Summer Breeze 2016 - Dinkelsbühl
31.08.2016 | 21:5118.08.2016,
Tatsächlich die erhoffte Brise des Sommers: das Summer Breeze Festival 2016.
Samstag, 20. August 2016
Nachdem die Deutschrocker GOITZSCHE FRONT mit einem Cover von DIE PRINZEN und reichlich Pathoslyrik den Tag eröffnet haben, wird es nun auf der Pain Stage musikalisch exotisch. COPPELIUS tritt den Beweis an, dass auch eine Klarinette mächtig rocken kann und weil eine Klarinette selten allein kommt, hat die eigenwillige Truppe direkt zwei davon am Start. Mit exaltierter Show und einem Auftreten zwischen Steampunk und Musiktheater weiß man direkt, das Publikum zu fesseln, und lediglich der Soundmann scheint am Anfang noch etwas überfordert, Klarinetten, Kontrabass und Gesang in ein harmonisches Gesamtbild zu integrieren. Das stört die Herren jedoch nicht und so geht die wilde Party los, inklusive Crowdsurfender Klarinettisten und allerlei gewitzter Lyrik. Von Freunden, die bereits zahlreiche Konzerte des Ensembles gesehen haben, lasse ich mir versichern, dass sich COPPELIUS heute sogar noch zurücknimmt, wohl um die Spielzeit mit möglichst vielen Songs zu füllen. So bekommen wir allerlei Weisheiten über den Umgang mit Geld, ein Lied über den Namensgeber der Band, einen Charakter aus E.T.A. Hoffmanns Erzählung "Der Sandmann" und Geschichten über Luftschiffe vorgetragen, dazu einen höchst ansprechenden Sound und eine Band, die ihr Konzept ohne den geringsten Hauch von Ironie durchzieht. Das sorgt dafür, dass sich der Platz vor der Pain Stage im Laufe des Konzerts immer weiter füllt und COPPELIUS wohl einige neue Fans gewinnen konnte. Ein gelungener Auftakt für mich, kann ich jedenfalls feststellen und ich bereue es etwas, nicht schon früher auf meine Freunde gehört zu haben, die mir von dieser Gruppe vorgeschwärmt haben.
Mal wieder BEYOND THE BLACK. Irgendwie sehe ich die Band um Frontfrau Jennifer Haben andauernd, allerdings gebe ich zu, dass es schlimmer kommen könnte. Ich meine, hier auf dem Summer Breeze muss ich ja auch Einiges aushalten, da ist es mal ganz nett, etwas zu hören, was man auch kennt. Dass es heute natürlich keine Überraschungen geben würde, ist von vornherein klar, denn mit einer Gruppe von Interimsmusikern, die ihre Stammband, von der sie sich erst kürzlich getrennt hat, ersetzen, wird sicher kein Spontanitätspreis gewonnen werden. Die Songauswahl variiert allerdings tatsächlich immer mal leicht, aber vor einem eher schwermetallischen Publikum hat sie mit der großartigen MOTÖRHEAD-Ballade 'Love Me Forever' natürlich einen fetten Pfeil im Köcher. Für die frühe Stunde ist durchaus schon etwas Stimmung auf der Wiese, man darf wohl sagen, dass sich das Spielen an jeder verfügbaren Steckdose für die junge Dame auszuzahlen beginnt. Ich meine, es ist ja auch gut, was da von der Bühne schallt, halt schöner, seichter, bombastischer Rock mit Damengesang. What's not to like?
Setliste: Lost In Forever, Beyond the Mirror, Songs of Love and Death, Shine and Shade, Love Me Forever, In the Shadows, When Angels Fall, Hallelujah, Running to the Edge
So, die zuckersüßen, überproduzierten Liedchen von BEYOND THE BLACK treiben mich ins Zelt, wo THUNDERMOTHER aus Schweden parallel zeigt, wie ordentlicher Rock 'n' Roll mit Sängerin funktioniert. Spielfreude, einfache Riffs, Gitarrensoli mit Whiskeyflaschen gespielt, hier ist alles dabei, was man von einer solchen Show erwarten kann und die Dame hat eine tolle, dreckige und doch melodische Stimme. Das macht direkt Spaß und reißt auch jene mit, die mit dem Songmaterial bisher nicht vertraut waren, so wie beispielsweise mich. Aber hier springt der Funke direkt über, ich will singen, tanzen und vor allem mehr trinken, alles perfekte Voraussetzungen für einen erfolgreichen Festivalgig und THUNDERMOTHER liefert genau diesen. Außerdem gratuliert die Band uns noch zum olympischen Gold im Frauenfußball, auch ein Novum auf einem Metal Festival, aber da wir gerade die Stunde der Frauenpower feiern, ist es mehr als angebracht. So bin ich fast ein wenig traurig, als ich das Zelt etwas vor Ende des Auftritts verlassen muss, um zu meinem nächsten Einsatz zu stürmen.
