TWO STEPS FROM HELL - München

27.09.2023 | 14:46

24.09.2023, Olympiahalle

Bombastsound trifft auf harte Gitarren!

Es ist Samstag, der 5. August 2023. Wie bereits in den letzten Tagen habe ich es mir auf der Couch gemütlich gemacht, um mir - Magenta Musik sei Dank - den einen oder anderen Wacken-Livestream zu Gemüte zu führen. Im Gegensatz zu Erika und Timo, welche auf dem Festival durch den tiefen Schlamm waten müssen, gibt es bei mir nur die Nässe in Form eines hopfenhaltigen Kaltgetränkes.

Nach den obligatorischen Dankesreden der Veranstalter geht das Wacken Open Air auf die Zielgerade. Auf der Harder Stage wird das Konzert von TWO STEPS FROM HELL gestreamt. Two Steps from was? Ich habe von der "Band" noch nie etwas gehört und wundere mich etwas über den prominenten Slot um 22:45 Uhr auf der Mainstage. Der Vorhang fällt und gibt eine bis in den hintersten Winkel besetzte Bühne frei. Hier ist heute keine "Band" am Start. Auf der Stage präsentiert sich ein riesiges Symphonie-Orchester samt Chor und einer beeindruckenden Percussion-Insel, einschließlich gewaltiger japanischer Taiko Drum.

 

Die kommenden 73 Minuten ziehen mich vollends in den Bann, ich möchte unbedingt mehr davon. Aber was zur Hölle ist dieses TWO STEPS FROM HELL? Google verrät mir am nächsten Tag Details. Es handelt sich hierbei um ein Unternehmen, das Musik für Film- und Computerspiel-Trailer sowie für Filme produziert. Es wurde 2006 von Nick Phoenix und Thomas Bergersen gegründet. Filmfans werden sicher einige Stücke erkennen, ohne je den Interpreten dahinter zu kennen. Ob "Avatar", "Prince Of Persia", "Star Trek" oder "Harry Potter", in all diesen Streifen ist immer wieder mal Musik von Phoenix und Bergersen zu hören. Fußballfans werden sicher bei 'Heart Of Courage' hellhörig, wurde der Song doch bei der Fußball-Europameisterschaft 2012 und bei einigen Spielen der Champions League als Einlaufmusik gespielt. Seit 2022 ist das Projekt erstmals mit großem Orchester europaweit unterwegs.

 

Es ist Sonntag, der 24. September 2023. Wenn ein Konzert auf den letzten Wochentag fällt, bietet es sich an, das Angenehme mit dem Angenehmen zu verbinden. Somit wird erst einmal bei sommerlichen Temperaturen eine Runde über die Wiesn gedreht, bevor es zur Olympiahalle in München geht. Die üblichen Formalitäten sind schnell erledigt, ich erfahre, dass heute ca. 5.500 Zuschauer TWO STEPS FROM HELL in der komplett bestuhlten Halle sehen werden. Um kurz vor 19 Uhr werden wir Fotografen zum Mischpult begleitet. Natürlich möchten wir möglichst nah an der Bühne stehen und von dort aus unsere Bilder machen. Emotionen und Action lassen sich so viel besser einfangen. Am heutigen Abend würden wir jedoch dem sitzenden Publikum für drei Songs die Sicht nehmen. Somit werden verständlicherweise die Fotos von weit hinten gemacht.

Apropos Publikum. Dieses ist bunt gemischt von ca. acht bis 60 Jahre. Viele tragen Wacken-Shirts. Scheinbar hat der Auftritt im feuchten Norddeutschland einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Den klassischen Klassik-Konzert-Besucher mit Krawatte sieht man heute sehr selten im weiten Rund der Olympiahalle. Unter großem Applaus betreten die zahlreichen Musiker die Bühne, die Show kann beginnen. 'Protectors Of The Earth' eröffnet den Liederabend. Im Gegensatz zu eigentlich allen Metal-Konzerten, verharrt das Publikum auf seinen Plätzen. Es wird nicht gebangt, gebrüllt, die obligatorischen Pommesgabeln werden nicht in die Luft gereckt. 5.500 zivilisierte Metalheads, welche einfach nur gebannt zur Bühne schauen. Soll noch mal jemand sagen, dass diese langhaarigen Teufelsanbeter unkultiviert seien. Heute werden sämtliche Vorurteile gegen Anhänger der metallischen Musik widerlegt.

Doch natürlich gibt es in München auch Emotionen. Nach dem Song wird auf den Rängen heftig applaudiert und gerufen. Dieses Verhalten zieht sich durch den ganzen Abend. Es geht weiter mit 'Strength Of A Thousand Men' und 'Empire Of Angels', bevor ich mich zu meinem Platz auf die Tribüne begebe. Dank der hervorragenden Security kann ich mein Foto-Equipment für den Rest der Show sicher lagern. Auf dem Rang geht es mit kleinerem Werkzeug weiter, ohne den Rest des Publikums zu stören. Mastermind und Multiinstrumentalist Thomas Bergersen führt sehr kurzweilig durch den Abend und sorgt für manchen Lacher im Publikum. So erfahren wir beispielsweise, dass sein PC Igor heißt. Obwohl ich weder ausgewiesener Film- noch Gaming-Experte bin, kommen mir die Songs bekannt vor. Immer wieder sorgen Liedfragmente für einen Aha-Effekt: Das hab ich doch schon mal irgendwo gehört.

