Summer Breeze 2018 - Dinkelsbühl
11.11.2018 | 13:1515.08.2018, Flugplatz
Auch dieses Jahr waren wir wieder beim Summer Breeze und hatten viel Spaß. Wieviel, das berichten wir hier.
Nachdem der Mittwoch noch relativ gediegen zu Ende geht, wird am Donnerstag die Schlagzahl auf dem SUMMER BREEZE 2018 erhöht: Am ersten "offiziellen" Festivaltag öffnet nicht nur die Händlermeile, auch das Battlefield wird seiner Bestimmung übergeben - die Main Stage wird endlich bespielt. Es eröffnet in diesem Jahr die Symphonic Metal Band SIRENIA, welche das Publikum mit ihrer Mischung aus epischen Melodien und satten Growls von Bandleader Morten Veland auf einen ereignisreichen Festivaltag einstimmt.
Für mich, die SIRENIA auf dem Weg zum Gelände aus der Ferne hört, beginnt der Tag jedoch wesentlich härter: PRO PAIN gibt sich kurze Zeit später die Ehre und schüttelt mit einer beeindruckenden Lässigkeit und Coolness auch den letzten Langschläfer aus dem Zelt. Die Amerikaner überzeugen an diesem Morgen auch trotz Handicaps, so scheint die bereits um 11 Uhr heiß brennende Sonne den Musikern mitten ins Gesicht: Gary Meskil und Co zeigen sich jedoch unbeeindruckt und gewohnt bärbeißig und brüllen den Zuschauern ihren bretterharten Hardcore mitten ins Gesicht - derart aufgepeitscht ist der nötige Stimmungspegel für einen gelungenen Auftakt in der Frühe schnell erreicht.
Probleme werden bei ORDEN OGAN souverän und ohne viel Aufhebens um die Sache gelöst: Denn obwohl sich Sänger Sebastian Levermann an der Hand verletzt hat und damit die Gitarre für den Auftritt in Dinkelsbühl zur Seite stellen muss, können die Power Metaller in gewohnter Besetzung auftreten. Dann übernimmt eben Bassist Niels Löffler den Posten in der Zwischenzeit - die Truppe strotzt an diesem Tag dennoch vor Energie und Dynamik auf der Main Stage. Das könnte natürlich auch an der Setliste liegen, Titel wie 'Gunman' aus dem aktuellen Album der Band zünden sofort und sorgen für laute Chöre ebenso wie ein bereits beachtlich gefülltes Infield. Dazu das imposante Backdrop im Western-Style und die daran angelehnte Bühnenklamotte: Live ein Showdown, der an Spannung kaum zu überbieten ist und schon jetzt einer meiner persönlichen Tagesgewinner.
Zur ersten Band auf der T-Stage treffe ich bei strahlendem Sonnenschein ein. Heute wird es heiß, und nicht nur auf und vor der Bühne. Das Programm auf der T-Stage ist ziemlich derb, es gibt eigentlich nur wenig, was mich wirklich interessiert, doch bereits die erste Band des Tages ist eine positive Überraschung: NERVOSA, von mir fälschlicherweise aufgrund des Bandlogos für Death Metal gehalten, entpuppt sich als Thrashkapelle! Cool! Noch cooler ist, dass es sich um ein Damen-Trio handelt, die den Anwesenden mal kräftig die Ohren durchbläst! Die Lieder sind nicht zu lang, haben tolle Riffs und die Frontdame Fernanda Lira, die auch den Bass bedient, kreischt sich kraftvoll durch die Stücke und post dabei, was das Zeug hält. Allein dafür hat es sich schon gelohnt, so früh herzukommen. Die Brasilianerinnen fetzen durch ihren Set, scheinen auch in ihren Texten etwas zu sagen zu haben, soweit ich das nach einmaligen Live-Hören sagen kann, und starten den Tag ganz famos. Übrigens: Die Schlagzeugerin sieht so zierlich aus und verprügelt ihr Drumset so gehörig, dass ich es kaum für möglich gehalten hätte. Klasse. Diese Damen habe ich ab sofort auf meinem Thrash-Radar und muss mich wohl mal eingehend mit der Musik der Südamerikanerinnen befassen. Mal sehen, ob das auch so stark ist, wenn die optische Aggressivität der Frontdame de Sound nicht unterstützen kann. Live ist es jedenfalls eine Wucht.
