokalakrobatik an sich, die die sieben Musiker, unter denen sich mittlerweile auch ein Schlagzeuger befindet, darbieten, ist beeindruckend, sowohl von den erzeugten Geräuschen allgemein wie auch die Arrangements betreffend. Trotzdem, das hat mit Rock und Metal nichts zu tun und ist meiner Ansicht nach hier völlig deplatziert. Zum Glück hat man ein Einsehen und beendet die überaus schreckliche Coverversion von IRON MAIDENs 'Fear Of The Dark' vorzeitig. Danke dafür.
Eine ganz beondere Sache ist ein Auftritt von SKÁLMÖLD, so wie er jetzt kurz nach dem Mittag auf der T-Stage ansteht. Nicht unbedingt musikalisch, der Viking Folk der Isländer ist gut, aber nun nicht so originell, dass nicht auch andere Bands ähnliche Musik machen würden, aber ungewöhnlich wird das Konzert der Barfüßigen dadurch, dass sie ausschließlich in ihrer Muttersprache singen. Da der Anteil an Isländern in Deutschland, im nicht-isländischen Rest der Welt und auf dem SUMMER BREEZE naturgemäß klein ist, muss die Band hauptsächlich auf ihre Musik setzen, um die Zuhörer zu überzeugen. Diesbezüglich ist SKÁLMÖLD allerdings auch sehr abwechslungsreich unterwegs. Wie es sich für diesen Stil gehört, dominiert der gutturale Gesang von Sänger und Gitarrist Björgvin Sigurðsson die Lieder, aber Keyboarder Ben steuert Klargesang bei und alle Bandmitglieder veredeln die Stücke mit beeindruckenden Chören. Dabei spielen alle ihren Set engagiert, aber entspannt, ein auffälliger Kontrast zu den vielen Core-Bands, deren Auftritte dagegen wie ein Duracel-Häschen mit ADHS wirken. Leider können wir alle die nordischen Geschichten nicht verstehen, was schade ist, denn Björgvin hat durchaus beachtliche Textmengen zu erzählen, aber allein die musikalische Seite der Band ist heute wert, pünktlich einen Platz vor der T-Stage einzunehmen, auf der Bilder des aktuellen Albumcovers "Sorgir" für ein wenig Frost im August sorgen.
BURY TOMORROW ist irgendwie ein interessantes Phänomen, auch heute am frühen Nachmittag auf dem SUMMER BREEZE. Einerseits kann man den Engländern beim besten Willen keinen Originalitätspreis verleihen, dafür klingt der Metalcore viel zu sehr nach Bands, die man bereits bestens kennt: viel ALL THAT REMAINS, ein wenig KILLSWITCH ENGAGE, ein Schuss AS I LAY DYING und das ein oder andere Zitat hier und da – fertig ist der BT-Sound. Andererseits sind die Songs schlichtweg griffig und gut. Damit wäre die Zielgruppe dann auch schon definiert, die sich in großer Zahl versammelt hat, um diese wirklich über beide Backen sympathische Band abzufeiern. Dieses andauernde Bedanken geht einem ja durchaus auch mal auf den Senkel, bei BURY TOMORROW heute aber komischerweise nicht. Die Band zelebriert vor allem ihr letztes Werk "Black Flame", reißt beim Publikum auch gut damit ab, bedankt sich zusätzlich bei der Security und sorgt gleichzeitig dafür, dass diese für ihr Geld auch ins Schwitzen kommt. Bei all der Fannähe, dem Bad in der Menge, der Ansage, dass der Band der VIP-Status gar nichts bedeute und so weiter, wundert man sich am Ende nur ein wenig, dass die anberaumte Spielzeit von sechzig Minuten um zehn Minuten (!) nicht genutzt wird. Wahrscheinlich, damit der Sänger (wie angekündigt) mit jedem, der Bock darauf hat, nach dem Gig abklatschen kann. Nun gut. Abseits davon eine schicke Party im Metalcore-Querschnitt, die sich jeder Genre-Freund geben sollte.
[Oliver Paßgang]
Hm, Pause. Oder ich guck bei RECTAL SMEGMA rein. Kenne ich nicht, aber die kleinen Bands brauchen Unterstützung. Also geh ich mal rüber. Der Sänger hat nur eine giftgrüne kurze Hose an, die offensichtlich ein Partnerlook zur Gitarre seines Bandkollegen sein soll und ist sonst fett tätowiert, kippt aber noch vor Beginn des Gigs sein Bier um. Ein schlechtes Omen? Keine Ahnung, denn nach einem Dancefloor-Intro beginnt ein Grindcore-Massaker. Ich bin völlig überfordert, deshalb nur die Facts, beurteilen kann ich das nicht: Eine beachtliche Crowd nimmt die Geräuschkulisse der Niederländer wohlwollend auf und eskaliert an der Front zu den heftigen Gewittern der Vier. Ich geh dann mal lieber.
