Summer Breeze 2016 - Dinkelsbühl

31.08.2016 | 21:51

18.08.2016,

Tatsächlich die erhoffte Brise des Sommers: das Summer Breeze Festival 2016.

Freitag, 19. August 2016

Muntere Trinklieder wie die 'Drei Weiber' um elf Uhr morgens auf der Main-Stage? Wie die Veranstalter des Festivals auf diese bizarre Schnaps-Idee kamen, kann ich mir leider immer noch nicht erklären. Unter diesen Bedingungen hatten Malte und der Rest von VERSENGOLD jedenfalls einen erwartungsgemäß schweren Start ins Festival. Allen Bemühungen zum Trotz lassen sich die wenigen, die sich um diese Uhrzeit schon aufs Gelände verirrt hatten, nicht zum Feiern animieren und so ist es fast schon peinlich leise, als Malte das Publikum beim dritten Refrain von 'Vater, Vater' zum Mitsingen auffordert. Kein Wunder, dass die Mittelalter-Urgesteine bereits nach den ersten paar Songs ein wenig lustlos wirkten und ihr Set beinahe mechanisch herunterspielen. Zwar spielt Paule an der Geige so genial wie immer, doch verpufft seine Virtuosität angesichts der Gezwungenheit von VERSENGOLD in dieser Frühe noch gute Laune zu verbreiten. Besonders der sonst so charismatische Malte spult seine Anmoderationen nur noch herunter, der Rest der Band scheint es auf einmal ziemlich eilig zu haben. So sehr ich die Jungs auf Mittelalterspektakeln und Co feiere, so wenig gefallen sie mir als Festival-Band. Tut mir einen Gefallen und bleibt in Zukunft bei euren Wurzeln!

[Leoni Dowidat]

Och, Leoni, da gehst du aber hart mit den Burschen ins Gericht. Erstens passen Trinklieder immer, schließlich ist es immer vier Uhr irgendwo im Imperium, und zweitens machen die doch ordentlich Freude, die ich ansteckend finde. Ja, es ist noch recht leer, aber in Anbetracht des undankbaren Slots am recht frühen Tag macht VERSENGOLD seine Sache doch recht ordentlich. Das schreibe ich auch, nachdem ich weiß, dass die Band für mich nämlich in retrospekt den Mittelalter-Gedudel-Thron des Tages bestiegen haben. Ich finde es unterhaltsam, sehe sie aber auch zum ersten Mal. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass sich das auch abnutzt.

[Frank Jaeger]

Wer auf Muskeltraining, engen Superheldenanzügen und Freibier steht, ist bei der Spaß-Kapelle GRAILKNIGHTS an der richtigen Adresse. Zu Beginn der Show ist den Protagonisten der heilige Gral von ihrem Erzfeind Dr. Skull gestohlen worden und mit Hilfe des sogenannten "Battlechoirs" (den Fans) soll dieses wichtige Artefakt wieder zurück erobert werden. Es hat durchaus einen Unterhaltungsfaktor, wenn neben der eigentlichen Performance eine Art Theatershow mit inszeniert wird. Das Publikum kennt seine Rolle und macht jeden Schabernack eigentlich mit. Dafür erhält es dann von Zapf-Beauty als Belohnung ein Fass Freibier und die berühmten "Grailrobics", später auch die aktuelle EP, die sich "zufälligerweise" im Gral befindet. Dieser kehrt übrigens zu den rechtmäßigen Besitzern wieder, nachdem es zu einem epischen Slow-Motion-Kampf auf der Bühne kommt. Musikalisch beschäftigt man sich überwiegend mit neuem Material und bis auf 'Grailquest Gladiators' gibt es kaum alten Kram zu hören. Den Preis für die lustigste Performance auf dem Festival geht eindeutig an das Quintett.
Setliste: Dead or Alive, Morning Dew, Crimson Shades Of Glory, Rise Of The Black Knight, Grailrobics, Superhelden Medley, Grailquest Gladiator

[Hang Mai Le]

Holla, die Waldfee – das nenne ich eine Release-Party! Zum Auftritt von FEUERSCHWANZ ist es vor der Hauptbühne bereits um ein Uhr mittags gerappelt voll und verdächtige Gestalten mit Bauchläden voller CD’s ziehen übers Gelände: Die Mittelalter-Rocker veröffentlichen am zweiten SUMMER BREEZE-Tag ihr neues Album "Sex Is Muss!" und lassen es zu diesem Anlass auch auf der Bühne ordentlich krachen. Darauf erst einmal einen Salut: Mit 'Aufs Leben!' entern der Hauptmann, Hodi und Co das Festival und versprühen ab der ersten Sekunde eine solche Spielfreude, dass man gar nicht anders kann. Das ganze Publikum geht mit, FEUERSCHWANZ hat die Zuschauer fest in der Hand. Ob Gummiboot-Crowdsurfing bei 'Seemannsliebe, Seemannsgarn' oder Chorgegröle bei 'Blöde Frage: Saufgelage!' – es gibt anscheinend nichts, was die Festival-Besucher für die Spielmannstruppe nicht tun würde. Grenzen werden da keine gesetzt der wie Hodi es sagt: "Ihr könnt bei uns machen, was ihr wollt. Von mir aus könnt ihr auch dieses komische Im-Kreis-Gerenne-und-Rumgeschlage tun!" Auf der Bühne geht es bisweilen wesentlich zärtlicher zu: Mit dem Live-Klassiker 'Ein Herz ist Sturm' verzaubert der Prinz live eine holde Maid aus dem Publikum, ehe FEUERSCHWANZ mit 'Ketzerei' und dem titelgebenden 'Sex Is Muss' zwei weitere Songs des neuen Albums spielt. Die letzte Nummer ist Programm und wird aus tausend Kehlen mitgegrölt: 'Das niemals endende Gelage' – mit euch doch immer!

