SUMMER BREEZE 2022: Ihr seid so schön, Summer Breeze! - Dinkelsbühl
07.09.2022 | 23:0817.08.2022, Flughafen Sinbronn
Dinkelsbühl im August. Hitze und Core, Regen und Death, Schlamm und gute Laune. What's not to like? Dachten wir uns auch und entsandten eine Delegation nach Mittelfranken bestehend aus Frank Jäger und Unterstützung durch Noah-Manuel Heim, Felix Hetzler und Katharina Jäger.
Jetzt beginnt leider der feuchte Teil des diesjährigen SUMMER BREEZE. Es nieselt, es regnet mal mehr, mal weniger. Während der Weg über das VIP-Camping, was auch als Tagesparkplatz fungiert, unbeschwerlich ist, hat das Wasser auf dem eigentlichen Gelände bereits deutlich Spuren hinterlassen in Form von Matschfeldern. Aber wir sind unbeirrt und früh da, denn jetzt gleich spielt MISSION IN BLACK. Vor der T-Stage ist schon ziemlich etwas los, wie wir sehen, als wir über den Hügel im VIP-Camping-Gelände spazieren, da spielt DEBAUCHERY. Auf dem Weg hören wir aber ein wenig BLOODYWOOD von der Main Stage rüberschallen. Das klingt gar nicht schlecht, irgendwie scheint da Folkmusik im Metal zu sein. Vielleicht hätten wir noch ein halbes Stündchen früher kommen sollen?
Nun geht es aber los, unsere Freunde MISSION IN BLACK spielen, da darf ich nicht fehlen. Das Aushängeschild der Band ist natürlich Sängerin Steffi Stuber, die sowohl die Growls als auch die klare Stimme gewaltig rüberbringt. Sie hatte mal bei der Castingshow "The Voice Of Germany" schwer beeindruckt, aber heute muss sich MISSION IN BLACK natürlich mit all den anderen Metalbands vergleichen lassen, man spielt nicht für ein überraschtes Mainstream-Publikum. Anfangs ist es vor der Wera Tool Rebel Stage auch noch nicht allzu voll, klar, die DEBAUCHERY-Crowd ist feucht und vielleicht eher auf etwas Härteres gepolt, aber nach und nach scheinen sich immer mehr Metaller auf das Gelände zu wagen und dann an der kleinen Bühne hängen zu bleiben, denn hier gibt es ein wenig Melodie inmitten der heftigen Kapellen. Die Band stammt von der schwäbischen Ostalb, was bei Steffis Ansagen deutlich zu hören ist. Als sie das Stück 'Oceans Of Blood' ankündigt, klingt das ernste Thema erstmal ein bisschen niedlich, aber das liegt sicher an meinen norddeutschen Ohren. Wie immer ist der Song neben der großartigen Bandhymne mein Highlight im Set, das mit dreißig Minuten natürlich viel zu kurz ist. Aber dazu gibt es gute Nachrichten, denn im nächsten Jahr wird endlich das zweite Album von MISSION IN BLACK erscheinen, wie mir die Band und Promoter Matt Bischof von El Puerto Records versichern. Schade, schon vorbei. Auf der Hauptbühne geht es mir zu heftig weiter, da spielt LORNA SHORE. Aber Noah ist dorthin gegangen.
Mit LORNA SHORE, der zweiten Band auf der Mainstage heute, wird dem SUMMER BREEZE mit epischem Deathcore ordentlich eingeheizt! Bereits um 12:55 Uhr stehen die vier Jungs aus den USA auf der Bühne und bringen das Publikum zum Kochen. Es wird fleißig headgebangt und die ersten Crowdsurfer des Tages machen sich auf den Weg zu den Grabenschlampen. Außerdem bildet sich ein beachtlicher Circle Pit direkt vor der Bühne, aus dem ich mich wohlweislich aber lieber raushalte. LORNA SHORE kann eigentlich auf ein großes Repertoire an Liedern zurückgreifen mit inzwischen drei Alben und einigen Singles und EPs, spielt aber nur Stücke der neuesten Releases, gleich drei der sechs Lieder stammen von der "...And I Return To Nothingness"-EP aus dem Jahr 2021, der Rest sind die 2022 erschienenen Singles 'Sun//Eater', 'Into The Earth' und 'Cursed To Die'. Auf der Bühne passiert auch bei LORNA SHORE nicht sehr viel, auch wenn der Sänger fleißig den Kopf schüttelt. Die Musik ist nicht unbedingt mein Geschmack, wird aber recht gut dargeboten und hat auf jeden Fall Schlagkraft. Den epischen Einschlägen, die sich meist zu Anfang oder Ende eines Songs befinden, kann ich noch am meisten abgewinnen. Der restliche Teil der Songs wird leider zu sehr vom Sänger totgebrüllt. Lichtblicke sind dann wieder die Gitarrensoli, hier gibt es besonders in '...And I Return To Nothingness' ein sehr beeindruckendes. Dem Publikum gefällt es auf jeden Fall und die Stimmung ist mega! So kommt es, dass ich mir diese Band tatsächlich vollständig ansehe, obwohl die Musik nicht zu 100% mein Fall ist.
