TURBOSTAAT und CAPTAIN PLANET - Hamburg
01.03.2020 | 14:2918.02.2020, Markthalle
Norddeutscher Hartpunk im Doppelpack.
Ich bin schon seit vielen Jahren Fan der Husumer Punker TURBOSTAAT. Und dennoch lief mir die Band bisher erst zwei mal vor die Augen. Einmal vor zehn Jahren etwa auf dem "Hurricane Festival", mit welchem ich mich inzwischen doch recht deutlich auseinander entwickelt habe - und einmal vor ein paar Jahren auf der "Breminale". Zweimal Festival also, es wurde dringend Zeit für einen Tourbesuch. Und zum neuen Kracher "Uthlande" passt es dann endlich. Auf der "Rattenlinie Nord"-Tour wird selbstverständlich auch Hamburg angesteuert. Und weil das Interesse trotz ausverkaufter Show noch groß war, wurde ein Zusatztermin anberaumt. So finden sich heute schon zahlreiche Besucher in der hansestädtischen Markthalle ein, bevor am morgigen Mittwoch kein Platz mehr zu finden ist. Angenehmer also, dem ganzen am Dienstag beizuwohnen. Wenngleich ein Showbeginn um einundzwanzig Uhr eine kurze Nacht befürchten lässt.
Denn zunächst betritt CAPTAIN PLANET die runde Bühne. Die Band hat hier Heimvorteil und so wundert es nicht, dass es recht schnell ziemlich voll wird vor dem minimalistischen Aufbau. Textsicher und in Feierlaune präsentiert sich das Publikum schon gleich bei den ersten Songs. Dabei könnte einem der Sound schon etwas die Stimmung verhageln. Die bestimmt hörenswerten deutschen Texte sind nicht wahrnehmbar, stattdessen gibt es verdammt laut aufgerissene Gitarren und durchschlagendes Schlagzeug. Dass die Band stilistisch bestens zum Headliner passt, wird aber trotzdem deutlich. Der harte Punk der Gruppe um Sänger Jan van Twistern, der zwischen den Songs keinen Ton zu viel verliert, um möglichst viel Musik zu bieten, wirkt deutlich von den nördlichen Nachbarn inspiriert. Die fünf Männer wirken bestens eingespielt und haben sichtlich Freude an ihrem Tun. Das überträgt sich auch auf mich und der harte und direkte Klang rührt die Eingeweide. Schöner Auftakt und für mich eine klare Empfehlung, mich mit CAPTAIN PLANET noch etwas näher zu befassen.
Um kurz nach zehn betritt dann ohne viel Getue TURBOSTAAT die nun etwas größere Bühne. Große Glühbirnen verleihen etwas Atmosphäre, ein Verstärker ist mit etwas Blumengestrüpp verhübscht, auf dem großen Backdrop steht allein der Bandname - abgesehen davon bleibt man karg. Und das passt ja sehr gut. Denn wie das Land - so die Musik: TURBOSTAAT ist eigensinnig, hart und irgendwie karg. Für ins Auge springende Schönheit ist hier wenig Platz, sie entsteht eher atmosphärisch, wenn überhaupt. Die seit ihrer Gründung im letzten Jahrtausend unverändert bestehende Gruppe spielt ihren Punk so, wie ich es zuvor nie gehört habe. Und damit sich das auch live so manifestiert, ist der Sound direkt vom ersten Ton an über jeden Zweifel erhaben. Der Gesang glasklar, trotzdem mehr als nur ordentlicher Wumms aus den Trommeln und Saiten. Unerstützt von sehr direktem Lichteinsatz arbeitet sich TURBOSTAAT durch eineinhalb Stunden erstklassiger Songs. Gespielt wird von jedem der sieben Alben, qualitative Unterschiede gibt es nicht. Das neue Kunstwerk "Uthlande" (zur Rezension) wird über den Abend verteilt in Gänze dargeboten - das erfreut mich sehr, weil ich die Scheibe, seitdem ich sie das erste Mal hören durfte, immer und immer wieder belausche. Und so singe und schreie ich, singt und schreit die ganze Markthalle die mal direkten, öfter verworrenen Texte mit und alle gehen heiser nach Haus. Der eine Crowdsurfer, der mindestens fünfzehn Mal die Bühne erklomm (auf Wunsch der Band gibt es heute ausnahmsweise keine Absperrung), um sich in die Arme der Meute fallen zu lassen, hatte heute wohl den Abend seines Lebens. Für eine stürmische Dienstagnacht im Februar ist das alles mehr als beachtenswert. Und die instrumentale und lyrische Intensität, die unnachgiebigen Gitarrenwände und verdienten Ruhepausen hallen in den Ohren noch lange nach.
[Fotos: Daniel Lindhorst]
- Redakteur:
- Marius Luehring