Wenn ich MASTODON sehe, könnte ich die ganze Zeit nur übers Trommeln reden: "Wie unglaublich gut ist der Schlagzeugsound mal wieder? Wie geil sind diese ganzen Wirbel? Wie viel Drive entwickelt der Mann, ohne Hochgeschwindigkeit fahren zu müssen? Boah…" Oder ich lasse mich darüber aus, wie großartig es ist, dass alle vier Herren tatsächlich singen – können und auch tun! Diese Band ist einfach faszinierend; sie war es immer und wird es vermutlich auch immer bleiben. Sound-, song-, performancetechnisch und überhaupt. Eine stets sehr bescheiden wirkende Band, in deren Vokabular das Wort "Publikumsinteraktion" nicht vorkommt, die ansonsten jedoch auf der Bühne so ziemlich alles kann. Und wie ich so die ganzen schiefen Akkorde, krummen Takte und benebelnden Gesänge aufsauge und dabei eine Pseudo-Erleuchtung erfahre, wird mir klar, dass MASTODON wohl die musikalischste Band ist, die mir auf diesem Summer Breeze unterkommt. Fantastisch, einmal mehr – selbst mit einer relativ ungewöhnlichen Setlist, die stark auf das neuere Material gesetzt hat.
Im nächsten Jahr feiert das Summer Breeze 20-jähriges Jubiläum, ein Jahr vor diesem schafft es nun auch endlich SLAYER nach Dinkelsbühl. Das Debüt der kalifornischen Totschläger ist fraglos das Highlight des Freitags: Die weite Fläche ist pickepackevoll, die Stimmung prächtig, wie vor einem SLAYER-Konzert schon obligatorisch knisternd, und mit 'Repentless' starten die vier Herren auch standesgemäß in ihr Set. Der Sound knallt – aber das war es dann auch schon, was man Positives über jenen verlieren könnte. Oft findet der Herr der Knöpfe im Laufe der ersten drei Songs noch die richtigen Regler, aber hier und heute soll dieser eigenartig dumpfe Klang mit viel zu viel Bassdrum und nahezu gar keinem Druck auf den Gitarren (es wirkt, als würde die Hälfte des Frequenzspektrums fehlen) die Maßgabe für die gesamten 19 Nummern sein. Zentral mittig am Ende des ersten Wellenbrechers wohlgemerkt. "Halb so wild", denke ich mir, "dann steigere ich mich halt in diese Übertracks rein!"; eine Idee, mit der ich nicht ganz allein zu sein scheine. Anlass dazu gibt es jedenfalls genug, denn mit 'Postmortem' ist bereits an dritter Stelle einer meiner Alltime-Favorites am Start. Die Songs neueren Datums gehen nicht weniger gut nach vorne, Holt und King zerhacken ihre Griffbretter und Nacken, aber irgendwie… ja, irgendwie kommt davon wenig an. Viele, vielleicht die meisten werden die heruntergebretterten Tracks ohnehin im Schlaf rückwärts mitrülpsen können, aber es wäre schon schön, wenn man die großartigen Momente auch alle hören würde, anstatt sie erahnen zu müssen, denn so ist es beinahe Arbeit, aus dem Konzert ein Erlebnis werden zu lassen. Natürlich freue ich mich bereits bei Ayaras Ansage über 'Dead Skin Mask', selbstverständlich feiere ich 'Die By The Sword' und mir ist vollkommen klar, dass die Hölle mich ziemlich zeitnah erwartet. Alles gut, alles schön, aber eben nicht so stark, wie es sein könnte und schon unzählige Male war. Für mein Gefühl ist spürt man dies auch im Publikum: Sehr gute Stimmung, aber eben doch nur knapp vorm Überlaufen. Man muss sich das Finish einmal auf der Zunge zergehen lassen: 'Seasons In The Abyss', 'South Of Heaven', 'Raining Blood', 'Black Magic' und das inzwischen zum Hanneman-Tribut transformierte, unsterbliche (höhö) 'Angel Of Death' – da sollte eigentlich kein Auge trocken bleiben. Ja, eigentlich. Ich habe keinerlei Interesse daran, eine Darbietung nur anhand des Sounds zu bewerten und bin auch alles andere als ein audiophiler Soundfetischist, doch wenn der Auftritt einer meiner absoluten Lieblingsbands dadurch dermaßen an Wirkung verliert, dann sehe ich mich gezwungen, dies auch entsprechend zu benennen. Was bleibt ist eine trotzige Vorfreude auf den nächsten SLAYER-Gig, wann und wo auch immer dieser sein wird – denn der Band selbst ist keinerlei Vorwurf zu machen.
Lange habe ich mich gefragt, warum so viel neuere, junge Hardcore-Bands von Integrität und allem damit verwandten singen, genau das aber oftmals gar nicht ausstrahlen, geschweige denn leben. Woher kommt das? Dann habe ich H2O kennengelernt und mir war klar, was sie in ihrer Jugend begeistert hat und wahrscheinlich bis heute noch tut. Inzwischen habe ich die New Yorker Urgsteine mehrfach gesehen und bin nicht weniger angetan von der ehrlichen, aufrichtigen Message von Toby Morse und Co. Hier wird vor allem gesungen, nicht gebrüllt; da wird vor allem gepunkt, nicht gemetallt; und es gibt so viele positive Worte, anstatt sich in den negativen Dingen zu verlieren. Musikalisch ist das für Metallerohren natürlich alles schon arg schnell und simpel auf den Punkt gebracht, aber darin liegt auch das Geniale der Band. Jene betont übrigens – wie es beispielsweise HATEBREED auch schon mehrfach getan haben – wie faszinierend sie diese bunten, gemischten Festivals in Deutschland und ganz Europa finden; in den US of A koche da eher jedes Subgenre sein eigenes Süppchen. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass H2O trotz des mittelmäßig gefüllten Zeltes abgeht wie die Katze der berüchtigten Familie Schmitz und sich darüber freut, heute viele neue Hörer zu erreichen. Die Gruppe spult dabei ein gefühlt sehr spontanes Programm ab, was gerade im Vergleich zu den allermeisten Metal-Bands mit deren auf die Sekunde durchgeplanten Setlists sehr erfrischend und entspannt daherkommt. Das Highlight ist 'What Happenend', für H2O-Verhältnisse fast schon episch, welches den Kern dieser Band noch einmal bestmöglich auf den Punkt bringt. Am Ende weiß man wieder, wo oben und unten ist und wo der Hardcore eigentlich nochmal seine Wurzeln hat.

[Leoni Dowidat]

Ja, so unterschiedlich kann man Auftritte empfinden. Wo dich bei VERSENGOLD die Trinklieder störten und das Publikum fehlte, ist ersteres knapp zwei Stunden später so viel besser? Ja, der Publikumszuspruch ist größer, aber das ist auch tatsächlich der einzige Pluspunkt von FEUERSCHWANZ gegenüber VERSENGOLD. Ansonsten empfinde ich den Auftritt eher als peinlich, angefangen bei dem grenzdebilen Titel der neuen Scheibe "Sex Is Muss" und aufgehört bei den beiden Hupfdohlen, die die meiste Zeit leicht bekleidet sinnfrei auf der Bühne herumtanzen. Nein, dieser Sackpfeifen-Dudel-Schlager ist schon schwer verdaulich. Ich flüchte jedenfalls nach einer Weile und kann mich rausreden, dass ich rüber muss, um CONAN zu fotografieren. Da ist der Fremdschämfaktor jedenfalls deutlich geringer.