Samstagnachmittag finde ich mich bei RISE OF THE NORTH STAR an der T-Stage ein. Ich bin da nicht der einzige, die Menge an interessierten Fans ist für diese frühe Uhrzeit wirklich äußerst beachtlich. ROTNS stammt aus Frankreich und bietet dem geneigten Hörer ein Rap Core-Potpourri mit Japan- beziehungsweise Manga-Background. Die Jungs tragen Einheitskleidung und unterscheiden sich eigentlich nur in der Wahl einer Kopfbedeckung: Sänger Victor "Vithia" Leroy trägt zum Beispiel eine Art Helm-Maske, die an Magneto von den X-Men erinnert. Gitarrist Brice Gauthier hat sich für die Hannibal Lector-Maske entschieden, die man wirklich zu jeder Gelegenheit tragen kann. Der Pit bei Songs wie 'Here Comes The Boom' oder 'What The Fuck' ist riesig, es bilden sich zusätzlich überall kleinere Mini-Pits. Auch mehrere Walls of Deaths dürfen nicht fehlen, allerdings wird bei ROTNS eher Vollkontaktsport betrieben - die Karate-Kid-Fraktion ist im Pit in hoher Zahl vertreten. Hier gibt es keine Gentleman-Regeln im Pit, sondern auf die Zwölf. Bei 'The Legacy Of Shi' ist die Stimmung am Siedepunkt, höchsten Respekt für die Leistung, um kurz nach vier am helllichten Tag die Massen so zu aktivieren. Wieder mal nervt die Main Stage mit Überlagerungen von leiseren Passagen. Davon gibt es aber nicht allzu viele, weswegen das hier gerade noch verschmerzbar ist. Insgesamt performen die Jungs um Vithia ordentlich und werden dafür vom Publikum angemessen gefeiert.
[Hagen Kempf]
Dass EQUILIBRIUM zur besten Mittagszeit spielt und dabei gerne mal das Publikum bis zur Grenze der Belastbarkeit bringt, ist hinlänglich bekannt. Dass Robert Dahn als Schreitröte dabei auch gerne mal etwas ausfallender in der Wortwahl wird ("Jetzt haltet doch alle mal die Schnauze!" - "Macht doch mal ne Woll off Däss!"), liegt wohl an seinem brandenburgischen Schlappmaul und gehört seit 2010 zu EQUILIBRIUM dazu wie die Schnürsenkel zu den Schuhen. Als Eröffnungsgebet gibt es 'Prey' zu hören und schon fliegen die ersten Haare und Diver. Richtig wild wird es bei 'Karawane', in der Robse das Publikum zur besagten Wall of Death auffordert. Die folgenden Lieder tragen ihr Übriges dazu bei, dass die Stimmung nicht abflaut und die "Grabenschlampen" ordentlich zu tun haben. Ein besonderes Lied sei hier doch hervorzuheben, ein Cover von THE HOOTERS, natürlich 'Johnny B' in dem EQUILIBRIUM-typischen Stil. Aus Robses eigenem Mund "Weltpremiere!". 'Blut im Auge' darf selbstverständlich nicht fehlen und kündigt als vorletztes Lied das Ende an, das mit 'Apokalypse' dann auch eintritt. Apokalyptisch war der Auftritt zum Glück nicht, auch wenn jeder sich jetzt wohl nach so viel Schwitzen und ausgelaugten Kehlen nach einem Bier oder Met sehnt. Klasse gemacht, Jungs!
[Benjamin Kutschus]
Gerade noch Rap Core, jetzt direkt wieder progressiver Metal mit Death-Anleihen: Auf der Wera Tool Rebel Stage steht um halb fünf OCEANS OF SLUMBER aus Houston. Vor der Bühne ist es zwar nicht brechend voll, es sind aber doch einige Fans gekommen. Das merkt man auch an dem frenetischen Applaus, als die Jungs und Mädels die Bühne betreten. Die Musik von OCEANS OF SLUMBER ist schwierig zu beschreiben: Es handelt sich um ein Gemenge aus Progressive Rock mit Death Metal-Elementen, ab und an durchzogen von Blastbeats. Besonders auffällig ist dabei Sängerin Cammie Gilbert, die über ein gewaltiges Stimmspektrum verfügt und teilweise fast wie im Soul oder Blues singt. Dass es bei den Amis gerne aber auch mal ein wenig härter zugeht, lässt einen das DARK FUNERAL-Shirt erahnen, das Cammie trägt. OCEANS OF SLUMBER eröffnet mit dem zu Beginn eher doomigen und langsamen 'The Decay Of Disregard', dem Opener vom aktuellen Album "The Banished Heart". Anfangs ist Cammies Stimme etwas schwierig zu verstehen, dies wird aber zügig besser. Zugeben ist die Leistung, welche die Sängerin hier live darbietet, wirklich über jeden Zweifel erhaben. Wer die Band schon mal auf Platte gehört hat: Cammie ruft diese Fähigkeiten auch in der Realität ab. Richtig, richtig gut! Leider sind durchgehend die Growls von einem der Background-Sänger zu leise, insgesamt ist der Sound aber akzeptabel. Die Fans gehen sehr gut mit. Die Songs von OCEANS OF SLUMBER bewegen sich, wie in solcher Musik üblich, jenseits der acht Minuten. Daher schaffen es die Texaner tatsächlich, in ihrem Slot nur vier Lieder unterzubringen. Als letztes hören wir 'The Banished Heart', eher eine Ballade, in der Cammie nochmal zeigt, was sie draufhat. Definitiv sehr schade, für mich ist OCEANS OF SLUMBER eine der völlig unerwarteten Überraschungen auf dem diesjährigen Summer Breeze, von der ich gerne noch viel mehr gehört hätte.