Ich habe heute ein wenig Dienst an den beiden Nebenbühnen und werde erst später einen kleinen Ausflug zur Hauptbühne machen, daher geht es nun zur Camel Stage. VENUES aus Stuttgart darf diese Bühne heute eröffnen und bietet einen modernen Core mit männlichem und weiblichen Wechselgesang. Das ist sicher nicht umwerfend originell, aber es funktioniert, und ich freue mich über die klaren Gesangsparts, die in diesem Jahr auf dem SUMMER BREEZE ja einen Anwärter für die Rote Liste darstellen. Die Camel Stage ist in diesem Jahr übrigens eine tolle Bühne für kleinere Bands, denn das Dach sorgt für Schatten, sodass es hier eigentlich immer voll ist und Viele sich auch mal ein paar Bands ansehen, bei denen sie sonst eventuell eine Pause gemacht hätten. VENUES weiß das zu nutzen und erntet zu Recht viel Applaus.
Mittlerweile ist das Gelände schon ein wenig im Mitleidenschaft gezogen worden, es staubt an allen Ecken und ganz besonders vor der T-Stage, auf der MALEVOLENCE weitermacht. Oh, das ist Hardcore, auch kein Death Metal. Der Tag wird ja besser als befürchtet. Musikalisch ist die Darbietung zwar eher unoriginell und der Sänger ist absolut gar nicht zu verstehen, aber zumindest der junge Bassist sorgt für einen Farbtupfer in seinen orangefarbenen Boxershorts. Allerdings ist diese Farbe auch schon irgendwie waffenscheinpflichtig und die herausschauende Unterhose ist auch weder cool noch unbedingt etwas, das ich sehen wollte. Ist das jetzt Mode? Breakdowns und Gehüpfe sind obendrein überhaupt nicht, wonach mir verlangt, also mache ich nach ein paar Stücken die Biege und genehmige mir im Pressebereich erstmal etwas zu trinken und einen kleinen Plausch. Die Pausen sind rar gesäht und müssen daher genutzt werden. Die Tage sind lang.
Dann geht es nämlich mit FOREVER STILL auf der kleinsten der vier Bühnen bereits weiter. Auch eine Band, die ich bislang noch nicht kannte, sodass ich gar nicht weiß, was mich erwartet, aber auch hier erlebe ich eine positive Überraschung. Die Dänen, die mit Frontfrau agieren, spielen nämlich Alternative Metal. Mit richtigem Gesang! Welch Wohltat für meine Ohren. Ein ordentliches bisschen Goth ist da auch mit drin, auch visuell erkennbar am Make Up des Gitarristen, und Sängerin Maja Shining sieht aus, als hätte sie eben noch reparierend unter dem Tourbus gelegen, offensichtlich will die Band nicht nur akustisch, sondern auch optisch einen besonderen Eindruck hinterlassen. Das klappt ganz hervorragend. Musikalisch zaubert die Band eine schöne Abwechslung auf die Bretter, indem auch mal melancholisch-atmosphärische Töne erklingen, was die Menge vor der Bühne dankend aufnimmt. Ich kenne die Lieder nicht, daher kann ich nicht sagen, ob das als neues Lied angekündigte 'Survive' typisch ist für die Norddame und ihre männlichen Mitstreiter, aber es passt gut in den Set, durch den Shining mit einer ordentlichen Portion Theatralik führt. Ein Blick auf das Billing des Tages gibt den Nordlichtern gute Chancen auf mein Tagessiegertreppchen zu gelangen.
