Summer Breeze 2018 - Dinkelsbühl
11.11.2018 | 13:1515.08.2018, Flugplatz
Auch dieses Jahr waren wir wieder beim Summer Breeze und hatten viel Spaß. Wieviel, das berichten wir hier.
Eine Sommerbrise ist das Festival gerade in diesem Jahr sicher nicht, aber dafür ein Mekka des hartmetallischen Lebensgefühls. Anno 2018 scheint mir das Billing des SUMMER BREEZE härter zu sein als in den letzten Jahren, oder ich bin weicher geworden. In jedem Fall stürzten sich für POWERMETAL.de Leoni Dowidat und Frank Jaeger ins Gewühl und versuchten, so viel wie möglich auf dem viertägigen Event zu hören, zu sehen und zu fotografieren, auch wenn es leider nicht möglich war, alle Bands der vier Bühnen mit Fotografen und Schreiber abzudecken, sodass wir ab und an ein paar Acts auslassen mussten, wenn Müdigkeit oder die lahmen Füße ihren Tribut forderten. Vier Tage ist schon ganz schön anstrengend, kann ich euch sagen. Obendrein war eigentlich ein dritter Kollege eingeplant, der aber ausfiel, so dass sich im Nachhinein ein paar unerwartete Lücken mehr auftun als geplant.
Mittwoch ist traditionell der Auftakttag. Das heißt, es werden nur die T-Stage und die Camel Stage bespielt, die Hauptbühne wird noch aufgebaut. Doch wer meint, dass der Mittwoch damit ein lahmer Tag wäre, irrt gewaltig, denn nicht weniger 16 Bands auf besagten beiden Bühnen, sowie eine Band auf der grenzwertig benannten Ficken Party Stage (nach dem furchtbaren Schnapps, der über die vier Tage allgegenwärtig mit pseudowitzigen Aufklebern auf alkoholisiert in ihrer Wehrhaftigkeit eingeschränkten Scherzkeksen um Aufmerksamkeit heischt) mit anschließender Musik von der Konserve, ausgesucht und aufgelegt von den Kollegen von metal.de, ist mehr, als ein regulärer Festivaltag bei anderen Veranstaltungen zu bieten hat. Für mich ist der Mittwoch sogar der interessanteste Tag, weil heute ausschließlich Bands von Nuclear Blast spielen und die Donzdorfer auch mal gemäßigte Klänge ins Rennen schicken. Von den harten Kalibern würden in den folgenden Tagen durchaus noch genug kommen, die Dosis Hardcore und Death Metal dieses Festivals deckt eigentlich meinen Jahresbedarf.
Doch bevor es soweit ist, darf erst einmal wieder BLASMUSIK ILLENSCHWANG das Festival auf der Camel Stage eröffnen. Ich höre mir die Blaskapelle zum ersten Mal an, aber ich habe in Wacken bereits deren FIREFIGHTERS gesehen, also denke ich, dass es eine ähnliche Veranstaltung werden wird. Doch da irre ich, denn die Illenschwanger spielen ihr normales Musikzug-Programm und keine umgearbeiteten Metalsongs. Die Meute vor der Bühne skandiert zuerst "Ein Prosit der Gemütlichkeit" und dann "Illenschwang", aber so ganz nachvollziehen kann ich das nicht. Der Auftritt mit akustischem Schützenfestprogramm ist gut, aber als passend empfinde ich ihn nicht. Aber das macht nichts, da sogar die ersten Crowdsurfer über die Meute gehen und die Menge sichtlich Spaß hat. Da will ich nicht unken und verkrümele mich nach einigen Lieder in den Pressebereich, um erst einmal zu schauen, ob schon ein paar Bekannte eingetroffen sind und eine erste Begrüßungsrunde bereits Sinn macht. Der Tag wird noch anstrengend genug.