Am späten Nachmittag findet sich eine doch beachtlich große Menge vor der Main Stage ein, um LORDI beizuwohnen. Die Finnen treten wie gewohnt in aufwändig gestalteten Kostümen auf und bauen eine ganze Reihe Trashfilm-würdiger Szenen in ihr Set ein. Wir sehen beispielsweise Zombie-Schulmädchen auf der Bühne krabbeln, es wird eine ganze Menge rotes Konfetti verschossen und vor einem Bass-Solo darf der gute Ox alleine auf der Bühne stehend erstmal eine Nonne töten - natürlich in hochnotpeinlicher Inszenierung. Das Bass-Solo wird dann ordentlich mit Elektro unterlegt. Im Lauf des Sets jammt LORDI noch 'We're Not Gonna Take It' an, bevor am Schluss natürlich Mr. Lordis Flügel aufgespannt werden. Der Sound ist okay, allerdings sind die Drums zu Beginn etwas zu laut. Die Fans gehen bei Songs wie 'Would You Love A Monsterman' ordentlich mit, die Mitsingparts funktionieren ganz gut. Mr. Lordi plaudert zwischen den Songs vor sich hin und unterhält das Publikum mit denkwürdigen Sätzen wie "es ist scheiße heiß hier ... Titten! That's all I can say in German. Oh wait, I know Arsch". Bei 'Naked In My Cellar' fühlen sich selbstverständlich ein paar Damen und Herren berufen, genau dieser Aufforderung zum Ausziehen nachzukommen. Insgesamt ist die Stimmung gut. Höhepunkt der Show ist natürlich das allseits bekannte 'Hard Rock Hallelujah', bei dem wirklich jeder und seine Mutter mitgrölen kann. LORDI unterhält die Massen sehr gut, auch wenn sich das ganze Thema über die Jahrzehnte natürlich irgendwie abnutzt hat.
[Hagen Kempf]
Auf der T-Stage gibt es wieder Hardcore. NASTY schickt die belgische Variante ins Spiel, aber seltsamerweise ist es relativ leer vor der Bühne. Dann geht die Show los, der Basser rockt heftig los, aber Sänger Matthias Tarnath hat irgendwie das Wetter falsch eingeschätzt und ist definitiv zu dick angezogen, lässt aber den Coolen raushängen. Hart geht es zur Sache, was mich nicht überrascht, ich habe die Burschen vor ein paar Jahren schon mal gesehen und erwarte eine Hardcore-Walze. Mikromann Tarnath animiert dann auch das Publikum, weiter nach vorne zu kommen, die Lücken zu schließen und nicht nur einen Circle Pit zu starten, sondern sogar einen "Tornado". Und die Hände in die Höhe zu recken, "für die Amis macht ihr das auch" und "für die Stimmung". Jungs, für die Stimmung wäre es gut, wenn ihr mal ein paar mitreißende Stücke spielen würdet. Ich habe jetzt zwei Lieder gehört, meine ich, aber Breakdowns und Enden für sieben Stücke. Bis wir den Fotograben verlassen müssen, kommt kein einziger Crowdsurfer hinter mir an. Das habe ich anders erwartet, das war auch früher anders, der Funke springt wirklich überhaupt nicht auf das Publikum über. Heute ist NASTY weitgehend eine Hardcore-Havarie. Ich bin kein Experte, aber dass es so leer ist vor der T-Stage, vermittelt mir den Eindruck, als seien die Belgier momentan in der Szene nicht angesagt.
Frauen. Das ist der einzige Grund, den ich mir denken kann, weswegen es plötzlich so voll ist im Fotograben vor der Wera Tool Stage. Anlass für alle Fotografen, Witzchen zu reißen. Aber auf Kosten der Männer, die Damen lästern in die Richtung "Denkt dran, die Gesichter scharf stellen!" Ja, ja, wie lustig. Denn die BURNING WITCHES bitten nun zum schwermetallischen Tanz. Neu dabei ist Sängerin Laura Guldemond, die vorher SHADOWRISE veredelt hat, die aber souverän agiert und keinen Fremdkörper im Erscheinungsbild der fünf Damen darstellt. Kompromisslos rocken die brennenden Hexen nach vorne und ein Meer aus Haaren bangt ihnen entgegen. Eine halbe Stunde Spielzeit ist natürlich wenig, aber der Slot um 18:00 Uhr ist gut, außerdem direkt vor GRAND MAGUS. Dementsprechend groß ist der Zuspruch, den die Band mit einem starken Auftritt rechtfertigt. Klassisch metallisch. Gut.
