Satyricon - Halle
22.12.2008 | 17:4419.12.2008, Easy Schorre
Was Nero damals nicht schaffte, holen SATYRICON nun nach: Halle wird dem Erdboden gleichgemacht!
Was für ein Konzert – welch Schönheit, welch himmlische Harmonien, welch Nackenschmerzen - uff. SATYRICON haben Halle mit einem Lächeln auf den Lippen erschüttert, wie es seinerzeit nur Kaiser Nero vergönnt war. Underground, was ist das? Es lebe Black 'n' Roll! Aber der Reihe nach ...
Als wir kurz vor halb sieben an der Easy Schorre eintrudeln, mag man nicht glauben, dass hier und heute ein Metalkonzert stattfinden soll. Keine Sau da. Sind wir an der falschen Location? Nix da! Als uns der schwedische Tourmanager freundlich begrüßt, bekommen wir Gewissheit: SATYRICON in Halle – let's go!
Im Inneren tobt der Soundcheck, bei dem vor allem Frost kein Halten kennt. Schon jetzt drischt er sich völlig in Ekstase und ist beim folgenden Interview immer noch völlig aus der Puste und beantwortet unsere Fragen während des Workouts. Krasser Typ!
Als dann die Tore geöffnet werden, strömt das langhaarige Volk nur langsam in die Schorre. Haben die Hallenser den Ruf der Norweger etwa nicht vernommen? Ab in die Raucherlounge, wo kräftig über den Weihnachtsmann, Satyrs neue Frisur und die Bierpreise diskutiert wird.
Kurz nach 20 Uhr rappelt's im Gebälk. ZONARIA beginnen ihr Set. Noch sind die Reihen vor der Bühne nur spärlich besetzt – eigentlich schade, denn die Schweden machen ihre Sache recht gut. Eine Priese Black Metal, ein paar Gitarrensoli à la CHILDREN OF BODOM und ein paar Stampfer Marke AMON AMARTH. Fertig ist ein solider Support-Act. Leider der einzige, denn EVILE fallen (wie auch schon in anderen Städten aus) aus. Die Headbanger-Fraktion in der ersten Reihe stört es kaum, und so schütteln sie ihr Haupthaar quer durch den Raum. ZONARIA haben ihr neues Album "The Cancer Empire" im Gepäck und präsentieren den ein oder anderen Song. Ordentlicher Auftakt, bei dem sich die Halle nach und nach füllt – gut so!
Dann ist Zeit für die große Show – Zeit für SATYRICON. Mit ihrem aktuellen Album "The Age Of Nero" haben sie erneut bewiesen, wer im Genre des Black Metal Maßstäbe setzt. Die Easy Schorre ist mittlerweile prima gefüllt, und so steht einer geballten Ladung Black 'n' Roll nichts mehr im Wege. Mist, wo ist mein Bier? Also fix zur Bar, 3,50 Euro eingetauscht und ab in die ersten Reihen. Investigativ ist doch am schönsten.
Das Licht erlischt – Nebel breitet sich auf der großen Bühne aus. Dann kommen sie: erst die Gitarristen Steinar "Azarak" Gundersen und Arnt "Obsidian C." Grønbech, dann Basser Lars Norberg und Keyboarderin Jonna Nikula. Als Frost die Bühne betritt, wird es zum ersten Mal richtig laut, übertrumpft nur noch von dem Empfang des Meisters Satyr. Mit hinter die Ohren gegelten Haaren und Klamotten, in denen man ihn sogar einer Schwiegermutter vorstellen könnte, entspricht er nun gar nicht dem Klischeebild eines Black-Metal-Frontmanns. Doch das ist genau das Majestätische. Er hat es gar nicht nötig dazuzugehören – er steht darüber. Über den Dingen und über den Fans.
Mit 'Hviste Krist Død' vom '94er Krachbolzen "The Shadowthrone" beginnen die Norweger überraschend tief in der Vergangenheit. Noch kann keiner mitsingen, aber der Moshpit legt teuflisch los, und die Köpfe kreisen wie Uhrwerke. Ob da viele Satyr und seine Mannen überhaupt zu Gesicht bekommen? Satyr thront über seinem Volk, greift seinen gehörnten Mikroständer und spuckt Gift und Galle.
Das Volk lechzt nach mehr. Satyr wirft dem gefräßigen Rudel mit 'The Wolfpack' ein Leckerli der aktuellen Scheibe zu. Sofort herrscht wieder Ausnahmezustand im Pit. Während viele Black-Metal-Bands auf Kommunikation mit den Fans verzichten, startet Satyr früh mit dem Zusammenspiel. "It's Friday night in Halle – Satyricon are in town." Es ist seine Show – auch wenn neben ihm noch sechs andere Beine Galopp laufen, richtig bemerken tut man es nicht. Er ist der König, der keine Konkurrenz duldet. Er peitscht das Publikum an, schaut erhaben zu seinem Volk, lobt es, bevor er es mit 'Now, Diabolical' gen Hölle schickt. Aber Satyr ist auch ein gütiger Herrscher, der die Stufen herabsteigt und sich ganz volksnah gibt. Er lehnt sich mit seinem königlichen Bein gegen das Geländer und lässt die Fans singen – immer wieder feuert er die Massen mit "Hey! Hey!" an, die es ihm ohne Widerwillen gleichtun und auf ihren König hören.
