URIAH HEEP - Aschaffenburg

10.12.2009 | 11:48

07.12.2009, Colos-Saal

Uriah rief und alle, alle kamen.

Seit das Colos-Saal die Anfangszeiten der Konzerte an Wochentagen von 21 Uhr auf 20 Uhr vorverlegt hat, muss man sich ganz schön sputen, um pünktlich da zu sein. So treffe ich zehn Minuten vor Acht in meinem Lieblingsclub in Aschaffenburg ein und mache mich auf ein ziemliches Gedränge gefasst, denn das Konzert ist schon seit einiger Zeit ausverkauft. Ich muss aber nach vorne, sonst wird das nix mit ordentlichen Fotos. Aber heute heißt ausverkauft, dass es doch nicht ganz so voll ist. Möglicherweise wurde Rücksicht genommen auf die Besucherstruktur, soll heißen: Der Altersschnitt der Anwesenden ist schon ziemlich hoch und wird später durch die Herren auf der Bühne sogar noch nach oben getrieben. Kein Wunder, die Tour findet anlässlich des vierzigjährigen Jubiläums der Band statt. Vierzig Jahre! Wahnsinn.

Das bedeutet aber auch, dass es unglaublich entspannt zugeht. Ohne Probleme komme ich nach vorne, halte hier und da ein Pläuschchen mit Herren in alten RAINBOW-Shirts oder Pullovern von Karstadt und Damen, die zu URIAH HEEP gehen können, weil die Kinder eh schon ausgezogen sind. Man lächelt und freut sich einfach auf die Band. So eine Atmosphäre würde ich mir auch mal bei anderen Konzerten wünschen. Jeder holt sich ein Getränk - wobei der Weinumsatz deutlich höher sein dürfte als bei Konzerten im Colos-Saal üblich - schwatzt und lacht. Fast pünktlich mit nur zehnminütiger Verspätung geht es los, und zwar direkt mit URIAH HEEP, denn wer vierzig Jahre auf dem Buckel hat, braucht keine Vorgruppe. Auch das ist sicher eine Konzession an das Publikum, denn so manche schmissige Hard-Rock-Band würde sicher gerne die Chance haben, vor einem so großen und offensichtlich rockaffinen Publikum zu spielen. Andererseits sind die Damen und Herren wegen URIAH HEEP hier und sie wollen URIAH HEEP sehen und hören und nichts Anderes.

Als die fünf Musiker die Bühne betreten,  geht die Stimmung tatsächlich von Null auf Hundert. Es gibt keine Eingewöhnungsphase, das Publikum muss trotz fehlender Supportband nicht aufgewärmt werden und auch wenn HEEP damit beginnen, hier muss kein Schläfer geweckt werden. Ihr aktuelles Studio-Album "Wake The Sleeper", dem man nach etwas mehr als einem Jahr des Bestehens attestieren muss, eines der besten Alben der ganzen Karriere der Veteranen zu sein, wird im Laufe des Abends leider nur mit drei Songs gewürdigt. Das ist schade, ich hätte mich persönlich über mehr neue Stücke natürlich gefreut, aber in Anbetracht des Anlasses und der Tatsache, dass es ja ein noch neueres Album gibt mit dem Titel "Celebration", das neben vielen neu eingespielten Klassikern auch zwei unveröffentlichte Stücke enthält, muss man dafür Verständnis haben. Diese beiden neuen Stücke 'Only Human' und 'Corridors Of Madness' kommen im Laufe des Abends zu Liveehren und werden relativ früh in die Setlist integriert, die anfangs sehr schön zwischen alt und neu wechselt. Schon beim fünften Song wird mit dem uralten 'Bird Of Prey' tief in die Schatzkiste gegriffen. Um die Achterbahnfahrt zu verdeutlichen, hier mal die Jahreszahlen, aus denen die jeweiligen Stücke stammen: 2008 / 1975 / 2009 / 2008 / 1970 / 2009 / 1995 / 1972.

Danach regieren allerdings nur noch die Klassiker. Das eingestreute 'Angels Walk With You' von "Wake The Sleeper" wirkt im zweiten Teil etwas deplatziert, kann aber der Stimmung nicht schaden, die sich bei 'The Wizard' noch steigert. Danach ermuntert Sänger Bernie Shaw die Anwesenden zum Mitsingen, was bei dem Hit 'Free Me' unnötig ist. Hunderte Kehlen sind dabei, vor allem die Damen geraten mächtig in Wallung dabei. Die Freude der Fans überträgt sich auch auf die Band. Dabei gilt URIAH HEEP ohnehin als Gute-Laune-Kapelle, aber selbst Mick Box, der sich anfangs hinter einer dunklen Brille und oft hinter einem Vorhang aus mittlerweile sehr hellen Haaren verbirgt, stellt mit fortschreitender Dauer des Gigs ein immer breiteres Grinsen zur Schau.
Mittlerweile habe ich mich ein wenig zurückgezogen und stehe an der Seite an der Bar, von der ein Teil bereits von den Fans übernommen worden ist, weil man von hinter dem Tresen so gut gucken kann. Die Colos-Saal-Crew trägt es mit Fassung, Bestellungen, Geld und Getränke werden einfach durchgereicht. Regelmäßige "Ach, du bist auch hier?"-Rufe künden davon, dass die gesamte regionale ehemalige Rockerschaft der Jahrgänge 1955 bis 1970 den Weg hierher gefunden hat. Wie ein großes Klassentreffen - und für viele auch ebenso nostalgisch.

Besondere Show-Einlagen gibt es keine, die Band rockt bodenständig, spielfreudig und agil ein hundertminütiges Set, das, wie soll es anders sein, mit 'Easy Livin'' endet. Der Song wird von Mick angesagt als "erster Heavy Metal Song aller Zeiten". Na, mein Guter, hätte es da nicht auch "einer der ersten" getan? Der Song stammt aus dem Jahr 1972, vorher gab es das gleichnamige Album von BLACK SABBATH, und auch DEEP PURPLEs "In Rock" waren schon dagewesen. Aber das ist egal, offensichtlich treffen die Herren den Nerv des Publikums, das noch einmal richtig aufdreht und sich an die jugendliche Wildheit zurückerinnert. URIAH HEEP können natürlich nicht gehen, ohne 'Lady In Black' gespielt zu haben. Also kommen sie für den Song gerne noch einmal wieder, und lange hallt das "uh-uh-uh – ah-ah-ah – ah-ah-ah" durch den Club.

Trotzdem ist jetzt Feierabend nach einem mitreißenden Auftritt. Ein Blick auf die Uhr enthüllt: Es ist kurz vor Zehn. So früh war ich noch nie wieder raus aus einem Konzertsaal. Aber trotz des relativ hohen Eintrittspreises von 30 Euro gibt es nur glückliche Gesichter, denn Club und Band haben alles richtig gemacht. Klar, ich hätte gerne noch Sachen wie 'Between Two Worlds', 'Words In The Distance' und 'Tears Of The World' gehört, aber darum geht es bei dieser Tour nun einmal nicht. Mal sehen, was die Band auf dem nächsten Trek zum Besten gibt, da wird sicher eine ganze andere Setlist zum Vorschein kommen.

Setlist: Wake The Sleeper, Return to Fantasy, Only Human, Book Of Lies, Bird of Prey, Corridors of Madness, Love in Silence, Rain, The Wizard, Free Me, Sunrise, Free 'n' Easy, Gypsy, Angels Walk With You, July Morning, Easy Livin', Zugabe: Lady In Black

Redakteur:
Frank Jaeger

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