Thrash Assault II - Würzburg

02.03.2008 | 14:01

23.02.2008, Soundpark Ost

Aufnäher, Aufnäher, überall Aufnäher. Nicht nur an der unglaublich großen Zahl traditioneller Metal-Jeans-Kutten ist an diesem Samstag in Würzburg abzulesen, dass sich hier für eine Nacht die deutsche Thrash-Metal-Szene zu einer großen gemeinsamen Sause trifft: dem Thrash-Assault-#2-Festival, organisiert von den Machern des Keep It True. 800 Fans aus ganz Deutschland sind der Einladung gefolgt - und verwandeln den sonst als Mainstream-Disko genutzten Soundpark Ost und dessen Umgebung in ein infernalisches Gemisch aus süffigem Bier, lauter Musik und ganz viel Old-School-Gefühl, wie es selten so noch zu erleben ist. Und selbst die Stadtpolitik zeigt sich unbeabsichtigt vorbereitet auf den Ansturm der Metal-Fans: Von vielen Wahlplakaten lächelt ein parteiloser Oberbürgermeisterkandidat auf die Szenerie herab. Sein Name weckt viele Assoziationen: Benedikt Kuttenkeuler.

Im Soundpark selbst beginnt die Party gegen 16 Uhr. NOCTURNAL und RUNAMOK sind die Anheizer-Bands für den Abend - und machen ihre Sache schon recht ansprechend. Allerdings bekommt noch nicht jeder Fan die zwei Auftritte mit. Vor dem Soundpark sitzen überall Gruppen mit frisch aus der nahen Tankstelle geholten Bierkästen und trinken sich warm, weil das Bier beim Konzert selber mit drei Euro für eine Drittel-Liter-Pfütze preislich arg derbe ausfällt. Dafür bietet die verwinkelte Anlage andere Reize: Überall finden sich Stände mit Shirts, Platten und anderen Waren des täglichen Metalhead-Bedarfs. Auffällig ist die ungewohnt hohe Dichte von allerlei Label-Mitarbeitern ab dreißig Jahren, die hier wohl noch einmal die Chance erhoffen, ihre alten Helden zu sehen. Aus diesem Grund ist auch Alan Nemtheanga extra aus Irland angereist. Ihn haben seine Kumpels von DESASTER zu dem Thrasher-Treffen eingeladen. So gibt es viel in diesen ersten Stunden des Thrash Aussaults zu erkunden - NOCTURNAL und RUNAMOK liefern dabei die fetzige Begleitmusik mit scharfen Riffs und viel Motivation. Der Beifall für beide Bands ist annehmbar – auch wenn es für RUNAMOK als Lokalmatadoren noch mehr hätte sein dürfen. Aber die meisten Fans sind eben aus anderen Bundesländern zum Thrash Assault gereist.
[Henri Kramer]

Während bei RUNAMOK vor der Bühne im Soundpark Ost also regelrecht tote Hose herrscht - was für die sehr motiviert spielende Band und ihren gutklassigen Sound sehr schade ist -, sieht die Lage bei den Iren GAMA BOMB ganz anders aus. Die jungen Burschen ziehen eine beträchtliche Zuschauermenge an und lassen spielerisch absolut nichts anbrennen. Mithilfe von akustischen Abrissbirnen wie 'Hammer Slammer', 'Bullet Belt' oder auch 'Zombie Command' mischen die Iren den Mob ordentlich auf, und es bilden sich größere Moshpits vor der Bühne. Stilistisch huldigt man der alten DESTRUCTION-Schule, wobei auch RAZOR-Einflüsse gelegentlich durchschimmern. Tempomäßig tritt man ordentlich auf die Tube. Der Auftritt von GAMA BOMB in Würzburg ist der erste auf dem europäischen Festland. Klarer Fall: Dieses Livedebüt ist prächtig geglückt, und der Verfasser dieser Zeilen ist sicherlich nicht der Einzige, der die weitere Entwicklung dieser jungen, energiegeladenen Thrash-Combo in Zukunft verfolgen wird. Sauber!

