SUMMER BREEZE 2022: Ihr seid so schön, Summer Breeze! - Dinkelsbühl

07.09.2022 | 23:08

17.08.2022, Flughafen Sinbronn

Dinkelsbühl im August. Hitze und Core, Regen und Death, Schlamm und gute Laune. What's not to like? Dachten wir uns auch und entsandten eine Delegation nach Mittelfranken bestehend aus Frank Jäger und Unterstützung durch Noah-Manuel Heim, Felix Hetzler und Katharina Jäger.

Das Gelände ist in schrecklichem Zustand. Knöcheltief steht der Schlamm in den Kuhlen und es regnet weiter. Unser Parkplatz liegt am Hang, ich denke, da werden wir sicher einigermaßen abreisen können, aber die Summer Breeze-App hat schon mal gewarnt, dass eine Abreise von den Campingplätzen eventuell nicht möglich sein wird. Und das Schlimmste ist: Es regnet weiter. Wir kommen zu spät für NEKROGOBLIKON, aber was ich höre, ist eher gewöhnlicher Death Metal mit etwas Melodie. Der Bandname ist aber ziemlich dämlich, oder?

[Frank Jäger]



Mit Death kann ich nicht viel anfangen und so wate ich auch lieber noch etwas durch die Stände, statt mich bei den toten Goblins sehen zu lassen. Der nächste Künstler auf der Mainstage ist hingegen durchaus interessant. Ab 13:50 treten dort die Power Metaller BRAINSTORM auf. Das Backdrop ist im Design des neuen Albums "Wall of Skulls" tapeziert und wird von vier kleineren Aufstellern im "Escape The Silence"-Design ergänzt. Ich bin mit der Diskographie der deutschen Band leider nicht vollkommen vertraut, jedoch erkenne ich einige Songs vom aktuellen Album und dem 2018er Album "Midnight Ghost" wieder. Die älteren Alben werden auch nicht vollkommen ausgeklammert, sodass auch langjährige Fans die alten Hits mal wieder live hören können. Die mehr als 30 Jahre alte Band tritt routiniert live auf und es macht Spaß zuzusehen. Spaß scheinen die Musiker dabei auf jeden Fall auch zu haben. Die Gitarristen werfen sich in ein paar Posen für die Fotografen und Andy B. Franck singt sicher und mitreißend. Ein toller Act, um sich am Samstag wieder beim SUMMER BREEZE einzugewöhnen.

Setliste: Where Ravens Fly, Worlds Are Comin' Through, Devil's Eye, Shiva's Tears, Solitude, Highs Without Lows, The Pyre, Jeanne Boulet (1764), Firesoul, End In Sorrow, Glory Disappears, Escape The Silence, Turn Off The Light, All Those Words, Ravenous Minds

[Noah-Manuel Heim]



Nachdem wir uns vor dem Regen ins Pressezelt gerettet hatten, zieht uns der Hunger doch nach draußen. Und als wir so durch den Matsch waten, zieht es uns zur Main Stage, auf der FIDDLER'S GREEN gerade spielt, die wir auch geplant hatten, zu schauen. Ohne die Band zu kennen, wandern wir also durch die Mischung aus Matsch und Wasserpfützen zu einem Essensstand und schauen uns zunächst aus sicherer Entfernung an einem trockenen Plätzchen die Band an. Trotz des widerlichen Wetters schafft die Band es, mich abzuholen. Mit ihrer fröhlichen Musik reißt die Band aber nicht nur mich mit. So sehen wir Menschen, die um einen Mülleimer im Kreis herum tanzen und viele, die nur etwas zu essen wollten, sich zur Bühne bewegen. Zwischen zwei Liedern erklärt der Sänger der Band auch, dass es eigentlich inzwischen ihr 32-jähriges Bestehen wäre, aber sie ihr 30-jähriges Jubiläum trotzdem noch feiern wollen, da es aufgrund der Pandemie nicht möglich war. Mir gefällt die Folk-Rock-Musik der Band, mit der sie gute Laune verbreitet, und so schauen wir uns den Auftritt in Gänze an.

[Katharina Jaeger]

 

Für mich sind es ja tatsächlich nur etwa ein Dutzend Bands auf dem diesjährigen SUMMER BREEZE, auf die ich mich wirklich freue. Darunter ist auch AVATARIUM, die Band von Songwriter Leif Edling, den wir alle von CANDLEMASS kennen, der aber aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr live mit der Band spielt. So zelebriert auch AVATARIUM manchmal die Langsamkeit, aber mit einer sehr charismatischen Frontdame namens Jennie-Ann Smith, die ihre männlichen Bandkollegen überstrahlt und alle Aufmerksamkeit auf sich zieht, egal ob mit akustischer Gitarre oder ohne.