[Frank Jaeger]

Bei besagter Band angekommen, die ich übrigens tatsächlich nicht kenne, mir aber von Kollegen habe sagen lassen, dass es sich bei CONAN um Doom handeln würde, fällt mir zuerst der schwere, zähe Sound auf. Das passt zu Doom, die Geschwindigkeit des Openers aber nur teilweise. Abwechselnd zügig und doomig tönt das Stück lavaartig aus den Boxen, nur um dann wieder auszubrechen. Die Briten servieren so früh am Tag ein sehr schwer verdauliches Gebräu, für das sich eine recht übersichtliche Menge im Zeit eingefunden hat. Die wilde Speedattacke zu Beginn des dritten Songs überrascht mich völlig, lässt mich mit hochgezogenen Augenbrauen hochsehen, aber mit zunehmender Dauer des Auftritts macht sich Langeweile breit. Der Gesang von Frontmann Jon Davis ist sehr gewöhnungsbedürftig und das Stageacting der beiden Männer vorne auf der Bühne ist auch zumeist kaum vorhanden. Mitreißend geht anders, aber Doom will ja eigentlich auch gar nicht mitreißend sein. Aber es gibt Doom, in dem ich versinken kann, und es gibt Doom, bei dem ich auf die Uhr schaue, wie lange die schon spielen, und vor allem, wie lange noch. CONAN ist Uhren-Doom.

[Frank Jaeger]

 

Auch wenn ich grundsätzlich bekannterweise gewisse Berührungsängste bei Death Metal habe, so trifft das auf die deutsche Band DEADLOCK nicht zu. Grund dafür ist, dass mich bei vielen Death-Bands wie auch bei den meisten der Core-Spielarten, die über die Jahre auch ihre Spuren im Sound von DEADLOCK hinterlassen haben, der immer ähnliche, gebrüllte Gesang stört. Dem aber kann DEADLOCK entgegenwirken, denn die Bayern haben bereits seit dem ersten Album zwei Frontleute, davon eine klar singende Damenstimme, sodass sie ihren Death Metal mit echten Melodien würzen. Das muss man dann doch eigentlich mögen oder? Dabei ist der Auftritt ansonsten aber ziemlich brachial und Sänger John Gahlert dominiert das Geschehen, brüllt heftig und animiert das Publikum, während die Gitarrenfraktion komplex zu Werke geht und die Lieder alles andere als eingänglich werden lassen. Zumindest bis Sängerin Margie Gerlitz ins Spiel kommt und die schönen Refrains intoniert. Dabei steht sie häufig auf einem von zwei Podesten, denn im Vergleich zu Gahlert ist sie doch von recht geringer Körpergröße, sodass die beiden zumindest nebeneinander stehen und die zweistimmigen Parts gemeinsam singen können, ohne dass es albern aussieht. Sehr ordentlicher Auftritt der Band, sympathisch und kraftvoll.

[Frank Jaeger]

Zu meinem Leidwesen bewege ich mich für die russische Pagan-Gruppe ARKONA wieder ins Partyzelt, doch seltsamerweise fehlen bei der Performance nicht nur die Felle, sondern auch die schlechte Soundqualität. Ein kleiner Lichtblick am Horizont und für die Fans gibt es auch noch alle drei Partylieder am Stück zu hören. Das antwortet schwer begeistert und verwandelt das Zelt in eine überdimensionale Tanzfläche. Für mindestens genauso viel Euphorie sorgen die Klassiker 'Goi Rode Goi' und 'Slav’sja Rus'. Die Spielzeit vergeht wie im Fluge und leider hat die Band nur einen sehr kleinen Ausschnitt ihres Repertoires zeigen können. Für hartgesottene Fans lohnt sich eine Clubshow weitaus mehr, wenn man mehr als nur die übliche Spaßmusik hören möchte.
Setliste: Yav‘, Ot Serdtsa K Nebu, Slav’sja Rus, Goi Rode Goi, Pamiat, Stenka na Stehu, Yarilo

[Hang Mai Le]

Ruppichteroth. Muss man sicher nicht kennen, aber daher kommt KÄRBHOLZ, die Band, die nach den beiden Mittelalterkapellen auf der Main Stage loslegen darf. Erdig und ohne Umschweife geht es gleich ins Eingemachte, quasi das Gegenteil des bisherigen Rumgeflötes. Rock 'n' Roll der dreckigen, rotzigen Sorte wird von Torben Höffgen und seinen Mannen zur Freude der Rocker abgefeuert. Das sieht ehrlich aus, das klingt spaßig, das nimmt mit, das ist die perfekte Untermalung für Bier, Tanzen und Mitsingen. Auch wenn Torbens Lektion im kölschen Dialekt vielleicht nicht den durchschlagenden und nachhaltigen Erfolg im globalen Siegeszug der niederrheinischen Lebensart erzielen kann, schmettern zahlreiche Kehlen im zweiten Lied 'Lass Mich Fliegen' das "Gegen den Wind" voller Inbrunst mit. Sehr schön, und natürlich kann man mit einer Coverversion wie MOTÖRHEADs 'Killed By Death' überhaupt nichts falsch machen. Als die Band mit dem flotten 'Tiefflieger' ihren Set beendet, blicke ich in viele zufriedene Gesichter.

[Frank Jaeger]

 

Oh ja, DYING FETUS ist live doch immer wieder eine wahre Wonne. Ganz ehrlich: Auf Platte kann ich mir das ultrabrutale Trio auch eher selten geben (komisch eigentlich, da Genrekollegen bei mir regelmäßig laufen), allerdings ist dieses Gewemmse live einfach nur herrlich. Dass die Herren ihre Backpfeifen immerhin in zwei unterschiedlichen Gurgelarten verteilen, tut dem dichten Sound mehr als gut, ansonsten ist bei diesem mit chirurgischer Präzision vorgetragenem Brutal Death natürlich wenig Zeit zum Durchschnaufen. Es ist lustig zu beobachten, wie die doch zahlreiche versammelte Meute großteils Gefallen an der üblen Rhythmik des Todes findet, jedoch keinen Takt ausmachen kann, in welchem man seinen Nacken mal anständig malträtieren könnte. Also halb so schnell. Oder ein Viertel. Oder einfach irgendwie. Hauptsache es knallt. Und wenn DYING FETUS eines kann, dann in der Nachmittagshitze knallen. Meine Favoriten sind heute 'One Shot, One Kill' und 'Praise The Lord (Opium Of The Masses)' – aber ganz ehrlich, wer ist hier schon einer differenzierten Analyse interessiert? Schöner… äh… fieser Auftritt!