Traditioneller Metal ist ja eigentlich meine Kragenweite, also pilgere ich rüber zur T-Stage, auf der jetzt GRAND MAGUS mal einen Kontrapunkt zu Death Metal und Core setzen darf. Grundsätzlich finde ich die Schweden ja auf Konserve eher dröge, aber live weiß die Band sich immer viel besser zu verkaufen und die oftmals deutlich zu lang geratenen Lieder von den mittlerweile neun Studioalben der drei erdigen Rocker wirken als Mitsing-Stücke intensiver. So auch heute, denn die Tour durch die Diskographie der Skandinavier, die immerhin fünf ihrer Alben berücksichtigt, erweist sich als beste Futter für die Stimmbänder der Anwesenden. Die Textsicherheit ist bereits bei Vielen zu Beginn der Lieder groß, bei denen ein Augenmerk auf den epischen Stücken liegt, aber spätestens nach der ersten Wiederholung des Refrains grölen die Metaller bis hinter den Soundturm mit. Ja, was auf Platte über ein gediegenes Mittelmaß nicht hinauskommt, ist live tatsächlich heute ein "Hammer Of The North".
Ein kleiner Hauch von Hype lag in den letzten Tagen doch immer mal wieder in der Luft, wenn die Sprache auf GUTALAX kam. Shirts hier, Klobrillen da... Die Show warf ihre Schatten voraus. Und so war es nicht wirklich überraschend, dass eine riesige Traube an Menschen mit Klorollen, Klobürsten, Plastiktieren, Strandbällen und diversem anderen Krempel vor der beinahe zu kleinen "Wera Tool Rebel Stage" versammelt waren, um eine dieser Grindcore-Partys der absurderen Art zu feiern. Selbst wenn man sich schon lange auf Metalfestivals bewegt und vieles bis alles gesehen hat, an so einem Quatsch werde ich mich wohl nie richtig gewöhnen. Die Tschechen nutzen ihren Undergroundruhm, bei dem sie vermutlich selbst nicht einmal wissen, wie sie zu diesem gekommen sind, und strahlen wie ein frisch gereinigtes Dixi, um ihre Fäkal-Hymnen auf die Menge loszulassen. Der Mob dreht durch, Klorollen fliegen, Moshpits wirbeln, und man fragt sich, in was für einer Parallelwelt man eigentlich gerade gelandet ist. Auf die Ohren gibt's punkigen Grindcore, aber – wie GUTALAX passend bemerkte – ist es eigentlich auch egal, was jetzt im Einzelnen genau gespielt wird. Diese und andere, fast jugendlich-freudige Ansagen machen klar, dass man es hier mit ein paar Jungs zu tun hat, die einfach Bock auf ein wenig Mucke und Blödsinn haben. Das BREEZE ebenfalls. Aber so richtig. Mit einem dreisekündigen MESHUGGAH-Cover zeigt die Band ihre technischen Stärken und hinterlässt am Ende nach einer Dreiviertelstunde ein Festival, auf dem mit einer großen Wahrscheinlichkeit das Klopapier aus ist.
[Oliver Paßgang]
Für jemanden, der SUBWAY TO SALLY nur bis zum 2007er "Bastard"-Album verfolgt hat, stellt sich kurz nach Acht die Frage: Wie sind die früheren Mittelalter-Rocker und späteren Grufti-Metaller wohl inzwischen drauf? Auf der Suche nach einer Antwort ist erstmal Stirnrunzeln angesagt, als Sänger Eric Fish zum Opener 'Messias' mit goldenem Jackett, Sonnenbrille und Perücke auf die Hauptbühne stürmt. Das mag als Hingucker funktionieren, zum dazu gehörigen Videoclip passen und zur Aussage des Songs, man kann es aber auch etwas albern finden. Immerhin wechselt Herr Hecht gleich im Anschluss wie die übrigen Brandenburger zum dunklen Industrial-Outfit mit schwarzem Streifen quer über die Augenpartie. Eine (inzwischen ausgetauschte) Violinistin gibt es nach wie vor und Gitarrist Bodenski fiedelt immer noch auf seiner Drehleier herum, dennoch steht für Alteingesessene nicht allzu viel auf dem Programm. Der Schwerpunkt liegt eindeutig auf dem aktuellen Output "Hey!", das auch recht eingängig zu klingen scheint. Etwas ältere Songs wie 'Kleid aus Rosen' und 'Veitstanz' werden mittlerweile in härteren Varianten dargeboten, was mitnichten etwas Schlechtes ist. Allerdings fällt doch ziemlich auf, dass mit 'Henkersbraut' nur ein einziges Stück von immerhin fünf offiziellen Langrillen aus der Neunziger Mittelalterphase übrig geblieben ist. So verhallen die traditionellen "Blut, Blut, Räuber saufen Blut"-Fanrufe nach 'Julia und die Räuber' dann auch unerhört. Schade eigentlich, ein Oldschool-Set hätte durchaus seinen Reiz. Aber die Welt dreht sich nun mal weiter.