Ihre Stimme gibt dem Sound der Band einen bluesigen Touch, wirkt manchmal aber schon beinahe powermetallisch, doch zuerst geht es erstmal mit typischem Edling-Doom-Metal los in Form von 'Voices', auch wenn das eher nicht die Regel ist bei AVATARIUM. Der schwedische Riffmeister hat wieder alle Register gezogen, aber das nachfolgende 'Rubicon' gefällt mir besser, denn hier bricht man aus dem Korsett aus, dass die Bands Edlings miteinander verbindet. Die Musiker spielen makellos, der Sound ist gut, es tröpfelt nur und das Publikum wiegt mit, hier ist mehr Genießen angesagt als Betüchtigung. Dann wird es psychedelischer mit 'Deep Well' und hinzu kommt klassischer Retro-Siebziger-Rock mit 'Into The Fire/Into The Storm'. Bei jedem der Lieder macht Sängerin Smith eine fantastische Figur und nimmt das Publikum mit.

Die Abwechslung im Tempo ist gut gewählt, nach dem rasanten Lied folgt das tolle 'The Fire I Long For' und dann mein Lieblingslied, 'The Girl With The Raven Mask'. Ja, leider muss DARK FUNERAL diesem Auftritt zum Opfer fallen, meist sehe ich ja nur Teile der Gigs, weil ich dann schon wieder unterwegs zu einer anderen Bühne bin, um Fotos zu machen, aber mit den Blackmetallern, die ihren Slot mit J.B.O. getauscht haben, zu denen ich aber auch nicht rübergepilgert wäre, habe ich eh nicht viel am Hut. Ich genieße den Auftritt, der mit 'Moonhorse' endet. Jennie-Ann Smith wird bei jedem Gig immer mehr zu einer Art weiblichem Ronnie James Dio, wie sie voller Ausdruck und Theatralik singt und gestikuliert, sich völlig in den Song fallen lässt. AVATARIUM nutzt die fünfzig Minuten für einen des besten Auftritte auf dem diesjährigen SUMMER BREEZE.

Setliste: Voices; Rubicon; Deep Well; Into The Fire/Into The Storm; The Fire I Long For; Girl With The Raven Mask; Moonhorse

 

Nach AVATARIUM beginnt eine neue Band auf der Wera Tool Stage. Kann man sich ja mal ansehen, oder? ACRANIUS heißt die Band, die jetzt aufspielt. Wobei der über mich hereinbrechende Geräuschorkan mit Aufspielen nicht allzu viel zu tun hat. Ich bin wohl gerade in eine der härtesten Bands des Festivals geraten. Das ist eine rasante Abfahrt aus Death Metal und ein bisschen Core, aber hauptsächlich ist es schnell, hart und unnachgiebig. Unter den Wera Tool Rebel Stage-Kuppeldächern ist der Pit mittlerweile auch nur noch eine große Schlammpfütze, aber ein paar Unerschrockene machen sich warm durch wildes Mitbangen, Pogen und Hüpfen, dass der Schlamm nur so spritzt. Tja, schwere Entscheidung, unterstellen und vollgeschlammt werden oder doch draußen bleiben, wo es noch tröpfelt? Ich wähle die dritte Möglichkeit: ab ins Pressezelt. Da dürfte gerade die Pressekonferenz zu Ende gegangen sein, mal sehen, was es Neues gibt.

 

Nach einer Pause kehre ich also zur T-Stage zurück, um mir Power Metal um die Ohren hauen zu lassen. PRIMAL FEAR ist ebenfalls mal eine Band ohne Core und ohne Growls, und auch wenn ich sonst nicht der ganz große Fan der Truppe bin, nicht weil ich die Musik nicht mag, sondern nur, weil ich es für nicht sonderlich originell halte, so freue ich mich jetzt doch auf den Auftritt. Immerhin ist mit Ralf Scheepers ein echtes Kraftpaket am Mikrofon. Was mir jedoch zuerst auffällt, ist das Fehlen des Blondschopfs. Wo ist Matt Sinner? Es soll sich später aufklären, dass das deutsche Urgestein des Metal wohl lange Zeit schwer krank war und nun immerhin wieder mit einem Stock gehen kann. Für einen kurzen Moment kommt er später auf die Bühne und singt einen Refrain mit, aber den unverwüstlichen Rocker so gebrechlich zu sehen, gibt mir einen Stich ins Herz. Doch die Band lässt sich zuvor und auch anschließend kaum etwas anmerken und liefert einen starken Gig ab mit rasanten Riffs der beiden Gitarristen und den charakteristischen Screams von Sänger Scheepers, der zumindest mal warm macht und klassisches Material zum Headbangen darstellt. Ich empfinde den Auftritt als Lichtblick in der doch recht heftigen Melange des SUMMER BREEZE. Danke, Jungs.

