United Metal Maniacs - Open Air 2004 - Friedersdorf bei Bitterfeld

15.06.2004 | 08:10

29.05.2004,

Mit leichter Verspätung betreten gegen 18.00 Uhr REQUIEM die Bühne. Die sind nicht zu verwechseln mit REQUIEM aus der Schweiz, welche letzte Woche auf dem "Fuck The Commerce" einen Auftritt hatten. Im Gegensatz zu denen spielen die drei Brandenburger hier soliden Death Metal ohne Spirenzchen. Sie freuen sich über ihren Auftritt, der ja noch recht kurzfristig zum fertigen Line-Up hinzukam. Als Opener machen sie ihre Sache gar nicht schlecht. Schließlich sollen die Leute Spaß haben! Mit gesunder Selbstironie kündigt ihr Sänger den letzten Song an: "Wenn ihr noch mal richtig schlecht moshen wollt, dann tut das jetzt!" Also los, da zuckt auch die nackte blonde Mosh-Puppe, die links oben an der zirka vier mal fünf Meter großen Bühne aufgehangen ist und in der sich langsam senkenden Sonne schmort. Wäre sie aus Fleisch und Blut, würde sich ihr Körper innerhalb weniger Stunden in eine aufgeplatzt Wurst verwandeln. So bleibt sie aber übers Wochenende aufgeblasen da oben hängen.
Hier unten vor der Bühne haben sich inzwischen um die fünfzig Leute eingefunden um zu KRVAVA PRACE aus Tschechien ihre Häupter im Wind wehender Haare zu kühlen, obwohl deren Black-Death-Metal-Mischung nicht besonders spektakulär ist. Man könnte die Zeit auch nutzen um bei den fünf Plattenständen sein Geld zu lassen oder Aufnäher zu kaufen. Man denkt aber, es wäre cleverer solche Erwerbungen erst am nächsten Tag zu tätigen. Denkt man und geht die fünfzig Meter zurück zur Bühne.
Dort kommt einem die hagere Sängergestalt von DEVIL LEE ROT in engen schwarzen Nylon-Leggins von der Box entgegengesprungen. What a man! Die tiefen Augenringe und hängenden Tränensäcke in seinem Gesicht lasen ahnen, was er schon alles erlebt hat und womit er die meiste Zeit verbracht hat: bösen Heavy Metal zu singen und zu leben. Mit AUTOPSY TORMENT sind er und sein Gitarrist ja auch schon eine Weile (seit 1989) am Hartstahl schmieden. Der Spaß daran ist ihnen nicht vergangen, es ist eine Freude mit diesen Typen zu 'Metal Dictator', 'I Am Evil' oder 'Metalizer' abzugehen und übermütig die geballte Faust in den Himmel zu strecken. Da ist die Vorfreude auf morgen groß, wenn die Hälfte der Band noch mal auf der Bühne stehen wird.
Düsterer geht es da bei den Portugiesen von CORPUS CHRISTII zu, die nur für diesen Gig nach Deutschland gekommen sind. Am helllichten Tag betreten sie klassisch mit Corpse-Paint die Bühne. Unterstütz werden sie von einer gar nicht freundlich guckenden Frau am Bass. Die Nebelmaschine leistet ganze Arbeit um das in Rot und Blau getauchte Set halbwegs düster und bedrohlich wirken zu lassen. Alsbald verschwindet ihr Drummer, der auch bei FUNERAL MIST die Stöcke schwingt, im Dunst. Besonders abwechslungsreich ist ihr kompromissloser Black Metal zwar nicht, aber dafür entwickelt sich langsam eine schwüle und diabolische Atmosphäre vor der Bühne. Dort haben vielleicht dreihundert Mann Platz und in etwa so viele sind jetzt auch hier. Hypnotisiert, nicht zuletzt vom Anblick der ganz in enges schwarzes Leder gehüllten Bassistin, folgen am Ende der Show rund hundert Begeisterte dem Ruf: "Hail, Hail...(Master Satan)". Bei soviel Zuspruch, hat sich für die Band der weite Weg echt gelohnt!
Bis jetzt ist dieses Festival die reinste Blasphemie. Um so erstaunlicher ist es da, dass sich unter all die kaputten Metaller auch ahnungslose Zivilisten verirrt haben. Den ganzen Tag schon fahren hier mal mehr mal weniger interessiert oder schockiert dreinschauende Fahrradfahrer, groß, klein, dick, dünn, am Festival-Zaun vorbei. Was der Anblick all dieser benieteten, schwarzen, von Sonne und Bier aufgedunsenen Gestalten wohl für Eindrücke hinterlassen haben muss? Manche sind so neugierig, dass sie sogar eine Eintrittskarte kaufen um sich das Festival von innen anzuschauen. Ob ihnen wohl die oldschoolige Black-/Thrash-Mixtur der Schweden von DIABOLICAL gefällt? Wenn nicht, dann überzeugt zumindest der Bierpreis und die gute Stimmung! Derweilen spielen DIABOLICAL den Tod an die Wand. Den typischem Schweden-Sound haben sie ganz klar verinnerlicht (Göteborg grüßt!), aber auch ein bisschen alte KREATOR klingen durch. In jedem Fall liefern sie eine kraft- und auch humorvolle Mischung. Es ist schon irgendwie ein surrealer Anblick, wenn ein paar Dutzend Metalheads "We are the children of the mushroom cloud" grölen. Der so betitelte Song macht wirklich weich in der Birne, insbesondere mit dem psychedelischen Sample aus orientalischen Räucherhöhlenklängen in der Mitte. Noch mitreißender ist das auf und ab wirbelnde 'Vertigo', ein echter Bang-Genuß! Da möchte man gar nicht mehr aufhören. Doch die Zeit drängt, es stehen noch drei Bands aus.