Im Jahre 2008 stand ich in Wacken vor der Bühne und wartete gespannt auf den ersten Auftritt von IRON MAIDEN auf jenem Festival. Dieser begann und im allgemeinen Feiertaumel machte ich die Bekanntschaft meines Nebenmanns im Publikum, der mich höflich einlud, doch am nächsten Tag dem Auftritt seiner Band beizuwohnen. Das haute leider nicht hin und so löse ich dieses Versprechen nun acht Jahre später ein und schaue mir PSYCHOPUNCH auf der Pain Stage an. Im Vergleich zu BEYOND THE BLACK auf der anderen Seite hat sich die Publikumsmenge merklich gelichtet, was extrem schade ist, denn der fröhliche Punkrock mit Rock 'n' Roll, Rockabilly und Country-Elementen passt perfekt zum tollen Wetter, ein kühles Bier und fertig ist eine super Festivalshow. Die genieße ich dann auch mit den anwesenden und feiere die Schweden ordentlich ab. Die können schon auf einen beachtlichen Backkatalog zurückgreifen und nutzen dies heute auch aus, eine Konstante sind aber natürlich griffige, knackige Songs und die Themen Rock 'n' Roll, Frauen und Alkohol, also all das, was die meisten hier vor Ort sowieso seit spätestens Mittwoch im Kopf haben. Zum Abschluss widmet PSYCHOPUNCH noch dem verstorbenen Großmeister dieses Dreigestirns, Lemmy Kilmister, der ja eigentlich dieses Jahr zum ersten Mal hier spielen sollte, einen Song und da man dem Punk verbunden ist, gibt es nur eine Wahl: MOTÖRHEADs Würdigung der großen New Yorker, 'RAMONES', wird
heruntergerotzt und ich mache mich zufrieden auf den langen Weg zurück ins Zelt, um weiter Punk zu hören.
Punk ja, aber dieses Mal deutlich gruseliger, denn die Rheinländer THE OTHER spielen jene Form, die man gemeinhin als Horror Punk bezeichnet. Schneller Punk mit Gruseltexten, eine dazu passende Maskierung auf der Bühne und Reminiszenzen an Bands wie die MISFITS, damit kann man mich begeistern und THE OTHER räumt im vollen Zelt entsprechend ab. 'She's Too Young To Be A Bloodsucker', 'Back To The Cemetary' oder 'Beware Of Ghouls', mit lustigen Augen-Luftballons im Publikum, selten machte Horror am sonnigen Nachmittag so viel Spaß. Die Band hat spürbar gute Laune und gibt ordentlich Gas und so vergeht die Zeit wie im Fluge und ich bin erstaunt, als sich THE OTHER verabschiedet und uns in den unbarmherzigen Sonnenschein vor dem Zelt entlässt.
Wer hätte gedacht, dass sie es doch noch draufhaben? Der Auftritt von LETZTE INSTANZ am letzten Tag auf der Main-Stage ist meine persönliche Festival-Überraschung: Nach dem unerträglich kitschigen, seichten Album "Liebe im Krieg" hatte ich mit LETZTE INSTANZ eigentlich schon lange abgeschlossen und dementsprechend erwartungsgemäß niedrige Erwartungen an die Brachial-Romantik-Kombo. Doch scheinbar wurden meine Gebete erhört: Die Jungs um Sänger Holly umschiffen den neuen Silberling bis auf die Mit-Klatsch-Nummer 'Wir sind eins' und das titelgebende 'Liebe im Krieg'. Und gerade der Opener 'Flucht ins Glück' kann live richtig Spaß machen, wenn die Jungs von LETZTE INSTANZ gut aufgelegt sind. Ihr Pulver verschießen sie allerdings damit schnell, denn was auf die treibende Nummer folgt, ist nur noch wenig aufregend: Über mehr als passabel kommt LETZTE INSTANZ auch mit althergebrachten Nummern wie 'Blind', 'Mein Todestag' oder dem Rausschmeißer 'Finsternis' nicht hinaus. Die Performance der Dresdener wirkt hölzern und bisweilen sogar fast schon ziemlich statisch – tatsächlich nimmt Holly sich jede Menge Zeit, ehe er sich endlich von seinem merkwürdigen Stehpult löst und nicht mehr wie ein Dozent vor dem BREEZE-Publikum steht. Ebenfalls leicht irritierend ist merkwürdige Fetzenumhang, den Holly an diesem heißen Samstag trägt. Doch ich will ja nicht meckern: Ich hatte Schlimmeres erwartet.
Vor gut 10 Jahren war UNEARTH mal ein einigermaßen großes Ding, inzwischen ist die Band mit viel Wohlwollen irgendwo in mittleren Grad der Popularität unterwegs. Umso mehr freut es mich, dass sich vor der Pain Stage eine Menge Leute eingefunden haben, um Metalcore, den man in dieser Form schon mit dem Attribut "Old School" versehen könnte, amtlich abzufeiern. Ganz ehrlich: Was hier vor der Pain Stage abgeht, hätte ich weder UNEARTH noch dem deutschen Publikum zugetraut – und freut mich natürlich aufrichtig! Nicht weniger motiviert als der Mob ist jedoch die Band selbst, die einen solchen Gig in vollen Zügen genießt und zu schätzen weiß. Bei ordentlichem Sound hat die Band ein schönes Best-Of-Set zusammengebastelt, welches sich – wie könnte es anders sein? – zu einem ganz großen Teil vor allem aus "The Oncoming Storm" zusammensetzt. Sehr fein. Erfreulicherweise können die neueren Glockenhauer von "Watchers Of Rule" da mithalten, sodass hier 55 Minuten lang den Mosh- und Bangfreuden gefrönt werden kann – und wird. Einen Trommler hat die Band auch seit den letzten Aufnahmen noch nicht gefunden, sodass derzeit ex-AS I LAY DYING- und WOVENWAR-Tier Jordan Mancino mit unterwegs ist, der genau wie alle anderen Herren auf die Bühne Bock auf diesen Abriss hat. Schön zu sehen, dass UNEARTH 2016 nicht nur überleben kann, sondern lebt, und dass auch eine entsprechende Anerkennung stattfindet. Mein persönlicher Überraschungsgig des diesjährigen Summer Breeze!