[Frank Jaeger]

 

Für ein riesiges persönliches Highlight mache ich mich erneut auf den weiten Weg zur Ficken Party Stage. Dort tritt gleich FIXATION, die ich schon seit der Debüt-EP kenne, auf. Ich bin bereits etwas früher vor Ort und wundere mich über einen völlig leer gefegten Acker vor der Bühne. Auf jeden Fall weiß ich die Situation zu meinem Vorteil zu nutzen und besorge mir einen Platz ganz vorne, direkt an der Balustrade vor der Bühne. Die vier Musiker sind auch schon da und wuseln auf der Bühne umher, stecken Instrumente an und trinken noch ein letztes Bier vor dem Auftritt.

Um 17:30 Uhr ist es soweit. Mit 'Neurosis' startet FIXATION in das Konzert. 'Neurosis' thematisiert Propaganda, Fehlleitung und den allgemeinen Moralitätsverlust der Massen und kann damit thematisch auch stellvertretend für den restlichen Stoff der Band stehen - ja, FIXATION ist politisch. In den weiteren Songs geht es viel um ähnliche Themen, aber auch um den Kampf mit psychischen Erkrankungen, die Klimakrise oder Social Media. Ein breites Spektrum, aber immer kritisch anklagend. Inzwischen ist auch ein wenig Publikum aufgetaucht. Das besteht aus ein paar Fans, die die Band bereits kennen und fleißig mitsingen und mittanzen, aber auch einigen Zuschauern, die nur dastehen und zuhören. Der Versuch, das Publikum zu einem Circle Pit zu motivieren, scheitert.

Jonas W. Hansen, der Sänger der Band, ist sehr präsent auf der Bühne, rennt oft vom einen Ende zum anderen und geht bei der Musik richtig ab. Manchmal klettert er sogar auf die Boxenstapel vor der Bühne oder kommt in den Graben ganz nah zum Publikum. Das macht er aber leider immer dann, wenn ich gerade diese Notizen in mein Handy tippe und es dadurch fast verpasse. Stimmlich ist Jonas bei den ersten Songs nicht immer perfekt, einige Passagen singt er etwas tiefer und schnörkelloser als auf Platte. Später im Auftritt wird das jedoch besser. Bei den letzten Songs 'Bloodline' und 'What We Have Done' singt er dann auf ganz hohem Niveau, denn er trifft beim Klargesang die Töne und die Screams haben Power. Toll! Schade, dass das bei den ersten Songs noch nicht so prima lief, aber das ist eben live. Mit den kleinen technischen Problemen geht er ebenfalls souverän um und witzelt ein wenig mit dem Publikum.

Insgesamt muss die Band für den Auftritt auf dem SUMMER BREEZE wohl einige personaltechnische Kompromisse eingehen. Tobias Østerdal, einer der zwei Gitarristen, fehlt ganz und als Drummer ersetzt Torje Antonsen den regulären Drummer Ola Dønnem. Martin Selen gibt zwar sein Bestes, doch eine ganze zweite Gitarre kann er leider nicht ersetzen. Der Sound fällt dadurch etwas dünner aus und bei 'What We Have Done' fehlt ein kleines Solo leider ganz. Mit diesem Song endet der Auftritt dann auch. Eine gute Wahl, der etwas ruhigere Song mit klarer Message hinterlässt Eindruck: Wir alle sind schuld an der Klimakrise. Wir haben das getan.

Mit ein paar Mängeln veranstaltet FIXATION auf dem SUMMER BREEZE trotzdem ein tolles Konzert, das leider bereits nach einer halben Stunde vorbei ist. Sie hätten aber kaum länger spielen können, da man dafür einfach nicht genug Material hat, mit lediglich einer EP und einer Single. Hierfür soll 2023 aber Abhilfe geschaffen werden. Da wollen die Norweger ihr neues Album herausbringen. Wer FIXATION noch nicht kennt und mit Modern Metalcore oder Stadium Rock etwas anfangen kann, dem kann ich die Vier nur wärmstens empfehlen!