Denn dann geht es richtig los. ANY GIVEN DAY ist die erste Band auf der T-Stage und jetzt brennt die Luft im nicht mehr vorhandenen Zelt. Ja, dadurch dass ich letztes Jahr nicht auf das SUMMER BREEZE kommen konnte, habe ich verpasst, dass die Tent-Stage gar nicht mehr in einem selbigen steht, sondern eine Open Air Bühne ist. Okay, unter dem Zeltdach war es auch höllisch warm, aber bei Unwetter war es ein geschützter Platz. Na ja, wird schon nicht unwettern. Aber zurück zu ANY GIVEN DAY. Ich wusste gar nicht, dass schon so Viele angereist sind! Der Platz vor der Bühne ist mächtig voll und die Leute gehen voll ab auf den Core-Sound der Burschen. Die knackigen Lieder mit den üblichen Zutaten wie Hüpfparts und Breakdowns funktionieren prächtig und Sänger Dennis Diehl wechselt gut zwischen Brüllen und sauberem Gesang. Kein Wunder, dass das feierwütige Publikum, für das das SUMMER BREEZE nun endgültig beginnt, ihm den Gefallen tut und bei 'Never Say Die' nach Kräften mitsingt, ihm eine fette Wall of Death zubereitet und auch einen beachtlichen Circle-Pit kreiert. Ich bin jedenfalls beeindruckt und lasse mich nur zu gerne von der allgemeinen Begeisterung für die Gelsenkirchener anstecken.
Ja, heute wird der Kontrast gelebt. Die ersten sechs Bands heute sind so unterschiedlich, wie es keine andere Phase des SUMMER BREEZE 2018 sein wird. Auf der T-Stage folgt mit NIGHT FLIGHT ORCHESTRA Hard Rock, oder Retrorock, oder was auch immer für ein psychedelisch-kraftrockendes Paket aus Merkwürdigkeit in ansteckendem Gewand, und damit meine ich nicht nur den violetten Anzug von Sänger Björn Strid, nun auf die Frühangereisten einwirken darf. Die Band spielt vor einer beachtlichen Menge, die durchaus Freude am Sound der Schweden hat, obwohl das Ganze mit Metal nichts zu tun hat. Show, Sound und Selbstverständnis sind so lässig, dass das NIGHT FLIGHT ORCHESTRA nicht nur einen ungewöhnlichen klanglichen Farbtupfer zu setzen vermag, sondern sogar nach dem Ende des Festivals zu meinen Highlights zählen wird. Mit denen werde ich jederzeit gerne wieder live mitfliegen!
Neben dem NIGHT FLIGHT ORCHESTRA bin ich heute besonders gespannt auf die FARMER BOYS. Ich bin ein großer Fan ihrer beiden letzten Alben "The World Is Ours" und "The Other Side", aber ich habe die Band tatsächlich noch nie live gesehen. Da ich letzte Woche erst bei der Listening Session zum kommenden "Born Again"-Album war, weiß ich, dass die FARMER BOYS weder ihren Biss noch ihr Gespür für die Melodien verloren haben, weswegen ich mich auf den vierten Auftritt der Burschen auf dem SUMMER BREEZE freue wie ein Schneekönig. Pünktlich geht es mit 'Cosmos', dem Intro des neuen Albums, vom Band los und im Anschluss setzt die Band ein. Bandmittelpunkt ist natürlich Sänger Matthias Sayer, der in einem langärmeligen Kapuzenpulli bei diesen Temperaturen ein wenig overdressed scheint, immerhin ist es halb sechs am Nachmittag und wir haben einen schönen Sommertag. Zu Beginn erscheint mir der Sound ein wenig matschig, der Gesang zu weit im Hintergrund und Sayer nicht ganz souverän, aber das kann daran liegen, dass ich im Fotograben Bilder mache und daher 'The Other Side' und das neue Lied 'You And Me' von besagtem am 2. Oktober erscheinenden Album "Born Again" nicht völlig genießen kann. Tatsächlich ist der Sound dann weiter hinten viel besser, wo ich mich im Anschluss einfinde und das großartige 'End Of All Days' feiere. Die FARMER BOYS haben natürlich die undankbare Aufgabe, ein neues Album bewerben und sicher auch ihre neuen Lieder spielen zu wollen, aber da diese noch niemand kennt, eigentlich einen Set aus Klassikern präsentieren zu müssen. Doch die Freude über die Publikumsreaktionen zu 'We Sow The Storm' und dem Melodie-Meisterwerk 'Like Jesus Wept' sind überschwänglich, auch wenn nicht so viele vor der Bühne abgehen wie zuvor bei ANY GIVEN DAY. Dass die Soundschwierigkeiten aber real sind, merke ich bei 'Stay Like This Forever', in dem das Keyboard leider völlig untergeht. Aber dafür sind Matthias' Vocals jetzt gut zu hören und der Sänger offensichtlich gut bei Stimme. Bevor die Band sich mit dem beinahe unvermeidlichen 'Here Comes The Pain' verabschiedet, gibt es mit 'Revolt' noch einen weiteren neuen Song, der sich gut in den Set einfügt und beweist, dass die FARMER BOYS weiterhin ihrem Stil und Sound treu geblieben sind, ihn nur verfeinert haben. Während des Outros vom Keyboard verabschieden sich die Musiker lange von ihrem Publikum, vor allem Sayer bedankt sich ausdauernd bei den Fans und freut sich sichtlich über die positiven Reaktionen, was nach einer Pause von vierzehn Jahren auf keinen Fall selbstverständlich ist. Im Dezember kommen die schwäbischen Bauernjungen auf Tournee. Sollte man sich merken, das dürfte einen Besuch wert sein. Ich bin jedenfalls begeistert und pfeife noch eine Weile den Ohrwurm 'Here Comes The Pain', während das Programm auf der Camel Stage wieder härter wird und ich mich in den Presse-Bereich begebe, um mal zu schauen, wer da so rumhängt.