Dass es bei meinem Nordland- und Asatrú-Faible eine Ehrensache für mich ist, SKÁLMÖLD in südgermanischen Gefilden willkommen zu heißen und mir deren Gig auf der Zeltbühne anzuschauen, versteht sich von selbst, denn die drei Studioalben der Isländer haben mir, sind sie auch eigenwillig und vor allem gesanglich gewöhnungsbedürftig, allesamt sehr gut gefallen. Was auf Scheibe für viele ungewöhnlich und sperrig klingen mag, funktioniert live ganz erstaunlich gut, und zwar auch bei Leuten, die anfangs recht skeptisch zur Bühne blickten. Gerade der mehrstimmige Gesang wird von den sechs Recken, derer fünf sich an den stimmlichen Darbietungen beteiligen, super umgesetzt, und zusammen mit der natürlichen, unaffektierten Bühnenpräsenz der Truppe, sowie der feinen, atmosphärischen Lichtshow entsteht eine so entspannte Stimmung und das während des Gigs etwas zahlreicher werdende Publikum feiert die Band angemessen, prostet ihr mit Trinkhörnern zu, und ja, hier und da wird auch der Versuch unternommen, die isländischen Texte mitzusingen. Zumindest die Refrains. Bei der Wahl der Setlist geht die Band zwar auf Nummer Sicher, greift sie doch zielsicher auf die Highlights der bisherigen drei Alben zurück, und setzt sie dabei ihren Schwerpunkt auf dem tollen Zweitling "Börn Loka", doch auf der anderen Seite überrascht, dass die Jungs nicht die Gelegenheit dazu nutzen, ihr neues Album "Vögguvísur Yggdrasils" vorzustellen, das bereits in der Pipeline ist und Ende September in die Läden kommt. Ein bis zwei Songs davon hätten sicherlich als Vorgeschmack nicht geschadet, doch hier wollte die Band wohl den Fans noch nichts Unbekanntes auftischen. Die Rechnung geht auch auf, denn die Leute sind bei der Sache, machen mit und spenden nach dem Ende des Gigs sehr viel Applaus, den die Band sich auch redlich verdient hat.
Mit gemischten Gefühlen begebe ich mich zur Main Stage, denn dort spielt mit KORPIKLAANI eine Band, die ich schon in exzellenter Verfassung gesehen habe, in den letzten Jahren aber zumeist eher in desolatem Zustand. Zwar ist es schön, wenn eine Band dem TESTAMENT-Motto 'Practice What You Preach' folgt und im Falle KORPIKLAANIs bedeutet dies, dass man Alkohol trinkt, doch wenn darunter die grundlegenden Bewegungsformen, von der musikalischen Umsetzung ganz zu schweigen, leiden, dann ist das schade. Umso erstaunter bin ich, als die Finnen heute die Bühne betreten. Denn heuer sitzt jeder Ton, die Songs werden mit Elan und musikalischer Kompetenz gespielt, insbesondere der Geiger lässt sich heute nicht lumpen und soliert ein ums andere Mal hervorragend. Natürlich gibt es auch heute wieder Lieder über 'Wodka' und 'Beer, Beer', aber auch so manch anderes Stück. Das Publikum feiert ausgelassen und findet zwischendurch noch Zeit, eine Ananas anzubeten, die ihren Weg in die Mitte des Moshpits gefunden hat. In dieser Verfassung ist KORPIKLAANI nach wie vor eine der Speerspitzen des modernen Folk Metals und ich hoffe, dass die neue Nüchternheit bei den Finnen auch bei zukünftigen Liveauftritten vorherrschen wird. Ein unerwartet starker Auftritt geht so zu Ende und ich wende mich der Pain Stage und D-A-D zu.
Als ich mich auf den Weg zu CLITEATER machte, habe ich mich auf eine Runde räudigsten Geballers eingestellt, dass mich für 45 Minuten gut unterhalten würde. Dass ich jedoch aus dem Lachen, gar aus dem Strahlen nicht mehr herauskommen würde, das hatte ich jetzt zugegebenermaßen nicht auf dem Zettel. Jetzt mal ganz abseits davon, dass das Trümmerkommando hier im Zelt eine technisch einwandfreie Leistung zeigt und stumpfe, live aber allerdings absolut effektive Abrissbirnen an den Start bringt, ist vor der Bühne eine einfach nur absurde Party am Start. Da rennen erwachsene Menschen ein ganzes Konzert lang im Kreis – passend zur Geschwindigkeit, die der Knüppel vorgibt. Das ist kein Circle Pit mehr, viel mehr betreiben alle drumherum ein "watching standing around", so selbstverständlich erscheint diese Reise nach Jerusalem ohne Stühle. Weil das für sich genommen noch nicht genug wäre, fliegt das komplette Bade-Arsenal mehrerer Familienurlaube (Schwimmkrokodile und –palmen, Wasserbälle) sowie Klobürsten, Konfetti und sonstiger Kram durch die Gegend. Durchgängig. Ohne Pause. CLITEATER-Grindcore auf der Bühne, eine richtig Kopf-aus-Party davor. Lange, lange nicht mehr so etwas Unterhaltsames erlebt.