Setliste: Neurosis, Claustrophobic, More Alive, Stay Awake, Bloodline, What We Have Done



Nach dem Auftritt komme ich mit Jonas W. Hansen ins Gespräch und bekomme so auch einen Teil des Auftritts von NAVIAN mit. NAVIAN ist das Instrumental-Projekt des Gitarristen von FIXATION, Martin Selen. Auch hier hilft Torje Antonsen an den Drums aus. NAVIAN kann auf das Debüt-Album "Cosmos" und eine EP zurückblicken und spielt von beiden Werken ein paar Stücke. Auch sie haben nur eine halbe Stunde auf der Ficken Party Stage bekommen. Diese füllen sie mit ein paar abwechslungsreichen und spannenden Progressive-Metal-Instrumentalstücken mit elektronischen Einflüssen. Das kann man sich gut anhören, muss für mich aber nicht unbedingt live sein. In den eigenen vier Wänden mit guten Kopfhörern kann man die Band genauso gut genießen.  

[Noah-Manuel Heim]

 

Der nächste Act steht auf der Main Stage an: BURY TOMORROW. Ich bin ja ein Kenner der Briten quasi seit der ersten Stunde, habe ich sie doch 2010 bereits in Wiesbaden live erlebt und dann noch zweimal hier in Dinkelsbühl. Allerdings nur live, ihre Tonkonserven habe ich bis auf das Debüt nicht im Regal stehen und auch nicht im Ohr, aber bislang war jeder Auftritt der Southamptoner mitreißend. Da es mittlerweile aufgehört hat zu regnen, was aber nur bedeutet, dass kein Nachschub mehr von oben kommt, der Boden ist trotzdem weitgehend eine Schlammfläche, ist der Zuspruch für die Bands wieder größer geworden und Sänger Daniel Winter-Bates beginnt gleich mal damit, das Publikum anzubrüllen und aufzustacheln. Der Bursche strahlt einfach Power aus und wuselt über die Bühne, dazu sieht er auch noch ziemlich angepisst aus, wenn er so ins Mikrofon schreit. Ansonsten ist das musikalisch nicht allzu originell, aber eben in der Mischung genau die richtige Musik, um das SUMMER BREEZE-Publikum wieder auf Betriebstemperatur zu bekommen. Damit passt der Auftrittszeitpunkt perfekt und das Infield füllt sich weiter, auch wenn die meisten Ankommenden entweder stolzieren wie der Storch im Salat oder schon vollkommen vollgeschlammt sind und es daher auf ein paar Spritzer mehr oder weniger nicht ankommt, sodass sie einfach durchmarschieren. Im mittleren Teil des Infields ist es nämlich gepflastert, da wollen alle hin.

 

Aber ich möchte noch eine veritable Death-Metal-Legende sehen und gehe wieder zurück zur T-Stage, wobei ich schnell noch ein paar Fotos von LÜT schieße. Der Schlamm trocknet jetzt etwas und wird dadurch dickflüssiger und vor allem rutschiger, die Festivalfläche gleicht einem Lehmfeld, auf dem jeder Schritt sorgfältig getan werden muss. Aber BENEDICTION möchte ich trotzdem erleben, die Band hat bereits Ende der Achtziger losgelärmt und ich habe sie noch nie live gesehen. Auch wenn ich natürlich weiterhin kein echter Kenner der Szene bin, interessiert mich doch, was die Briten so drauf haben. Damit bin ich durchaus nicht allein, auch wenn es für den gesamten Rest des Festivals deutlich leerer ist als an den ersten beiden Tagen. Ich nehme an, die eine oder andere Camper-Gruppe wird bereits abgereist sein. Doch zurück zu BENEDICTION, bei der auch NAPALM DEATH-Fronter Mark "Barney" Greenway in der Anfangszeit gebrüllt hat. Fun Fact am Rande: Die Band ist seit über dreißig Jahren bei Nuclear Blast Records. Nur hat man in der ersten Dekade des Bestehens gleich fünf Longplayer verbrochen, in den folgenden zwanzig Jahren aber nur noch derer drei. Also, wer weiß, ob ich nochmal in den Genuss einer BENEDICTION-Show kommen werde. Folglich: hier und jetzt. Natürlich sind mir keine Liedtitel geläufig, sondern ich lasse mich eher von der Musik mitnehmen, deren Riffing richtig schön oldschool ist, deren Gesang allerdings extrem harsch ist und kaum eine Spur von Melodie enthält. Dabei schaue ich mir den Sänger besonders an, denn selbst einem DM-Laien wie mir ist der Name Dave Ingram ein Begriff, wenn ich auch erst über BOLT THROWER an ihn gekommen bin. Okay, nach ein paar Songs ist es dann auch genug, ich finde das Ganze dann doch etwas eintönig, aber vor allem muss ich noch den Matsch durchwaten, um pünktlich wieder auf der Hauptbühne zu sein.