Inzwischen ist es dunkel geworden, als die deutschen DARK FORTRESS die Bühne betreten. Wieder räuchert die Nebelmaschine alles zu, gedämpfte rote und blaue Scheinwerfer tauchen das Set in ein mystisches Licht. Schemenhaft sind die schattigen Umrisse der sechs Bandmitglieder zu sehen. Alles ist still, während das Keyboard-Intro ertönt. Dann tritt langsam die geschundene schwarz weiß geschminkte Sängergestalt in einem zerrissenen Hemd ans Mikro und beginnt mit dem Einsatz der sägenden Gitarren ihr dämonisches Gekeife. Die elegischen Melodien, die sehr an gloriose DISSECTION-Meisterwerke und alte SATYRICON erinnern, nehmen die dicht gedrängte Meute vor der Bühne in ihren Bann. Magie, Epos, Sehnsucht und Aggression erfassen den Ether über den Köpfen der lauschenden Menschen. Bei Songs wie 'Warlord' werden die dunklen Geschichten der Lieder fast Wirklichkeit. Es überkommt einen ein fröstelndes Gefühl und als DARK FORTRESS nach ihrem fesselnden Auftritt schon längst die Bühne verlassen haben, steht man immer noch starr in der abendlichen Dämmerung.
Ohnehin ist es kühler geworden, neben der Bühne lodert nun ein großes Lagefeuer und erhellt den finsteren Nachthimmel. Ein warmer Met wär jetzt schön, aber kalter tut's auch. Viel Zeit für Romantik bleibt eh nicht, denn gleich sind die Schweden von IN BATTLE am Start und die pflücken keine Blumen. Mit Black-/Death-Metal-Attacken und paganen Riffs ebnen sie ihr Schlachtfeld. An ihrer Spitze tobt ein echter Nordmann. Der kahlköpfige Sänger mit einem "Norrland"-Aufdruck auf seinem Shirt wütet wie ein wildgewordener Pit-Bull auf der Bühne. Dabei lässt er mürrisch die Unterlippe bis zum Zeh herunterhängen. So ganz will er nicht ins Bild einer ursprünglichen Black Metal-Band passen. Aber auch der Bassist mit seinem blonden Topfschnitt und dem lackierten Ebenholz-Viersaiter würde sich optisch besser bei einer Jazz-Band einreihen. Um so härter trifft da den schon stark schwankenden Metal-Fan im Publikum die scharfgeschliffene IN BATTLE-Todesaxt, welche hier mit sagenhafter Geschwindigkeit und punktpräzise auf den Mosh-Pult einhackt. Manchem ist das Gefrickel schon zu technisch und er nutzt die Zeit noch mal ordentlich am Bitburger-Stand nachzutanken. Andere kriegen den Kopp gar nicht mehr hoch vor Begeisterung und versinken im Geschwindigkeitsrausch. Zu Stücken wie 'The Rage Of The Northmen' darf man sich ruhig mal richtig großartig fühlen. Aber auch der neu Song 'King God' verdreht ordentlich die Hirnwindungen. Halb so wild, denn Zeit zum Geraderücken gibt es danach erst mal genug.
