WITH FULL FORCE 2011 - Roitzschjora

18.07.2011 | 15:31

05.07.2011, Flugplatz

Kälte, Sturm, Regen - lasst die Wasserschlacht beginnen!

SAMSTAG - 02. Juli 2011

Ein Tag kann gar nicht besser anfangen als mit ein wenig guter Musik. Wenn es sich dann noch um leicht kauzigen Stonerstoff handelt, grenzt das an übermäßiges Glück. KYLESA aus Georgia eröffnen den Tag auf der Hauptbühne und blasen mir und den anderen Frühaufstehern ein Lächeln ins Gesicht.

Die Mucke ist mal krachig, mal beschwingt, mal melodisch - also genau das Richtige, um den von der Knüppelnacht gescholtenen Nacken wieder in Form zu bringen. Sehr angenehm!
[Philipp Halling]

Pünktlich zu BETZEFER hält sich auch der gute Freund Regen an der Mainstage auf. Die israelische Hardcore-Band versteht sich jedoch gut darauf, überhaupt keine miese Laune aufkommen zu lassen. Stattdessen hagelt es Frühstücksbeats und Polonaisen. Im Circle Pit wird der Wind von den Jacken abgeschüttelt.

Bei 'Running Against' wird der Knüppel aus dem Sack geholt, bei 'Diamond Director' drischt dieser auf alle ein, welche die neue Platte "Freedom To The Slave Makers" noch nicht besitzen. 'Early Grave' lässt Dreck-Tornados entstehen und 'Doomsday' platziert den Stiefel mitten in des Vordermanns Allerwertesten. Da zischt Sänger Avital Tamir erst mal ein kühles Mittagsbier, während unser Lieblingskräuterlikör mit Regencapes die Werbetrommel rühren lässt. Zitat meines Nachbarns: "Ein geiler Potpourri aus alten und neuen Hits!" Recht hat er. In diesem Sinne: Erhebet die Fäuste für BETZEFER!
[Nadine Ahlig]

Die Sickos von THE BLACK DAHLIA MURDER gehen von Beginn an ordentlich ab. Sänger Trevor macht einen auf Dauerepilektiker und zappelt sich durch die gesamte Spielzeit. Seine Kumpels an Bass, Gitarre und den Drums lassen es ebenfalls gewaltig krachen. Die Berserker aus Michigan erinnern mich an die gestrigen CARNIFEX, nur mit dem Unterschied, dass TBDM was draufhaben und die Songs besser zünden. Die Nähe zum Death Metal ist auch eher erkennbar und das kann gar nicht schlecht sein. Die gierigen Massen vor der Bühne machen dann auch wie gefordert brav einen Circle Pit nach dem anderen, denn es gibt nichts Schöneres als einen gepflegten Gliedmaßengulasch. Hervorragend!

Endlich mal wirklich anständige Musik. ENTOMBED sind ein Garant für schnörkellosen Death'n'Roll und das beweisen sie auch heute wieder einmal eindrucksvoll. L.G. Petrov, seines Zeichens Sänger bei den Schweden, ist sichtlich gut drauf, rennt von einem Ende der Bühne zum anderen und freut sich dabei bis zum Anschlag über die begeisterten Gesichter im Publikum. ENTOMBEDs Groove packt einen direkt bei den Eiern und verharrt dann in dieser Quetschphase. Der Bass blubbert und die melodiösen Gitarrenparts sind quasi das zuckersüße Pendant dazu. Hier kann man einfach mal die Seele baumeln lassen. So gehört sich das für einen Festivalauftritt. Immer wieder gern!
[Philipp Halling]

Mit CALLEJON geht nun eine deutschsprachige Hardcore-Band an den Knüppelstart. Die Zombieparty kann beginnen und so hagelt es Strohhüte und Sticker vom Ficken-Stand welche gierig aufgehoben und an diverse Mädels verteilt werden. Manche Dinge ändern sich eben nie. So sind sie, die 'Kinder der Nacht', traditionell brechen Circle Pits aus. Das Volk schreit leidenschaftlich aus vollem Halse, sogar bebrillte Superhelden nehmen sich einmal die Zeit. Der Vogel wird jedoch bei 'Sommer, Liebe, Kokain' mit der Wall of Arsch abgeschossen, welche genau so ist, wonach sie eben klingt. Der Regen und das Miesewetter haben bei den Leuten, die noch nicht vorzeitig abgereist sind, nicht die minimalste Chance das Bier in der Hand schal werden zu lassen. Mit Sackgassen hat dieser Auftritt nichts zu tun. Hoch die Becher für CALLEJON!