 

Jetzt folgt der für mich wichtigste Headliner des Festivals, nämlich BLIND GUARDIAN. Die Jungs habe ich wirklich lange nicht gesehen und so freue ich mich auf die alten Gassenhauer. Wobei, die Krefelder sind ja immer noch im Zeichen des dreißigjährigen Jubiläums von "Somewhere Far Beyond" unterwegs, es wird also heute auch wieder das gesamte Album zu hören geben. Nun ja, eine normale Klassikershow wäre für mich nach sieben BLIND GUARDIAN-losen Jahren auch okay gewesen, aber man nimmt ja die besondere Show auch gerne hin. Auch die Band scheint immer noch heiß zu sein, diese etwas andere Setliste zu spielen und kommt schon deutlich vor der Zeit auf die Bühne und schindet so ein paar Minuten Spielzeit heraus. Gut, dass ich überpünktlich da bin. Doch vor dem Jubiläumsalbum wird erstmal warmgemacht mit 'Into The Storm', einem der besten Lieder der Jungs, und dann geht es zurück in die Zeit noch vor "Somewhere Far Beyond", denn 'Welcome To Dying' stammt sogar von dessen Vorgänger. Ja, wenn man auf eine solche Diskografie voller Granaten zurückblicken kann, fällt die Auswahl sicher nicht leicht. So wird 'Nightfall' bereits ganz früh im Gig verbraten, bei Tageslicht, was man sicher bei den Wächtern auch nicht allzu oft hat.

Die Band setzt auf einen ganz normalen Auftritt, keine besonderen Showelemente, einfach gradliniger Metal mit typischem Posing und Sänger Hansi Kürsch in T-Shirt. Die Ansagen sind kurz und wie immer nicht Jedermanns Sache. Ich finde auch manche davon irgendwie unbeholfen, aber so ist Hansi nun einmal und ich möchte nicht, dass er sich ändert. So zocken sich die Fünf mit ihrem zusätzlichen Keyboarder durch die drei Hymnen, bevor es Zeit wird für den besonderen Teil. Das 1992er Album wird nicht nur in Gänze, sondern auch in der korrekten Reihenfolge gespielt, beginnend mit 'Time What Is Time'. Ich muss ja zugeben, dass ich nicht jeden Song auf dem Album so zwingend finde, ich würde 'Ashes To Ashes' tauschen und die beiden Zwischenspiele 'Black Chamber' und 'The Piper's Calling' eignen sich nicht so sehr für ein Festival, aber nun ja, das Album komplett bedeutet eben komplett. Und der 'Bard's Song', also der 'In The Forest'-Teil, offenbart, dass die Jungs heute kein uneingeschränktes Heimspiel haben, denn der Song, der sonst üblicherweise vom Publikum gesungen wird, benötigt mehrfach einen Anschub von Sänger Kürsch.

Im Anschluss gibt es noch ein paar Lieder aus dem großen Fundus, doch während des vorletzten Lieds, dem superben 'Mirror Mirror', begebe ich mich schon mal Richtung T-Stage. Mittlerweile ist das Wetter wieder schön geworden, die letzten Sonnenstrahlen trocknen den Boden ein wenig, sodass tatsächlich das gesamte Gelände jetzt die lehmartige Konsistenz aufweist, die das Gehen so schwierig macht. Hinten im Infield ist durchaus noch viel Platz, auch während BLIND GUARDIAN, ich denke, das geht auch darauf zurück, dass einige entnervt ob des Wetters das Handtuch geworfen haben. Schade, aber irgendwie auch verständlich. Beim Verlassen des Infields höre ich noch die ersten Töne von 'Valhalla', mit dem die Band noch etwas für die ganz alten Fans spielt. Wobei es heute keinen einzigen Song zu hören gegeben hat, der jünger als 24 Jahre ist. Das ist auch deswegen besonders erwähnenswert, weil mittlerweile ja ein neues BLIND GUARDIAN-Album erschienen ist, das übrigens ganz famos geraten ist. Wenn die nächste Tour ansteht, werden wir eine völlig andere Setliste präsentiert bekommen. Das wird sicher spannend.