Setliste: To The Hellfire, Of The Abyss, …And I Return To Nothingness, Sun//Eater, Cursed To Die, Into The Earth
[Noah-Manuel Heim]
Währenddessen schaue ich mir VENDED an. Warum? Na ja, die Band spielt auf der T-Stage und ich habe noch nie etwas von ihr gehört, werde aber von den Fotografenkollegen gleich aufgeklärt, dass es sich bei zwei der jungen Bandmitglieder um Sprösslinge der SLIPKNOT-Musiker Corey Taylor und Shawn Crahan handelt. Ich erinnere mich, da war doch etwas. Irgendjemand hatte die Buben despektierlich "SLIPKNOT-Kinder" genannt. Na ja, das ist ja nun kein Makel und man kann es den Fünf auch nicht vorwerfen, wenn sie den Ruhm der Väter als Sprungbrett nutzen. Jede Band, die sich darüber mokiert, ist nur neidisch über den Startvorsprung. Aber hier und heute muss Butter bei die Fische, wie es so schön heißt, mal sehen, was sie live so draufhaben.
Okay, man ist ein wenig bemalt und der Apfel fällt musikalisch nicht so weit vom Stamm. Da ist wohl jemand mit diesem Sound aufgewachsen. Heftiger Groove Metal mit Shouts und energetischem Auftreten ist das Rezept, das durchaus gekommt vorgetragen wird. Mir fehlen mal wieder, wie bei vielen Kapellen dieser Spielart, ein paar Melodien, aber der Auftritt hat Hand und Fuß. Dass man als junge Band mit der großen Band SLIPKNOT auf Tour gehen darf, ist eine schöne Anschubfinanzierung für die Buben, die sich das aber augenscheinlich auch verdienen.
Ah, mal wieder COMEBACK KID aus Kanada, letztes Mal 2018 noch auf der T-Stage, heute befördert auf die Main Stage. Das ist ein durchaus passender Schachzug, denn die Band nutzt die Bühne auch aus. Man hat ein sehr ordentliches Aggressionslevel und auch genug fette Songs im Köcher, um die 45 Minuten Spielzeit locker mit Qualitätscore zu füllen. Die melodischen Refrains sind die Anker, um die herum sich die corigen, teils auch punkigen Lieder drehen. Sänger Andrew Neufeld ist der optische Mittelpunkt, auch wenn der Rest der Band ebenfalls versucht, etwas Show zu machen, aber immer wieder zu ihren Mikrofonen zurückkehren muss. Aber ein paar Seitenwechsel sind schon drin, sodass man der großen Meute im Infield zumindest etwas Bewegung bietet. Aber Neufeld bleibt der schreiende, singende, laufende Aktivposten im Line-up und zieht die Blicke auf sich. Live ist das sehr unterhaltsam, auch wenn COMEBACK KID für mich so klingt wie viele andere Bands dieses Genres auch. Aber dafür bin ich ja bekanntermaßen kein Fachmann und wünsche mir erneut unseren ehemaligen Redakteur Oli zurück, der mir die Unterschiede sicher erklären könnte.