Die Spaßvögel sind in der Stadt - das ist die Devise, wenn die Dänen D-A-D, oder DISNEYLAND AFTER DARK, wie sie jetzt ja auch wieder heißen dürfen, die Bühne entern. Kenner der Band wissen, was man immer als erstes macht: das Outfit des Bassmannes begutachten, richtig. Diesmal präsentiert sich Stig Pedersen in einer opulenten Uniform mit einem durchsichtigen Plexiglasbass. Mut zum Surrealen, das beweist uns der Witzbold bei jedem Auftritt wieder, während diesmal der Gig mit 'Bad Craziness' gewohnt rockig und mitreißend in die Vollen geht. Sänger Jesper Binzer ist der Blickfang und singt klar und großartig durch die brillanten Groover, während sein Bruder Jacob eher wenig Show macht, aber trotzdem immer wieder mit subtilen Grimassen zur Erheiterung der ersten Reihen beiträgt. Momentan ist die Band auf einem Nostalgietrip und spielt ausschließlich Lieder der beiden Alben "No Fuel Left For The Pilgrims" und "Riskin' It All", was für alte Fans sicher toll sein mag, aber ich finde, dass die Band später mindestens genauso gute Lieder gemacht hat, wobei ich auch ausdrücklich das aktuelle Album "DIC.NII.LAN.DAFT.ERD.ARK" meine. Aber natürlich kann man nichts falsch machen mit den Liedern der frühen Neunziger, und so wird gesungen und getanzt und Spaß gehabt, bis der obligatorische Rausschmeißer 'Sleeping My Day Away' den Auftritt erwartungsgemäß beendet. D-A-D sind einfach immer klasse.
Setliste: Bad Craziness, D-Law, Siamese Twin, Overmuch, Girl Nation, Rim of Hell, Grow or Pay, True Believer, Point of View, Jihad, Sleeping My Day Away
Wenn Eric Fish auf dem SUMMER BREEZE die Bühne betritt, hat er eigentlich schon längst gewonnen: Kein "Geht es euch gut?", kein "Macht doch mal Krach!" - einfach nur "Auf!" und das Publikum eskaliert. Schon bei 'Mephisto' fegt der Frontmann wie ein Wirbelwind über die Bühne, schaut mal Bodenski über die Schulter, spielt mal synchron Luftgitarre zu Ingos virtuosen Gitarren-Soli. Überhaupt haben die Jungs mit ihrer Set-List ein echten Volltreffer gelandet: Vor allem die 'Grausame Schwester' oder das 'Kleid aus Rosen' hören sich tausendstimmig noch einmal eindrucksvoller an: SUBWAY TO SALLY beweist in Dinkelsbühl eindrucksvoll, wer der König des Mittelalter-Rocks ist. Bis zum letzten Lied hänge ich an den Lippen von Eric Fish, der im Vergleich zur "Neon"-Tour im vergangenen Jahr auf einmal wieder viel lebendiger und präsenter ist. Große Anerkennung zolle ich aber auch dem Publikum: Selten habe ich das muntere Fingerspiel von 'Siebenmal' in solcher Synchronität auf einem Festival gesehen! Optisch wie musikalisch ist SUBWAY TO SALLY die BREEZE-Gewinner: So viel Charisma, Begeisterung und die obligatorische Pyro-Show bei 'Des Henkers Braut' - am letzten Festivaltag treiben die Spielleute die Zuhörer noch einmal zu Höchstleistunen und jagen mir einen Schauder über den Rücken. Was mich jedoch ein wenig stutzig macht: Die Potsdamer sind tatsächlich die einzige Mittelalter-Rock-Band, die aktiv zum Circle Pit auffordern...
Auch wenn die Rheinhessen NOCTE OBDUCTA eine der dienstältesten deutschen Bands der schwarzmetallischen Zunft sind, so sind sie doch eine Band, die seit jeher mit viel Gegenwind in der Presse aber auch in der entsprechenden Szene zu kämpfen hat, und damit, dass das klassische Frühwerk, die ersten drei Alben der Mainzer, seit langer Zeit ausverkauft und nur zu herben Preisen zu haben sind. Auch in unserer Redaktion ist die Band heftig umstritten und durfte sich schon über großes Lob der Kollegen freuen, aber auch über harsche Kritik anderer. Ja, die Truppe polarisiert offenbar aufs Heftigste, und schon deshalb bin ich riesig darauf gespannt, wie sich das Sextett heute Abend auf der Zeltbühne in Dinkelsbühl präsentieren würde, denn live sehe ich die Jungs tatsächlich zum allerersten Mal. Umso mehr überrascht es mich dann, dass mich das Gebotene von den ersten Sekunden an in seinen Bann zieht. Überhaupt, die Band kann mich auf ganzer Linie überraschen. Die Band gibt sich fannah, unkompliziert, natürlich; nichts wirkt prätentiös oder affektiert, was mancher vielleicht erwartet haben könnte, wenn er sich auf den Alben noch an den anspruchsvollen, vielen sicher zu verschwurbelten Lyrics gestoßen haben mag. Ja, ich habe zu jeder Zeit das Gefühl, hier eine Band auf den Brettern zu erleben, die wirklich viel Freude daran hat, ihre Musik vor einem großen Publikum zu zelebrieren; die es im Gegensatz zu vielen anderen Black-Metal-Kollegen, die uns am Wochenende so begegneten, gar nicht nötig hat, auch in den Pausen zwischen den Songs den unnahbaren Ingrimm zu spielen und die ganze Bühne durchgehend mit Nebel und gleißendem Licht von Hinten zu verschleiern. Nein, im Hause NOCTE OBDUCTA zeigt man sich den Fans, geht offen auf die Leute zu und ist sich auch für ein paar freundliche Dankesworte an das toll mitmachende Pubklikum nicht zu schade. Haben also die Schwarzstahlpuristen Recht, und NOCTE ist nichts für den bösen Dunkelheimer? Mitnichten! Die Songs sind eindringlich, sie sind dunkel und intensiv, und der Schwarzmetallanteil ist jederzeit auch für den harten Kern der Black-Metal-Fans spürbar. Die Songauswahl unterstützt das, denn zwar kommt mit 'Am Waldrand' und 'Glückliche Kinder' natürlich auch das neue Werk zum Zuge, doch mit Songs wie 'So lange Euer Fleisch noch warm ist' und 'Fick die Muse' geht die ausgewogene Reise quer durchs Schaffen der Band auch zurück zum Debüt "Lethe" und zum grimmigen "Schwarzmetall", und mit 'November' von "Taverne" wird die Trilogie der ganz alten Alben komplettiert, was mich besonders freut. Auch darüber hinaus ist die Setlist sehr ausgewogen, und als zum Schluss die Ode an Pans Flöte aus der "Nektar"-Ära zum Besten gegeben wird, spürt man der Band und dem Publikum an, dass ein sehr gelungener und mitreißender Gig zu Ende geht, der für mich auf jeden Fall zusammen mit IN THE WOODS... das Highlight des Wochenendes markiert. Es sieht so aus, als hätte ich nun endlich einen Grund meine Sammlung auch mit den Alben nach "Schwarzmetall" zu vervollständigen. Vielen Dank nach Rheinhessen, es war mir eine Ehre, heute Abend!
