Vader/Septic Flesh - Darmstadt

03.06.2008 | 15:44

25.05.2008, Steinbruch-Theater

Ich muss zugeben, ich mag das Steinbruch-Theater in Darmstadt als Location für Konzerte. Es ist einfach toll, Bands, die man sonst in großen Hallen sieht, hautnah auf einer winzigen Bühne stehen zu haben. Dabei hat man schon fast Proberaum-Flair, wenn man die Schweißtropfen der Gitarristen beim Headbangen abbekommt. Ich kenne eine ganze Menge Leute, die das anders sehen, besonders weil der Steinbruch für die eine oder andere Soundkatastrophe "berüchtigt" ist. Und teilweise stimmt das schon, die Akustik ist im dort immer etwas problematisch, weshalb ich immer ein mulmiges Gefühl im Bauch habe, wenn ich dort zu einem Konzert erscheine. Diesmal gab es, für Steinbruch'sche Verhältnisse, nicht sehr viel zu meckern. Was den Sound angeht, habe ich schon viel Schlimmeres erlebt. So waren meine einzigen Probleme diesmal nur die völlig unzuverlässigen öffentlichen Verkehrsmittel, die es verschuldet haben, dass ich von INACTIVE MESSIAH nur die Hälfte mitgekriegt habe. Nun aber genug der Vorrede, los geht's:

Eröffnet wurde der abendliche Reigen von der griechischen Melodic-Death-Metal-Band INACTIVE MESSIAH. Die Jungs geben sich wirklich Mühe, aus dem undankbaren Platz als Anheizer das Beste zu machen. Leider ist das Publikum noch nicht richtig in Stimmung, lässt fast schüchtern noch drei Meter Platz vor der Bühne und kommt nicht über Fußwippen und Kopfnicken hinaus. So richtig möchte die stellenweise gotisch angehauchte Mixtur aus Black-Metal-Elementen und melodischem Death Metal nicht zünden. INACTIVE MESSIAH bekommen so die Nachteile der Proberaumatmosphäre im Steinbruch zu spüren, gerade bei so kleinen Locations ist es oft noch schwerer, genug Aktivierungsenergie für das Publikum zu sammeln. Der Sound ist akzeptabel, aber nicht berauschend. Da ich aus oben genannten Gründen nur der zweiten Hälfte der Griechen beiwohnen durfte, beziehen sich meine Aussagen hier auf eben solche.

Etwas anders sieht es dann bei DEVIAN aus, gibt es im Publikum doch den ein oder anderen, der gespannt ist, wie sich die neue Band von Ex-MARDUK-Sänger Legion schlägt. Ähnlich wie bei INACTIVE MESSIAH will der Funke zu Beginn noch nicht so richtig überspringen. Trotzdem gibt Legion alles, teilweise hat er sogar noch die ausladenden und recht lustig anzusehenden Gesten seiner MARDUK-Zeiten im Repertoire. Auf die in der Vergangenheit für ihn obligatorische Pandabärchen-Verkleidung hat Legion diesmal allerdings verzichtet und wirkt daher sogar fast erwachsen. Die Parade-Poser-Zeiten von damals sind für ihn wohl tatsächlich vorbei. Der musikalische Stil von DEVIAN ist sehr stark im Death-Metal-Fahrwasser angesiedelt und doch irgendwo ein himmelweiter Unterschied zu den Panzerfahrern von MARDUK.

Trotzdem weiß die Musik zu gefallen, klassische Death-Metal-Uptempo-Stellen wechseln sich mit schön schweren Nackenbrecher-Moshparts ab. Gewürzt wird das Ganze stellenweise mit gitarrenlastigen Frickeleien. Somit sind nach den ersten zwei Liedern auch die ersten Mutigen zu sehen, die sich in die Leere vor der Bühne stellen und ein wenig moshen. Allerdings muss ich gestehen, dass Legions Stimme live etwas dünn klingt, den Eindruck hatte ich bei den paar Liedern von DEVIAN, die ich Vorfeld schon gehört hatte, nicht. Soundtechnisch sind die Schweden akzeptabel, allerdings sind die Jungs die am schlechtesten gemischte Band des Abends. Teilweise scheint der Mann am Pult auf die Falschen Regler gekommen zu sein, so klingt für zehn bis zwanzig Sekunden die Doublebass-Drum wie eine Popcornmaschine - nur furchtbar laut.

Gespannt war ich auf SEPTIC FLESH, die ebenfalls wie INACTIVE MESSIAH aus Griechenland stammen. Da SEPTIC FLESH ja stark auf klassische Elemente sowie teilweise Frauengesang setzen, musste diesen Part komplett die Konserve übernehmen. Zu hören war davon nichts, die Einspielungen saßen alle perfekt und waren auch sehr gut abgemischt. SEPTIC FLESH haben offensichtlich einen wesentlich größeren Fankreis als ich bisher angenommen habe, denn schon beim ersten Ton findet sich ein harter Kern Fans vor der Bühne ein, die begeistert mitgrölen und die Männer um Spiros Antoniou abfeiern. Und eben dieser verfügt über eine richtig krasse Stimme, vor allen Dingen, wenn man ihn live sieht. Dass dieser schon fast schmächtige kleine Kerl so ein Wahnsinns-Organ hat, finde ich sehr beeindruckend. Die Growls sind richtig schön tief und voll, sehr gut!

