Trivium/Annihilator - Berlin
15.05.2007 | 12:5312.05.2007, Postbahnhof
An einem Samstag Einlass um halb sieben, ältere Herren hinten am Mischpult, die Kids vorne und dazu noch ganz viele "Rauchen verboten"-Schilder. Was hier nach TOKIO HOTEL klingt, sind in Wahrheit die neuen Thrash-Helden von TRIVIUM, die die Veteranen von ANNIHILATOR mit auf Tour genommen haben. TRIVIUM haben mit "The Crusade" und der Lossagung von allen Core-Elementen ein ganz heißes Eisen abgeliefert, dem nur noch die passende livehaftige Darbietung fehlt. Und bei ANNIHILATOR war man live in der Vergangenheit schon dank Jeff Waters immer hohe Qualität gewohnt. Hier ist für mich eher die Frage, wie sich David Padden als Frontmann schlägt.
[Peter Kubaschk]
Ja, Berlin darf heute schon mal testen, wie man sich als Raucher nach dem 1. Juli in den Konzerthallen, Restaurants und Bars des Landes fühlen wird. Auch wenn es für mich als Süchtige sehr ungewohnt ist, zum Bier in der Rechten keine Kippe in der linken Hand zu halten, kann ich durchaus damit leben, eben mal kurz raus in den Vorraum zu gehen, um eine durchzuziehen. Wenn ich allerdings mitkriege, dass der Typ hinterm Merchandise-Stand sowie der Knöpfchendreher hinterm Mischpult sich nicht an das Rauchverbot halten, dafür aber die durch die Halle patrouillierende Security qualmende Gäste vor die Tür komplimentiert, schwillt mir der Kamm. Schlimmer noch als diese Ungleichbehandlung ist der enorme Krach, der mir von vorne entgegenbläst. Ich kann mich nicht erinnern, wann ich zuletzt auf einem derart lauten Konzert war, dass ich mich selbst mit Ohropax noch unwohl fühle. Eine Unterhaltung mit dem Nebenmann ist fast unmöglich, weshalb der Gang nach draußen in die Raucherzone im Laufe des Abends immer weniger als Strafe denn als Erholung für die Ohren empfunden wird. Ganz davon abgesehen, dass man beim Headliner kaum mehr von einem lauten, aber guten Sound, sondern von einem ziemlich üblen Soundbrei sprechen kann. Doch dazu später mehr.
[Elke Huber]
Als wir kurz vor halb acht den Postbahnhof betreten, stehen SANCTITY erstaunlicherweise schon auf der Bühne und rocken das etwa halbvolle Haus. Die Amis, die gerade ihr Debütalbum "Road To Bloodshed" veröffentlicht haben, geben sich wie alte Hasen und machen richtig Alarm. Vor allem Sänger Jared MacEachern ist nicht nur gut bei Stimme, sondern auch ein echter Entertainer vor dem Herrn. Und so wundert es nicht, dass sich bei Nummern wie 'Road To Bloodshed' oder 'Beneath The Machine' wilde Moshpits bilden und die Haare und Hände in den ersten Reihen durch die Luft wirbeln. Zwar sehen wir nur noch fünfzehn Minuten von dem Gig, doch die überzeugen. Das sehen die Fans genauso und fordern laut, aber vergeblich eine Zugabe.
