Stone Sour - Berlin
28.03.2007 | 13:3421.02.2007, Columbiahalle
Auf STONE SOUR hat sich die Berliner Fangemeinde dieses Mal besonders gefreut. Im Oktober letzten Jahres standen nicht wenige vor dem Postbahnhof und mussten sich - immerhin von der Band persönlich - sagen lassen, dass das an dem Abend angesetzte Konzert nicht stattfinden wird, weil Sänger Corey Taylor krank ist.
KRIEGER aus Dresden sind die einzige Vorband. Die Jungs machen sich wohl keine Illusionen, dass sie vor einer Meute, die nach den Megastars STONE SOUR giert, etwas reißen können und spielen ihr Set fast kommentarlos runter.
So viel Zurückhaltung haben die Herren gar nicht nötig. Der kompromisslose Stil, den sie auf die Bühne legen, rockt. Einen nicht unwesentlichen Anteil an diesem Eindruck hat Drummer Johannes: manchmal schleppend, meist jedoch sehr druckvoll ist er die treibende Kraft hinter der Musik der drei anderen Krieger. Diese liefern den tief gestimmten Klangteppich zu den Herzschmerz-Texten von Sänger und Gitarrist Thomas. Seine zwar markante, aber nicht übermäßig voluminöse Stimme ist auch der einzige Punkt, der mir an KRIEGER nicht ganz so gut gefällt. Wahrscheinlich ist es einfach ungewohnt, dass man in seiner Muttersprache so ehrlich und roh gefühlslastige Lyrik zu hören bekommt. Man darf schon sehr gespannt auf das Debütalbum der vier Dresdner sein, an dem sie derzeit sehr emsig basteln.
Mit der Wahl des Intros zeigen STONE SOUR eine gehörige Portion Humor. Ausgerechnet zu den Klängen von EUROPEs Gassenhauer 'The Final Countdown' stürmen sie die Bühne. Die größten Hits wie '30/50-10' und 'Reborn' bekommt das Publikum gleich zu Beginn um die Ohren gehauen. Das ist jedoch keine schlechte Entscheidung. Man denkt immer: "das Beste zum Schluss", aber mit der umgekehrten Strategie ist innerhalb von ein paar Minuten in der Columbiahalle der Siedepunkt erreicht und sämtliche Fans in den Bann von STONE SOUR gezogen.
Nicht wenigen bleibt zunächst der Mund offen stehen, Herr Taylor präsentiert sich mit extremer Kurzhaarfrisur. Das sieht nicht unbedingt schlecht aus, ist aber etwas gewöhnungbedürftig. Später am Abend folgt die Erklärung, er habe sich die Haare abgeschnitten und am Hintern implantieren lassen, weil er wie ein Zentaur aussehen möchte. Ein Blick in die während der Zugabe freiliegende Gesäßspalte lässt jedoch berechtigte Zweifel an dieser Behauptung aufkommen.
Dass die Halle nicht mal zur Hälfte gefüllt ist, tut der Qualität des Konzertes keinen Abbruch. Das durchweg junge Publikum ist gut in Form, was die Aktivität im Moshpit angeht. Von der Bühne kommt eine Wasserflasche nach der anderen geflogen, diese Erfrischung dankt das Publikum mit exzessivem Hüpfen.
An Songs wird hauptsächlich Material der aktuellen Langrille "Come What(ever) May" gespielt, aber auch STONE SOURs Erstlingswerk kommt nicht zu kurz. Einzig der Über-Song 'Inhale' hat gefehlt, um die Auswahl perfekt zu machen. Der Sound ist leider nicht optimal, je nach dem, wo man sich in der Halle befindet schwankt er von gut (am Mixer) bis verwaschen und undeutlich (vor der Bühne). Die Architektur der Columbiahalle mag ihren Anteil daran haben, dass Höhen an bestimmten Stellen einfach geschluckt werden. Ich mache es mir in der zweiten Häfte im hinteren Teil gemütlich, dort klingt es einfach am besten.
Corey ist redselig an dem Abend. Er entschuldigt sich nochmal explizit für die ausgefallene Show im Oktober und erzählt, dass er vor einer Woche schon wieder krank geworden ist. Ein Konzert zum zweiten Mal abzusagen, komme aber auf keinen Fall in Frage.
Der Höhepunkt des Konzerts ist die erste Zugabe. Corey betritt mit einer Gitarre bewaffnet die Bühne und klampft zur Freude des Publikums 'Wicked Game' von CHRIS ISAAC. Der Moment ist schon sehr berührend, in dieser Minimal-Akustikversion steckt unheimlich viel Ausdruckskraft und Leidenschaft. Gelobt werden muss an dieser Stelle auch der für die Beleuchtung verantwortliche Herr, die Optik ist in diesem Moment einfach perfekt.
Für jemanden, der hauptberuflich das Mikrofonkabel schwingt, ist Corey auch erstaunlich sicher an der Gitarre. Ohne den breiten STONE SOUR-Sound im Rücken macht sich bei diesem Lied jedoch zum ersten Mal sein angeschlagener Gesundheitszustand bemerkbar. Die Stimmbänder schwächeln deutlich. Das Publikum ist jedoch eine große Unterstützung, die darauf folgende schöne Schnulze 'Bother' singen alle mit, und beim fast nahtlos anknüpfenden 'Through Glass' erbarmt sich Roy Mayorga als Ersthelfer, die anderen Bandkollegen greifen dann ebenfalls wieder zu den Instrumenten. Zum Ende des Konzertes tritt die Band in umgekehrter Reihenfolge ab, nachdem das Schlagzeug verhallt ist, bleib nur Gitarrenfeedback und ein verschwitztes Publikum übrig. Wer behauptet, dass gute Konzerte lang sein müssen?
- Redakteur:
- Thomas Mellenthin