Setliste: Into The Storm; Welcome To Dying; Nightfall; Time What Is Time; Journey Through The Dark; Black Chamber; Theatre Of Pain; The Quest For Tanelorn; Ashes To Ashes; The Bard's Song - In The Forest; The Bard's Song - The Hobbit; The Piper's Calling; Somewhere Far Beyond; Time Stands Still (At The Iron Hill); Mirror Mirror; Valhalla



Ich verlasse BLIND GUARDIAN früher? Ja, tatsächlich, es gibt eine Band auf dem Festival, die ich lieber sehen möchte als die Krefelder. Diese Band stammt aus Orange County, Kalifornien, und heißt IGNITE. Ich habe meine Lieblings-Core'ler noch nie live gesehen. Das muss ich natürlich ändern. Am Mikrofon steht seit dem letzten Longplayer Eli Santana, der mir auf Konserve sehr gut gefällt, aber ich bin dennoch gespannt, wie er die im Original von Zoli Téglás eingesungenen Lieder live rüberbringt. Mittlerweile ist es auch dunkel geworden, was mir zuerst einmal nicht hilft, denn als IGNITE anfängt, bricht die Band geradezu über uns herein.

Ein Gewitter aus schnellen Melodiekeulen, dargeboten mit einer unbändigen Energie, dazu Santana am Mikro, der überhaupt nicht still zu stehen vermag. Gleich als dritten Song spielt man 'Poverty For All' und es wird klar, dass hier so einige Fans der US-Amerikaner im Matsch stehen. Wobei der echte Pit eher spärlich besetzt ist, die Meute meidet die Matschkuhle doch ein wenig, aber mit zunehmender Spieldauer, in der wirklich Hit auf Hit folgt, wird der Pit voller und das Publikum zahlreicher genauso wie die begeistert Mitsingenden. Santana hält sich nicht mit langen Ansagen auf, später im Set wird er dann mehr erzählen, ein paar politische Statements natürlich, IGNITE ist ja bekannt als durchaus engagiert und deutlich, aber auch mehrfach der Dank an das Festival und die deutschen Fans, sie hier haben zu wollen. Auch IGNITE hat unter der Pandemie gelitten.

'Let It Burn', 'Bleeding', 'Fear Is Our Tradition', es geht wirklich Schlag auf Schlag. Die US-Coverversion 'Sunday Bloody Sunday' im IGNITE-Speed-Modus setzt stimmungsmäßig noch einen drauf, dann sorgt die Band auch für einen ordentlichen Circle-Pit im Modder. Bassist Brett Rasmussen lässt es sich nicht nehmen, von der Bühne zu steigen und sich höchstpersönlich in die Mitte des Pits zu stellen und von dort zu spielen, während um ihn herum die Fans toben. Als er wieder auf die Bühne steigt, sieht er etwas ungläubig auf seine Schuhe. Ja, deswegen ging der Circle Pit so widerwillig los, Brett. Aber das bedeutet nicht, dass nicht auch Sänger Eli dem Beispiel folgt und über die Absperrung zu den Fans klettert. Nach einer Stunde bin ich warm, verschwitzt und ziemlich heiser. Ich musste auf den letzten Tag warten, um diese Vollbedienung zu erleben, aber es hat sich gelohnt. IGNITE ist live genauso mitreißend wie auf CD, da bleibt kein Fuß still und kein Stimmband unstrapaziert. Wann und wo immer diese Band ihre Instrumente einstöpselt, sollte man dabei sein.

Setliste: Who Sold Out Now?; Anti‐Complicity Anthem; Poverty For All; The Butcher In Me; Let It Burn; Bleeding; Fear Is Our Tradition; Are You Listening?; Sunday Bloody Sunday; Know Your History; On The Ropes; This Day; Turn XXI; The River; Live For Better Days; Veteran; Embrace



Nach IGNITE kann nun aber echt nichts mehr kommen. Auf der Hauptbühne schreit Marcus Bischoff wieder über die instrumental tolle Musik von HEAVEN SHALL BURN und das Gelände sorgt dafür, dass ich einfach keine Motivation habe, mich nochmal ins Infield zu begeben und eventuell doch noch auf die Nase zu legen. Es ist wirklich rutschig mittlerweile und das wird ganz sicher nicht besser werden. Nein, sorry, Schluss ist. Wir gehen.



Endlich wieder SUMMER BREEZE. Das ist das wichtigste Fazit nach vier Tagen Festival in Dinkelsbühl. Für mich persönlich gab es in diesem Jahr nur wenige echte Highlights, dafür mit IGNITE aber einen alles überstrahlenden Stern. Auffällig ist, dass das Billing zu rotieren scheint, wer einmal auf den SUMMER BREEZE war, wird wieder gebucht. Das ist nett, familiär, aber ein bisschen mehr Abwechslung würde ich mir schon wünschen. Mal sehen, was 2023 anstehen wird. Die Bands waren jedoch allesamt top, selbst die wildesten Deathcorler haben offensichtlich Spaß gehabt und die gute Stimmung zog sich durch das ganze Publikum.