Und während ich mit meinen Begleitern und einem Cider erst einmal auf den Festivalbeginn anstoße und dann mit beiden Kameras bewaffnet mich auf den Weg zum Festivalgelände mache, weht der Wind noch die letzten Klänge von THE NIGHT FLIGHT ORCHESTRA herüber. Für mich beginnt der Saisonabschluss in Dinkelsbühl mit einem ganz anderen Kontrastprogramm: Die Deather DEATHRITE zerrütteln bei ihrem ersten Auftritt auf dem Summer Breeze 2018 die Camel Stage mit verrohten Growls und einer dröhnenden Mischung aus Gitarrengeschreddere und Schlagzeuggeballer. Selbst als Genre-Fan härterer Gangarten kann ich der Death Metal Kombo nur wenig abgewinnen, zu unkoordiniert wirkt die Band auf der Bühne - sowohl musikalisch als auch in der Bühnenpräsenz. Vielleicht fehlt mir allerdings auch nur der richtige Blickwinkel. Dem Publikum vor der Camel Stage scheint DEATHRITE mehr als zu taugen, der Platz vor der Bühne verwandelt sich vor dem Auftritt in einen immerwährenden Moshpit.
Für den holprigen Start werde ich an Ort und Stelle jedoch wenige Zeit später mit AUDN mehr als entschädigt: Tragender, bedeutungsschwerer Black Metal aus Island, der mit schneidenden Riffattacken und Blastbeats zwar für ordentlich Zunder sorgt, zeitgleich mir jedoch auch die Gänsehaut über die Arme jagt. Denn die Melodiebögen, welche die Nordlichter über ihre ausschweifenden Songs spannen, können sich mit ähnlich gearteten Band aus der Heimat, wie etwa SÓLSTÁFIR, messen. Von den schwarzen Jackets bis hin zu den Ansagen, welche Sänger Hjalti Sveinsson komplett in Isländisch hält, gibt AUDN an diesem Tag ein rundum stimmiges Bild ab und hinterlässt zumindest bei mir bleibenden Eindruck. So darf und muss Black Metal klingen - in meinen Augen und Ohren sind die Isländer der Tagessieger auf der kleinen Bühne und schaffen in den kommenden Jahren hoffentlich den Sprung auf die größeren Spielstätten. Die Daumen sind zumindest gedrückt!
Den positiven Überraschungen folgen kurze Zeit später alte Bekannte und der Act, auf den ich mich am Mittwoch am meisten freue: KATAKLYSM tritt auf der T-Stage aufs Gaspedal. Und wer Maurizio Iacono kennt, der weiß: Wenn die Death Metaller das Festival aufmischen, dann sind sie nicht alleine. So fordert der Sänger das Publikum erst einmal zum "Security-Stress-Test" auf - die Grabenschlampen rotieren kurze Zeit darauf, um der zahllosen Crowdsurfer Herr zu werden. KATAKLYSM spornt das jedoch nur weiter zu Höchstleistungen an: Die Instrumente locker auf Kniehöhe hängend, zaubern die Kanadier ein virtuoses Gitarrensolo nach dem anderen dahin, headbangen, was das Zeug hält und schaffen mit Titeln wie 'The World Is A Dying Insect' ein trotziges Wir-Gefühl, dem sich niemand vor der T-Stage so wirklich entziehen kann.