[Oliver Paßgang]

Ich bin wirklich erstaunt ob der Reaktionen, die die Band hier im Publikum erfährt. Was tatsächlich wie eine Dampframme mit Rädern bei einem Gefälle von 20 Grad auf die Massen niedergeht, ist einfach brutal. Ohne Unterlass brettert der Dreier die Stücke runter, von denen ich nach wenigen Minuten tatsächlich nichts mehr unterscheiden kann. Dazu die beiden völlig monotonen Grunzer, und fertig ist ein Geräuschorkan, denn ich nur eine gewisse Zeit aushalte. Olli, du ist echt hart. Ich muss hier weg.

[Frank Jaeger]

 

Seit dem Einstieg von Sänger Todd LaTorre hat QUEENSRYCHE wenigstens live eine bemerkenswerte Wandlung durchgemacht. Zwar sind die neuen Alben den hohen Erwartungen mancher Fans nicht ganz gerecht geworden, doch auf der Bühne spürt man förmlich, wie sich die Chemie innerhalb der Band verbessert hat, wie die Spielfreude zurückgekehrt ist und alle Beteiligten Spaß an dem haben, was sie da tun. Das ist auch bei der brutalen Hitze heute vor der Main Stage nicht anders, wo QUEENSRYCHE einen Set Spielt, der sich vor allem auf die Klassiker des Backkatalogs konzentriert. 'Empire' findet sich dort, 'Queen Of The Ryche', einmal mehr fantastisch gesungen und natürlich einiges von "Operation: Mindcrime". Die Band ist gut eingespielt und wie immer beeindruckt neben Sänger Todd vor allem Drummer Scott Rockenfield mit seinem einzigartigen Schlagzeugspiel. Der Mann alleine reicht eigentlich schon aus, um eine QUEENSRYCHE-Show sehenswert zu machen, aber die restliche Band ist ja auch alles andere als schlecht. Lediglich meinen Liebling 'The Needle Lies' vermisse ich heute, aber vielleicht wäre der bei den Temperaturen schlicht zu anstrengend für das Publikum geworden? Wer weiß, auch so gibt es viel schönes zu hören und mit 'Eyes Of A Stranger' einen gebührenden Abschluss. QUEENSRYCHE in dieser Besetzung macht live einfach immer Spaß, egal welche Songs die Herren aus Seattle spielen.

[Raphael Päbst]

 

Mit den letzten beiden Alben "The Ride Majestic" und "The Living Infinite" konnte die schwedische Melodic-Death-Metal-Band SOILWORK ihren Erfolg weiter souverän ausbauen. Obwohl sie schon extrem lange aktiv ist, haben auch die neuen Scheiben einen gewissen Einfluss in der heutigen Szene. Während die meisten Besucher immer noch im Mittagstief hängen, entern die Herren die Bühne mit einer unglaublichen Spielfreude, wie man sie nicht so häufig antrifft. Voller Motivationen werden Hits, wie 'Death in General', 'The Crestfallen' oder 'Overload' gezockt, um auch die letzte Schlafmütze in der hintersten Reihe wieder wach zu bekommen. Obwohl die Fans des Summer Breeze Festivals als ziemlich textsicher gelten, hat Sänger Björn so seine Schwierigkeiten mit ihnen. Was an Worten fehlt, macht das Publikum allerdings mit spontanen Circle- und Moshpits wieder wett. Das Programm wird knallhart durchgezogen und gegen Ende können die Leute zu 'Stabbing the Drama' doch noch ihre Gesangskünste unter Beweis stellen.
Setliste: The Ride Majestic, Nerve, Death in General, The Chainheart Machine, The Crestfallen, Let This River Flow, Tongue, Overload, Petrichor by Sulphur, The Living Infinite I, Bastard Chain, Whirl of Pain, Rejection Role, Follow the Hollow, Stabbing the Drama

[Hang Mai Le]

Technischer Death Metal hat sich in den letzten Jahren zu einer deutschen Spezialität entwickelt, mit Bands wie NECROPHAGIST, ALKALOID oder auch OBSCURA, die in diesem Genre exzellente Musik veröffentlichen. Aber funktioniert diese extrem komplexe und frickelige Musik auch live? Dieser Frage widme ich mich im Zelt vor der Tent Stage bei OBSCURA und kann berichten, dass jegliche Sorgen unbegründet sind. Trotz des eher durchwachsenen Sounds im Zelt schafft es die Band, die Feinheiten der Kompositionen auf die Bretter und aus den Boxen zu bringen, so dass der Auftritt zu einer Demonstration in musikalischer Qualität wird. Die Band gibt sich auch in den Ansagen sympathisch und macht Werbung für die im Herbst startende Tour zum aktuellen Album "Acroasis", die nach einem solchen Auftritt wohl bei dem einen oder andren Anwesenden fruchten dürfte. Dabei liegt die besondere Stärke von OBSCURA sicher darin, nicht nur Griffbrettakrobatik in Höchstgeschwindigkeit zu praktizieren, sondern packende Songs in allen Tempi zu schreiben und die vielen instrumentalen Kabinettstückchen auch live darzubieten. So weiß ich nie so recht, ob ich nun einfach nur andächtig lauschen soll oder doch dem Drang zum Headbangen nachgeben soll. Ich entscheide mich für eine Kombination aus beidem und bekomme eine durchweg starke Show geboten.