Bei TERROR wird der Name zum Programm. Egal ob vorne, hinten oder seitlich in der Masse, das frisch erworbene Bier wird nach oben geschleudert und die Arme des ohnehin schon zwei Köpfe größeren Nachbarn gefährlich nahe in die Höhe gerissen. Auf das aufgezogene Unwetter scheißt hier jeder. Intelligenzbatzen ziehen sich erst einmal bis auf die Unterhemden aus, um coole Moves auf dem matschigen Acker hinzulegen. Wer die New-School-Hardcore-Band aus Kalifornien noch nie live erleben durfte (?), kann es sich bildlich vielleicht nicht vorstellen, aber bei dieser Band wird die Phrase "es fliegen Gliedmaßen durch die Luft" blutende Realität. Es scheint als würde in jedem Besucher plötzlich der angeborene Jäger hervorbrechen. Die Kampfstellung wird eingenommen und die Zähne gefletscht. Gruselig, gruselig. Auf die Ohren gibt es derweil aggressiven, metallischen Punk/Metal, lyrisch wird auf zwischenmenschliche Beziehungen eingegangen. Wer also TERROR sucht, der weiß an wen er sich wenden muss.  
[Nadine Ahlig]

Terror der amüsanten Sorte gibt es derweil im Hardbowl. Die mächtigen KASSIERER laden zum Konzertabend. Natürlich ist das Zelt brechend voll, denn den nackten Wölfi und seine Kumpanen will wirklich niemand verpassen. Mit 'Besoffen sein‘ und episch lauten "Saufen, saufen, jeden Tag nur saufen'-Sprechchören beginnt eine Stunde voller Magie, herzerfrischenden Volksmusiknummern wie 'Blumenkohl am Pillerman‘ und erstaunlichen Entdeckungen wie 'Im Sauerland kann man teleportieren'. Alles wie gehabt? Mitnichten, denn heute bleibt der stets rauchende, Text ablesende und Biertrinkende Spaßbär ungewohnt bedeckt. Nur einmal zieht er für wenige Sekunden völlig blank. Vielleicht liegt es am Special Guest der Show, denn niemand anderes als Leandra Ophelia Dax (APOPTYGMA BERZERK, LEANDRA) übernimmt bei 'Komm mach die Titten frei' den finalen Gesangspart - und ja, Wölfi macht sich nackig. Das Publikum will mehr Weiblichkeit und so entert sie bei 'Mein Glied ist zu groß' erneut die Bretter, die die Welt bedeuten. Fein, fein, fein. Love!
[Enrico Ahlig]

Ein typisches Klassik-Intro schallt aus den Boxen der Mainstage, dann brettern SATYRICON mit 'Possesed' los. Ganz ohne Rekordlächzendem Warmprügeln von Schlagzeuger Frost? Was ist denn hier los? Für kurz vor Acht hat sich ziemlich wenig Publikum vor der Bühne eingefunden, orangefarbene Regencapes überwiegen, angesichts des losbrechenden Regens suchen die meisten Schutz unter irgendwelchen Ständen.

Doch ein besseres Unwetter kann es zu der Black-Metal-Legende eigentlich nicht geben. "I don't care about the rain", tönt Fronter Satyr hinter seinem diabolischen Mikroständer hervor und schiebt mit seinen Mitstreitern sogleich 'Black Crow On A Tombstone' hinterher. Die Saitenfraktion übt sich im Synchron-Bangen, ein neuer Keyboarder haut in die Tasten und ein Black 'N' Roll-Hit wie 'K.I.N.G.' darf natürlich ebenso wenig fehlen wie die Granate 'Commando'. Dann greift Satyr – wie immer mit ärmelloser, schwarzer Weste, massig Gel in den zurück geklatschten Haaren und schwarzer Augen-Tünche – auch mal selbst zu 'Fuel For Hatred' zur Gitarre. Der Regen tropft derweil schon vom Bühnendach, während sich Satyr perfekt wie arrogant selbst inszeniert. Mal in Opernsänger-Manier, mal ruhig abwartend vor dem letzten Song – der natürlich 'Mother North' heißen muss. Ohne Intro schmettern die sechs Norweger den Bandklassiker gen grauen Himmel, ehe Satyr die lichte Menge die Ohrwurm-Melodie mitsingen lässt. Ende, aus, wie immer über alles erhaben. Trotz oder gerade bei schlechtem Wetter.
[Carsten Praeg]

Bei den wiedervereinigten Cavalera-Brüdern Max und Igor wird das Auditorium dann angehalten, eine Stunde lang durchzuhüpfen, denn die Musik der brasilianischen Blutsbande ist prädestiniert für Jump-Attacken der Güteklasse A. Der zahnlose CAVALERA CONSPIRACY-Meister Max hat die Massen sofort in der Hand. Vor der Bühne ist es trotz des nicht aufhören wollenden Regens brechend voll, denn dieses Spektakel will sich niemand entgehen lassen. Das obligatorische 'Roots Bloody Roots' darf auf keinen Fall fehlen. Hier werden die mit Wasser vollgesogenen Klamotten noch einmal in die Luft gestemmt und die letzten Reserven aus den ausgelaugten Körpern gepumpt. Ob man nun Max Cavalera sympathisch findet oder nicht, eines muss man ihm und seiner Band lassen: Sie schaffen es, live eine unglaubliche Energie freizusetzen, und das ist es letztendlich, was die Besucher hier wollen. Dickes Entertainment!
[Philipp Halling]