Als ANNIHILATOR die Bühne entern, ist es nicht mal acht Uhr. Es scheint also kein langer Abend zu werden. 'Operation Annihilation' ist dabei aber kein besonders geglückter Einstieg. Der von Jeff Waters höchstpersönlich eingesungene Stampfer gehört meiner Meinung nach nicht gerade zu den Sternstunden in der Diskographie der Band. Abgesehen davon bin ich etwas irritiert davon, dass es zwar ein Mikro links und rechts an der Bühne, aber keines in der Mitte gibt. Die Auflösung folgt bei 'Clown Parade'. David Padden steht auf der rechten Seite der Bühne und singt, während Jeff Waters in altbekannter Manier über die Bühne hampelt. Und obwohl David Padden gut singt, hat er bei mir damit in genau diesem Moment verloren. Ausstrahlung und Bühnenpräsenz sind quasi nicht vorhanden, was ihn im Vergleich zu Joe Coumeau richtig alt aussehen lässt. Die bis hierhin gedämpfte Stimmung steigert sich erst, als David die Gitarre weglegt und TRIVIUM-Corey stattdessen mit ANNIHILATOR 'King Of The Kill' spielt. Doch auch ohne Gitarre ist die Ausstrahlung von David Padden eher gering. Zu blass bleibt er, zu sehr wirkt er wie der nette Junge von nebenan, was so gar nicht zum doch harten Metal der Band passen will. Ab diesem Zeitpunkt stimmt aber zumindest die Songauswahl versöhnlich. 'Never, Neverland', 'Refresh The Demon' (erneut mit Waters als Sänger), 'Set The World On Fire', 'Fun Palace' und das unvermeidliche 'Alison Hell' machen mächtig Spaß und werden von David Padden auch gut eingesungen. Bei 'Alison Hell' stürmt Jared von SANCTITY noch mal die Bühne und übernimmt die spitzen Schreie und stiehlt Padden dabei in wenigen Augenblicken komplett die Show. Insgesamt ist der Gig letztendlich solide, was allerdings bei einer Band wie ANNIHILATOR doch eher enttäuschend ist. Deutlich machen das auch die Publikumsreaktionen, die lediglich bei 'Alison Hell' besser sind als bei SANCTITY.
TRIVIUM werden um kurz nach neun fürstlich in dem mittlerweile doch recht vollen Postbahnhof empfangen. Die Band wirkt beweglich und engagiert, und 'Entrance Of The Conflagration' ist auch ein guter Einstieg. Allerdings wirkt Matt Heafy auf mich bei den Hetfield-mäßigen Vocals gleichzeitig auch extrem angestrengt, ja verkrampft. 'Ember The Inferno' wird natürlich dennoch tierisch abgefeiert, ist von der stilistischen Ausrichtung aber auch deutlich Core-lastiger als die Nummern von "The Crusade". Spätestens bei 'Detonation' wird aber ein ganz großes Manko deutlich. Heafy kann die cleanen Parts live schlicht nicht singen. Bassist Paolo hilft da zwar aus, doch auch seine Stimme ist ziemlich blass. Erschwerend dazu kommt, dass der Sound sehr, sehr laut aus den Boxen donnert und bei nicht wenigen ein Vibrieren in der Magengegend verursacht, der Gesang aber im Verhältnis eher leise abgemischt ist. Böse Zungen könnten hier durchaus unterstellen, dass so Schwächen kaschiert werden sollen. Falls dies der Fall ist, so misslingt es aber. Bei dem eigentlich völlig genialen Chorus von 'Tread The Floods' wird es gar so langsam ärgerlich, denn der wird schlicht und ergreifend verhunzt. Den Kids ist das alles natürlich völlig egal, vorne im Circle Pit gehen so Kleinigkeiten eh unter. Am besten sind TRIVIUM tatsächlich immer dann, wenn jeder das tut, was er kann. Und dies geschieht fast ausschließlich bei den Stücken der ersten beiden Alben. Gerade 'Dying In Your Arms' oder 'Suffocating Sight' können auch live durchaus punkten. Das Gekreische von Corey kommt gut, und auch Heafy muss sich nicht so sehr mit seinen Vocals anstrengen. 'Ignition' und 'Anthem (We Are The Fire)' beenden dann nach knapp 65 Minuten den regulären Set, bevor nach den beiden Zugaben 'A Gunshot To The Head Of Trepipation' und 'Pull Harder On The Strings Of Your Martyr' endgültig Schluss ist. Um halb elf. Die Kids müssen halt früh ins Bett.
Noch ein paar Worte zu der Band auf der Bühne: Agilität und Entertainment sind absolut in Ordnung, auch wenn Matt Heafy auf der Bühne trotz seiner Tattoos doch arg nach einem Milchbubi aussieht. Stellenweise sind die Dankesreden und Lobeshymnen auf das Publikum und die mitreisenden Bands zwar arg pathetisch, aber das lässt sich durchaus verkraften. Zudem sind die Burschen alle noch jung und werden da sicher noch vieles lernen können. Am Gesang muss aber noch sehr, sehr deutlich gearbeitet werden. Und genau deshalb sind TRIVIUM an diesem Abend (nicht nur) für mich auch eine Enttäuschung. Schade eigentlich.
[Peter Kubaschk]
- Redakteur:
- Peter Kubaschk