DESASTER aus Koblenz scheinen gleich mit eigens mitgereistem Fanclub beim Thrash Assault aufgeschlagen zu sein. Die Kuttenträger im Publikum bereiten den Black-Thrashern einen triumphalen Empfang, und allerorts sieht man wehende Mähnen und in die Höhe gereckte Fäuste. Spielerisch holzen die Jungs arschtight und noch um einiges intensiver, als ich sie vom 2004er Up-From-The-Ground-Festival her in Erinnerung habe. Neuere Kracher der Güteklasse 'Divine Blasphemies' und 'Hellbangers', das den spanischen Fans im Publikum gewidmet ist, heimsen enorme Publikumsreaktionen ein, aber gerade auch die älteren Songs bringen das Publikum richtig zum Kochen. Im letzten Drittel feuern DESASTER mit dem etwas gediegeneren 'Teutonic Steel', dem göttlichen 'Nekropolis Karthago', das lauthals mitgebrüllt wird, und 'Metalized Blood' heiß verehrte Bandklassiker in die Menge. Zu guter Letzt schroten DESASTER noch den KREATOR-Klassiker 'Tormentor'. Und ich halte ohne Abstriche fest, dass DESASTER auf ganzer Linie überzeugt haben.
[Martin Loga]

Nach dem starken Auftritt von DESASTER ist es Zeit für eine Premiere. Die Amerikaner von AT WAR haben zum ersten Mal ihre Heimat verlassen, um in Europa eine Show zu spielen. Die Reise dürfte als Erfolg verbucht werden, weil ihr rifflastiger US-Thrash-Metal die Fans in Würzburg ausrasten lässt. Das hat Gründe: Vor allem ist der Band nach ihrer Reunion die Spielfreude anzumerken, die sie bei alten Klassikern der Marke 'Conscientientious Objector' versprüht. Rau und ungeschliffen klingen die Stücke, die Paul Arnold, Shawn Helsel und Dave Stone der Menge entgegenschleudern. Dazwischen gibt es immer wieder anerkennende Kommentare von Paul Arnold für die Fans – und für Deutschland allgemein: "German beer ist the best, American beer is shit." Nach dem MOTÖRHEAD-Rausschmeißer 'Ace Of Spades' haben sich AT WAR so die Begeisterung im Publikum redlich verdient. Und nun zu den Protektoren ...
[Henri Kramer]

Wozu NIFELHEIM-Aftershow-Partys in Stockholm alles gut sein können. In jedem Falle zur Gründung von THE PROTECTORS, der PROTECTOR-Coverband. Einziges Originalmitglied ist Stimmband-Quäler Martin Missy. Er war von 1987 bis '89 Sänger der Wolfsburger Thrasher. An dieser Stelle sollte nicht verschwiegen werden, dass der Martin immer noch problemlos in seine alten Aufnäher-Jeans passt. Darüber trägt er eine nicht minder bestückte Kutte. (Jetzt muss ich zwangsläufig an das Würzburger Wahlplakat von Herrn Kuttenkeuler denken, dem Kandidaten für den Oberbürgermeister-Posten! Henri, was bitteschön war noch mal deine Assoziation?)

Musikalisch wird der misanthropische PROTECTOR-Sound von den drei Schweden und dem einen Wahl-Schweden bestens umgesetzt. Typisch ist der Wechsel zwischen langsamen düster-doomigen Abschnitten mit schnelleren Thrash-Passagen. So erklingen Songs wie 'Nothing Has Changed', 'Apocalyptic Revelations' oder 'Protector Of Death', zu denen sich schwindelfreie Thrasher den ultimativen Table-Mosh geben - THE PROTECTORS wie auch die Location haben schließlich einiges zu bieten. Die viel gehörten "Space Cake!"-Rufe bleiben trotz Zugabe leider unbeantwortet; Tom Angelripper war ja diesmal nicht geladen.
[Stefanie Rudolph]