Schnell zurück zur T-Stage, wo jetzt EXHORDER sich anschickt, klassischen Thrash zu zelebrieren. Oder besser: uns um die Ohren zu hauen! Die Alben aus den Achtzigern haben allgemein in der Thrash-Szene einen guten Ruf und die Band zeigt heute mit Rauschebart-Gitarre und Kurzhaar-Shouting, was ein echter Metal-Hammer ist. Die Band wird häufig mit PANTERA verglichen, aber der berühmteren Band hat EXHORDER mehrere Dinge voraus: Da sind zum ersten schweißtreibende Speedpassagen, aber zum anderen und vor allem Sänger Kyle Thomas, der im Gegensatz zum Fronter besagter Erfolgskapelle sympathisch wirkt und bei manchen Liedern abgeht wie das berühmte Zäpfchen. Die ersten beiden Lieder lang versuche ich, die Musiker, die einen ordentlichen Bewegungsdrang an den Tag legen, zu fotografieren, danach genieße ich noch zwei Lieder der Band aus New Orleans und ertappe mich bei der Frage: Was wäre aus dieser Band wohl geworden, wenn sie sich nicht 1993 aufgelöst hätte? Dann ist es aber Zeit zu gehen, denn die nächste Band steht bereits in den Startlöchern.
Jetzt darf ich aber mal an die Hauptbühne, denn da folgt nun JASTA. Nicht dass ich ein Fan wäre, aber irgendwie bleibt Hardcore meistens an mir hängen. Na ja, immerhin hat Jamey mit KINGDOM OF SORROW auch andere Töne in der Historie als die HATEBREED-Sachen, die mir immer zu brüllig waren, und tritt stilsicher mit einem Thrash-Shirt auf, das vier Thrash-Fronter aufzählt. Will er mich etwa in Sicherheit wiegen? Nein, natürlich legt der Sänger seinen Stil auf dem neuen JASTA-Album nicht ab, aber ich finde, die Lieder sind feiner und nicht so plump auf brutal getrimmt. Also, 'The Same Flame' ist ja wohl mal ein echter Ohrwurm, soweit man in diesem Stil so etwas produzieren kann. Es werden einige Lieder dieses Albums, darunter auch Stücke mit Klargesang, gespielt, doch die Publikumsreaktionen sind bei 'Destroy Everything' von HATEBREED euphorischer. Obwohl der Song ganz deutlich schwächer ist als alles zuvor gespielte Material der Band. Ich begebe mich weiter nach hinten und überlasse den Corefans die Front, als Jamey mit Howard Jones von KILLSWITCH ENGAGE einen Gast ankündigt. 'Chasing Demons' vom JASTA-Album folgt, ebenfalls ein wirklich gutes Stück. Die Entwicklung, die der Hardcore-Shouter genommen hat, ist beachtlich. Er wirkt reifer, seine Lieder sind stärker, aber hier auf dem SUMMER BREEZE ist er weiterhin der HATEBREED-Shouter. Schade, aber verständlich.