[Raphael Päbst]

 

Wo nimmt die Frau nur diese Energie her? Auch nach zig Festival-Auftritten in diesem Jahr fegt Alissa White-Gluz bei ARCH ENEMY so schnell über die Bühne, dass ich mit dem Schauen (geschweige denn dem Fotografieren) kaum noch hinterherkomme. Zu dem Slot der Schweden am frühen Abend hat es eine Menge Besucher vor die Main-Stage gezogen, der Platz ist so brechend voll wie bei einem Headliner. Auch auf der Bühne herrscht ordentlich Trubel: Die blauen Haare der Sängerin fliegen beim Headbangen zu 'Yesterday Is Dead And Gone' oder 'War Eternal', eigentlich bleibt Alissa nur stehen, um ins Mikrofon zu growlen oder ihren großartigen Begleitern Respekt zu zollen. Denn auch wenn es die charismatische Leistung der Angela-Gossow-Nachfolgerin bei ARCH ENEMY ist, die polarisiert und auch auf dem Summer Breeze alle Aufmerksamkeit auf sich zieht - gerade Jeff Loomis und Michael Amott stehen ihrer Frontfrau in nichts nach. In ihren wahnsinnig energiegeladenen, schnellen Soli schenken sich die beiden nichts und nehmen mir mit dem harten Gitarrengewitter echt den Atem. Das klingt schon fast nach Hochleistungssport! Bei so viel Einsatz für die Fans ist es kaum verwunderlich, dass jede Menge Fan-Liebe von den Besuchern zurückkommt. Für die Autogramm-Stunde mit Alissa, Jeff und Co standen manche von ihnen schon neun Stunden vor dem Termin Schlange.

[Leoni Dowidat]

Und einmal mehr finde ich mich vor der Camel Stage wieder, wo sich eine junge Band den Arsch abspielt, um möglichst viele Besucher des Summer Breeze davon zu überzeugen, sie genauer unter die Lupe zu nehmen. Im Falle der Belgier BLIKSEM geschieht dies durch höchst energischen Power Thrash voller spritziger Songs, starker und zahlreicher Gitarrensoli und dem überzeugenden Gesang einer höchst sympathischen Sängerin. Die Dame schreit und singt sich die Seele aus dem Leib, feuert das Publikum an und sorgt so für mächtig Stimmung vor der kleinen Bühne. Das aktuelle Album "Gruesome Masterpiece" wird natürlich zuvorderst beworben und präsentiert, aber wer Songs wie 'Twist The Knife' am Start hat, darf diese ruhig auch mal live spielen und den Leuten einen Kauf der Scheibe nahelegen. Insofern gibt es wieder das, woran ich mich vor der Camel Stage gewöhnt habe, nämlich viel Energie und eine Band, die es wirklich wissen will und alles gibt. Ein toller Auftritt einer coolen Band.

[Raphael Päbst]

 

Wenn ich MASTODON sehe, könnte ich die ganze Zeit nur übers Trommeln reden: "Wie unglaublich gut ist der Schlagzeugsound mal wieder? Wie geil sind diese ganzen Wirbel? Wie viel Drive entwickelt der Mann, ohne Hochgeschwindigkeit fahren zu müssen? Boah..." Oder ich lasse mich darüber aus, wie großartig es ist, dass alle vier Herren tatsächlich singen – können und auch tun! Diese Band ist einfach faszinierend; sie war es immer und wird es vermutlich auch immer bleiben. Sound-, song-, performancetechnisch und überhaupt. Eine stets sehr bescheiden wirkende Band, in deren Vokabular das Wort "Publikumsinteraktion" nicht vorkommt, die ansonsten jedoch auf der Bühne so ziemlich alles kann. Und wie ich so die ganzen schiefen Akkorde, krummen Takte und benebelnden Gesänge aufsauge und dabei eine Pseudo-Erleuchtung erfahre, wird mir klar, dass MASTODON wohl die musikalischste Band ist, die mir auf diesem Summer Breeze unterkommt. Fantastisch, einmal mehr – selbst mit einer relativ ungewöhnlichen Setlist, die stark auf das neuere Material gesetzt hat.

[Oliver Paßgang]

 

Auf der T-Stage gibt sich NASTY die Ehre, eine Hardcore-Band aus Belgien. Mir wurde gesagt, die Jungs seien klasse, also nichts wie rüber! Und kaum hat NASTY die Bühne betreten, geht die Hardcore-Post auch schon ab. Von Null auf Hundert haut Sänger Matthias der lechzenden Meute einen heftigen Track nach dem anderen entgegen, immer kurz und voll auf die Zwölf. Allerdings versteht man wenig, und jeder Song enthält einen Breakdown, während die instrumentale Seite auch nicht allzu viel Hörenswertes von sich gibt. NASTY lebt ausschließlich von der Aggression und dem Spaß am Pit. Das ist für mich eher verzichtbar, aber die Begeisterung der ersten Reihen, ja, ich würde sagen, der ersten 50 Reihen, ist beeindruckend. Zahlreiche Crowdsurfer halten die Security, die sich selbst liebevoll "Grabenschlampen" nennt, in Atem, und als Mathias von der Bühne herunter in den Graben springt, um Tuchfühlung mit den Fans aufzunehmen, muss man Angst haben, dass sie ihn glatt in Stücke reißen. Mehr Resonanz kann man als Band nicht erwarten, so gesehen hat NASTY alles richtig gemacht. Meine Musik ist das aber dennoch nicht, da überlasse ich das Feld lieber der jüngeren Generation. Ich sehe auch mit umgedrehter Baseball-Cap doof aus. Also lassen wir das lieber.

[Frank Jaeger]

 

Mir scheint, als gingen uns in der Redaktion die CARCASS-Jünger ab, denn ganz gleich wo die englische Legende auftritt, es bleibt fast immer an mir, euch vom Auftritt zu berichten. Dabei bin ich selbst gar nicht der allergrößte Anhänger der Band, und alles andere als sattelfest, was speziell das Frühwerk angeht. Irgendwie hatte ich bei sämtlichen Gigs der Anatomieexperten, die ich in den letzten Jahren sehen durfte, das Gefühl, dass die Band an ihrem einstigen Status zu knabbern hat und von den Veranstaltern zu hoch gebucht wird, oder im falschen Kontext. Es ist schwer zu sagen, woran es liegt, doch ganz gleich ob CARCASS in den letzten Jahren in Wacken, in Balingen, in Gelsenkirchen oder heute in Dinkelsbühl die großen Festivalbühnen im Range eines Tagesheadliners oder Co-Headliners rockt, der Publikumszuspruch ist doch eher verhalten, und das sowohl in quantitativer Hinsicht als auch in Sachen Abgehpotential. Woran das liegt: Schwer zu sagen! Daran, dass die Band die Goregrind-Frühphase einmal mehr fast völlig außer Acht lässt, sicher nicht, denn auch wenn die ersten beiden Alben fraglos Kultstatus besitzen, waren dann doch die späteren, weitaus melodischeren Alben deutlich erfolgreicher, und so wählt die Band auch eine bewährte Setlist, die vornehmlich aus Titeln des aktuellen Albums und der drei Scheiben vor dem Split besteht. Allerdings, und das mag ein Grund dafür sein, dass die Fans nicht so richtig in den Set der Band finden, werden weite Teile des Oeuvres in Form von Medleys verwurstet, sodass nicht einmal Megahits wie 'Heartwork' oder 'Corporal Jigsore Quandary' für sich stehen und wirken können. Klar, die Präsenz und Stimme von Jeff Walker ist nach wie vor charismatisch, und die Gitarrenarbeit der Herren Steer und Ash ist fantastisch, doch irgendwie holzt sich die Band zu gerafft durch zu viel Material, sodass der Moment nicht wirken kann. Das überträgt sich klar spürbar aufs Publikum, das ihn weiten Teilen eben recht teilnahmslos bleibt. Schade drum!