Kinder, wie die Zeit vergeht. Ewigkeiten scheint es her, seit ein paar Jungspunde namens BULLET FOR MY VALENTINE mit ihren Hits 'Tears Don`t Fall' und dem am heutigen Abend nicht mehr gespielten 'All These Things I Hate' in die Charts vorstießen. Und trotzdem oder gerade deswegen damals nach einem Auftritt etwa beim "With Full Force" trotz klassischer Heavy-Anleihen ziemlich alleingelassen und unbeachtet im VIP-Bereich rumhockten. Mal sehen, wie es den gerade von zwei Festivals in Österreich rübergereisten Walisern inzwischen ergangen ist. Die Zuschauermenge vor der Mainstage ist recht stattlich, als der mittlerweile teils leicht ergraute Headliner mit 'Don't Need You' loslegt. "Look at you crazy people, what the fuck is up?" zeigt sich der Basecap tragende Sänger und Gitarrist Matthew Tuck sichtlich beeindruckt von den ersten Circle Pits. Weitere folgen, die Doublebass wummert ordentlich, die Stimmung auf und vor der Bühne ist gut. Aber trotz aller Reifung, Wohlwollen und einem früheren persönlichen Favoriten dieser Truppe ist mir das alles doch zu viel Bravo-Metalcore. Abgang.
Ein weiteres Highlight am Samstag ist dann SOEN, die Band um den ehemaligen AMON AMARTH- und OPETH–Drummer Martin Lopez. Seine aktuelle Band lockt doch eine ganze Menge Publikum vor die T-Stage, insgesamt wäre aber schon noch einiges an Platz für weitere Zuhörer. SOEN bewegt sich mit seinem Prog Metal irgendwo zwischen TOOL, PORCUPINE TREE und OPETH. Trotzdem ist kein Musikstudium nötig, um den tollen Kompositionen zu folgen, was sicherlich auch die große anwesende Menge erklärt. Wir hören Songs aus verschiedenen Schaffensperioden, Highlight ist für mich speziell 'Martyrs'. Leider werden leise Teile durch SUBWAY TO SALLYs klebrige Dudelei übertönt, äußerst unangenehm für diese Art Musik und vermutlich Höchststrafe für die Künstler. Trotzdem wird SOEN von den Fans gefeiert. Sänger Joel Ekelöf ist herausragend und trifft jeden Ton. Irgendwie muss er sich schon den Vergleich mit OPETH-Sänger Mikael Åkerfeldt gefallen lassen, die beiden klingen doch sehr ähnlich. Dies ist aber natürlich eher Kompliment als Vorwurf, Joel singt definitiv auf Augenhöhe mit seinem Kollegen. Der Sound ist gut, abgesehen von der Überlagerung durch die Main Stage gibt es kaum etwas auszusetzen. Gegen Ende der Show stellt Sänger Joel dann die Band vor, bei Martin Lopez an den Drums bricht wirklich enthusiastischer Applaus aus. Insgesamt eine großartige Performance, die Lust auf mehr macht und in Erinnerung bleibt.
Parallel zu BULLET FOR MY VALENTINE steht GAAHLS WYRD, die aktuelle Band von Ex-GORGOROTH-Exzentriker Gaahl auf der Wera Tool Rebel Stage. Es ist zum Bersten voll, genau wie mich hat es wirklich eine sehr große Menge zum Auftritt gezogen. Sicherlich hängt das auch mit der enormen Popularität zusammen, die Gaahl auch heute noch dank GORGOROTH und GOD SEED genießt. Mit nur einer Platte unter dem Gürtel ("Ghosts Invited", 2019), ist die Auswahl an Songs natürlich überschaubar. Wer möglichweise die Hoffnung hat, dass GAAHLS WYRD diesen Umstand nutzen würden, um vergangene Glanztaten zu zitieren, wird nicht enttäuscht: Die Norweger haben sich entschlossen, nicht einfach die ganze "Ghosts Invited"-Platte zu spielen, sondern bieten dem geneigten Hörer einen munteren Strauß Melodien aus Gaahls Vergangenheit an. Wir bekommen unter anderem die Songs 'Aldrande Tre' und 'Alt-Liv' von GOD SEED gecovert. Außerdem stammen mehrere Songs an diesem Abend von GORGOROTH (zum Beispiel 'Sign Of An Open Eye') und TRELLDOM ('Høyt Opp I Dypet'). Der Sound ist okay bis gut, anfangs ist allerdings der Gesang zu leise. Glücklicherweise wird aber zügig nachgeregelt. Gaahl selbst, natürlich adäquat in Corpse Paint, hat durch seine exzentrische Darbietung irgendwie etwas Clownhaftes. Während des ganzen Sets bewegt er sich sehr langsam, ein wenig wie die Faultiere beim Film "Zootopia". Auch wenn das jetzt lächerlich klingt, schafft er es tatsächlich, durch solche Aktionen besonders bei den GAAHLS WYRD-Songs eine glaubwürdig mystische Atmosphäre zu schaffen. Spielerisch und gesangstechnisch geben sich die Jungs definitiv keine Blöße, besonders Gaahls klarer, tiefer Gesang überzeugt ausnahmslos. Trotzdem verringert sich das Publikum nach und nach, auch gibt es eher Kopfnicken statt Headbangen. Nichtsdestotrotz liefert GAAHLS WYRD eine hervorragende, atmosphärische und irgendwie auch nostalgische Black-Metal-Show, die den Besuch in jedem Fall wert ist.