Das Wetter spielt nicht mit. Aber was soll man machen? Also packe ich die Kamera ein, dazu einen Regenponcho und pilgere los, um wenigstens einen Teil der Show von ORDEN OGAN zu sehen und ein paar Fotos zu schießen, falls es eben nicht zu stark regnet. ORDEN OGAN ist aus mir nicht ganz erklärlichen Gründen immer unterhalb meines Radars durchgeflogen, dabei wurde die Band mir von einigen Redaktionskollegen bereits mehrfach ans Herz gelegt. So habe ich zur Vorbereitung in die Alben der Arnsberger reingelauscht und muss sagen, dass ich mich über den Regen etwas ärgere, denn das ist doch ganz meine Kragenweite. Mittlerweile ist es wieder so stark geworden, dass ich die Kamera unter dem Regenponcho behalte und mir einfach ein paar Lieder anhöre. Dabei geht es mit dem Kracher 'F.E.V.E.R.' gleich mit Vollgas los. Der melodische, bombastische Metal ist klasse und gehört nach sieben Alben, von denen das letzte während der Pandemie veröffentlicht worden ist, auch auf die Hauptbühne. Nur der Dauerregen, das Geprassel und die störenden Regenklamotten bremsen die Begeisterung. Nein, das ist kein echter Spaß.
Die EMIL BULLS treten als Nächstes auf der Main Stage auf. Die in München heimische Band ist bereits ein Wiederholungstäter in Dinkelsbühl, darum wissen die Fans schon, was sie erwartet und sind zahlreich vor der Bühne versammelt. Ihr eingängiger Alternative Metal ist für mich eine willkommene Abwechslung neben dem ganzen härteren Stoff auf dem SUMMER BREEZE. Für den diesjährigen Auftritt spielt die Band Hits aus sechs verschiedenen Alben, sogar vor ihrem ältesten Album "Angel Delivery Service" wird nicht Halt gemacht und 'Smells Like Rock 'n' Roll' zum Besten gegeben. Den größten Teil nimmt hierbei jedoch ihr 2009er Album "Phoenix" ein, das mehr als ein Viertel des gesamten Auftritts ausmacht. Insgesamt ist das aber eine meiner Meinung nach bessere Herangehensweise als bei LORNA SHORE früher am Freitag. Hier wird jeder Fan abgeholt und die gesamte Bandbreite des Schaffens findet im Auftritt einen Platz. Auch für mich sind zwei Highlights mit 'The Age Of Revolution' und 'The Jaws Of Oblivion' dabei. Das Publikum ist aufgrund des Regens allesamt eingepackt in Ponchos und steht im Matsch des Ackers. Doch das hält die Meute nicht davon ab, mit den EMIL BULLS gemeinsam zu feiern. Zusätzlicher Bonus: Wer mittanzt, bleibt warm! Das Wetter hält einige Verrückte auch nicht davon ab, einen großen Circle Pit vor der Bühne zu befeuern oder zu crowdsurfen. Weder Kleidung (alles schwarz), noch Backdrop (weiß mit schwarzen und roten Spritzern und dem Schriftzug EMIL BULLS) sind an diesem Auftritt außergewöhnlich. Dafür spulen Christoph von Freydorf und die restlichen vier Jungs sicher und energetisch teils bis zu zwanzig Jahre altes Material ab. Ein gelungener Auftritt auf dem SUMMER BREEZE trotz der erschwerenden Bedingungen mit Regen und Schlamm.
Setliste: The Ninth Wave, The Age Of Revolution, Euphoria, Not Tonight Josephine, Smells Like Rock 'n' Roll, Hearteater, Here Comes The Fire, Nothing In This World, The Jaws Of Oblivion, When God Was Sleeping, Worlds Apart
[Noah-Manuel Heim]
Wetterbesserung ist nicht in Sicht, aber the show must go on. Auf der Hauptbühne wird jetzt HÄMATOM auftreten, der Regen sorgt aber wieder dafür, dass ich die Kamera stecken lasse und lieber von weiter hinten ein paar Lieder genieße. Das Gelände ist durch den Regen und die Zehntausenden Paar Füße, die regelmäßig zwischen den Bühnen pendeln, ziemlich in Mitleidenschaft gezogen worden und zeigt beachtliche Schlammlöcher, denen ich versuche, auszuweichen, was allerdings nur von überschaubarem Erfolg gekrönt ist. Pünktlich zu den ersten Tönen bin ich dann aber doch im Infield und lasse mich von 'Alte Liebe rostet nicht' mitnehmen in die harte, manchmal nu-metallische Welt der Bemalten, die ihre Lieder mit den ganz großen Chören spicken. So beginnt das folgende 'Kids (2 Finger an den Kopf)' gleich mit dem Mitsingrefrain, was natürlich die richtige Wahl ist, um das Publikum zu fesseln und den Regen vergessen zu machen. Das darauffolgende 'Es regnet Bier' ist dann aber meine Aufforderung, wieder in Richtung Unterstand zu gehen. So ein Regen ist schon ein Stimmungskiller, zumal das musikalische Geschehen jetzt auch nicht gerade vor Originalität strotzt. Froh bin ich nur, dass es Wasser regnet und nicht Bier, denn wenn das ganze Gelände jetzt auch noch schäumen und für den Rest des Festivals nach abgestandenem Bier riechen würde, wäre ja niemandem geholfen. Und klebrig ist das Zeug auch noch. Da bin ich doch froh, dass Sänger Thorsten Scharf irrt.