"It's great to be back!" hallt über den Acker, dann bollert mit HATEBREED die Band los, die für die WFF-Macher die Idee des Festivals schlechthin präsentiert – Metal und Hardcore gemischt, und zwar direkt in die Fresse! Zwar schüttet es wie Sau, trotz vorherigem Aufwärmen im beheizten Auto ist man schon wieder klatschnass, und manch einer zieht den Live-Plasma im Pressezelt vor. Doch das tut der Stimmung vor der Hauptbühne keinen Abbruch.

Sänger Jamey Jasta fordert die Fans zu gleich drei Pits auf einmal auf – irgendwie muss der Riesen-Circle-Pit von HEAVEN SHALL BURN rund um den Tonturm im Jahr zuvor ja getoppt werden. Nebelfontänen schießen in die Luft, der mit schwarzem Mike-Muir-Kopftuch und trotz Kälte mit Shorts versehene Jamey veranstaltet Schattenboxen mit dem Bühnenboden, während Matt Byrne mit CANNIBAL-CORPSE-Mütze auf sein Schlagzeug einprügelt. Derweil wurde der Bühnengraben mit Holzbrettern ausgelegt – damit die armen Fotografen nicht ausrutschen oder doch eher die finster drein blickenden Securitys? Strobo-Gewitter flackert, während MAMBO KURT im VIP-Zelt nebenan schon mal seine Heimorgel für die After-Show-Party aufbaut. Dann kurze Pause auf der Bühne, die aber nicht lange währt. Denn ein Konzert der fünf Amis ohne den Pogo-Garant 'Proven' und den Tanzflächenfüller 'I Will Be Heard' geht selbstredend gar nicht. Und dann nichts wie rüber vor die trockene Zeltbühne zum Saturday Night Fever. Beim Feuerwerk zuvor wird im VIP-Zelt kurzerhand der Strom abgedreht, woraufhin auch die Bierversorgung abgeschnitten ist. Und die letzten vier bereits gezapften Gerstensäfte schnappt sich direkt vor meiner Nase – DISBELIEF-Sänger Jagger. Besten Dank auch! ;-)

Das Saturday Night Fever ist traditionell jene Nacht, bei dem am ehesten Show- und Spaß-Acts auftreten. Und wer könnte jene Samstagnacht passender einläuten als "Deutschlands meiste Band der Welt", KNORKATOR aus Berlin. Und das Hauptstadt-Trio (plus zwei Live-Musiker) mimt sogleich eine Ampel-Koalition: Gitarrist Buzz Dee ganz im roten Zwirn, Keyboarder Alf Ator im gelben Gewand und Sänger Stumpen im grünen Ganzkörper-Kondom. Passend zum Opener 'Der ultimative Mann' bleibt das grasfarbene Dingens aber nicht lang am Leib und der Glatzköpfige Frontmann präsentiert der lechzenden Meute seine Maori-Tattoos. Die Songtexte bleiben derweil auf höchstem Niveau, lyrische Ergüsse wie ‘Ich will nur ficken’ oder Pfurzgeräuche. Die Fanschar geht mit, als es von Stumpen aka Gero Ivers  einen ganzen Song lang mit dem iPhone gefilmt wird oder der Unterhosenträger den Kontakt sucht, gleich frontal in die Menge springt und Crowdsurfen mehr wie Strampeln und Kraulen aussehen lässt. Wer einen Apfel auf die Bühne befördert, bekommt ihn postwendend zurück geschmissen – aber erst, nachdem das Baumgewächs kurz in Stumpens Unterhose Platz genommen hat. Lecker. Einen neuen Song gibt’s dann auch, die BEASTIE-BOYS-mäßige Nummer 'Refräng', dessen Refrain Herr Ivers sogleich vom Publikum mitsingen lässt. Der Text ist schließlich leicht zu merken, schlicht und einfach "Refräng". Mit breitem Grinsen, gegenseitigem Auf-die-Schulter-Klopfen und Shakehands verlässt die Band dann die Bühne. Hat Spaß gemacht wie immer und vorübergehend für echt gute Laune trotz Scheißwetters gesorgt. Wenn auch durchaus 'Wir werden alle sterben' gefehlt hat. Wer noch mehr Stimmung vertragen kann, macht sich schnell zurück zu MAMBO KURT ins VIP-Zelt.
[Carsten Praeg]

Redakteur:
Enrico Ahlig

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