Die musikalische Ausrichtung von SEPTIC FLESH ist in erster Linie Death Metal mit gewissen Einflüssen aus Gothic und Klassik. Allerdings halten sich die Griechen mit Ausflügen dieser Art etwas zurück, so wirken die Songs nicht überfrachtet oder kitschig. Der geneigte Fan bekommt Lieder wie 'We The Gods' oder 'Red Code Cult' um die Ohren geballert und dankt es mit heftigen Mosheinlagen. Soundtechnisch gibt es hier diesmal (wie gesagt, für den Steinbruch) nichts zu meckern, der Klang ist durchweg akzeptabel. Insgesamt legen SEPTIC FLESH einen sehr guten Auftritt hin, den Jungs gelingt es wunderbar, die Meute für das aufzuwärmen, was etwas später noch folgen soll.

Und das ist niemand anders als das Death-Metal-Urgestein VADER aus Polen. Die Männer um Piotr "Peter" Wiwczarek betreten die Bühne und verwöhnen die Masse mit einer wunderbar aggressiven Ballerorgie direkt in die Fresse. Eröffnet wird mit 'Dark Age', die Fans gehen vom ersten Ton an mit. Fast augenblicklich entwickelt sich ein großer Moshpit, in der Mitte des Raums haben wir sogar einen Circle. In direkter Folge auf 'Dark Age' hören wir 'Vicious Circle' und spätestens jetzt gibt es kein Halten mehr. Der Sound bei VADER ist sehr gut, so guten Sound habe ich bisher im Steinbruch noch nicht erlebt. Man hört alles, die Instrumente sind fast perfekt abgemischt.

Was mir bisher noch nicht so richtig bewusst war ist, was VADER für einen göttlichen Ersatz für Doc (R.I.P.) gefunden haben. Dieser hört auf den Namen Dariusz "Daray" Brzozowski und schüttelt die irrsinnigen Doublebass-Attacken so locker aus dem Ärmel, als würde er sich gerade auf einer Kaffeefahrt befinden und Heizdecken bestellen. Daray wirkte schon fast gelangweilt dabei, trotzdem ist das Drumming nur mit einem Wort zu beschreiben: unglaublich.

Was ich an VADER ebenfalls sehr zu schätzen weiß, sind die tollen Vocals von Peter. Diese geben den Polen eine ganz eigene Note. Ich mag es an VADER, dass Peter eigentlich fast kaum growlt, sondern eher "tief singt" und trotzdem so abartig böse klingt. Außerdem funktioniert Peters Organ auch zwischen den Songs: der Mann hat eine Stimme wie ein Märchenerzähler, ich bin mir sicher, der könnte damit Geld verdienen. Der Kontrast zwischen totalem Death-Metal-Gebolze und danach Peters schon fast einlullende Stimme, mit der er lächelnd den nächsten Song ansagt, zaubert mir ein ums andere mal ein Grinsen ins Gesicht. Insgesamt kommen die Polen furchtbar charismatisch herüber.

Viel Zeit zum Ausruhen gibt es nicht, die Setlist ist gespickt mit den ganzen Perlen, die VADER in ihrer inzwischen schon fünfundzwanzig Jahre andauernden Karriere angesammelt haben. Wir hören 'Chaos', danach 'Silent Empire' und als wäre es noch nicht genug, direkt im Anschluss 'Epitaph'. Absolut geil! Peter holt kurz Luft, lächelt ins Publikum und schon fliegt uns das Anfangsriff von 'Carnal' um die Ohren. Da gab's dann auch für mich kein Halten mehr, obwohl ich alleine im Bruch aufgekreuzt bin, hab ich mir 'Carnal' im Circlepit gegeben. Irgendwie merke ich dabei aber schon, dass ich langsam älter werde. Meine Lunge zickt schon nach eineinhalb Minuten rum, Anfang der Zwanziger war das noch kein Problem. Trotzdem, ab 'Carnal' bleibe ich dann direkt vorne im Moshpit und genieße den Rest des Konzerts, das in keinster Weise nachlässt, wir hören unter anderem 'Black To The Blind', 'Reign Forever World' und 'Helleluyah!!! (God Is Dead)'.

Nach 'The Crucified Ones' verlassen die Polen die Bühne und werden frenetisch abgefeiert. Zugabe-Chöre schmettern hinterher, und VADER lassen sich auch nicht lange bitten. Der finale Todesstoß wird der Menge dann mit SLAYERs 'Raining Blood' versetzt, der ganze Raum bäumt sich noch ein letztes Mal auf und gibt alles, bevor einfach keine Kraft mehr vorhanden ist. Einfach großartig!

Zusammenfassend lässt sich zum VADER-Gig sagen, dass es wirklich beachtlich ist, wie die Polen auch nach fünfundzwanzig Jahren immer noch mit solch einer Spielfreude in den kleinsten Schuppen stehen. VADER spielen immer noch überall da, wo es eine Steckdose gibt, trotzdem lassen sie nicht nach. Vor dieser Leistung ziehe ich gerne meinen Hut, Bands wie TESTAMENT sollten sich davon eine Scheibe abschneiden. Letztendlich gehe ich erschöpft und zufrieden nach Hause und bin froh, VADER in solch einer kleinen Location mal erlebt zu haben.

Fotos mit freundlicher Genehmigung von Leonard Kötters.

Redakteur:
Hagen Kempf

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