Ein Blick aus dem Pressezelt offenbart, dass der Regen weniger geworden ist. Einige Kollegen schnappen ihre Kameras und ziehen sich die Regensachen über, da möchte ich nicht nachstehen, zumal jetzt auf der T-Stage eine veritable Metal-Legende an der Reihe ist, nämlich die Grind-Pioniere NAPALM DEATH. Natürlich ist das überhaupt nicht meine Musik, klar, aber man ist ja aufgeschlossen. Immerhin habe ich die Burschen erstmals 1992 gesehen und jetzt, zum 42-jährigen Bestehen, von denen man immerhin die letzten dreißig Jahre mit der gleichen Rumpftruppe bestritten hat, kann man ja nach 2019, als die Band an gleicher Stelle spielte, mal wieder reinschauen. Vor der Bühne sind die Reihen leider weniger dicht, als es verdient wäre, aber das wird für den Rest des Festivals so sein. Nass, dreckig und kalt ist dann für längere Zeit eben nicht Jedermanns Sache. Was aber NAPALM DEATH überhaupt nicht stört, die Briten legen los und feuern ihre Grindattacken in den grauen Tag. Ich erkenne natürlich keine Lieder, sondern betrachte NAPALM DEATH ebenfalls als Gesamtkunstwerk, bei dem die ungewöhnlichen Bewegungen und Verrenkungen des Sängers Mark Greenway, genannt "Barney", so etwas wie das Live-Aushängeschild der Band sind. Barney steht kaum still, rennt über die Bühne, oft auch einfach im Kreis, und röhrt seine Lyrik ins Mikrophon. Dass man nichts verstehen kann, ist schade, denn die Band hat durchaus etwas zu sagen, aber dafür muss man eben die Texte der Lieder lesen, verstehen kann man nichts. Die drei Lieder, in denen wir Fotos machen dürfen, gehen ziemlich schnell vorbei, allerdings bietet NAPALM DEATH auch nicht allzu viel Show, hier zählt der Grind, wer etwas Anderes erwartet, ist an der T-Stage aktuell falsch. Ich bleibe noch ein bisschen, nachdem wir den Fotograben verlassen mussten, und gebe mir noch etwas den hektischen, zappeligen, rasanten Auftritt der Briten und lausche ein paar mit schwerem Akzent vorgetragenen politischen Ansagen Barneys.
Mal wieder ALESTORM. Kaum betrete ich das Infield, starren mich drei gelbe Riesenenten an, eine auf der Bühne, zwei auf den Leinwänden, und schon geht es los. Bandleader Christopher Bowes rennt zu flirrenden Keyboardtönen mit seiner Keytar über die Bühne, schwenkt seine Arme und alles ist so total lustig, ha ha ha… oder besser jo-ho-ho. Natürlich ist das, was ich da höre, 'Keelhauled'. Die Band spielt erstmal das gleiche Set wie auf dem Graspop, aber warum auch nicht. Etwas irritierend finde ich, dass Gitarrist Mate Bodor das gleiche Shirt und die gleiche rote Turnhose trägt wie in Belgien. Hoffentlich nicht immer noch.
Immerhin regnet es nicht. Ich blicke zurück und sehe eine durchaus beachtliche Menge Feierwütiger, die die Refrains vielstimmig zurückschallen lassen. Den Titel des zweiten Songs bekomme ich beim Fotografieren nicht mit, aber dass danach das grenzpeinliche 'Mexico' kommt, das auch in einer Schlagerparade eine gute Figur machen würde, lässt sich nicht überhören. Zwar muss ich den Musikern attestieren, dass sie gut zusammenspielen und ganz offensichtlich einen Nerv der Fans treffen, aber trotzdem kann ich eigentlich nur die schnellen Lieder einigermaßen hören, der Rest ist doch eher langweilig. Oder nicht? Als dann nämlich 'Sunk'n Norwegian' folgt, ertappe ich mich beim Fußwippen. Aber das hat den gleichen betäubenden Effekt wie diese Schlagersender der öffentlich-rechtlichen Anstalten, ihr wisst schon, die Welle für das betreute Wohnen.