Nach JASTA kommt das Kontrastprogramm, die Band SCHANDMAUL, die einen hohen Fremdschämfaktor ihr eigen nennt. Die Art von total lustigem Schlager-Volks-Rock hat ja Tradition auf dem SUMMER BREEZE, aber ich erweise mich mal wieder als humorlos. Lieder wie 'Leuchtfeuer' würden auch beim Frühlingsfest der Volksmusik nicht negativ auffallen. Sänger Thomas Lindner hat allerdings eine starke Stimme, bringt das auch live rüber und musikalisch gibt es auch überhaupt nichts auszusetzen. Meine leichte Lederhosenphobie kommt sicher daher, dass ich als Norddeutscher in Bayern gelandet bin und eine gewisse weiß-blaue Idiotie täglich erleben muss, weswegen ich die Dinger nicht auch noch auf der Bühne sehen muss, aber da die Band aus München kommt, ist das auch wieder legitim. Einige Lieder lang erlebe ich fortgeschrittenen Frohsinn, oftmals unterstützt durch Flüssigkeiten, an deren Verfügbarkeit es nicht mangelt. Beeindruckend lange Schlangen an den Getränkeständen deuten darauf hin, dass viele entweder SCHANDMAUL nur im Suff ertragen können oder so viel mitsingen, dass die Kehlen Feuchtigkeitsnachschub benötigen. Ich weiß nur, dass ich zu ersteren gehöre, aber heute Abend noch autofahren muss, daher also abstintent bleiben muss und nicht durch einen Selbstversuch ausprobieren kann, ob man sich den Sound schöntrinken kann. Was soll's, SCHANDMAUL hat ein durchaus großes und begeistertes Publikum vor der Hauptbühne, deswegen lasse ich die Feiernden mal allein, die können das auch ohne eine Spaßverderber-Unke wie mich.
Einen Kaffee im VIP-Bereich später denke ich mir so, ich könnte ja mal schauen, was auf der Camel Stage abgeht. Großer Fehler! Für mich, nicht für NECROTTED, die immerhin dadurch ein paar Fotos bekommt. Denn jetzt bin ich im fettesten Death Metal gelandet. Die Burschen aus Abtsgmünd legen mächtig los und machen dem Titel ihres aktuellen Albums "Worldwide Warfare" alle Ehre. Leider ist Sänger Fabian Fink einer der Grunzer, bei denen man kaum etwas versteht. Mit anderen Worten: einer der Sorte, die mir nicht gefallen. Deswegen mache ich es kurz: Das sind ganz böse Metaller und jeder Deather sollte mal reinhöre, aber man wird mir sicher verzeihen, wenn ich bei dem üppigen musikalischen Angebot des SUMMER BREEZE NECROTTED mal verlasse und mir etwas Neues suche.
Ich gehe nämlich jetzt zu der Band MUNICIPAL WASTE, die mit ihren "The Only Walls We Build Are Walls Of Death"-Shirts am Merchandise-Stand, die auch schon in beachtlichen Menge auf dem Gelände auf der Haut der Headbanger zu sehen sind, schon mal für einen ersten Schmunzler sorgt. Überhaupt haben die Jungs aus Virginia eine durchaus humoristische Seite. Weswegen ich MUNICIPAL WASTE allerdings hauptsächlich NECROTTED vorziehe, ist das Riffing, dass mir im Thrash besser gefällt als im Death. Diesbezüglich werde ich nicht enttäuscht. Guter Auftritt, auch wenn ich den Sänger Tony Foresta jetzt nicht zu meinen Lieblingen zähle, auch wenn man bei ihm immerhin mal ein paar Refrains mitgrölen kann. Ich verziehe mich nach drei, vier Liedern, weil es mich schon wieder zur Hauptbühne zieht. Es ist echt ein ganz schöner Marathon heute, allerdings habe ich auch genug von MUNICIPAL WASTE. Jeder weitere Song würde es nicht mehr besser machen, dazu gefällt mir der Gesang einfach nicht gut genug.