Ansonsten war das Festival wieder gut organisiert, alles lief routiniert ab, es gab wenige Änderungen zu den Vorjahren. Warum auch, wenn es funktioniert? Das Angebot an Speisen war reichhaltig, das Areal mehr als groß genug, die Stimmung super und für das Wetter kann ja niemand etwas.

Was kann man besonders loben? Zuerst einmal die Grabenschlampen. Die sind einfach unglaublich, Stunde um Stunde ackern die vor der Absperrung, helfen Fans, Crowdsurfern und nicht zuletzt auch uns Fotografen und können selbst nach zehn, elf, zwölf Stunden noch lächeln und zeigen Verständnis für alle wilden Ideen der Zuschauer. Die Jungs kann man gar nicht genug loben. Ansonsten war der Kaffee im Pressezelt an den beiden Regentagen sehr willkommen, wenn wir mal wieder zurückkamen und unsere Kameras trocknen wollten. So ein bisschen Wärme von innen hilft, denn auch wenn man versuchte, dem Gröbsten auszuweichen, irgendwie wurde man doch nass. Fotografieren im Vollschutz ist kein reiner Spaß. Und das ist dann auch ein weiterer Punkt, den ich erwähnen muss, nämlich das lang überfällige Wiedersehen mit den Kollegen anderer Magazine und den Promotern und Label-Leuten. Das, nein, euch, liebe Kollegen, habe ich vermisst. Und wie immer gab es viel zu wenig Zeit zum Quatschen.

Was gibt es also auszusetzen? Ich habe die Drehbühne vermisst. Auf der Pressekonferenz wird erwähnt, dass diese in Großbritannien festsäße. Mist, ein Brexit-Opfer. Das war aber auch eine dusselige Idee der Inselbewohner. Ansonsten wenig, die technischen Probleme waren da, aber überschaubar. Die Preise für Essen und Trinken sind mittlerweile ganz schön happig, aber da wir aktuell in einer Krise leben, ist es schwer zu sagen, was denn angemessen ist und was eher nicht. In jedem Fall waren die meisten Buden ganz gut frequentiert. Ach ja, was ich noch bemängeln muss, ist die Tatsache, dass bei der Pressekonferenz für das SUMMER BREEZE Brasilien - ja, ihr habt richtig gehört - die erwartungsgemäß eher übersichtlich besucht war, nicht gleich mal alle Pressevertreter mit Flugtickets für das Event ausgestattet wurden. Ich hoffe, das kommt noch. Oder?

Nein, im Ernst, das SUMMER BREEZE fühlte sich fast an wie vor der Pandemie. Dass nahezu keine Masken zu sehen waren, fand ich anfangs etwas gewöhnungsbedürftig. Da ich gerade aus einer Erkrankung kam, habe ich zuerst noch zwei Tage gelegentlich eine Maske getragen, aber irgendwann muss ich zugeben, dass mich auch die Stimmung und das Geschehen vom Ernst der Welt ablenkte. Ist das gut? Mental sicherlich, aber ich hoffe, dass das SBOA nicht allzu sehr zum Infektionsgeschehen beigetragen hat. Die Pandemie ist noch nicht vorbei.

[Frank Jaeger]

 

Bericht von der Pressekonferenz des SUMMER BREEZE:

Das SUMMER BREEZE 2022 war trotz einiger Fehler, Probleme und Vorfälle ein schöner Neustart für die Organisatoren und vor allem: die Metalfans. Eines der größten Probleme ging dem Festival leider schon Wochen vor der eigentlichen Veranstaltung voraus, da das neue Akkreditierungstool nicht zuverlässig arbeitete oder falsch bedient wurde, weshalb viele Dinge manuell nachgearbeitet werden mussten und teilweise noch spät in der Nacht E-Mails versendet werden mussten um diese Fehler zu korrigieren. Auch am ersten Tag lief leider nicht alles wie geplant ab: Die Firma, welche für die Reinigung der Sanitäranlagen zuständig gewesen wäre, schlug am Mittwoch mit nur 20% des geplanten Personals auf und versuchte dies zu vertuschen. Durch viel Einsatz des Orga-Teams und etwas Glück konnte in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag eine andere Firma gefunden werden, die noch am nächsten Tag Personal mobilisiert hat und damit die fehlenden Sanitäranlagen wieder nutzbar wurden.