Bestens gelaunt und neugierig muss man auf das Highlight des Tages noch ganz schön lange warten. Zwischendurch taucht immer mal wieder ein Mann in silbergrauer Leggins und glänzend poliertem Genitalschutz auf der Bühne auf und drapiert sorgfältig ein Schädelchen nach dem anderen auf der Bühne. Am Ende ist kaum noch Platz zwischen den ganzen Requisiten. Dann Stille, Nebel, kurzzeitig ist es stockfinster. Mit laut knallenden Pyros ist die spannung endlich gebrochen. GODDESS OF DESIRE entern die Bühne. Im Flammenschein sind die fünf Helden aus Holland in voller Pracht zu bewundern: In der Mitte steht Sänger, Bassmann und Heeresführer "Count August" mit Pelzumhang und benieteten Knieschützern. Flankiert wird er zur linken vom neuen Gitarristen "Lord Arydon" und zur rechten vom zweiten Sänger und Gitarristen "Grev Drake", dem ein Kindsschädel aus dem Schritt grinst. Im Hintergrund sitzt mit pelzigen Schulterpolstern ein neuer "Bastard" am Schlagwerk. Was für eine Kostümierung! Die Freak-Show kann beginnen! Die Achtziger sind noch immer nicht vorbei. Im Moshpit bricht die Hölle los. Wildes Gejubel, lachende Gesichter. Die höchst energische Heavy-/Thrash-Mischung sorgt für mordsmäßigen Spaß. Überwältigt und völlig begeistert stürmen die Fans die Bühne zum Sprung in die tosende Menge unter ihnen. Doch zu langes Posen strafen die Securities mit einem heftigen Stoß von der Bühnenkante. Aus den Stage-Divern werden fliegende Holländer. Einer der Wachmänner entschuldigt sich sogar: "Ich will das ja gar nicht, aber wenn ihr so derbe abgeht!" Ganz unrecht hat er nicht, bei dem ganzen Feuer. Aber die echten Geschütze fehlen ja noch: zwei Tänzerinnen in Lack und Leder mit Opferkelch und Fackel kommen auf allen vieren angekrochen. Lasziv wälzen sie sich auf den Monitorboxen und mutieren schließlich zu Flammen speienden Ungeheuern. Dann wird ein riesiges Pentagramm hereingefahren, kurze Zeit später geht es in Flammen auf. Mit einem Feuerwerk vom oberen Bühnenrand endet schließlich die berauschende Show. Kaum zu glauben, dass die Jungs Mitte der Neunziger nur aus Spaß als Cover-Band angefangen haben. Cover-Songs? Ähm, die Show ist optisch so fesselnd, dass man gar nicht daran denkt sich diese zu merken. 'Electric Funeral' von BLACK SABBATH und 'We Are Motörhead' waren auf jeden Fall dabei. Aber die eigenen Songs der Holländer geben genug Sex, Blasphemie und Sadismus her, als dass sie sich mit fremden Lorbeeren schmücken müssten. Zwei Zugaben lassen sie sich noch entlocken, dann ist entgültig Sense.
Aber Stille herrscht deswegen noch lange nicht! Schlafen kann man ein ander Mal. Das Wochenende wird durchgefeiert bis Montag Morgen. Wer nicht seine eigene Beschallschachtel dabei hat, wird im Festzelt bestens versorgt. Ein Lob an den die dunkle Gestalt dort am DJ-Pult! Versteckt in einer finsteren Ecke hinter Tarnnetzen macht er alle glücklich. Von IRON MAIDEN über KREATOR, SODOM, CELTIC FROST und BATHORY hin zu SATYRICON bis ENSLAVED am frühen Morgen, von denen er gleich mal die ganze "Monumension" durchlaufen lässt, ist alles dabei. Endlich mal einer, der diese Scheibe verstanden hat und damit die Sonne aufgehen lässt! Man fühlt sich göttlich und schwerelos in dieser Lichtflut, kann gar nicht fassen, dass die Nacht schon vorbei ist. Hatte man nicht gerade noch zusammen mit NOCTURNAL BREED deren verlorengegangenen Drummer Thomas wiedergefunden? Überwältigt von einer Whiskey-Flut hatte der sich im Stroh vom Partyzelt langgemacht. Eine Minute später kann er schon wieder unter seinem Cowboy-Hut hervorgrinsen und seine Wünsche kund tun: "Show me your tits!" (Er ist MÖTLEY-CRÜE-Fan.) Da ist die Spannung umso größer, ob die Jungs ihren Auftritt heute Abend glatt über die Bühne bringen. Nur für dieses Festival sind sie extra aus Oslo hergeflogen und verbringen nun ganze vier Tage in Bitterfeld, einem ziemlich trostlosen Ort. Da gibt es neben Saufen wirklich nicht viele Möglichkeiten die Zeit totzuschlagen.
Immerhin gibt es beim Camping-Platz einen großen Restlochsee. Gitarrist Tom scheut sich nicht morgens die vier Kilometer vom Hotel dorthin zu laufen und ins blaue Nass zu springen. Danach erzählt der hagere Mann mit dem schütteren Haupthaar, der nebenbei schon lange als Tonmeister tätig ist und für den End-Mix vieler Black Metal-Klassiker (von DIMMU BORGIR, SATYRICON, AURO NOIR und zuletzt DARKTHRONE) verantwortlich war, über seine neusten Projekte: "Wir werden mit NOCTURNAL BREED im Herbst ein neues Album aufnehmen und es wird noch rauer klingen, als die bisherigen." Außerdem ist bereits die neue Scheibe von DODHEIMSGARD, wo er ja auch noch die Saiten zupft, fertig. "Wir hatten im letzten Jahr große Probleme. Ständig änderte sich die Besetzung und zuletzt hat sich unser Drummer verabschiedet, als die meisten Stücke schon aufgenommen waren. Wir haben zwar schon einen neuen, aber der fühlt sich noch nicht sicher genug die Stücke live zu spielen. Daher mussten wir auch unseren Auftritt beim "Hole In The Sky" (großes Festival im norwegischen Bergen - Anm. d. Red.) absagen." Schade, aber die Ankündigung eines neuen Albums lässt Vorfreude keimen!
Derweilen steht die Sonne über uns fast im Zenit. Ahnungslos verbringen wir noch eine Weile am See. Hätten wir uns doch einen schattigen Platz gesucht...
(Fortsetzung folgt)

Redakteur:
Wiebke Rost
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