Auf der Hauptbühne gibt es ein Spektakel, das ich erst vor kurzem auf dem BANG YOUR HEAD-Festival gesehen habe, das aber offensichtlich als meine Kernkompetenz eingeschätztz wird und man mich maleben dafür eingeteilt hat, nämlich die Saufpiraten ALESTORM. Und wieder kommt meine humorlose Ader durch. Natürlich sind die Mitsingteile, angemessen simpel, eingängig und thekentauglich, ein gefundenes Fressen für die wirklich große Menge vor der Hauptbühne. Auch hier vermute ich, dass ein bis sieben Bier das Ganze erträglicher machen, möglicherweise in der Gruppe mit Gleichgesinnten sogar unterhaltsam, aber trocken und im Arbeitsmodus entlockt mir das Ganze dann nicht einmal mehr ein Schmunzeln. Ich weiß es nicht, aber aus irgendeinem Grund finde ich oberkörpernackte, dünne Keyboarder, zungenküssende Nordbritannische Piratenmusiker, Bananen-Enten-Chimären und Riesen-Gummiquaktiere nur bedingt mitreißend. Obendrein empfinde ich die Keytar als ein eher peinliches, denn interessantes Instrument, auch wenn Sänger Christopher Bowes damit sehr ordentlich klimpert. Aber wenn ich es auf den Punkt bringe, höre ich eben zwei Tasteninstrumente, simple Lieder mit mehr Pop- als Metalgefühl und sehe eine Show, die routiniert wirkt, aber gerade immer noch spontan genug, als dass man nicht den Eindruck einer völlig eingeübten Choreografie hat. Crowdsurfer gibt es nun en masse und die Grabenschlampen habe alle Hände voll zu tun. Auch die Animation von der Bühne zu einem Lied über eine Bardame namens Nancy, bei der das Publikum mitmachen soll, wird gut angenommen, bildet für mich aber auch einen Punkt, an dem der Entschluss, mich zügig abzusetzen, endgültig reift. Allerdings hat ALESTORM heute ein deutlich jüngeres und feierwilliges Publikum als in Balingen vor einem Monat, weswegen der Gig hier als Sieger aus dem direkten Vergleich hervorgeht. Gut gemacht, aber ich nehme jetzt das Rettungsboot und mache die Düse.
Aber jetzt folgt wieder etwas Normales, nämlich die Norweger LÜT. Oder besser, sie sollten. Sie sind aber nicht da. Wir werden informiert, dass der Flieger Verspätung hatte und obendrein ein Stau die Anreise verzögert. Da heißt es also warten. Etwa 15 Minuten später ist LÜT zur Stelle, baut schnell auf und steigt ohne Soundcheck in den Set ein, der eigentlich nur noch zehn Minuten dauern kann. Treibender Hard Rock mit Punkeinschlag und Schreihals am Mikrophon. Das macht Spaß, nur muss ich leider wieder rüber zur T-Stage und kann mir deshalb nur eineinhalb Liedchen anhören, was für eine echte Meinung eigentlich zu wenig ist. Weil die Meinung aber positiv ist, sage ich sie trotzdem: Die sollte man ruhig mal anchecken, auch wenn es mir ein Rätsel ist, wofür die Burschen drei Gitarren brauchen. "Zuviele Noten" gibt es hier nicht.
Das ist nämlich eher die Baustelle von THE BLACK DAHLIA MURDER. Letztes Jahr hatte ich das zweifelhafte Vergnügen, die Kapelle schon mal zu erleben. Für mich ist das wildestes Chaos mit einem Kassengestell-Buchhalter-Brüllwürfel am Mikrophon, der dafür sorgt, dass der Mahlstrom aus Gitarrenriffs zu einem kaum identifizierbaren Brei zusammengeschrien wird. Dabei wird es immer interessant, wenn er mal den Mund hält, denn was die Instrumentalfraktion da zusammenrödelt, ist großes Können, es sei denn, man meint, es wäre gut, Blastbeats einzubauen. Ist es nicht. Nie. Ich halte es einige Lieder aus, deren Titel ich nicht weiß, alles aus dem Mund von Trevor Strnad klingt irgendwie, als ob eine Wildsau verendet. THE BLACK DAHLIA MURDER hat allerdings einen beachtlichen Fankreis zur Bühne gelockt, als ich den Rückweg antrete, erblicke ich noch recht weit hinten headbangende Fans und einige passende Bandshirts. Ob ich das mal auf Konserve antesten sollte?