Songtitel wie 'Seventh Rum Of A Seventh Rum' lesen sich noch ganz witzig, aber hier finde ich die achtzig Minuten wirklich zu lang. Jetzt mal ganz ehrlich und völlig objektiv, ist ja klar: ALESTORM achtzig Minuten und BRAINSTORM morgen fünfundvierzig? Hat da jemanden beim Planen ein Anfall geistiger Umnachtung überkommen? Ja, ich bin schon mal im Voraus unglücklich, dass eine meiner Lieblingsbands einen so kleinen und so frühen Slot bekommen hat. Aber wisst ihr, was noch viel schlimmer ist? Auf dem Weg zurück zum Pressezelt pfeife ich 'Sunk'n Norwegian' vor mich hin. Ich brauche dringend andere Musik aufs Ohr!
Auf dem Weg könnte ich mal wieder etwas Lärm gebrauchen. Gesagt, getan, CYTOTOXIN startet gerade den Auftritt mit einer witzigen Performance, bei der erstmal die Giftfässer aufgefüllt werden. Das wirkt dann wohl auch, denn die Chemnitzer sind danach wirklich giftig und ballern brutal ihre Liedchen unter das Dach der Wera Tool Rebel Stage, unter dem das Moshen mittlerweile auch zu einer beachtlich schlammigen Angelegenheit geworden ist. Sänger Sebastian Grihm lässt auch keinen Zweifel aufkommen, dass es hier und jetzt warm werden wird, wenn man sich denn auf die Band einlässt. Mit Songtiteln kann ich nicht dienen, aber vorne im Fotograben wird mir ordentlich die Rübe durchgeblasen. Die Instrumentalfraktion schaut grimmig und lässt die Saiten ziemlich glühen. Brutal? Aber absolut.
Es muss ein seltsames Gefühl sein, im Ausland auf der Bühne zu stehen, während im Heimatland Krieg herrscht. JINJER aus der Ukraine ist auf Festivaltour und heute auch auf dem SUMMER BREEZE wie auch schon ihre Kollegen der Band 1914 am Mittwoch. JINJER ist zur Zeit ziemlich angesagt, was natürlich auch an den Umständen liegt, denn die Musiker durften als Abgesandte der Ukraine ausreisen und sind daher natürlich im Rampenlicht. Dementsprechend ist auch die Bühnengestaltung mit dem im Blau-Gelb gehaltenen Backdrop mit Peace-Zeichen. Im Mittelpunkt steht die Frontfrau Tatiana Shmailyuk, die sowohl die Growls als auch den Klargesang toll intoniert. Die Setliste besteht aus Liedern der letzten drei Album mit einem klaren Fokus auf neueren Stücken, was völlig nachvollziehbar ist, denn JINJER hat eine beachtliche Entwicklung genommen, seit man bei Napalm Records unter Vertrag genommen wurde. Ich bin mit dem Material nicht allzu vertraut, erkenne anfangs aber vor allem Stücke des 2019er Silberlings "Macro", die wenn ich nicht irre, sogar in der gleichen Reihenfolge wie auf dem Album gespielt werden. Erst danach folgen auch die Lieder des neuen, fünften Albums namens "Wallflowers", fast, als würde man erwarten, dass das Publikum das 2021 erschienene Werk nicht so gut kennt. Ich glaube, da geht die Band zu vorsichtig zu Werke, ich bin sicher, jeder, der mit dem Stil etwas anfangen kann, kennt aufgrund der Umstände auch "Wallflowers". Der Metalcore von JINJER passt super auf das SUMMER BREEZE, auch wenn ich meine, dass man mit den Stücken keinen Originalitätspreis gewinnt. Erst die klar gesungenen Passagen machen die Lieder für mich interessant, denn auch wenn die Shouts kraftvoll sind, ist mir dieser Teil der Gesangsperformance zu gleichförmig. Trotzdem ist das Kraftpaket Tatiana ein echter Hingucker, vor allem, weil man auch mit dem Licht spielt und die Dame ausdrucksstark agiert. Insgesamt ein guter Auftritt. Kurz vor Schluss muss ich aber wieder los, WITHIN TEMPTATION spielt auf der Hauptbühne, da werden Fotos gebraucht.