[Hagen Kempf]
HÄMATOM wird mein Abschluss des diesjährigen SUMMER BREEZE sein, stelle ich bereits vor dem Auftritt fest, denn nach vier Tagen bin ich langsam etwas groggy und ich muss noch heimfahren. Doch vorher dürfen die fränkischen Maskenträger ran und uns ihren Metal, der mittlerweile zu einer festen Größe im deutschen Rockzirkus geworden ist, ausgiebig vortragen. Vor allem Sänger Torsten Scharf animiert die müden Rocker ein weiteres Mal zum Mitmachen und führt souverän durch eine Show, die sich nicht mit langen Reden aufhält, sondern ungefähr ein Dutzend Stücke aus den letzten zehn Jahren der Bandgeschichte in die Meute feuert. Ein absoluter Höhepunkt ist der Perkussionsritt über das Publikum, bei dem das Publikum mehrfach aufgefordert werden muss, den Schlagzeuger wieder zurück zu geben. Die QUEEN-Coverversion 'I Want It All' hätte ich dabei tatsächlich lieber gegen ein eigenes HÄMATOM-Stück eingetauscht, denn die Mischung aus guten Texten und mitreißenden Liedern brauchte keine fremde Hilfe.
Um halb zwölf bin ich wieder zurück an der Wera Tool Rebel Stage, um einem weiteren Geheimtipp beizuwohnen: THE OCEAN (auch als THE OCEAN COLLECTIVE bekannt). Die Jungs um Songwriter und Gitarrist Robin Staps sind neben komplexem Post Metal mit Death-Metal-Einflüssen dafür bekannt, eine extrem gute Live-Band zu sein. Es ist ziemlich gut gefüllt, als zu einer sehr atmosphärischen Nebel- und Lichtshow zum Intro 'The Cambrian Explosion' vom aktuellen Output die ersten Musiker die Bühne betreten und frenetisch gefeiert werden. Erwartungsgemäß entlädt sich das Intro dann wie auf "Phanerozoic I: Palaeozoic" in den Über-Song 'Cambrian II: Eternal Recurrence'. Und das ist fast wörtlich gemeint, der Sound ist mit Abstand das Beste, was dieses SUMMER BREEZE zu bieten hat. Die Lautstärke passt, die Details stimmen, THE OCEAN klingt annähernd wie auf Platte. Nur natürlich mit dem zusätzlichen Bumms, den es halt live als Sahnehäubchen oben draufgibt. Dem Publikum zaubert das sofort ein Grinsen ins Gesicht, phänomenal, was da aus der PA kommt. Es wird gebangt, es gibt einen Pit, es wird gesurft, es wird mitgesungen. Oder einfach genossen, denn bei THE OCEAN ist beides möglich. Die Lichtshow ist über jeden Zweifel erhaben, THE OCEAN ist ein audiovisuelles Erlebnis, das ich jedem empfehlen kann, der Shows wie die von CULT OF LUNA mag. Sänger Loïc Rossetti ist bestens aufgelegt und performt mit jeder Faser seines Körpers. Trotz Mikro mit Kabel springt er ins Publikum und singt auf der Menge weiter, phänomenal. Der Wechsel von Klargesang und Growls beziehungsweise Screams gelingt hervorragend, insbesondere die klaren Parts stechen wirklich hervor. Im Laufe des Sets hören wir weiterhin Songs wie das großartige 'Permian: The Great Dying' oder beide Teile von 'Bathyalpelagic'. Auch der Rest der Band ist unglaublich gut aufgelegt, ähnlich wie zuvor bei CASPIAN gehen die Musiker in ihrer Rolle voll auf, springen und tanzen sich von einer Klimax zum nächsten. Viel zu schnell ist THE OCEAN am Ende der Show, was bleibt sind tiefhängende Kinnladen, feuernde Synapsen und laute Zugabe-Rufe. Note 1. Die Jungs sind im November mit LEPROUS in Deutschland auf Tour, geht da hin! That's an order!
