THE IRON ROSES, SHORELINE, WORST ADVICE - Nürnberg

10.12.2023 | 18:22

06.12.2023, Z-Bau

Wie man sich freischwimmt und leuchtend dasteht.

"Es könnte ein weitaus freundlicherer Abend sein, aber nein, als hätte es die Kulturbranche nicht eh schon schwer genug, werden Schneemassen, Eisglätte und äußerst unwirtliche Bedingungen aufgeboten, um auch ja den letzten Rest Motivation in die Flucht zu schlagen. Doch alle, die sich aufgemacht haben, bekommen am Nikolausabend ein ganz besonderes Paket aus dem Sack gezaubert: WORST ADVICE aus Nürnberg, die trotz fränkischer Herkunft durchaus dem Gainesville-Sound zuzuschreiben sind, die Emo/Post-HC Band SHORELINE aus Münster und als Hauptact THE IRON ROSES.

Während sich The IRON ROSES erst im letzten Jahr so richtig als Band formiert hat, kennt man Nathan Gray als Frontmann von BOYSETSFIRE natürlich schon seit Jahren. Geprägt von der Wandlung, die der Sänger vollzogen hat, ist es umso schöner zu erleben, wie sein Ankommen, sein Aufgehen in diesem gleichberechtigten Bandgefüge und die pure Spielfreude förmlich in Schockwellen von der Bühne fließen. Da ist es auch fast verzeihlich, dass die Band aufgrund ihrer Selbstdefinition nichts, bzw. nur wenig von Nathan's Solostücken (obwohl 'No Pasaran' so ein großartiger Song ist) spielen will - dafür gibt es dann eben das aktuelle selbstbetitelte Album am Stück."


Obige Einleitung stammt von Melanie. Mit ihr habe ich einige Zeit bei einem anderen Magazin gearbeitet. Vor ziemlich genau einem Jahr sollten wir über das große BROILERS-Konzert in Düsseldorf berichten. Als Support wurde die - damals für mich noch vollkommen unbekannte - Band THE IRON ROSES gebucht. Leider ist Melanie kurzfristig krank geworden und konnte das Konzert nicht erleben. Ich dagegen war vollkommen hin und weg von Nathan Gray und Co.

Wie das Leben so spielt, trennten sich unsere Wege. Während ich mich bei POWERMETAL.de ausleben darf, hat Melanie ebenfalls das Mag gewechselt. Ab und zu laufen wir uns bei verschiedenen Konzerten über den Weg. Für heute war geplant, dass Melanie als Gastautorin den Konzertbericht schreibt, während ich mich auf die Fotos konzentriere. Es kam wieder mal anders als geplant. Da meine ehemalige Kollegin eine recht weite Strecke zu bewältigen hat und vor Blitzeis gewarnt wurde, erschien es ihr verständlicherweise unmöglich nach Nürnberg zu kommen.

So mache ich mich also mit meiner Holden auf dem Weg in die Metropolstadt. Ich hatte ihr vor einem Jahr den Tipp gegeben, mal in THE IRON ROSES reinzuhören. Sie fand sofort Gefallen an der Band und es war sehr schnell klar, dass sie sich für diesen Abend eine Karte besorgt. Nach und nach trudeln die Besucher ein. Bis zum Beginn der Show ist der Z-Bau relativ gut gefüllt und es bleibt noch etwas Zeit für das übliche Getränk, welches hier erfreulich günstig ist.

Die eisernen Rosen haben im Vorfeld der Tour um lokale Bandbewerbungen gebeten. Eine echt gute Sache. So haben meist unbekanntere Bands die Möglichkeit, sich vor einem recht großem Publikum zu präsentieren. Eine Idee, die unbedingt Nachahmer finden sollte, denn man muss dem Nachwuchs diese Chancen bieten. Für Nürnberg fiel das Los auf WORST ADVICE. Ich erhasche vor der Show noch einen Blick auf die Setlist der Band. Elf Songs stehen drauf, das könnte ein langer Abend werden. Ich habe schon Supportbands mit deutlich weniger Tracks erlebt.

WORST ADVICE kann an diesem Abend mit solidem Pop-Punk punkten. Die Songs, mal rotzig, mal sehr melodisch, kommen beim Publikum recht gut an. Die Refrains werden überwiegend gemeinsam von Bassistin Marina Zwosta und dem Gitarristen Matias Munoz gesungen und gehen gut ins Ohr. Klar, ab und zu liegt mal ein Ton etwas neben der Spur, aber hey, das ist Punk! Die Stilrichtung ist dann auch der Grund, dass die 11 Tracks innerhalb einer guten halben Stunde durchgespielt werden. Wir sind halt beim Punk und nicht im Progressive-Metal-Bereich mit Stücken zwischen sieben und 12 Minuten. Leider ersäuft die Band überwiegend im Nebel und ist bei der spärlichen Beleuchtung im Z-Bau eher mäßig abzulichten.