Auch ich bin für ein paar Lieder bei JINJER und kann, was Frank oben schrieb, nur bestätigen. JINJER ist guter Metalcore. Besonders herausragend ist für mich jedoch die Lightshow. Diese ist für jedes Lied in zwei bis drei verschiedenen Farben gehalten und durch den Bühnennebel, echten Nebel und ein wenig Regen kommen die Lichtstrahlen der Moving Lights, die immer zwischen Bühne und Himmel schwanken, als riesige Lichtkegel im Dunkeln zur Geltung. Das ist wohl der Traum jedes Eventtechnikers. Außerdem werden die verschiedenen Muster des Lichts auch immer passend zu den verschiedenen Teilen der Songs abgespielt und sind exakt auf den Beats abgestimmt. Das war die beste Lightshow, die ich auf dem ganzen SUMMER BREEZE betrachten konnte. Zudem reflektieren Tatianas Schminke und Teile ihres Kostüms. In Kombination sieht dieser Auftritt auf der T-Stage spannender aus als viele Acts auf der Mainstage.
Es ist soweit! Der Headliner des Freitags, WITHIN TEMPTATION, tritt auf. Die Niederländer starten wie gewohnt mit 'The Reckoning'. Sharon den Adel begeistert mit ihrer glasklaren Stimme von Anfang an. Im gold-schwarzen Kleid und der vom "Don't Pray For Me"-Cover inspirierten Krone macht sie nicht nur akustisch etwas her, sondern zeigt auch optisch Päsenz. WITHIN TEMPTATION hat wohl die aufwändigste Bühnengestaltung des Festivals. Das Zentrum bildet ein riesiger Metall-Roboter-Kopf vor dem LED-Backdrop. Für 'Our Solemn Hour' im Zugabenblock teilt sich der Kopf dann sogar in drei Teile. Ansonsten wird der LED-Hintergrund genutzt, um passend zu den jeweiligen Songs Ausschnitte von Sharon und anderes Hintergrundgedöns einzublenden, besonders beliebt ist Feuer. Mit Feuer wird auch an den Pyros nicht gespart, so ist der Auftritt auch als Show spannend. Das zahlreiche Publikum ist allerdings natürlich nicht am Ausrasten wie zum Beispiel bei ELECTRIC CALLBOY, die meisten genießen die Musik und wippen oder tanzen mit. Wer den Text kann, singt vielleicht sogar mit, Action wie Circle Pits oder Crowdsurfer bleiben naturgemäß jedoch aus. Die Band spielt sich einmal quer durch ihre gesamte Diskographie. Den meisten Raum bekommt die neue EP "Don't Pray For Me". Als die Band das titelgebende 'Don't Pray For Me' dann auch spielen will, macht jedoch die Technik Probleme, Sharon muss etwas Zeit füllen und dann wird der Song der EP völlig gestrichen.
Weiter geht es mit einem kleinen Überraschungs-Highlight: Für 'Shed My Skin' hat WITHIN TEMPTATION sich Christoph Wieczorek, die Stimme und Gitarre der deutschen Band ANNISOKAY, eingeladen. Er klingt am Anfang etwas unsicher und trifft nicht alle Töne, da er sich vermutlich nicht gut auf den In-Ears hört. Nach einem Zeichen an die Technik wird das dann vermutlich behoben, er klingt auf jeden Fall in der zweiten Strophe besser. Neben diesen zwei kleinen Aussetzern bietet WITHIN TEMPTATION eine sehr schöne Symphonic-Metal-Show mit der grandiosen Stimme von Sharon. Ein schöner Ausklang für unseren dritten Festivaltag.
Setliste: The Reckoning; Paradise (What About Us?); In The Middle Of The Night; Stand My Ground;, The Purge; Faster; Raise Your Banner; And We Run; Shed My Skin; Angles; Entertain You; What Have You Done?; Ice Queen; Our Solemn Hour; Supernova; Stairway To The Skies; Mother Earth
[Noah-Manuel Heim]
- Redakteur:
- Frank Jaeger