Auch die alten Recken ONSLAUGHT haben die Veranstalter des Thrash Assault auf das Billing gesetzt - was sicherlich eine clevere Entscheidung war. Nach ihrem gelungenen 2007er Comeback-Album "Killing Peace" mischen die Engländer in der Szene wieder ordentlich mit, und auch ihre Live-Qualitäten beim Keep It True im Herbst 2006 sowie auf dem Up From The Ground 2007 überzeugten auf alle Fälle. Der Auftritt im Soundpark macht da keine Ausnahme. Songs der aktuellen Scheibe wie 'Twisted Jesus' oder 'Burn' werden vom kräftig aufgeheizten Publikum ebenso dankbar aufgenommen wie alte Kracher des Kalibers 'Let There Be Death', 'Metal Forces' oder 'Thrash Till Death'. Leadgitarrist Andy Rosser-Davies, der Ende letzten Jahres Alan Jordan ersetzte, fügt sich spielerisch hervorragend in die Band ein und zockt die Soli fast noch einen Zacken inspirierter als sein Vorgänger. Lediglich Steve Grices Schlagzeugarbeit ist vereinzelt nicht synchron zur Klampfenarbeit. Dieses kleine Manko fällt jedoch nicht großartig ins Gewicht. Denn unter dem Strich sind ONSLAUGHT absolut sehenswert.
[Martin Loga]

Und dann kommt sie, die letzte Band des Abends. Ich habe ein "Es ist immer so schön, in Deutschland zu spielen" in den Ohren, wie "ihr netten süßen Leute immer so betrunken seid".
[Henri Kramer]

SABBAT sind ja immer mindestens ein paar Augen und Ohren wert, bestechen mit spieltechnischer Raffinesse und sympathischen Ansagen. Auch an diesem Abend lassen sich die Jungs aus Nottingham ihre Spielfreude trotz subjektiv bestehender Probleme mit Technik und Kondition nicht nehmen. Immer wieder entschuldigt sich Martin Walkyier, Vokalist und German Tongue Twister, dafür, dass sie heute Abend schlecht spielen, mit technischen Problemen kämpfen müssen, die letzten Tage nicht geschlafen haben und damit die Unterstützung der Fans benötigen. Im O-Ton klingt das dann so: "Wir sind heute Abend Pechvogel, sind kaputt - und ihr seid Saufsäcke, nech?" Genau! Saufsäcke und Mattendreher, vor allem zu solchen Meilensteinen wie 'I For An Eye', 'Do Dark Horses Dream Of Nightmares' oder dem Antifa-Song 'Behind The Crooked Cross'. Die Unterstützung der langhaarigen Bombenleger ist ihnen gewiss. Und lediglich ein kurzer Mikro-Ausfall während 'For Those Who Died' lässt die technischen Probs erkennen. Mr. Walkyier entschuldigt sich erneut: "Jetzt ist auch noch mein Mikro kaputt. Wir können auf der Bühne nichts mehr hören. Es klingt wie eine Waschmaschine." Einen Song später nach 'The Church Bizarre' korrigiert er die Waschmaschine in ein Kettensägen-Massaker. Für mich war der Auftritt perfekt. SABBAT – der krönende Abschluss eines bombigen Trash Assault #2 in Würzburg. Man wünsche sich die Nummer drei herbei!
[Stefanie Rudolph]

Ja!!! Denn die Stimmung auch nach der Show ist ungebremst unglaublich. Lange Zeit ward nicht mehr so eine große Ansammlung purer Thrash-Fans im Freudentaumel beobachtet. Schon deswegen muss eine Wiederholung her. Aber dann mit niedrigeren Bierpreisen - und am besten mit dem Kuttenkeuler als Moderator vor den Bands.
[Henri Kramer]

Redakteur:
Henri Kramer

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