Den Klang in der Halle würde zumindest ich als halbtauber Redakteur als sehr gut bezeichnen. Neben dem hervorragend spielenden Odessa-Orchestra präsentieren sich immer wieder Solisten auf der Bühne und bekommen vollkommen zu Recht zusätzlichen Applaus. Mariko Muranaka am Cello sowie Mia Asano an der Violine fegen wie wild über die Bühne und legen eine enorme Spielfreude an den Tag. Für die harten Gitarrenklänge ist Skye Emanuel zuständig, am Mikrofon glänzen an diesem Abend Kamila Nyvitova, Merethe Soltvedt und Inana Bold und der bombastische Sound wird durch einen 12-köpfigen Chor abgerundet.

 

Wie schon im Wacken-Stream fällt sofort die große Taiko-Drum ins Auge, welche überwiegend vom zweiten TWO STEPS FROM HELL-Gründer Nick Phoenix bearbeitet wird. Während Bergersen während der ganzen Show mit Gitarre, Violine oder am Flügel sitzend vorne auf der Bühne agiert, ist Phoenix eher der introvertierte Musiker am Percussion. Als Drummer und musikalischer Leiter bringt Greg Ellis ordentlich Wumms in das Konzert. Während 'Am I Not Human?' extrem elektrisch klingt, geht es mit dem 'Cannon In D Minor' in den klassischen Bereich. Die Blechbläser bringen zusammen mit dem Streichersatz eine enorme Dramatik in den Song und der Chor klingt deutlich voluminöser als die 12 genannten Sänger.

Es geht munter durch die abwechslungsreiche Setliste. Mal bombastisch, dramatisch, mal ruhig, filigran. Es gibt Momente, in denen man eine fallende Stecknadel hören könnte. Mit der 'Love Suite' erklärt Thomas Bergersen seine wahre Liebe, seine Liebe zur Musik. Vom Pianissimo, mit zum dahinschmelzenden Streichern, steigert sich der Song in ungefähr acht Minuten in ein brachiales Grandioso. Mit 'Away With Your Fairies', vom 2022 veröffentlichten Album "Myth", gibt es einen Ausflug in die schottischen Highlands. Multiflötist Saulius Petreikis gibt dem Lied mit seiner Tin Whistle den passenden Anstrich. Auf der Bühne wird getanzt und geklatscht und auch das Publikum ist begeistert. Mit Standing Ovations wird TWO STEPS FROM Hell in die wohlverdiente Pause verabschiedet.

 

Und zack, da ist es wieder! Dieses Gefühl, einen Song schon sehr lange zu kennen. Dem Publikum geht es bei 'Victory' wie mir. Rhythmisch wird das Lied mitgeklatscht. 'Victory' stammt vom 2015 veröffentlichten Album "Battle Cry", welches in mehreren Classic-Charts den ersten Platz erreicht hat. 'Dragon', mit orientalischen Einflüssen, zeigt einmal mehr, welche enorme Bandbreite das Komponistenduo Bergersen/Phoenix bedienen kann. Bei 'Flight Of The Silverbird' steht Saulius Petreikis mit einer seiner zahlreichen Flöten im Rampenlicht. Mit 'Impossible' verabschiedet sich TWO STEPS FROM HELL abermals unter stehenden Ovationen von der Bühne.

 

Natürlich verlässt niemand die Halle. Das Lied, mag es auch noch so (Superlative bitte hier einsetzen) sein, kann einfach nicht der Schlusspunkt sein. Viele warten auf den einen, auf DEN Song des Orchesters. Doch das Publikum muss sich noch ein wenig gedulden. Mit 'Fractured Soul' gibt es eines der wenigen Gesangsstücke an diesem Abend. Dass Nick Phoenix, neben seiner Tätigkeit als Percussionist, auch noch andere Fähigkeiten hat, beweist er nun am Mikrofon. Als Duett, gemeinsam mit Inana Bold vorgetragen, erinnert mich 'Fractured Soul' etwas an PINK FLOYD. Phoenix scheut nicht das Rampenlicht und bekommt seinen verdienten Applaus.

Endlich werden alle Besucher erlöst. Natürlich, bisher hat es einen abwechslungsreichen Abend voller Höhepunkte gegeben und jeder im Rund wirkt glücklich und zufrieden. Doch als die erste Note von 'Heart Of Courage' ertönt, hält es niemanden mehr auf den Plätzen. Laute Jubelrufe hallen durch die große Location. Auch ich bin hin und weg von dem Track. Ist dieser auf dem 2019 erschienenen Album "Legend" gerade einmal 1:57 Minuten lang, gibt es in München die Extended Version. Natürlich wird auch jetzt wieder rhythmisch mitgeklatscht. Sowohl das Publikum als auch die Künstler auf der Bühne haben sichtlich Spaß an diesem mehr als gelungenen Auftritt.

 

Mit dem nochmaligen 'Away With Your Fairies' verabschiedet sich TWO STEPS FROM HELL dann endgültig aus München. Thomas Bergersen schnappt sich hierzu noch einmal seine Violine und begibt sich damit spielend ins Publikum. Selbstredend, dass der Komponist für diese Aktion gefeiert und beklatscht wird. Nach 23 Liedern und knapp drei Stunden gehen dann in der Olympiahalle München endgültig die Lichter aus. Auch ich mache mich überglücklich auf den Heimweg. Ist das Metal? Ca. 5.500 Besucher werden die Frage sicher mit Ja beantworten.

Wer jetzt neugierig geworden ist, oder sich nach dem Besuch noch einmal die Erinnerung an diesem Abend ins heimische Wohnzimmer holen möchte, hat die Möglichkeit, sich das Wacken-Konzert von TWO STEPS FROM HELL noch einmal auf Magenta Musik anzuschauen.

Photo Credit: Andre Schnittker, Karin Heinritz

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Redakteur:
Andre Schnittker

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