Eine kleine Erholung von den heftigen Klängen, die das diesjährige SUMMER BREEZE für mich bereit halten, ist der traditionelle Metal der Göteburger RAM. Hier regieren Flitzefinger und Nieten, der Sänger ist ein Metal-Wikinger und reißt das Publikum vor der kleinen Bühne anständig mit. Die eingängigen, nicht zu komplexen Lieder gehen gut ins Ohr und in die Beine, so dass man bald nur noch rotierende Mähnen im Publikum sieht. Das aktuelle Album wird mit zwei Stücken bedacht und, wenn auch leider nicht mit dem epischen 'Ramrod The Destroyer' in Gänze, doch immerhin mit dem Teil 'Incinerating Storm'. Das hat Hand und Fuß und eine Menge Headbanging und macht Spaß. Zwar wird mein Lieblingsstück der Schweden, 'Suomussalmi (The Few Of Iron)', nicht gespielt, aber das dürfte auch an der Kürze des Sets liegen, denn eigentlich ist der Neunminüter in den letzten Jahren ein fester Bestandteil einer RAM-Show. Schade, aber dann gehe ich eben auf die nächste Tour, die sicher nicht lange auf sich warte lassen wird.
Für mich haben die Kollegen heute noch ein etwas härteres Brett übrig gelassen. Als einer der Headliner spielt SEPULTURA auf der T-Stage. Ich bin allerdings kein Fan der ersten Stunde, denn deren erste Stunde war mir einfach zu brutal. Ich bin bei "Arise" eingestiegen, aber auch das war mir damals noch etwas zu heftig. Ich habe meist nur den Titelsong gehört und war dann bedient. Doch mit "Chaos AD" änderte sich das und ich nahm die Band mit anderen Ohren wahr. Mittlerweile hat SEPULTURA acht Alben mit Derek Green am Mikrophon veröffentlicht und 2018 markiert das 20-jährige Jubiläum dieser Kollaboration, was besonders erwähnt wird und mit einer gesunden Mischung aus Green-Tracks begangen werden soll. Aber ein paar Klassiker müssen auch noch sein, oder? Und das letzte Album bewerben, das SEPULTURA bereits seit zwei Jahren betourt? Wie will man das alles in 60 Minuten unterbringen? So wird das Best-Of-Derek Green dann doch eher ein untergeordneter Teil des dreizehn Lieder umfassenden Programms, das mit vier Liedern vom aktuellen "Machine Messiah" und sechs Klassikern nur wenig Platz lässt, aber immerhin zwei Lieder von "Against", dem ersten Album nach Max, beinhaltet. Ich finde ja SEPULTURA mit Green auf Konserve immer ganz gut, aber live laufen die alten Granaten den neuen Liedern den Rang ab. Oder ich bin einfach ein unverbesserlicher Ewiggestriger. Außerdem nervt mich das Licht, das immer von hinten kommt und mir viele Fotos vermasselt. Ja, mittlerweile war der Tag lang und ich bin grantig.
Jedenfalls marschiere ich mit 'Arise', 'Ratamahatta' und 'Roots Bloody Roots' rüber zur Camel Stage, wo die Kalifornier WARBRINGER sich anschicken, uns eine Dreiviertelstunde lang ihren Thrash um die Ohren zu hauen. Ihre neue Single "Power Unsurpassed" wird in zwei Tagen veröffentlicht werden, da darf man sich mal wieder in Erinnerung rufen. WARBRINGER spielt einen starken Gig, aber ich habe immer die Schwierigkeiten, ihre Lieder auseinander zu halten, da ich mit dem Material nicht gut genug vertraut bin. Ich finde alles, was ich höre, gut, aber irgendwie fehlt mir der Drang, die Scheiben ins Regal zu stellen. Ich bin seltsam. Doch nach diesem Gig habe ich durchaus wieder Lust, mehr WARBRINGER zu hören. Es gibt einfach zuviel Musik heutzutage, als dass man sie richtig zu schätzen wissen und genießen könnte. Deswegen stürze ich mich jetzt ein wenig weiter vorne ins Gewühl, nachdem ich die Fototasche netterweise im Graben abstellen durfte, um die Musik zu hören und zu fühlen. Jetzt wird noch ein wenig gebangt, und dann geht es heim. Ich habe Dienstschluss für heute.
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- Redakteur:
- Frank Jaeger