[Rüdiger Stehle]

Als Anhänger der Band MOONSORROW hat man es nicht so leicht. Die Finnen produzieren zwar qualitativ hochwertiges Material und das in Überlänge, jedoch sprengt das oftmals die reguläre Spielzeit auf Festivals und so schaffen es im Regelfall allerhöchstens vier Songs auf die Setlist. Als ob nicht das schon deprimierend genug ist, hat sich die Akustik des Zeltes mal wieder gegen mich verschworen und verwandelt den Sound in Matsch. Selbst wenn man ganz vorne mit dabei ist, gehen die Klargesänge dezent unter. Glücklicherweise kann der Soundtechniker im Laufe des Konzertes ein kleines Wunder vollbringen und am Ende kommt doch noch etwas Passables aus den Boxen heraus. Von der "Voimasta ja Kunniasta" hat es nur der Song 'Sankaritarina' geschafft und die restliche Spielzeit wird für die aktuelle Scheibe "Jumalten Aika" genutzt. Wer auf traditionellen Pagan Metal á la THYRFING und PRIMORDIAL steht, sollte hier definitiv beherzt zugreifen. Das neue Material kommt auch bei Leuten gut an und trotz einiger Mängel ist das heute ein gutes Konzert.
Setliste: Jumalten Aika, Suden Tunti, Sankaritarina, Ihmisen Aika (kummarus pimeyteen)

[Hang Mai Le]

Zu WINTERSTORM ist ziemlich schnell alles gesagt: Viel Nebel, blaues Licht und ziemlich wenig Show. Kurz vor der Veröffentlichung ihres neuen Albums "Cube Of Infinity" will die Power-Metal-Band noch einmal Werbung für ihren neuen Silberling machen - und bleibt dabei sogar auf der kleinen Camel-Stage enttäuschend blass. Die Bayreuther läuten ihren Auftritt mit einem sphärischen Intro ein, der eigentlich auf den großen Knall hoffen lässt. Dieser bleibt allerdings aus: Schon beim Opener 'Cube Of Infinity' klingt Frontmann Alex Schirmer ziemlich kieksig und nervös und läuft rastlos auf der Bühne hin und her. Zwar fängt er sich nach einigen Songs, doch mehr als eine grundsolide Leistung als Sänger ist Alex an diesem Abend nicht zu attestieren. Bis zum Schluss macht der Gig von WINTERSTORM optisch nicht sonderlich viel her und auch der Funke zum Publikum springt nicht über (welches sich übrigens selbst Abhilfe schafft und eine eingewickelte Paketbandmumie zum Crowdsurfen nach vorne schickt) - einzig und alleine Tobi Lodes, der seit Neuem ja auch bei BEYOND THE BLACK kräftig mitmischt, betreibt da ein wenig Schadensbegrenzung und legt einen grandiosen Saiten-Ritt nach dem anderen inklusive Posiergehabe für die Fotografen hin. Böse Zungen behaupten übrigens, dass sein Dauergrinsen gute Miene zum bösen Spiel angesichts des sonst eher wenig aufregenden Auftritts von WINTERSTORM gewesen sein soll.

[Leoni Dowidat]

 

"Meine Güte, wie sieht der denn aus?" sind meine ersten Gedanken, als ich Claudio Sanchez, den Bandleader von COHEED AND CAMBRIA, auf die Bühne kommen sehe. Der ist so zugewachsen, dass man wohl sagen muss, wo es bellt, ist vorne. Oder in diesem Fall wo er mit seinen melodischen, progressiven Gesangslinien inhaltlich weitgehend unverständliche Inhalte in das Riesenzelt des Summer Breeze feuert. Jedenfalls ist sein Gesicht die meiste Zeit hinter einem Vorhang aus Haaren verborgen, was aber sein Gitarrenspiel nicht beeinträchtigt, wobei allerdings sein Gesang heute nicht immer jeden Ton der komplexen Kompositionen sicher trifft. Was auch auffällt ist, dass der Sound vor der Tentstage, der angestammtermaßen immer schwierig ist, dem Auftritt nicht zu Gute kommt. Man muss sich in die Nähe des Mischpultes begeben, um in den Genuss besserer Tonqualität zu kommen, aber das ist im ziemlich vollen Zelt illusorisch. Spätestens als die ersten beiden Songs gleich zwei Klassiker sind, nämlich 'In Keeping Secrets Of Silent Earth 3' und 'Everything Evil', tobt die Meute und wackelt das Zelt. Bei so einem Festivalauftritt ist die epische Hintergrundgeschichtem, die die Basis für sieben Alben und sogar Bandnamen und -logo bildet, Nebensache, sodass ich auf ein Eingehen darauf verzichte. Geschickt variieren Claudio und sein Sparringspartner Travis Stever die Lieder von verschiedenen Alben, mischen immer wieder Fan-Favoriten wie 'No World For Tomorrow' und 'A Favor House Atlantic' in die Setliste, die sogar mit 'Drain You' eine Coverversion enthält. Dazwischen hüpfen die Protagonisten immer wieder wild über die Bühne, etwas das ich von COHEED AND CAMBRIA gar nicht gewohnt bin. So endet ein großartiger, überzeugender Auftritt noch einmal mit Klassikern, ganz zum Schluss natürlich mit dem unvermeidlichen 'Welcome Home'. Eindeutig zu kurz ist der Auftritt, sonst super!
Setliste: In Keeping Secrets Of Silent Earth 3, Everything Evil, The Hard Sell, No World For Tomorrow, Key Entity Extraction V: Sentry The Defiant, A Favor House Atlantic, Island, Eraser, Drain You, The Crowing, Welcome Home

[Frank Jaeger]