Weniger technisch, aber ebenfalls mit einem Sänger, der nicht auf meiner bevorzugten Wellenlänge brüllt, spielt die vermeintliche Schreibfehler-Kapelle BAEST ihren Death Metal auf der kleinen Camel Stage. Musikalisch klingt das für mich recht generisch, aber immer wenn es weniger gehetzt zur Sache geht, klingt die Band sehr ordentlich. Das dürfte den Death Metal-Fans gefallen, am Freitag wird das Debütalbum "Danse Macabre" über Century Media Records erscheinen, ich allerdings werde mir den Tag deswegen wohl eher nicht im Kalender anstreichen.
Also wieder zurück zur T-Stage, denn da wird gleich mit COMEBACK KID eine etwas größere Nummer im Core-Zirkus die Bühne entern. Power und viel Aggression dominieren auch diesen Auftritt. Ich glaube, das ist, was mich so ermüdet: jede der Bands hier bringt viel Energie auf die Bühne, es gibt kaum eine Aggro-Pause. COMEBACK KID gibt den Anwesenden auch gleich mal eins auf die Zwölf und liefert die ganze Stunde lang sehr ordentlichen Core mit einem typischen Schreihals, der zwar nicht allzu viel zur Melodie beiträgt, aber einen beachtlichen Energielevel verbreitet. Dazu gibt es natürlich nachvollziehbare Refrains, die den Auftritt auch für Nichtkenner der Band nachvollziehbar machen und ihre Lieder mit Erholungspausen spicken. Lieder wie 'Surrender Control' sind tatsächlich ein Pfund, mit dem die Kanadier wuchern können. Guter Auftritt, wenn auch nicht besonders originell. Aber eine Band, deren Sänger ein RAZOR-T-Shirt trägt, hat bei mir gleich erstmal einen Stein im Brett.
Zu einem Auftritt von EISBRECHER ist in meinen Augen nichts mehr zu sagen: Die Münchener spielen derzeit in der NDH, Schwarzen und deutschsprachigen Metal-Szene in ihrer eigenen Liga, sind sich dessen bewusst und lassen dieses Wissen die Konkurrenz ebenso wie die Zuschauer spüren. Des einen Freud, des anderen Leid - denn die audiovisuellen Spektakel, die Alex Wesselsky und seine Crew schon mit dem inzwischen etablierten Opener 'Sturmfahrt' initiieren, hängen die Latte für nachfolgende Acts besonders hoch. Auch auf dem SUMMER BREEZE setzt EISBRECHER auf gewohnt hohe Qualität: Glasklarer Sound, eine beeindruckende Licht-Show und der Kapitän in Höchstform. Da sitzt jede Bewegung, jeder Song treibt die Stimmung im Publikum weiter nach oben - bis auf die Spitze des Eisbergs, den Alex und Co schließlich mit Klassikern wie dem 'Miststück' krönen. Eine Meisterleistung und beeindruckende Demonstration massivster Bühnenpräsenz.
Daran nahtlos anzuschließen, das ist eine Kunst, die nur wenige Gruppen beherrschen. Gut, dass mit BEHEMOTH danach eine Band auftritt, welche den Stab, den EISBRECHER der polnischen Black Metal Kombo zuwirft, mühelos fängt. Denn wie schon zwei Wochen auf dem WACKEN OPEN AIR laden Nergal und Co ihre Jünger vor der Bühne wieder zum Kräftemessen mit den dunklen Mächten. Zumindest wirkt es, als rufe BEHEMOTH mit der morbiden und einschüchternden Atmosphäre, welche die Herrschaften durch pure musikalische Stimmung erzeugen, den schwärzesten aller Dämonen an. Wenn Zeilen wie 'For Thine Is The Kingdom' von auflodernden Flammenwerfern vor dem tiefblauen Nachthimmel Dinkelsbühl unterstrichen werden, wenn die Band vor den hämmernden Blast Beats zu krachenden Riffs ansetzt oder schließlich 'O Father O Satan O Sun' intoniert, dann ist der Zenith für mich erreicht. Mit Gänsehaut auf den Armen und ein klein wenig ehrfürchtig entferne ich mich von diesem Schauspiel in Richtung T-Stage. BEHEMOTH - mein persönlicher Headliner des SUMMER BREEZE 2018.