Wenn Peter Tägtgren etwas anfängt, dann macht er es richtig: Und so stolzierte der Electrorocker stilecht in Zwangsjacke und mit fetter Nebelwand auf die Bühne, ehe er mit PAIN auf der (welch Ironie des Schicksals) Pain Stage losbrettert. Beinahe hat man ein wenig Angst, dass sich die langen weißen Bändel in der Gitarre verheddern, so tatendurstig fegt Peter über die Bühne und über die Saiten. Doch ist es letzten Endes ausgerechnet die Technik, die gleich zu Beginn die Dramatik von Peters Show untergräbt: So muss ein Roadie, der sich den Titel "Mitarbeiter des Festivals" hiermit redlich verdient hat, dem Sänger während dem Song 'Zombie Slam' den Mikrofonständer festhalten, bis dieser endlich repariert ist. Da muss der Schwede sogar selbst erst einmal grinsen. Nachdem dann alle technischen Schwierigkeiten beseitigt sind heißt es bei PAIN: Volle Kraft voraus und ohne Rücksicht auf Verluste - so geht mit alten Band-Klassikern wie 'Dirty Woman' oder 'On And On' ordentlich vorwärts, jedoch nur mit diesen. Mit Songs des neuen Album "Coming Home", das Ende September erscheint, geizt der Exzentriker und verlässt sich ganz auf Althergebrachtes. Da ist noch Luft nach oben für die Herbst-Tour!
Es gibt so Tage, da laufen die Dinge einfach. Und es gibt mehr oder minder identische Gigs, die vollkommen unterschiedliche Wirkungen entfalten. Habe ich STEEL PANTHER auf dem Wacken noch als zwar unterhaltsam, aber doch distanziert empfunden, geht das Konzept heute mal in all seinen Facetten vollends auf. Mit Sternchen. Trotz Regen. Das gilt zunächst einmal für die Musik, die mehr als nur vorsichtig durchscheinen lässt, wie sehr die Herren ihre 80er-Glam-Vorbilder lieben. Jenes Feingefühl, das bei den meisten Hooks oder auch Gitarrenleads aufkommt, lässt STEEL PANTHER zweifelsohne als große Hommage mit viel Liebe zum Detail durchgehen. Es ist bemerkenswert, dass dieser Aspekt niemals ins Lächerliche verkehrt wird, gleichwohl so vieles bei den Stahlpanthern einfach nur lächerlich ist – womit wir beim Stichwort "Karikatur" wären. Je nach Humor kann man sich ob der Songtexte schon mal lachend wegrollen (mein heutiger Favorit: 'Fat Girl') – oder auch nicht –, aber spätestens die Bühnenshow ist dann eine "love it or hate it"-Angelegenheit. Ob man das alles jetzt in seinem Alltag braucht, sei mal dahingestellt, aber besser als auf einem Sommerfestival passt diese Brüste-&-Bullshit-Parade wohl nirgends hin. So platt viele der Aktionen der Herren Starr, Satchel, Foxx und Zadinia auch sind (das Tanzen mit fünf Dutzend leicht bekleideten Frauen auf der Bühne oder die laufenden Aufforderungen zur Entblößung zähle ich jetzt mal dazu), so stark sind manch (spontanen?) Einfälle, Improvisationen und Sprüche dann wirklich. Das Summer Breeze-Publikum spielt heute jedenfalls bei allem mit, was den Auftritt zu einem vollen Erfolg werden lässt und der Show sogar so etwas wie "Stadionatmosphäre" verpasst. 'Party All Day' ist das Motto, nach dem heute gelebt wird – und vielleicht auch dem Teil danach. Chapeau, STEEL PANTHER, so bleibt man (positiv!) in Erinnerung. Vorfreude auf das nächste Mal garantiert!