Es ist schon verrückt: Da sieht man ein- und dieselbe Band mit ein- und derselben Setlist innerhalb zwei Wochen zweimal und findet sie wahlweise zum Weglaufen und kurze Zeit später großartig. Denn während ich EISBRECHER in Hildesheim einfach nur prollig und unerträglich fand, machen die Jungs um Alex Wesselsky auf dem SUMMER BREEZE richtig Spaß. Schon der Opener 'Verrückt' macht richtig Dampf, still halten ist da eigentlich unmöglich. Großmäulig wie eh und je macht Alex sich über alles und jeden lustig, der ihm in die Quere kommt. Anscheinend sein neuster Feind: Festivalbesucher mit Handy. Nachdem er sich wortgewaltig über Hobby-Fotografen mit dem Smartphone beschwert hat, kriegen auch die Pokémon-Go-Spieler mit der EISBRECHER-Version des 'Poké-Rap' ihr Fett weg. Viel Zeit zur Empörung bleibt allerdings keine, denn schon geht mit 'So oder So' die morbide, schwarzhumorige Party auf der Bühne weiter. Auch fürs Auge hat EISBRECHER an diesem Abend einiges zu bieten: Als Alex während des Songs 'Eiszeit' mit Pelzmütze bewaffnet auf der Bühne kniet, geht ein papierner Eisregen über EISBRECHER nieder - ganz großes Kino. Auch wenn sich mir die Frage stellt, welch' armer Mensch das später alles wieder aufkehren darf...

[Leoni Dowidat]

Im nächsten Jahr feiert das Summer Breeze 20-jähriges Jubiläum, ein Jahr vor diesem schafft es nun auch endlich SLAYER nach Dinkelsbühl. Das Debüt der kalifornischen Totschläger ist fraglos das Highlight des Freitags: Die weite Fläche ist pickepackevoll, die Stimmung prächtig, wie vor einem SLAYER-Konzert schon obligatorisch knisternd, und mit 'Repentless' starten die vier Herren auch standesgemäß in ihr Set. Der Sound knallt – aber das war es dann auch schon, was man Positives über jenen verlieren könnte. Oft findet der Herr der Knöpfe im Laufe der ersten drei Songs noch die richtigen Regler, aber hier und heute soll dieser eigenartig dumpfe Klang mit viel zu viel Bassdrum und nahezu gar keinem Druck auf den Gitarren (es wirkt, als würde die Hälfte des Frequenzspektrums fehlen) die Maßgabe für die gesamten 19 Nummern sein. Zentral mittig am Ende des ersten Wellenbrechers wohlgemerkt. "Halb so wild", denke ich mir, "dann steigere ich mich halt in diese Übertracks rein!"; eine Idee, mit der ich nicht ganz allein zu sein scheine. Anlass dazu gibt es jedenfalls genug, denn mit 'Postmortem' ist bereits an dritter Stelle einer meiner Alltime-Favorites am Start. Die Songs neueren Datums gehen nicht weniger gut nach vorne, Holt und King zerhacken ihre Griffbretter und Nacken, aber irgendwie… ja, irgendwie kommt davon wenig an. Viele, vielleicht die meisten werden die heruntergebretterten Tracks ohnehin im Schlaf rückwärts mitrülpsen können, aber es wäre schon schön, wenn man die großartigen Momente auch alle hören würde, anstatt sie erahnen zu müssen, denn so ist es beinahe Arbeit, aus dem Konzert ein Erlebnis werden zu lassen. Natürlich freue ich mich bereits bei Ayaras Ansage über 'Dead Skin Mask', selbstverständlich feiere ich 'Die By The Sword' und mir ist vollkommen klar, dass die Hölle mich ziemlich zeitnah erwartet. Alles gut, alles schön, aber eben nicht so stark, wie es sein könnte und schon unzählige Male war. Für mein Gefühl ist spürt man dies auch im Publikum: Sehr gute Stimmung, aber eben doch nur knapp vorm Überlaufen. Man muss sich das Finish einmal auf der Zunge zergehen lassen: 'Seasons In The Abyss', 'South Of Heaven', 'Raining Blood', 'Black Magic' und das inzwischen zum Hanneman-Tribut transformierte, unsterbliche (höhö) 'Angel Of Death' – da sollte eigentlich kein Auge trocken bleiben. Ja, eigentlich. Ich habe keinerlei Interesse daran, eine Darbietung nur anhand des Sounds zu bewerten und bin auch alles andere als ein audiophiler Soundfetischist, doch wenn der Auftritt einer meiner absoluten Lieblingsbands dadurch dermaßen an Wirkung verliert, dann sehe ich mich gezwungen, dies auch entsprechend zu benennen. Was bleibt ist eine trotzige Vorfreude auf den nächsten SLAYER-Gig, wann und wo auch immer dieser sein wird – denn der Band selbst ist keinerlei Vorwurf zu machen.

[Oliver Paßgang]

 

Die Schweden von UNLEASHED scheinen von den Festivalveranstaltern im heurigen Sommer für irgend etwas bestraft zu werden, denn wirklich normal ist es ja nicht, dass die Band um Frontmann Johnny Hedlund sowohl beim "Bang Your Head" als auch heute in Dinkelsbühl zeitgleich mit dem jeweiligen Tagesheadliner auf die Bretter muss. Ging die Rechnung für UNLEASHED in Balingen noch ganz gut auf, weil ICED EARTH auf der Hauptbühne offenbar nicht zugkräftig genug war, um zu viele Leute aus der Halle zu locken, da sieht es heute leider etwas anders aus, den die Mainstage wird hier und jetzt von SLAYER malträtiert, und da ist die Schnittmenge der Fans mit UNLEASHED dann offenbar doch zu groß. Jedenfalls ist das riesige Zelt der T-Stage zur Prime Time heute Abend dann doch recht spärlich besetzt, was sich ein kleines bisschen auch auf die Motivation der Schweden niederschlägt. Zwar sehen Kollege Frank und ich - ja, für euch (und für den Kungsängen-Vierer) haben wir SLAYER sausen lassen - die Band routiniert und ohne Fehl und Tadel, doch eben nicht so intensiv, ausgelassen und kommunikativ wie noch vier Wochen zuvor auf der Zollernalb. Jedenfalls springt der Funke aufs Publikum nicht zu hundert Prozent über, und das trotz einer guten und wie immer ordentlich abwechslungsreichen Setlist, die nahezu alle Alben der langen Geschichte der Band ausgiebig würdigt. So bleibt dieses Mal leider auch die alles einebnende letzte Zugabe 'Death Metal Victory' im Köcher, und am Ende bleibt ein grundsolider Gig der Wikinger, der sicher niemanden enttäuscht hat, der aber nicht ein solcher Triumphzug war, wie man ihn von UNLEASHED hin und wieder erleben kann.