Leider kann ich THE OCEAN gar nicht richtig verdauen und so - es fühlt sich an als hätte der Wecker geklingelt, man ist aus dem Tiefschlaf aufgewacht und muss jetzt von Null auf Hundert in zwei Sekunden - eile ich direkt weiter zu UNLEASHED. Eines jener Death Metal-Urgesteine, das bereits auf eine um die dreißig Jahre dauernde Karriere zurückblicken kann. Angekommen vor der T-Stage traue ich meinen Augen nicht: So wenige Zuschauer hätte ich bei so einem großen Namen nicht erwartet. Es ist wirklich erschreckend wenig los. Das hängt sicher auch mit der späten Uhrzeit zusammen und dass parallel noch DIMMU BORGIR auf der Main Stage steht. Aber dass dies solche Auswirkungen hat, hätte ich nicht gedacht. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass man halt einfach weiß, was man auf einem UNLEASHED-Konzert bekommt. So lange die Karriere der Schweden schon währt, so vorhersehbar war sie auch immer. Das kann man gut oder schlecht finden, aber ob man nun 2009 oder 2019 auf einem Konzert steht, spielt kaum eine Rolle. Die Jungs starten mit 'Blood Of Lies' und lassen sich auch von der kleinen Menge vor der Bühne nicht beeinflussen. Nach und nach strömen dann aber doch ein paar Zuschauer zur T-Stage, so dass es nach ungefähr der Hälfte der Show nicht mehr ganz so leer ist. Wir hören bekannte Gassenhauer wie 'Don't Want To Be Born' und 'Into Glory Ride'. Selbstverständlich fehlt auch 'The Longships Are Coming' nicht, den jeder auch mit drei Promille noch mitbrüllen kann. Spätestens da wird dann doch nochmal Energie freigemacht und die anwesenden Fans starten einen Mini-Pit und headbangen ordentlich. Es gibt außerdem den uralten Song 'The Dark One' zu hören, der von einem knapp 30 Jahre alten Demo stammt. Während der ganzen Show ist der Sound akzeptabel, aber eben auch nicht mehr. Für die doch eher einfach gestrickte Musik der Schweden ist mehr aber auch gar nicht nötig, womit das letztendlich doch in Ordnung geht. Insgesamt liefert UNLEASHED einen soliden Gig ab und das trotz der wenigen Zuschauer sehr professionell. Obwohl die Schweden in ihrer langen Karriere auch schon Shows vor einer fünfstelligen Zuschauermenge gespielt haben.
[Hagen Kempf]
Was lieferten sich CRADLE OF FILTH und DIMMU BORGIR einst für einen Wettstreit, welche Formation nach und nach mehr symphonische Parts in ihre Werke einbaut. Was ihnen seitens der Black Metal-Szene zunehmend Kritik einbrachte. Wie passend, dass man hier nun beide Bands zum direkten Vergleich antrifft. Haben die Briten CRADLE zwei Nächte zuvor schon mit einem intensiven Oldschool-Set ordentlich vorgelegt, ist nun die Konkurrenz aus Norwegen an der Reihe. Majestätisch schreitet die Kapuzenmäntel tragende Mannschaft um Sänger Shagrath durch den Bühnennebel, dann startet das Set mit dem aktuellen 'The Unveiling'. Herr Thoresen beginnt düster flüsternd, dann erklingt sein markanter Gutturalgesang. Die Saiten- und Schlagzeugfraktion gibt ordentlich Gas und für mich persönlich hatten DIMMU in Sachen Härtegrad trotz allen kommerziellen Erfolgs stets die Nase etwas vorn im Vergleich zu den Briten. Die Stimmung ist inklusive Fackeln und Weihrauch herrlich düster, in den hinteren Publikumsreihen schraubt sich DORNENREICH- und HERETOIR-Rastaman David die Nackenmuskeln raus. Eigentlich ein Pluspunkt, auch wenn schnell klar wird: Das Hauptaugenmerk des Sets liegt klar auf den letzten drei Alben. 'Progenies Of The Great Apocalypse' und das leicht Industrial-angehauchte 'Puritania' bleiben zunächst die einzigen Vertreter aus zumindest der ersten Hälfte der Zweitausender. Punkt für CRADLE. Was waren das noch für Zeiten, als DIMMU auch mal einen seiner auf Norwegisch vorgetragenen Titel rausgehauen hat. Aber immerhin ist zumindest auf eine Konstante Verlass: Zum Abschluss kommt definitiv immer was aus den Neunzigern, nämlich der intensive Klassiker 'Mourning Palace'. Beim kollektiven Bangen ist dann auch schnell jede Kritik verflogen. Großartig! Ausgleich und trotz einem norwegischen Chancenplus letztlich ein leistungsgerechtes Unentschieden.