Die Flucht vor dem völlig unnötigen Regen treibt mich ins Zelt, wo ich mit ILLDISPOSED ein paar alte Bekannte auf der Bühne sehe. Die Dänen machen mit ihrem grundsoliden, ehrlichen Death Metal seit Jahren die Bühnen und Stereoanlagen unsicher, sind live immer für eine coole Show gut und haben stets Humor. Heute macht der Sänger mit der T-Shirt-Aufschrift "I AM ILLDISPOSED" direkt klar, was Sache ist, und so holzen sich die Herren durch einen Set, der aufgrund der Witterung von einem bis auf den letzten Platz besetzten Zelt aufgenommen wird. Leider sind wohl doch viele Leute nur wegen des Wetters dort angekommen und so entsprechen die Publikumsreaktionen nicht ganz der Menge der Anwesenden. Macht nix, denn ILLDISPOSED hat Spaß und die Fans ebenfalls.
Es ist schon etwas ärgerlich, dass ich aufgrund der Acts auf der Main Stage nur knapp über eine halbe Stunde NAPALM DEATH mitnehmen kann, aber diese halbe Stunde hat es dann – erwartunsgemäß – in sich. Es ist eine halbe Stunde, in dem einen all das aus dem Leib gebrüllt wird, von dem man dachte, dass es spätestens seit Donnerstagmittag schon nicht mehr Teil von einem ist. Eine halbe Stunde, in der man auch im komplett zu Brei gewaberten Festivalkopf politisch bereits wieder für das Leben nach dem Summer Breeze sensibilisiert wird. Eine halbe Stunde, in der "Spaß" trotz allem das dominierende Element ist. Und eine halbe Stunde, in der eine Band wie NAPALM DEATH natürlich trotzdem gefühlte zwanzig Lieder durchzocken kann. Ich weiß nicht, wie oft ich Barney inzwischen live habe erleben dürften, aber der Typ wird einfach niemals langweilig. Man könnte meinen, es hier mit einer Karikatur zu tun zu haben, wenn der gleiche Kerl in den Ansagen nicht so hyperseriös wäre, dass man ihm das Ganze einfach ohne einen Funken des Zweifels abnimmt. So lebt man sein Innerstes aus, was ihm nicht wenige vor der Bühne gleichtun. NAPALM DEATH, einmal mehr mit "Ersatzmann" an der Gitarre, zerlegen mit mit dem üblichen, fantastischen Grindcore-Crust-Punk-Gemisch das Zelt, sodass ich zu den Klängen von 'Suffer The Children' aufgrund meines frühen Abgangs etwas unglücklich, jedoch ebenso zufrieden ob dieser fantastischen halben Stunde meinen Weg Richtung Hauptbühne antrete. NAPALM DEATH geht einfach immer und überall.
Was hilft es, dass es in Strömen regnet, die Pain Stage will besucht werden, um BLUES PILLS zu begutachten. Das letzte mal habe ich die Senkrechtstarter vor Veröffentlichung ihres ersten Albums auf dem Hammer Of Doom gesehen und seither hat sich einiges getan. So darf man heute direkt vor dem Headliner die Pain Stage bespielen und das nach gerademal zwei Alben und einer EP. In perfektem, warmem Sound und musikalisch gewohnt perfekt macht die Band dann auch direkt klar, dass diese Position völlig gerechtfertigt ist. Leider spielt das Wetter durchgehend nicht mit und so bleibt Sängerin Elin Larsson nichts anderes übrig, als sich immer wieder für die Treue und das Leidensvermögen der Fans zu bedanken, die vor der Bühne ausharren. Geboten wird ein munterer Mix aus eben jenen zwei Alben und der EP, nach dem eröffnenden 'Lady In Gold' bekommen wir natürlich auch Hits wie 'Devil Man' zu hören, 'Elements & Things' vom aktuellen Album hat es in die Setlist geschafft und das JEFFERSON-AIRPLANE-Cover 'Somebody To Love', bei dem trotz Regen ein ordentlicher Publikumschor zu hören ist. So wird deutlich klar, dass BLUES PILLS den großen Erfolg nicht nur durch gute Alben sondern auch durch packende Liveshows voller Energie verdient hat, auch bei widrigem Wetter. Ein Starker Auftritt, nachdem ich zu einer kurzen Trockenpause gen Campingplatz aufbreche, denn der Abend wird noch lang genug.