[Rüdiger Stehle]

 

Noch vergangenen Herbst schockierte Sänger Satyr mit der Meldung, dass er an einen Hirntumor erkrankt ist. Doch diesem Rückschlag hat sich der robuste Norweger wieder sichtlich erholt und zeigt bei der heutigen Headlinershow von SATYRICON vollen Einsatz. Darüber hinaus zeichnet noch etwas anderes diesen Abend aus, denn die Band feiert aktuell das 20-jährige Jubiläums von "Nemesis Divina". Aus diesem Grund hat man den gesamten Spielplan danach ausgerichtet. Da die Herren quasi mit ihrer besten Scheibe auffahren, kann eigentlich nichts schief gehen und Fans der alten Sachen sind auch mit Feuer und Flamme dabei. Der Kultsong 'Mother North' wird taktisch klug nach hinten gelegt und bildet damit den Höhepunkt und auch den Abschluss des Albums. Danach folgen noch etwas neuere Stücke aus der "Volcano" und kein Konzert darf natürlich ohne 'K.I.N.G' enden. Darüber hinaus kündigte die Band eine neue Scheibe an, an dem sie bereits angefangen hat zu schreiben. Man darf also gespannt auf das nächste Konzert sein.
Setliste: The Dawn of a New Age, Forhekset, Du Som Hater Gud, Transcendental Requiem Of Slaves, Immortality Passion, Nemesis Divina, Mother North, Black Crow on a Tombstone, Fuel for Hatred, K.I.N.G.

[Hang Mai Le]

Lange habe ich mich gefragt, warum so viel neuere, junge Hardcore-Bands von Integrität und allem damit verwandten singen, genau das aber oftmals gar nicht ausstrahlen, geschweige denn leben. Woher kommt das? Dann habe ich H2O kennengelernt und mir war klar, was sie in ihrer Jugend begeistert hat und wahrscheinlich bis heute noch tut. Inzwischen habe ich die New Yorker Urgsteine mehrfach gesehen und bin nicht weniger angetan von der ehrlichen, aufrichtigen Message von Toby Morse und Co. Hier wird vor allem gesungen, nicht gebrüllt; da wird vor allem gepunkt, nicht gemetallt; und es gibt so viele positive Worte, anstatt sich in den negativen Dingen zu verlieren. Musikalisch ist das für Metallerohren natürlich alles schon arg schnell und simpel auf den Punkt gebracht, aber darin liegt auch das Geniale der Band. Jene betont übrigens – wie es beispielsweise HATEBREED auch schon mehrfach getan haben – wie faszinierend sie diese bunten, gemischten Festivals in Deutschland und ganz Europa finden; in den US of A koche da eher jedes Subgenre sein eigenes Süppchen. Das ist wohl auch der Grund dafür, dass H2O trotz des mittelmäßig gefüllten Zeltes abgeht wie die Katze der berüchtigten Familie Schmitz und sich darüber freut, heute viele neue Hörer zu erreichen. Die Gruppe spult dabei ein gefühlt sehr spontanes Programm ab, was gerade im Vergleich zu den allermeisten Metal-Bands mit deren auf die Sekunde durchgeplanten Setlists sehr erfrischend und entspannt daherkommt. Das Highlight ist 'What Happenend', für H2O-Verhältnisse fast schon episch, welches den Kern dieser Band noch einmal bestmöglich auf den Punkt bringt. Am Ende weiß man wieder, wo oben und unten ist und wo der Hardcore eigentlich nochmal seine Wurzeln hat.

[Oliver Paßgang]

So sehr ich die Atmosphäre und die Organisation des Summer Breeze Festivals schätze, so sehr ärgere ich mich immer wieder darüber, dass die eine oder andere Band, die für mich von großem Interesse ist, ganz spät im Nachtprogramm versteckt wird, und ich sie meist dann doch streichen muss, weil der Tag einfach zu lang, die Sonne zu grausam und die Beine zu schwer geworden sind. Doch heute will ich mir IN THE WOODS... einfach nicht entgehen lassen. Satte 21 Jahre, nachdem ich die damaligen Avantgarde Blackies erstmals und zugleich letztmals live gesehen habe. Seither ist viel passiert; die Band kam und ging, und kam zurück, hat sich oft deutlich verändert, doch jetzt, nach all der Zeit treffen wir wieder zusammen, und die Magie ist doch wieder da, fast so wie damals. Denn auch wenn Ur-Gitarrist Oddvar inzwischen leider verstorben ist, und auch Frontmann Jan Kenneth Transeth nicht mehr an Bord ist, schaffen es die unnachahmlichen Gebrüder Botteri und Drummer Anders Kobro doch wieder, diese schwebende, leicht psychedelische, stets aber vor allem mystische Atmosphäre zu erzeugen, die für IN THE WOODS... so prägend und so kennzeichnend ist. Die Band kommt ohne Klischees aus, ohne Mummenschanz und ohne eine für Black-Metal-Bands auf der T-Stage üblich scheinende Lichtshow, die verhindert, dass man die Gesichter der Protagonisten erkennt. Nein, die Norweger geben sich absolut nahbar, völlig natürlich, und doch zaubern sie eine Atmosphäre ins Zelt, von der die ganzen bösen Bands des Events nur träumen können. Und ja, wer die bange Frage stellen möchte, Mr. Fog wird dem als neuer Sänger gerecht. Der Brite lebt die Songs speziell von "HEart of the Ages" als wären sie stets für ihn geschrieben worden, und das Publikum lässt sich mitziehen in einen zauberhaften, feinen Set, der ganz geschickt gewählt ist und mit dem die Band mehr von ihren schwarzmetallischen Roots zelebriert, als ich mir zu träumen gewagt hätte, denn insgesamt gibt es satte vier Klassiker vom Debüt und dem Demo, zwei Songs aus der progrockigen Mittelphase, und zwei Stücke vom aktuellen Album, die sich zwischen diesem Polen bewegen und sich damit perfekt in die Setlist einfügen. So endet nun also der Freitag für mich absolut traumhaft, auch wenn die Waldgeister mir natürlich nicht den Gefallen tun, sich wie damals in Brohm erneut mit einer Coverversion von MANOWARs 'Battle Hymn' zu verabschieden. Aber man kann nicht alles haben und ich mache mich müde, dankbar und zufrieden auf den Heimweg, um morgen früh wieder fit vor Ort zu sein.

[Rüdiger Stehle]

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Redakteur:
Oliver Paßgang

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