Summer Breeze - Dinkelsbühl

03.09.2008 | 08:13

14.08.2008, Festivalgelände

Mittwoch, 13.08.2008

Was für ein Glück wir hatten, ist uns zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt nicht klar. Denn während viele bis zu zehn Stunden im Stau standen, haben wir das Ganze in flockigen und grob geschätzten 45 Minuten hinter uns gebracht. Nach Zeltaufbau, einem erstem Bierchen aus der bekannten roten Dose und dem obligatorischen "Abchecken der Location", wie man im Neu-Deutsch so schön sagt, leiten uns die ersten Klänge von BLOODWORK direkt ins Partyzelt. Das Zelt ist doch deutlich größer als erwartet, von vier Stehlen getragen und gefällt schon jetzt als Indoor-Bühne sehr gut. Deutlich ambivalenter präsentiert sich die P.A. in dem Rund. Während einige Bands einen richtig fetten Sound haben, ist er oft nur basslastig, laut und nicht unbedingt sounddienlich.

Sehr gut passt dieser Magen umgrabende Sound jedoch zu den Bands des Mittwochnachmittags. Diese stehen alle mal mehr, mal weniger in Kontakt mit dem, was sich im Allgemeinen als Metalcore bezeichnen lässt. Die Paderborner BLOODWORK, gerade zwei Jahre alt, haben das Vergnügen, die bunt gemischte Truppe Begeisterter mit moderner Musik zu bespaßen und damit inoffiziell das Summer Breeze '08 zu eröffnen. Die Jungs spielen astreinen Metalcore, ambitioniert und offensichtlich mehr als motiviert. BLOODWORK lassen es sich auch nicht nehmen, ihren Fans mit Melodic-Death-Metal-Hooks ordentlich einzuheizen und bekommen völlig zu Recht tosenden Applaus.

Wie oben angeschnitten, wird uns erst am Abend klar, warum das Partyzelt nur gut zu einem Drittel gefüllt ist. Der Grund ist, dass neunzig Prozent der Festivalbesucher einen Sauna-Aufenthalt im Stau von Dinkelsbühl zum Festival-Gelände gebucht haben und schlicht körperlich nicht anwesend sein konnten.
[Julian Rohrer]

Das hält A DEAD LAMENT nicht davon ab, alles zu geben. Zum ersten Mal steht hier heute eine Frau auf der Bühne, und für den Mittwoch bleibt sie auch die Einzige. Und dann auch noch am Mikrofon. Leider liegen die Töne immer wieder leicht daneben, aber das macht nichts, weil es einfach Spaß macht, ihr zuzuschauen, wie sie in ihrer roten Hose über die Bühne springt und diesen Auftritt einfach genießt. Auch der Rest der Band haut ordentlich rein. Musikalisch fallen vor allem die melodiösen Riffings auf, weshalb man das Ganze wohl am besten als melodiösen Metalcore betiteln kann. Nicht zu verachten ist dabei ein gewisser Hang zum Stadion-Rock, der sich vor allem auf die Stimmung auswirkt. Insgesamt ist der Auftritt auf jeden Fall gelungen, die gute Laune der Band überträgt sich schnell auf das Publikum, und dementsprechend laut ist auch der Applaus.
[Juliane Schönleber]

Im Anschluss buhlen BLACK THOUGHTS BLEEDING um die Gunst der Zuschauer. Allerdings steht heute nicht nur die Frage nach triefendem Lob oder gar geworfenen, faulen Eiern im Raum, sondern auch das Buhlen um die Gunst einer mehrköpfigen Jury. Diese Jury wiederum ist das Tor zu einem Platz im Billing auf der Main Stage am folgenden Donnerstag. So verwundert es überhaupt nicht, dass sich BLACK THOUGHTS BLEEDING förmlich den gethrashten Hintern abspielen. Die Musik der Jungs ist dabei mit Sicherheit nichts Neues: Kurzweiliges Riffing und groovende Beats laden trotzdem zum Tanzen ein. Tanzen? Ja, richtig gelesen, nicht weit von uns entfernt üben sich ein paar Jungs im Core-Kostüm in einer Art Hardcore-Jump. Jump, dieser Tanz aus Springen und Hüpfen, wird dabei mit Kicks und Pogen kombiniert. Schräg anzuschauen und mit Sicherheit nichts, was man demnächst von Joey DeMaio erwarten darf, aber dennoch irgendwie zur Musik passend.

DARGOLF METZGORE heißt die nächste Band und darf bei strahlendem Sonnenschein spielen – ohne dass wir etwas davon mitbekommen würden, suchen wir doch gerade unsere Zähne zusammen, die uns DARGOLF mit ihrem brachialen METZGORE gerade vollständig und nicht gerade sensibel entfernt haben. Wie Delphine von grobmaschigen Fangnetzen, Bienen vom Honig oder Nachtfalter vom Terminator-7-Insekten-Killer werden immer mehr Leute von DARGOLF ins Zelt gezogen und gefangen genommen. Deren Menü aus viel Death Metal und ein bisschen Hardcore und Grind weiß zu gefallen und birgt wahrlich noch viel Potenzial. Gerade Ioannis Vasiliadis am Gesang macht seinen Job verdammt gut und trägt einiges zur Macht des Quintetts bei. Die Nackenmuskulatur ergibt sich knirschend in ihr Schicksal und wird zum ersten Mal richtig beansprucht auf dem schon jetzt gefälligen Sommer Brezl.