Es treibt mir zugegebenermaßen ein paar Tränen der Freude in die Augen, wenn ich sehe, wo PARKWAY DRIVE inzwischen angekommen ist. Oben. Ganz oben. Headliner eines derartig großen Festivals. Als Metalcore-Band. Und womit? Genau: Mit Recht. Vor Beginn des Gigs regnet es wieder in Strömen, der Platz vor der Main Stage, welche mit einem riesigen "Ire"-Banner verhangen ist, füllt sich eher spärlich und überhaupt schaut man doch in eher müde Augen, will ich meinen. Es gab wohl schon einmal bessere Bedingungen. Als PARKWAY DRIVE mit 'Destroyer' einsteigt, ist das alles irrelevant. Jetzt ist noch einmal Party abgesagt – eine Abrissparty, um genau zu sein. 'Dying To Believe' gibt diesbezüglich die Richtung vor, bevor mit 'Carrion' und 'Vice Grip' zwei der Mitsinghymnen früh herausgehauen werden. Das Publikum dankt es mit einer Eskalation vom Punkt weg. Ich hätte es nicht für möglich gehalten, dass die komplette Fläche vorne noch einmal zu einem einzigen Schlachtfeld wird – und irgendwo muss die Lebensfreude ja hin. Im Folgenden ist es dann ein einziger Siegeszug dieser so sympathischen, trotz inzwischen beachtlicher Licht- und Pyroshow bodenständig gebliebenen und dankbaren Band, die niemals die allerfrickeligsten, nie die brutalsten und noch nicht die ausschweifendsten Songs geschrieben hat, sondern bloß einfach die besten des gesamten Genres. Je öfter ich die Live-Performance von 'Idols And Anchors' (eine Großartigkeit vor dem Herrn), 'Karma' (Thrash-Metalcore anyone?) oder 'Wild Eyes' ("Oooh-Oooh"-Epik in Endform) erlebe, desto mehr manifestiert sich diese Ansicht. Besonders bemerkenswert erscheint die Tatsache, dass die auf Platte teils gar nicht so sehr punchenden "Ire"-Songs live noch einmal unglaublich an Wucht gewinnen; das alles zerlegende 'Bottom Feeder' ist hierfür ein perfektes Beispiel. Doch PARKWAY scheint für die Bühne und nur für die Bühne gemacht zu sein. Anders ist es nicht zu erklären, dass die jungen Herren trotz sichtbar kindlich-naiver Freude an der Sache eine riesige Bühne so locker ausfüllen können. Und wie man einen Schlusspunkt setzt, der erst einmal hängen bleibt, wissen sie auch: Zu 'Home Is For The Heartless' fackelt der beste Schreihals der Szene zunächst ein Bengalo ab, um die Meute mit Erfolg in ein ekstatisches Mitsingen zu treiben. Ganz ehrlich, einen besseren Abschlusssong gibt es (mit Ausnahme von 'Carrion' vielleicht) einfach nicht. Als dann zum Ende der Nummer ein buntes, andauerndes Feuerwerk über der Main Stage erstrahlt, ist der Moment perfekt. Und ich dankbar für alles. Danke und bis bald, ihr wunderbaren Australier!
Um diese Zeit MY DYING BRIDE? Was soll das werden, der Aufruf, langsam zum Ende zu kommen und das Rocken einzustellen? Eine solch melancholische und doomige Band so spät am Abend ist eigentlich der perfekte Rausschmeißer und für mich wird es das auch sein, denn ich erwarte nichts weniger als einen Höhepunkt des Tages von den Briten. Da kommt natürlich der Beginn mit dem Klassiker 'The River' mehr als gelegen, und der sehr ruhige und verhaltene Beginn, der irgendwie wie ein MY DYING BRIDE-Konzentrat wirkt, stimmt perfekt auf die folgende Stunde ein. Dass mit 'From Darkest Skies' gleich mal ein Track des Überwerkes "The Angel And The Dark River" folgt, ist auch mehr als begeisternd, doch die Herren leben nicht in der Vergangenheit. Bei dreizehn Alben können sie nicht einfach mal einen Querschnitt durch ihr Schaffen spielen, denn mehr als sieben Stücke schaffen sie auch heute nicht, deswegen heißt die Devise halbe/halbe: Die Hälfte vom neuen Werk mit drei Liedern, und der Rest aus der Frühphase. Dabei kommt mitten im Set der ultimative Downer 'A Cry Of Mankind', der noch den letzten Rest Farbe aus der finstersten Nacht zieht. So eine Art musikalischer Dementor, der das gut gefüllte Zelt zum begeisterten Verstummen bringt, wenn es so etwas gibt. Zum Abschluss folgt noch ein etwas erhebenderer Song trotz des Titels 'She's The Dark', da er im hinteren Teil rockiger daherkommt als einiges, was die Vier uns heute vorgelitten haben. Für mich ist jetzt Schluss, nach dieser Feier der perfekten Düsternis möchte ich einfach nichts mehr hören.
Setliste: Your River, From Darkest Skies, And My Father Left Forever, Feel the Misery, The Cry of Mankind, To Shiver in Empty Halls, She Is the Dark
Wenn man auf dem Summer Breeze zwischen den Bühnen hin- und herwechselt, kommt man zwangsweise immer mal wieder an der Camel Stage vorbei. So leer wie bei ZODIAC habe ich sie allerdings das ganze Festival nicht gesehen. Klar, die Umstände sprechen gegen das Münsteraner Rock-Quartett: Noch immer regnet es, der letzte Headliner hat die Energiespeicher in den negativen Bereich gezogen und ein Slot auf der Camel Stage ist nun einmal der undankbarste des Festivals. Das lässt sich einmal mehr anhand der lächerlichen 30 Minuten (!) Spielzeit belegen – und jeder, der ZODIAC kennt, weiß, was dies bedeutet. Exakt, nach drei knackigen, guten Songs kommt 'Coming Home', das live immer unendlich gestreckt wird (heute mit diversen Cover-Anleihen im "Improvisationsteil"), sodass der Gig quasi unmittelbar vorbei ist. Ich bin Fan der Band, der Musik, der Live-Auftritte, aber das hier heute war wohl der am wenigsten gute Auftritt, den ich von ZODIAC gesehen habe. Das will ich der Band allerdings nicht zum Vorwurf machen, die aus dem "Arschlochslot" noch das Beste herausgeholt und zumindest ein paar Dutzend Leute zufrieden in ihre Zelte entlassen hat.