An der T-Stage angekommen und im Fotograben gelandet sorgt ESKIMO CALLBOY bei mir erst einmal für eine spontane Flucht: Nicht, weil ich den Jungs aus Castrop-Rauxel musikalisch entkommen möchte. Nein, der fast schon schmerzhaft in der Brustgegend wummernde Bass in Kombination mit dem dämmrigen Licht von hinten sowie die Strobes machen eine anständige Augen-Hand-Koordination ebenso schwierig wie das Unterfangen, anständige Bilder zu machen. Das Konzert in einiger Meter Entfernung zu genießen, das ist jedoch unproblematisch und macht sogar richtig Spaß. Denn so kritisch man gegenüber der Musik von ESKIMO CALLBOY stehen mag - ihren Ruf als Partyvögel der Szene haben sich die Metalcorer nicht umsonst erarbeitet. Eine gewaltige Menschenmenge feiert vor der T-Stage fast bis zu den Einlasskontrollen Songs wie 'The Scene' oder 'MC Thunder' und eskaliert mit der Dauer des Konzerts zunehmend. Ein beeindruckender Abriss mit (im wahrsten Sinne des Wortes) jeder Menge Druck und Wumms dahinter!
Während meine liebe Kollegin die Hauptbühne beackert, schaue ich nochmal auf der Camel Stage vorbei, denn da wird jetzt gedoomt. PALLBEARER schickt sich an, eine Dreiviertelstunde lang die melodische Langsamkeit zu zelebrieren. Wie es sich für Doom gehört, schafft die Band gerade einmal fünf Lieder in ihrer Spielzeit. Der Sound ist allerdings nicht optimal, anfangs ist die Gitarre kaum zu identifizieren, dafür wummert der Bass ziemlich stark. Unangenehm stark. Im Laufe des Auftritts wird das zwar besser, aber leider bis zum Ende hin nicht gut. Trotzdem gefällt mir das Gehörte ausgesprochen gut, ich mag Doom. Dass ich nicht vollständig in der Musik der US Amerikaner aus dem ländlichen Arkansas aufgehe, liegt am SUMMER BREEZE. Nach so vielen Bands und einigen, die noch folgen werden, ist es nicht möglich, dass ich mich in den Sound und die festliche, melancholische Show fallen lasse. Das liegt aber ausdrücklich nicht an den Jungs aus Little Rock, sondern einfach daran, dass ich nach einem ganzen Tag hin- und herrennen zwischen den Bühnen nicht abschalten kann. Eine PALLBEARER-Clubshow wäre dagegen etwas, worauf ich micht freuen würde. Vielleicht bekomme ich ja mal die Gelegenheit.
Zum Abschluss für mich gibt es heute die mittlerweile doch absolut hervorragende Show der Band POWERWOLF. Ich habe sie als Headliner auf dem BANG YOUR HEAD gelobt und kann nur wiederholen, was ich dazu gesagt habe: Die Deutschen haben sich den Headliner-Platz über die Jahre durch kontinuierliche Arbeit redlich verdient. Ihr Stil ist gefestigt, Image und Auftritt sind akzentuiert und mit großer Professionalität dargeboten. Natürlich ist die Setliste ein Querschnitt durch das Schaffen, bei dem sich dem Hörer offenbart, dass die Band mittlerweile auf einen unglaublichen Fundus an Gassenhauern zurückgreifen kann. Klar, es wird weiterhin die Diskussion geben, ob das nun die musikalischen Überflieger sind, als die der aktuelle Erfolg sie hinstellt, oder nicht, aber live ist POWERWOLF eine absolute Macht. Ich bin weiterhin beeindruckt und genieße tatsächlich die Show bis zum Ende und mache mich dann auf den Weg ins heimische Bettchen...
- Redakteur:
- Frank Jaeger