WITH FULL FORCE 2011 - Roitzschjora

18.07.2011 | 15:31

05.07.2011, Flugplatz

Kälte, Sturm, Regen - lasst die Wasserschlacht beginnen!

SONNTAG - 03. Juli 2011

"Herzlich willkommen zu Moral und Wahnsinn!" Mit den APOKALYPTISCHEN REITERN steigt der Launepegel bemerkenswert. Es fällt auf, dass, wenn eigentlich alles nicht schlimmer sein könnte, man irgendwann auf alles sch*** und die Party automatisch steigen kann. Ganz nach dem Motto "es wird schlimmer als es ist...".  Sternenkonfetti regnet auf uns herab, während Dr. Pest seine Peitsche drohend schwenkt und Matschmonster ihre Kreise ziehen. Fuchs fällt auf, dass nur wenigen hier die Sonne aus dem Arsch scheint. "'Friede sei mit dir' - in Ewigkeit"! Während man bei 'Hört auf‘ über Matching Theorien, Sterilisationen und Präimplantationstechniken nachdenkt, wird Fuchs' Textzeile – "Hört auf...!" - begleitet von einem Stromausfall. Nun ja, Zeit für Faxen und Striptease auf der Bühne.

Der Tourmanager wedelt Fuchs über die Bühne, während Dr. Pest drohend mit seiner Peitsche hinter den Technikern her rennt. Noch nie hatte man einen Stromausfall so lustig empfunden. Eine Wall of Death gibt's trotzdem. Wer braucht schon Musik dazu? Weiter geht's mit 'Moral und Wahnsinn', Gasmasken, Schlammtänzen und 'Seemann'. Danke für die Stimmungsaufhellung!
[Nadine Ahlig]

Die melodischen Anfangsnoten von 'Hordes Of Chaos' suchen ihren Weg durch den eisigen Wind, dann rasen KREATOR los. Als Doublebass-Fan freut man sich natürlich über die voll aufgedrehte Lautstärke des Schlagzeugs, auch wenn das etwas zu Lasten der Leadgitarre geht. Um die Schießbude herum sind Treppen aufgebaut, die von den Essener Kult-Thrashern auch beim folgenden 'Warcurse' eifrig genutzt werden. "Danke, dass ihr trotz des Scheißwetters geblieben seid", bedankt sich Fronter Mille eifrig. Und angesichts der bereits abreisenden Scharen nimmt sich die Menge für einen Co-Headliner tatsächlich recht mickrig aus. Mille will den Anhängern beim Aufwärmen helfen, fordert "einen Matschpit von links bis rechts". Crowdsurfer haben's angesichts der gelichteten Reihen schwer, lange oben zu bleiben, während das Quintett Thrash-Granaten wie 'Enemy Of God', 'Phobia' oder 'Violent Revolution' raushaut. Kurz vor Schluss schwenkt Mille eine rote Fahne passend zu 'Flag Of Hate', das direkt in den Rausschmeißer 'Tormentor' übergeht. Jetzt ist einem wenigstens wieder etwas wärmer.

Zum Headliner scharrt sich vor der Mainstage noch mal alles zusammen, was noch auf dem eisigen Festivalgelände ausharrt – obwohl der Himmel pünktlich ein letztes Mal seine Schleusen öffnet. Nach einem MOTÖRHEAD- und einem Klassik-Intro legen die vier dänischen Rockabillies mit 'Guitar Gangsters & Cadillac Blood' los. VOLBEAT sind wie immer gut drauf, vor allem ihr Frontman Michael Schøn Poulsen: Der fordert die Fans zum kollektiven Armeschwingen auf, beschwört die Einheit zwischen Metal, Punk und Rock'n'Roll und kippt sich aus Solidarität mit dem im Regen stehenden Publikum eine Flasche Wasser über den Kopf. "Johnny Cash would be proud of you", ruft die Schmalzlocke und widmet 'Sad Man's Tongue' dem Country-Helden. Immer wieder laufen die Gitarrenschwinger zu Hits wie 'Still Counting' oder 'Radio Girl' über den großen, beleuchteten Laufsteg rund ums Schlagzeug. Dann gibt’s richtig was auf die Ohren: Zum Abschluss feuert das Quartett die ersten Takte von SLAYERs 'Raining Blood' von der blutrot beleuchteten Bühne. So ganz ohne die Thrash-Heroen kommt eben kein Full Force aus. Ein letztes Mal die Gitarren empor recken, dann sind anderthalb Stunden Rock'n'Roll-Party viel zu schnell wieder vorbei. Applaus, winken und ab zum Last Supper.
[Carsten Praeg]