Zu später Stunde und nach verklungenem Regen geht es zurück ins Zelt, PRIMORDIAL zu huldigen. Die Iren sind seit Jahren eine der beeindruckendsten und bewegendsten Livebands, Frontmann Alan Averill eine der charismatischsten Gestalten überhaupt und das Songmaterial der mindestens mal letzten sechs Alben komplett tadellos. Das verspricht einen bewegenden Auftritt und ich werde nicht enttäuscht. Vom ersten Ton an hat PRIMORDIAL das Publikum fest im Griff und zieht mich hinab in einen Strudel von Verzweiflung, Hass und dem unbändigen Willen, sich von der Welt nicht kleinkriegen zu lassen. So ist eine PRIMORDIAL-Show auch immer eine kathartische Erfahrung, eine Reinigung der Seele von all dem, was man so erlebt und was einen beschwert. Hier kann man es herausbrüllen, sich den Nacken bis zur völligen Erschöpfung verrenken und mit geballter Faust dem Schicksal ins Gesicht spucken. Das war schon immer so und wird sich nie ändern und mit Hymnen wie 'Rome Is Burning' hat Alan das Publikum voll auf seiner Seite. Zum Abschluss gibt es dann mit dem Doppelschlag aus 'The Coffin Ships' und 'Empire Falls' den absoluten Rest. Emotionaler kann Metal nicht sein und es bedarf schon einer Band wie PRIMORDIAL, diese Musik gebührend zu zelebrieren. Da kann man auch um kurz vor zwei nach vier Tagen Festival nochmal alle Kraftreserven mobilisieren und "Where Is The Fighting Man - Am I He?" in die Nacht schreien.
Und nun setzt das Warten auf BATUSHKA ein, das man sich prima versüßen kann, indem man ein wenig Horror Punk auf der Camel Stage feiert. ARGYLE GOOLSBY AND THE ROVING MIDNIGHT machen ihrem Namen alle Ehre und sind ständig in Bewegung. Ja, der Frontmann hat einen solch großen Bewegungsdrang, dass er selbst während seiner Ansagen nicht stillstehen kann und die Boxentürme, seine Mitmusiker und das Schlagzeug umrundet. Viel Platz ist auf der Bühne ja nicht, aber Herr Goolsby reizt ihn bis zum Anschlag aus, ist unterwegs am Zaun vor der Bühne, turnt auf der Baßdrum und rennt das eine oder andere Mal seinen Gitarristen (fast) um. Kurz, ich frage mich, wo die Band um diese Uhrzeit noch so viel Energie her hat und freue mich zugleich, dass die Kanadier und Amerikaner schaffen, auch in meinen müden Körper und Geist etwas von dieser Energie zu übertragen, so dass ich mich frischer und wacher zum Zelt zurückbewege, als ich es nach PRIMORDIAL verlassen habe, Respekt für diese Leistung!
T-Stage, Samstagnacht, 02:20 Uhr. Eigentlich können mich meine Füße nach 4 Tagen Dauerbeschallung nicht mehr wirklich tragen, aber mir wurde von Kennern der Band BATUSHKA eine atmosphärische schwarze Messe versprochen und somit müssen meine Füße Wohl oder Übel noch 45 Minuten ausharren. Und die Qualen sollten sich gelohnt haben: Nach einer endlos wirkenden Verzögerung von fast 15 Minuten betritt ein Gefolge von maskierten Mönchskuttenträgern eine in Kerzenschein getauchte Bühne, um die letzten paar Verbliebenen im Zelt in eine okkulte Liturgie einzubeziehen. Dabei wird das überschaubare Publikum zunächst vom Frontmann mittels Weihrauchfass geweiht, bevor die polnischen Glaubensbrüder einen atmosphärischen Mix aus Doom und Black Metal vom Stapel ziehen, der selbst die im Zelt herumliegenden Festivalleichen wieder auferstehen lässt. Hier passt einfach alles: Auf der musikalischen Seite das triumphierende Drumming in Kombination mit atmosphärischen Gitarrenleads und den epischen Melodien, die durch Sakralgesänge von drei singenden Mönchen noch weiter untermalt werden; sowie auf der optischen Seite die sektenartige Selbstdarstellung inklusive Mönchskutten, Zeremonienmasken und Kerzenschein. Es besteht zwar keinerlei Kommunikation mit dem Publikum, dafür wird aber während des Auftritts ein riesiges Buch geheiligt, sich vor katholisch-anmutenden Sakralgegenständen verneigt und andere typisch religiöse Heiligsprechungen vorgenommen. Auch wenn mir nicht ganz klar ist, worum es bei dieser Messe inhaltlich eigentlich gehen soll, so besteht keinerlei Möglichkeit, sich der Magie dieses Konzertes zu entziehen. So bilden BATUSHKA mit ihrem Auftritt einen mehr als würdigen Festivalabschluss und seien jedem dringstens ans Herz gelegt, der etwas für mystischen, okkulten Doom/Black Metal übrig hat!
Setliste: Yekteniya 1, Yekteniya 2, Yekteniya 3, Yekteniya 4, Yekteniya 5, Yekteniya 6, Yekteniya 7, Yekteniya 8
[Nils Hansmeier]
Es endet ein einmal mehr tolles Summer Breeze, bei mir selbst mit viel Anstrengung wirklich kein Kritikpunkt einfallen will. Die Organisation war hervorragend und entspannt, die Bandauswahl bunt und stilsicher – und selbst das Wetter hatte bis zum Samstagabend wohl richtig Bock auf dieses wunderbare Fest in Dinkelsbühl. In diesem Sinne gibt es nichts mehr zu sagen, außer: Wir freuen uns auf 2017!
- Redakteur:
- Oliver Paßgang