Die Vorfälle von sexuellen Übergriffen, wohl hauptsächlich beim Crowdsurfen, wurden von den Veranstaltern sofort auf Social Media angesprochen und scharf verurteilt, in einem Instagram-Post zu dem Thema heißt es: "Für so etwas ist auf dem Summer Breeze kein Platz!"

Weiter gab es dieses Jahr ein verändertes bzw. abgespecktes Design der Main Stage (die Gargoyles und Drehscheibe fehlte), das Fehlen der Drehscheibe ist dem Brexit geschuldet, vor dem Austritt aus der EU wurde diese nämlich nach England gebracht und konnte nach dem Brexit nicht wieder nach Deutschland gebracht werden. Die Gargoyles fehlen aufgrund von fehlendem Personal, um diese zu montieren, sowie den finanziellen Mitteln dafür.

Aufgrund von starkem Regenfall am dritten und vierten Tag mit bis zu 50 Litern Niederschlag pro Quadratmeter verwandelte sich das Gelände und die Campingplätze schnell in eine große Schlammgrube, die eine unproblematische Abreise am Sonntag in Frage stellte, aber auch dieses Problem wurde mit Hilfe der ortsansässigen Landwirte gelöst, sodass eine Abreise ohne Verzögerungen möglich war.

Alles in Allem war das SUMMER BREEZE 2022 ein voller Erfolg, die Fans und Bands haben sich auch durch die teilweise schwierigen Umstände nicht die Laune verderben lassen. Keine der Bands musste einen Auftritt absagen und es waren über die fünf Tage bis zu 45.000 Musikbegeisterte anwesend.

[Felix Hetzer]

 

Das SUMMER BREEZE 2022 war mein erstes Metal-Festival und wird mir allein deshalb noch lange in Erinnerung bleiben. Einige Bands kannte ich schon, manche durfte ich neu für mich entdecken und wieder andere in der "das höre ich mir freiwillig nicht nochmal an"-Schublade ablegen. Ich habe versucht, so viel wie möglich zu sehen und auch in verschiedene Genres und Bands mal reinzuhören. Es ist jedoch unmöglich, bei dem riesigen Angebot der vier Bühnen alles anzusehen und ab dem dritten Tag machen sich dann auch erste Zeichen der Erschöpfung bemerkbar. 45.000 Menschen auf einem Acker, die laute Musik und der Schlamm strengen auch an. Somit musste ich hier bald etwas kürzer treten und mich auf weniger Acts konzentrieren. Einige meiner Favoriten waren PARADISE LOST als Neuentdeckung, GUTALAX für das außergewöhnliche Erlebnis, JINJER für die Lightshow, die Musik von WITHIN TEMPTATION und nicht zuletzt FIXATION als Newcomer von der Ficken-Stage.

Das Team vom SUMMER BREEZE hat wirklich tolle Arbeit geleistet. Das alles nach zwei Jahren Pandemie und der damit verbundenen Pause wieder auf die Beine zu stellen, ist eine beachtliche Leistung. Sicher gab es ein paar kleine und größere Probleme mit der Technik, dem Personal für die Sanitäranlagen, den Übergriffen auf Crowdsurferinnen und natürlich dem Wetter. An diesen, vor allem dem Sanitär-Problem und bezüglich der Übergriffe, hat das Team jedoch hart gearbeitet und schnell reagiert. Wenn die Strukturen und das Personal nach der Pause wieder voll aufgebaut sind und so wieder mehr Routine in die Sache kommt, wird es nächstes Jahr bestimmt noch besser. Ungünstig fand ich nur, dass die Ficken-Stage so weit weg von den restlichen Bühnen und dann auch noch durch eine Sicherheitsschleuse getrennt war. Gerade die eher kleineren Bands könnten von neuen Leuten entdeckt werden, wenn man sie im Hauptbereich hört oder daran vorbeiläuft und sich festhalten lässt. Und die Meisten sind eben auf dem Gelände der drei großen Bühnen unterwegs.

Die meisten Teilnehmer hatten sicher trotz der Probleme und dem Wetter viel Spaß am SUMMER BREEZE und sind froh, es nach der Pandemie wieder zurückzuhaben. Die Stimmung war auf jeden Fall mega. Ein großes Lob geht somit auch an alle Besucher, die das SUMMER BREEZE 2022 zu dem gemacht haben, was es ist. Es gehört nämlich Mut dazu, im Schlamm zu tanzen.

[Noah-Manuel Heim]

Redakteur:
Frank Jaeger
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