Ein wenig moderner wird's mit MY ELEGY aus dem Baden-Württembergischen. Die Jungs haben sich ebenso wie ihre Vorgänger dem Metalcore verschrieben, wenn auch mit deutlichem Hang zu groovigen Songstrukturen. Kev Becker am Mikro unterstreicht das Zeitgemäße mit soliden Vocals, wie man sie schon hundertfach in diesem Genre gehört hat. Dennoch haben sie sich ihren Platz auf der Newcomer-Stage beim Breeze nicht zu Unrecht erkämpft. Gerade die Gitarren-Phalanx weiß definitiv zu überzeugen. Und wäre der authentische Metalcore nicht genug, entführen uns MY ELEGY in progressiv angehauchte Klang-Dschungel – ohne dabei jedoch den Boden unter den Füßen zu verlieren.

Die letzte Band, die sich dem kritischen Auge der Juroren stellt, schimpft sich nicht ganz jugendfrei FUCK YOUR SHADOW FROM BEHIND. Zusammengefasst lässt sich der Auftritt der Würzburger zunächst einmal völlig wertfrei als hektisch bezeichnen. Zum einen die Musik: Irgendwo zwischen Metalcore und modernem Death Metal, gepaart mit Screams und eingängigen Melodielinien, zwitschern sich die Jungs einen ab, dass die Augen nur so tränen. Dabei wird permanent irgendein Becken zum Schwingen bemüht, was zu der einen oder anderen Überforderung der malträtierten Ohren führt. Darüber hinaus drücken die Jungs dermaßen konsequent aufs Gaspedal, dass sie für die Bestrebungen des ADAC gegen ein Tempolimit eine wahre Freude wären. Zum anderen die Optik: Mit zwei Sängern, zwei Gitarristen, einem Bass und dem becken-o-philen Drummer befinden sich ganze sechs Leute auf der Bühne. Wer erwartet hätte, dass die Jungs schön brav stillstehen, um uns eine Chance zu geben, dem Potpourri zumindest mental Herr zu werden, täuscht sich gewaltig. Mit den ersten Tönen, den ersten Schlägen der Doublebass und der ersten angeschlagenen Note fahren die Jungs ein unvergleichbares Feuerwerk in Lichtgeschwindigkeit ab. Zuletzt vor der Bühne: Das zu großen Teilen junge Publikum lässt sich sofort von dem Geschwindigkeitsrausch anstecken und vollführt ein derart ansatzloses "Plug & Play" - ganz ohne Bluescreen und Fehlermeldung. Beendet wird dieser Tarantula-Tanz erst mit der sich unter frenetischem Jubel verbeugenden Band. Wahrlich, das war ganz großes Kino – wenn auch der jüngsten Generation. Der Jury scheint es ebenso gefallen zu haben, und so werden FUCK YOUR SHADOW FROM BEHIND zum Sieger des heutigen Newcomer-Abends. Dass es noch mehr Newcomer gibt, als auf dem SUMMER BREEZE gespielt haben, ist wohl offensichtlich. Wir haben ein paar herausgepickt und stellen sie euch in unserem Newcomerspecial vor. Doch bevor die Jungs den ersten offiziellen Festivaltag eröffnen, bitten noch einige bekanntere Bands zum Tanz.
[Julian Rohrer]

"Welcome back – let's fetz" - so oder ähnlich fühlt es sich an, nach einer gut dreistündigen Pause mit Essen, Leute treffen und Ausruhen zurück ins Party-Zelt zu kommen und dort mit HAIL OF BULLETS konfrontiert zu werden. Im Gegensatz zum Nachmittag sind deutlich weniger Hardcore-Kids anzutreffen. Das Publikum scheint erwachsener, der Sound auf der Bühne ist es allemal. Death Metal ohne verträumte Schnörkel wird dort geboten - gerade richtig, um sich in der Nacht die richtige Portion Neunziger-Jahre-Sound zu geben. Während die Instrumentalfraktion jedem Propeller den Neid in die Augen treiben würde, gibt Martin van Drunen alles – und das ist nicht gerade wenig. Allein der Sound gefällt nicht vollständig, das Schlagzeug ist einfach zu präsent. Nach gut fünfzig Minuten ist die Brücke zwischen alter Schule und Moderne zum letzten Mal geschlossen, der Schulterschluss vollzogen, und wir machen uns auf zum Stand – Feierabend-Bierchen inklusive.
[Julian Rohrer]

Tja, allgemein sieht es recht mau aus, was Reviews der Bands am Mittwoch angeht. Hier sollte eigentlich einiges mehr besprochen werden, da wir aber, genau wie die Festivalbesucher, die auf den normalen Campingplatz wollten, den kompletten Anfahrtsstau überstehen mussten, haben wir den gesamten Mittwochabend im Auto verbracht. Ein wenig Unverständnis macht sich da dann doch breit, denn dass es wieder Staus geben wird, war ja eigentlich zu erwarten. Eventuell sollte man nächstes Jahr die Anfahrt zum VIP-Camping direkt umleiten, um solche Probleme zu verhindern. Dann könnte man an dieser Stelle nämlich nun einiges mehr lesen. Außerdem bin ich mir sicher, dass Bands wie THE ROTTED, FLESHCRAWL oder LAY DOWN ROTTEN an diesem Mittwoch richtig gerockt haben. Nächstes Jahr vielleicht.
[Hagen Kempf]

Redakteur:
Julian Rohrer

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