Ein Lächeln zuckt über sein Gesicht. Satyr hat sichtlich Spaß und genießt seinen Traum. SATYRICON anno 2008 – kein stumpfsinniger Black Metal. SATYRICON 2008 – das ist Musik zum Rocken, zum Zucken und zum Bangen. Mir fällt keine andere Band des Genres ein, deren Texte so lauthals mitgeschrien werden. Mir fällt auch keine Band des Genres ein, bei der die Fans geil auf die neuen Songs sind. Habt ihr bei der letzten DIMMU BORGIR-Tour jemanden den Namen eines neuen Songs schreien hören? Oder bei der CRADLE OF FILTH-Tour vor kurzem? Ich nicht! Ein deutlich anderes Bild hier und heute. Bei 'Havoc Vulture' herrscht sogar eine kurze Flaute. Kennt jeder, die Fans wollen was Neues. Mit 'Black Crow On A Tombstone' erfüllt Satyr seinem Volk den Wunsch. Frost trommelt sich den Wolf – kein Wunder, dass er nach dem Set als erstes zehn Minuten Rad fährt, um sich abzukühlen. Dieser Mann lebt das Schlagzeug wie kein Zweiter. Während er beim neuen Material doch eher gemäßigt ans Werk geht, kann er beim folgenden 'Walk The Path Of Sorrow' vom Debütalbum "Dark Medieval Times" so richtig die Sau rauslassen.
Immer wieder spornt Satyr das Publikum an, das sich mittlerweile richtiggehend in Ekstase gebangt hat. Der Nacken schmerzt jetzt schon. Aber was soll's? Der König ist nur einmal in der Stadt, und da muss man sich von seiner besten Seite zeigen. Bei 'My Skin Is Cold' werden kollektiv die Fäuste gereckt, und es wird mitgebrüllt.
Halle, 22.00 Uhr. Das Haar sitzt!
Langsam muss man aufpassen, dass man auf dem schweiß- und biergetränkten Hallenboden nicht wegrutscht. Also einfach alle noch enger zusammen. So fällt keiner um - auch wenn das geniale 'Repined Bastard Nation' es einem wirklich schwermacht. Satyr ist die Freude anzusehen. Vergessen ist sein angeblich arrogantes Gehabe. Er bedankt sich nach jedem Song bei seinen Fans, die ihn immer wieder mit Sprechchören feiert. Ein großes Konzert läuft hier ab. Satyr ist sich sicher, dass SATYRICON an diesem Abend wieder einige neue Freunde gefunden haben – Recht hat er.
Mit 'The Rite Of Our Cross' wird ein wenig an der Giftschraube gedreht und Speed herausgenommen, bevor es zum Endspurt übergeht. Satyr schnappt sich eine Gitarre und zockt für wenige Augenblicke zusammen mit seinen Mitstreitern 'Last Man Standing'. Doch es wird sogar noch besser. Beim folgenden 'The Pentagram Burns' gibt er seinen weißen Schatz gar nicht mehr aus der Hand. Mit nun insgesamt drei Gitarren und einem Sound, der direkt aus der Hölle zu kommen scheint, legt er die Easy Schorre endgültig in Schutt und Asche. Satyr verabschiedet sich mit vielen Dankesbekundungen bei den Fans und verlässt die Bühne. Satyr has left the building? No way! Die Fans schreien sich die Lunge aus dem Leib und zwingen ihren Herrscher zurück auf die Bretter. Applaudierend kehrt er zurück und lässt 'K.I.N.G' durch die Boxen pusten. Man bangt, man schädelt, man tanzt – kurzum: Es wird gefeiert.
Satyr wendet sich erneut den Fans zu, bedankt sich und verlangt einen richtig schönen Thrash-Metal-Moshpit. Und den bekommt er, während 'Fuel For Hatred' traumhaft giftig in die Köpfe und Nacken knallt. Erneut verabschieden sich die Norweger. Doch die Fans lassen keine Ruhe. Wieder schallen die Sprechchöre durch den Saal. Die Fans fangen sogar zu singen an – Stimmung wie in der Nordkurve! Satyr kommt zurück und stimmt in den Chor mit ein – wie geil ist das denn? Er mimt den Dirigenten und lässt sein Volk singen. Denn das müssen sie auch beim abschließenden 'Mother North'. Wozu braucht man einen Chor, wenn man die Fans aus Halle hat? Danach ist endgültig Feierabend. Wo andere Bands wortlos (weil "böse") von dannen ziehen, verbeugen sich die Protagonisten bei den Fans und lassen sich gebührend feiern. Hoch sollen sie leben! Ich verneige mich.
So enden hundert Minuten SATYRICON. Hier stimmte einfach alles: das Publikum, die Setlist (auch wenn ich 'Die By My Hand' gerne gehört hätte – ja, lacht nur, ihr Berliner!) und endlich auch mal der Sound. Ein Glück hat man sich für die recht große Schorre entschieden.
Das Beste zum Schluss - so muss ein Konzertjahr enden.
01. Hviste Krist Død
02. The Wolfpack
03. Now, Diabolical
04. Havoc Vulture
05. Black Crow On A Tombstone
06. Walk The Path Of Sorrow
07. My Skin Is Cold
08. Repined Bastard Nation
09. The Rite Of Our Cross
10. Last Man Standing
11. The Pentagram Burns
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12. K.I.N.G
13. Fuel For Hatred
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14. Mother North
- Redakteur:
- Enrico Ahlig