The Gaslight Anthem - Köln

15.02.2009 | 17:59

10.02.2009, Underground

"I don't drive nowhere without the radio on" – THE GASLIGHT ANTHEM bringen ein Lebensgefühl mit perfekten Songs auf die Bühne. Auch dabei: POLAR BEAR CLUB und FRANK TURNER.

Zu den Witterungsverhältnissen, die die Anreise zu einem zweifelhaften Rutschvergnügen werden lassen, passt die Musik des heutigen Abends nicht. Eiseskälte verbreiten die Wohlfühlsongs aller drei Acts auch unter Zuhilfenahme düsterster Gedanken nicht.

Der POLAR BEAR CLUB erwärmt das "Underground" zuerst. Sein kraftvoller Posi-Emo, der live noch viel mehr als auf Platte als klassischer Emocore durchgewunken werden muss, kann bei diesem dankbaren Publikum gar nicht durchfallen – und das, obwohl Jimmy Stadt nicht mal versucht zu singen. Dadurch verliert speziell einer der besten Tracks des aktuellen Albums "Sometimes Things Just Disappear", 'Burned Out In A Jar', etwas an Klasse. Der äußerst schmächtige Sänger gleicht stimmliche Unsicherheiten allerdings durch Bewegung und grundsympathisches Gebaren aus, das ihm und seinen Jungs spätestens bei dem abschließenden 'Our Ballads', in dem es darum geht, dass ein Altrocker behauptet, die POLAR BEAR CLUB-Songs trieben einen Keil zwischen Männer und Frauen, ein paar zusätzliche neue Hörer beschert haben dürfte.

Er wisse, dass es merkwürdig ist, bei einer Punkrock-Show auf einen Typen mit Akustikgitarre zu treffen, erzählt FRANK TURNER schon früh in seinem Set, nur um kurz darauf lächelnd fortzufahren, dass man aufpassen solle, wie punkig dieser Typ loslegt. Der Engländer hat sofort gewonnen und muss auch nicht fürchten, mit den dreißig Zentimeter hohen Iros der Hardliner erstochen zu werden. Davon ist niemand anwesend.

Die Folksongs des Briten ernten viel Beifall – auch weil sie musikalisch nichts mit seiner Vergangenheit in der Hardcore-Band MILLION DEAD zu tun haben – und entsprechen dem smarten Titel einer seiner Platten: "Campfire Punkrock". Das tolle 'Worse Things Happen At Sea' erinnert an NEW MODEL ARMY, 'The Ballad Of Me And My Friends' ist Lagerfeuermusik ohne Sozialpädagogenstrickpulliquark. Und wenn "Rockstars sind Arschlöcher!" eine der übermittelten Botschaften ist, erkennt jeder, dass Turner die richtige Wahl für diese Tour war.

Mindestens drei Songs am Stück ohne Ansage – THE GASLIGHT ANTHEM müssen nicht viel erzählen und sich mit dämlichen Floskeln oder Witzchen durch den Set hangeln, weil ihre Texte Inhalt aufweisen. Dort kann man viel über das Selbstverständnis der Band erfahren, und sie dienen bereits der Kommunikation mit dem Publikum. Wenn sich Sänger Brian Fallon doch mal unmittelbar an die Zuschauer wendet, geht es um das Schneetreiben vor der Tür oder darum, dass man bei eBay keine Fantasiepreise für Karten bezahlen solle. Sie seien bestrebt, die Ticketpreise so niedrig wie möglich zu halten, und kämen sehr bald zurück nach Deutschland, so dass jeder wieder die Gelegenheit hätte, sie zu sehen.

Mit zwei veröffentlichten Alben und einer EP in der Vita ist schon die Situation eingetreten, dass die Amis live Songs vernachlässigen müssen. Was bei dem Großteil der Bands kein Verlust ist bzw. sogar erleichtert zur Kenntnis genommen wird, ist hier bedauerlich. Jede nicht gespielte Nummer bedeutet, dass man einen ohne Plattitüden auskommenden Hit erst wieder zu Hause oder auf dem Weg dorthin hören kann und nicht bei den Rahmenbedingungen, für die er eigentlich gemacht wurde.

Bis zur Heimreise durchlebt man die kürzesten eineinhalb Konzertstunden der letzten Jahre, die mit einer Textpassage aus 'Say I Won't (Recognize)' am besten umrissen werden können: "We're havin' a party / Everybody's swingin' / Tonight won't you come down out of your tower / Don't make me dance all night alone." Brian Fallon ist einer von drei Sängern, die solche Zeilen mit einer Mischung aus Nachdenklichkeit, Demut und Ausgelassenheit rüberbringen können und damit alle Liliput-Band-Entertainer, die Bühnen mit ihrer Talentlosigkeit besudeln, spielend als lächerlich entlarven. Nicht nur deshalb machen ein paar Mädels ab und an Fotos von dem charismatischen Typen, darunter auch eine Blondine, die während des gesamten Gigs Spaß hat, aber unglücklicherweise mit einem BWL- oder Jura-Standstreifen geschlagen ist, der teilnahmslos die Scheinwerfer von der Lichttraverse glotzt. Die Frage, wie man eine sensationelle Band wie THE GASLIGHT ANTHEM hören und trotzdem an so was geraten kann, beschäftigt noch beim Genuss der nicht gespielten Hits.

Redakteur:
Oliver Schneider

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