Sunday Night - Last Supper Time! Bevor MOONSPELL, ARKONA und SAMAEL uns den letzten Knüppel um die Ohren hauen, lockern wir zusammen mit SOLSTAFIR unsere Nackenmuskulatur auf. Pikanter Psychedelic / Stoner Rock. Apathisch starren die Jungs ins Leere oder benommen auf ihre Instrumente. Während der zweiten Konzerthälfte fängt Aðalbjörn Tryggvason plötzlich an etwas ins Mikro zu brummeln. Denkt man an Island, denkt man an Asche spuckende Vulkane und Vergessenheit. Denkt man aber an SOLSTAFIR, steht innere Ausgeglichenheit auf der Stirn. Nach Tagen des Dauerregens könnte eine Band nicht besser die Gedanken eines With-Full-Force-Besuchers beschreiben. Wer sich noch auf diesem Festival befindet, hält sich jetzt in der Tentstage auf - dennoch gleicht der Anblick einer Geisterstadt. Geschlossene Augen, verträumte Gesichter, Joints und Schnapsbecher. Bands wie SOLSTAFIR bringen heute Nacht Menschen ein Stück näher zusammen. Mögen sie gesegnet sein.

Passend zu der romantischsten Metalband überhaupt - MOONSPELL - fängt es jetzt auch noch zu blitzen und zu donnern an. Mit dem selten gespielten 'Wolfshade' lösen die rassigen Portugiesen sofort eine Bombenstimmung aus. Es riecht nach feurigem Brusthaar, es klingt nach brennender Liebe. Leidenschaft pur! Schaut man sich die Location an, ähnelt es jedoch einem Trauerspiel: Nur noch wenige Besucher sind erschienen. Doch die paar Hanseln feiern die Südländer, als würde es kein Morgen geben. Mit 'Vampiria' schreien Herzen und 'Alma Mater' lässt die Fäuste in die Lüfte schnellen. Das letzte Quäntchen Leben spiegelt sich im bangenden Haupthaar wider. Fronter Fernando setzt zur obligatorischen Ansage an und verkündet "Full Moon..." - Schreie im Publikum nach der Hymne werden laut, doch wird er plötzlich zurückgepfiffen. Der Pitch ist noch nicht fertig. Keine Bange, pfeffern wir einfach noch ne Runde 'Opium' hinterher bevor dann 'Full Moon Madness' diesen glorreichen Auftritt beendet. Akustisches Liebesspiel!
[Nadine Ahlig]

Um 1 Uhr nachts haben sich für ARKONA zunächst gerade mal zwei mickrige Zuschauerreihen im Zelt eingefunden. Was sich aber schnell ändert, als die vier Russen plus eine Sängerin nach einem recht übersteuerten Intro die Bühne stürmen, behängt mit Fellen und traditionellen russischen Gewändern. Nach einem Song ist auch endlich Sängerin Masha gut zu hören, die mal Abgrundtief grunzt, mal lieblich trällert. Dazu gibt’s Akkordeon-Klänge, Dudelsack, Rasseln und auch mal ein kleines Horn. Das Publikum hüpft, tanzt Polka-Pogo und schwenkt georgischen Fahnen. Nur zur Polonaise will sich dann doch niemand animieren lassen, und so bleibt es beim Zwei-Mann/Frau-Versuch. "Super, my friends, Dankeschön!" ruft Masha, ehe die nächste Pagan-Folk-Metal-Granate aus den Boxen kracht. Eine nette Feier, nach der man gleich gefragt wird, wer da eigentlich gerade auf der Bühne stand. Den einen oder anderen neuen Fan dürften ARKONA sicherlich hinzu gewonnen haben.

Strobolicht treibt einem um 2 Uhr die Müdigkeit aus den Augen, als SAMAEL mit 'Luxferre' los bollern. Wie lange der Rezensent dieser Zeilen sich live nicht mehr mit den vier Schweizern befasst hat, merkt er daran, dass er den inzwischen blonden Sänger Vorph noch dunkelhaarig in Erinnerung hat. Ein ziemliches Versäumnis, denn der rot gewandete Frontman und seine drei Mitstreiter reißen zur späten Stunde ein mehr als solides Set runter. Wobei auch ein Drumcomputer live für einen verdammt harten Sound sorgen kann. Vorph lässt die Fans den Refrain von 'My Saviour' mitsingen und präsentiert den neuen Song 'Empty God', eine ziemlich epische Wuchtbrumme.

Selbst die Security wird von der guten Stimmung mitgerissen, tanzt im Fotograben, post für letzte Fotos und verbeugt sich zum abschließenden 'What A Wonderful World' von Louis Armstrong. Um direkt im Anschluss dann wieder ihr wahres Gesicht zu zeigen und die Leute postwendend vom Festivalgelände zu schmeißen. Am nächsten Morgen um 10:30 Uhr klopfen zwei Securities ans Auto, um darauf hinzuweisen, dass bis 12 das Gelände zu räumen ist. Um dann bereits eine halbe Stunde später per Megaphon zu verkünden, dass man endlich abhauen soll. Bezeichnend für das für mich persönlich mit großem Abstand beschissenste Festival der vergangenen zehn Jahre, auch wenn zugegebener Maßen niemand was für das miese Wetter kann. Und Tschüss!
[Carsten Praeg]

Redakteur:
Carsten Praeg

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