Auch SHORELINE aus Münster ist mir bis zum heutigen Abend gänzlich unbekannt. Die Emo-Punker um Sänger und Gitarrist Hansol kommen beim Publikum jedoch gut an. Während der Schlagzeuger aufgrund seines Instrumentes einen eher eingeschränkten Bewegungsradius hat, tobt der Rest der Band mit einer enormen Energie über die Bühne in Nürnberg. Der Bassist scheint Sprungfedern unter den Füssen zu haben und ich habe manchmal Angst, dass er sich eine Kopfverletzung wegen der niedrigen Decke zuzieht. Die Jungs haben sichtlich Spaß, ihre 13 Song in Mittelfranken zu präsentieren.

Eines dieser Stücke heißt 'Seoul'. In dem Song beschreibt Hansol die Probleme, die er aufgrund seiner koreanischen Wurzeln hatte und wie er damit umgegangen ist. 'Seoul' ist exemplarisch genannt und zeigt, dass die Band sich in ihren Texten mit Alltagssituationen und Problemen auseinandersetzt. SHORELINE macht sich "grade" gegen Rassismus und Stereotypen. Hansol erzählt, dass die Band stolz ist, mit THE IRON ROSES touren zu dürfen und bezieht klar Stellung gegen Hetze, gegen Andersartigkeit, in diesem Fall gegen Nathan Gray. Mir hat die Band echt gut gefallen, auch meine Frau zeigt mit dem Daumen nach oben. Am 23. Februar 2024 erscheint mit "To Figure Out" das neue Album von SHORELINE.

Es wird warm und Zeit für ein weiteres Getränk, da kommt die Umbaupause genau zum richtigen Zeitpunkt. Da heute Nikolaus ist, wechseln Bargeld und THE IRON ROSES-Hoodie für die Frau noch den Besitzer, bevor das Licht ausgeht. Es ist soweit, Vorhang auf für den Headliner, die Show kann beginnen.

Und diese beginnt mit 'Screaming For A Change'. Sängerin Becky Fontaine betritt mit Nathan Gray, welche/r im kleinen Schwarzen gekleidet ist, lachend die Bühne. Wie mein Kollege Tobias in seinem Review zur CD habe auch ich Probleme mit dem richtigen Personalpronomen für non-binäre Menschen. Es gibt in Deutschland einfach noch nicht die "richtige" Bezeichnung. Das ist im englischen mit they/them deutlich einfacher. Doch zurück zur Show, mit 'Soldier Of Fortune' folgt der zweite Song. Die Setlist gleicht der Reihenfolge der Songs auf dem selbstbetitelten Album von THE IRON ROSES.

Das Publikum und auch ich erleben heute eine wahnsinnig spielfreudige Band, welche bestens gelaunt ein perfektes Set liefert. Gitarrist Philip "Eugenius" Smith hüpft wie ein Flummi über die Bühne und unterstützt Becky und Nathan immer wieder am Mikrofon. Speziell bei 'Justify The Lies' singt er seine - verständliche - Wut richtig fett raus. Die beiden Menschen an den Mikrofonen singen, hüpfen, tanzen, lachen so unbekümmert, so unbeschwert über die Bühne und stecken wirklich jeden im Z-Bau mit ihrer Euphorie, ihrer guten Laune an. Wohin man schaut, nur glückliche zufriedene Gesichter. Pure Authentizität, hier wirkt nichts gespielt oder aufgesetzt, wie ich es oft im Metal-Bereich erlebe. Ich persönlich habe das Gefühl, dass Nathan wirklich frei ist und eine große Last von sich geworfen hat.

Die Zeit vergeht wie im Flug und spätestens bei 'Radio Silence' versagen dann auch meine Stimmbänder. Nathan kündigt den Song als den letzten des Abends an und natürlich geht ein Raunen durch den Saal. Nathan lacht und erklärt das übliche Spiel: "Ihr wisst, was jetzt kommt. Ich sage den letzten Song an und Ihr seid tieftraurig. Wir verlassen die Bühne und Ihr macht Lärm und fordert Zugaben. Natürlich kommen wir wieder zurück und feiern mit Euch weiter".

Genau so passiert es dann auch. Es gibt weitere Stücke, welche von den Punkfans abgefeiert werden. Doch irgendwann endet auch das schönste, das beste, das ehrlichste Konzert. Mit 'Rebel Songs' verabschiedet sich THE IRON ROSES aus Nürnberg, Becky und Nathan verlassen dazu die Bühne und singen den Song aus dem Publikum. Natürlich kommt die Aktion im Z-Bau gut an. Auch meine Herzdame steht längst nicht mehr still und tanzt gemeinsam mit der Menge und den beiden Künstlern am Mikrofon.

Leider haben es 'No Pasaran' und 'Fired Up' nicht auf den Liederzettel geschafft. Doch nach dem Konzert ist vor der nächsten Tour. Und vielleicht schaffe ich es dann mal gemeinsam mit Melanie THE IRON ROSES live zu erleben.

Photo Credit: Andre Schnittker


 

 

 

 


Redakteur:
Andre Schnittker

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