[Carsten Praeg]
Mein persönliches Finale des diesjährigen SUMMER BREEZE ist dann LEPROUS als letzte Band auf der Main Stage. Das Publikum ist überschaubar, den Fans stecken aber auch einige Tage Festival in den Knochen und der Leber. Außerdem ist es bereits nach 1 Uhr. Auffällig ist, dass die Jungs um Sänger Einar Solberg ihre Instrumente selbst stimmen. Leider läuft irgendwas an der Technik richtig schief, weswegen sich der Start der Show immer weiter verschiebt. Bevor es dann mit fast einer halben Stunde Verspätung losgeht, erklärt uns Einar, dass die Sample-Machine leider ausgefallen ist und daher die komplette Setlist über den Haufen geworfen werden muss. Im Laufe der Show wird er sich dann mehrfach dafür entschuldigen, aber um es vorweg zu nehmen: die Entschuldigung ist absolut nicht nötig! Dass die Bandmitglieder nach jedem Song kurz beraten, was sie als nächstes spielen, wäre das einzige Anzeichen gewesen, dass etwas nicht stimmt. Die Performance der Norweger ist so unglaublich auf den Punkt, hier sind wirklich echte Profis am Werk. Baard Kolstad ist ein Gott an der Schießbude, aber auch Einars Gesang - übrigens der Schwager von Mr. EMPEROR Ihsahn - ist so unfassbar punktgenau, dass einem die Worte fehlen. Die Fans lassen sich von LEPROUS' Post Rock ordentlich in Trance versetzen, einzige Wermutstropfen sind wieder mal die Echos durch die zweite Boxenreihe hinterm FOH. Sowie der Typ neben mir, der das komplette Konzert jeden Song in wackeliger Kopfstimme mitbrüllt. Aber es soll ihm gegönnt sein, die Show ist auch einfach gut. Wir hören eine unfassbar gute Darbietung von 'From The Flames', bei der auch die Lichtshow absolut überzeugt. Während des kurzen Riffing Parts gehen die Spotlights auf die Gitarre und direkt als die Drums einsetzen zusätzlich auf die Schießbude. Die gesamte Show ist entgegen der vielen Improvisationen wirklich von sehr hoher Qualität. Leider gibt es trotz Verspätung kein Erbarmen: LEPROUS endet fast auf die Sekunde wie geplant. Es wird quasi mit dem Bühnenabbau angefangen, während die Musiker noch draufstehen. Sehr schade, aber daher nutze ich hier die Chance, nochmal auf die Tour im November mit THE OCEAN hinzuweisen: Zwei der Bands, die mich auf dem SUMMER BREEZE 2019 restlos überzeugt haben.
[Hagen Kempf]
Eher als Geheimtipp und irgendwie auch etwas abseits des gesamten SUMMER BREEZE spielt als quasi vorletzter Jahresabschluss AHAB auf der Wera Tool Stage. Dennoch ist das Zelt gut gefüllt und dafür, dass den meisten Leuten schon vier Tage Feiern im Genick sitzt und es 1:25 Uhr sonntags ist, stehen einige vor der Bühne. Bei AHAB ist mit einem Mosphit sowieso nicht zu rechnen und wenn doch, dann nur in für Doom typischer Slow-Motion und Gelassenheit. Ebenso ist in etwa vorhersagbar, dass die Baden-Württemberger nur drei bis vier Lieder schaffen in 45 Minuten. So darf man das BREEZE ausklingen lassen. Angefangen wird mit 'Tombstone Carousel' gefolgt von 'Like Red Foam'. Anschließend entführt uns Sänger Droste in die 'Antarctica', um dort mit 'The Hunt' und dem Publikum den weißen Wal zu jagen. Zwischen den Liedern finden sich immer zwei bis drei Minuten, welche aber nicht mit unnötigem "Entertainment" oder "Publikumsshow" gefüllt werden – dies würde bei AHAB schlicht und ergreifend einfach die Stimmung ruinieren. Außerdem passt ein weiteres Lied meistens sowieso nicht noch zusätzlich rein. Stattdessen werden die Instrumente gestimmt und stille Spannung aufgebaut. [Oder wird sich im Falle von Schlagzeuger Cornelius mit für Doom ungeahnter Geschwindigkeit noch schnell hinter der Bühne mit Bier eingedeckt – augenzwinkernd, Carsten] Um einen eigenen Eindruck zu bekommen, sollte man sich AHAB selbst einmal live ansehen, denn dies in Worte zu fassen ist einfach unmöglich.
[Benjamin Kutschus]
Das war es, es ist Schluss. Es war viel, manchmal sogar zuviel Musik, sollte ausgerechnet deine Lieblingsband keine Erwähnung gefunden haben, tut uns das leid, aber es ist völlig unmöglich,alle Bands mit Texten und Fotos abzudecken, nicht einmal mit der großartigen Unterstützung von Hagen und Lutz Kempf und Benjamin Kutschus, für deren tolle Texte ich ihnen gesondert danken möchte. Ich muss zugeben, dass ich nach vier Tagen auch vorerst mal genug habe und eine Erholungspause brauche. Trotzdem war das SUMMER BREEZE 2019 mal wieder ein tolles Festival. Ich hatte den Eindruck, dass der Sound insgesamt besser geworden ist, besonders auf der Hauptbühne. Etwas unschön waren die Soundfetzen von der Hauptbühne, die ruhigere Passagen auf der T-Stage störten. aber sonst war es wieder eine rundum gelungene Veranstaltung. In diesem Sinne: Schön war 2019 - wir sehen uns 2020 wieder, gleiche Stelle, gleiche Welle!
- Redakteur:
- Frank Jaeger